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Vorwort zur zweiten Auflage

Dem Wunsche des Herrn Verlegers, die Arbeit meines teuren Freundes Hansen für den neuen Druck durchzusehen, habe ich gerne nachgegeben in dankbarer Erinnerung an den so früh Entschlafenen, der mit dieser Übersetzung angefangen hatte, an der Aufgabe sich zu beteiligen, die den schleswigschen Theologen sonderlich beschieden zu sein scheint, nämlich die Vermittler zu machen zwischen der lutherischen Kirche des skandinavischen Nordens und Deutschlands. Dieser Aufgabe widmete er seine Kräfte und seine Studien, wie noch seine letzte Arbeit bezeugt, die Schrift über den Grundvigianismus, sein Wesen und seine Bedeutung, Kiel 1863.

Kierkegaard hat im Norden durch seine Schriftstellerthätigkeit großes Aufsehen gemacht, nicht nur in seinem Vaterlande Dänemark, sondern auch in Norwegen und Schweden; noch immer haben die von ihm aufgeregten Wogen sich nicht ganz wieder gelegt. Er ist für die skandinavische Kirche eine geschichtliche Persönlichkeit geworden, und dieser Umstand wird es bei allen hinlänglich rechtfertigen, daß die vorliegende Schrift in einer neuen Auflage geboten wird. Zwar ist Kierkegaard auch in deutschen Kirchengeschichten wie bei Hase und Kurtz genannt, aber im allgemeinen weiß man doch in Deutschland wenig von ihm, wie ja überhaupt die Kenntnis der kirchlichen Zustände des Nordens bei uns eine ziemlich beschränkte ist. Aus der Feder eines Skandinaviers, des Norwegers J. C. Heuch, brachte die Zeitschrift für die gesamte lutherische Theologie und Kirche im Jahre 1864 einen Aufsatz über Kierkegaard, der die von Hansen auf den nächsten Blättern gegebene Skizze wesentlich ergänzt und sehr verdient gelesen zu werden. Und in der Zeitschrift für Protestantismus und Kirche 1868 Bd. 55 S. 119 ist von einem der dänischen Kirche mit Liebe und Aufmerksamkeit zugewandten Manne in Aussicht gestellt, er werde »das Bild dieses originellen, dänischen Denkers« zeichnen. Von den Schriften Kierkegaards selbst jedoch ist unseres Wissens noch keine ins Deutsche übersetzt als die Sammlung seiner letzten kirchenstürmenden Aufsätze unter dem Titel: »Staat, Christentum und Kirche«. Diese aber, abgesehen davon, daß die Übersetzung für deutsche Leser fast ungenießbar ist, zeigt den Schriftsteller auf einem Irrwege, zu dem er zwar seiner ganzen Eigentümlichkeit nach hinneigte, den er aber doch erst am Ende seines Lebens wirklich betrat. Da erscheint uns ein Mann, der nicht nur die Schäden und Unwahrheiten des landläufigen Staatskirchentums schonungslos aufdeckt, sondern der auch die kirchliche Gemeinschaft selbst auflöst und das Amt der Kirche als solches bekämpft, der den einzelnen in unverständiger Weise losreißt vom Leben des Ganzen in der Gegenwart und in der früheren Geschichte und damit den Bestand der Kirche wie die Gesundheit des christlichen Einzellebens bedroht. Solches das Bild des Verirrten. Dagegen enthalten die nachfolgenden Blätter, die aus einer früheren Lebenszeit stammen, das Bild eines Mannes, der mit tief einschneidendem Ernste alles unwahre Wesen, wie es in der Christenheit unserer Tage herrscht, enthüllt und straft; der allem christlichen Scheine entgegentritt und die trügerischen Reden und Gründe, mit denen man sich selbst so gerne, um dem Ernste des göttlichen Wortes aus dem Wege zu gehen, täuscht und belügt, in ihrer ganzen Nichtigkeit und Nichtswürdigkeit darlegt. So erfordert es schon die Billigkeit, jenem Bilde gegenüber auch das der besseren Zeit zu erneuern; und wie diese Reden Kierkegaards bei ihrer ersten Wanderung durch Deutschland manchen zur Besinnung über sich selbst gemahnt haben, so wird es ihnen vielleicht auch jetzt, wo sie den Weg von neuem beginnen, gegeben hie und da einen zur Buße zu rufen, damit er mit allem Ernste und in aller Wahrheit ein christliches Leben führe in der Gemeinschaft der Brüder.

Erlangen 1869.

Prof. G. Plitt.


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