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Weinsberger Weiberlist
im Jahre 1849

Eine wahre Begebenheit

                »Des Zuzugs Trommeln schallen,
Weib! meinen Heckerhut!
Und sollt ich heut noch fallen,
Blut muß ich trinken, Blut!«

»Blut?« spricht das Weib, »hast Fieber!
So darfst du nicht von Haus!
Trink, eh du Blut trinkst, lieber
Dies volle Schnapsglas aus!«

Er trank, was sie ihm reichte,
Sprach dann: »Mir wird so dumm!«
Er gähnte und erbleichte
Und fiel, sich brechend, um.

Das Weib schrie: »Gott erbarme!
Dem Heldentode nah,
Stirbst du in meinem Arme
Nun an der Cholera!«

Sie schleppt ihn in die Kammer,
Legt ihn ins Bett hinein,
Dort seufzt er: »Welch ein Jammer!«
Und schläft laut schnarchend ein.

Und als er spät erwachte,
War's ihm, als wenn voll Hohn
Es auf der Gasse lachte
Und schrie: »Sie kehren schon!«

Auf reißt er schnell das Fenster
Und sieht, o welch Geschick!
Sie schleichen wie Gespenster
Vom Zuzug bleich zurück.

Sie zogen aus mit Wehren,
Sie kehren, o der Schmach!
Als Krebse ohne Scheren,
Zwölf Reiter hinten nach.

»Das ist ein Anblick tödlich«,
Sprach er: »Gott, welch ein Graus!
Weib! sage mir doch redlich:
Zog ich denn nicht mit aus?« –

»Nein! sei getrost, mein Lieber!«
Sprach sie, »das konnt nicht sein,
Ich gab dir für dein Fieber
Im Schnapse Brechweinstein.

Und was darauf geschehen,
Dem denke jetzt nicht nach!
Du hattest kleine Wehen,
Die haben große Schmach!«

Sie sprach's und ging zum Herde,
Er sprach kein Wörtlein – doch
Daß er den Bart abscherte,
Sah sie durchs Schlüsselloch.

Das Weib, dem dies gelungen,
Vom alten Weinsberg ist,
Dort lebt noch in den Jungen
Die alte Weiberlist.


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