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Verwandlung

Ein kleiner Saal im Rathaus zu Münster.

In der Mitte der Rückwand eine breite Tür. Der größte Teil der Rückwand besteht aus Glasfenstern, die den Blick in einen Gang erlauben. Links und rechts Türen.

Der Saal ist fast kahl. Links ein paar gegen die Wand gestellte Sessel und Stühle und ein langer schmaler Tisch.

Es ist gegen Mittag. Die Sonne scheint in den Saal. Der Saal ist leer.

Fernes, wirres Geschrei. Dann Stille.

Tilbeck bleich, wie von Sinnen, kommt rückwärts durch die Tür links; er läßt das Schwert fallen, setzt sich auf einen Stuhl, steht auf, lehnt sich gegen den Tisch, schlotternd. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns. Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens.

Durch die Tür links treten rasch ein:

Rottmann, Krechting, Gert tom Kloster, Knipperdolling. Erschöpft und zerfetzt. Waffen in der Hand.

Krechting. Wir können das Rathaus nicht länger halten, Brüder. Sie haben schon die Treppe und den großen Saal besetzt.

Gert tom Kloster rasend: Der Satan hat sie geführt!

Rottmann voller Angst, aber entschlossen: Sie sollen Rottmann nicht lebendig in die Hände bekommen!

Knipperdolling. Alle Teufel sind auf dem Wege nach Münster! Schlage sie mit einer Keule nieder, Herrgott im Himmel! Auch das Rathaus verloren, Brüder! Es war die letzte Feste Münsters.

Tilbeck. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns ...

Knipperdolling. Bist du von Sinnen, Tilbeck? Brüder, Tilbeck hat den Glauben seiner Kindheit wiedergefunden. Er lacht bitter. Wir müssen uns zu den andern durchschlagen! Zur Wagenburg auf dem Domplatz!

Dusentschur stürmt durch die Türe rechts in den Saal. Er sieht eher einem Dämon ähnlich als einem Menschen. Er ist halbnackt, Hose, zerfetztes Hemd, mit Blut und Schweiß bedeckt. Trägt ein Beil. Hosiannah! Wo sind sie, die Abgesandten der Hölle?

Knipperdolling. Zurück, Dusentschur. Es ist ohne Sinn. Sie überschwemmen schon Treppen und Säle.

Dusentschur ist durch nichts zu halten. Schwingt das Beil: Heilig, heilig ist der Herr Zebaoth! Dreht sich um, als feuere er eine unsichtbare Gefolgschaft an. Her zu mir! Folgt mir, ihr himmlischen Heerscharen, daß ich euch den Satan zeige! Die Posaunen lasset klingen! Hosiannah! Er stürzt durch die Tür links hinaus.

Knipperdolling mit wilder Entschlossenheit: Vorwärts, Brüder, nehmt das Schwert in beide Hände! Hat der Herr unseren Untergang beschlossen, so soll er sehen, daß wir für seine Ehre kämpfen bis zum letzten roten Tropfen. Durch oder tot!

Rottmann. Sie sollen Rottmann nicht lebendig in die Hände bekommen!

Krechting. Im Namen des lebendigen Gottes!

Gert tom Kloster. Durch oder tot!

Sie eilen durch die Mitteltüre.

Tilbeck sinnlos, schlotternd: Gnade, Gnade, Herr. Ich habe gesündigt, ich bereue. Schwankt durch die Mitteltüre.

Johann kommt durch die Tür rechts. Nach einigen Augenblicken folgt ihm Divara.

Johann ist still, ruhig, gefaßt und ergeben. Wie in einem Traum befangen. Er trägt eine Art Kutte, die zerfetzt ist. Er ist barfuß. Divara ist in großer Angst, doch versucht sie sich zu beherrschen.

Johann. So habe ich dein Zeichen falsch gedeutet, mein Vater im Himmel? Er steht still. Deine Stadt in die Hände der Heiden gegeben –!

Divara. Johann!

Johann. Deine Weisheit hat alles wohl erwogen. Dein Name sei gelobt in alle Ewigkeit!

Divara. Töte mich, Johann! Ich will nicht in ihre Hände fallen. Umklammert seine Knie. Ich habe Angst vor ihnen.

Johann. Zittre nicht, Divara. Denke an den Erlöser am Kreuz, wenn sie das Schwert zücken.

Divara. Töte mich, Johann. Ich war ein sündiges Weib. Ich habe Sünde über Sünde auf mich geladen.

Johann. Gott ist ein milder Richter.

Divara. Ich habe Hille Feiken in den Tod getrieben. Ich habe sie betört, in das Lager des Bischofs zu gehen. Ich habe gebetet, daß sie nicht wiederkommen möge, Johann. Ich wollte nicht, daß Hille dein Weib werde.

Johann. Gott kennt wohl das Herz der armen Kreatur.

Divara. Johann! Nur aus Eitelkeit und Hoffart bin ich dein Weib geworden. Ich liebte Mathys noch, als ich schon dein Weib war. Besuchtest du mich in der Kammer, so schloß ich die Augen und dachte, es sei Mathys.

Johann. Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms.

Divara beschwörend: Johann, ich trage ein Kind von dir unter dem Herzen. Habe Erbarmen und töte mich um deines Kindes willen.

Johann reißt sie empor: Schwöre, daß du die Wahrheit sprichst!

Divara. Ich schwöre, Johann.

Johann. Schwöre bei deiner Seligkeit! Schwöre bei der Seligkeit Mathys’!

Divara. Ich schwöre bei meiner Seligkeit und der Seligkeit Mathys’!

Johann in höchster freudiger Erregung: Gottes Gnade ist ohne alle Grenzen! – Fort, Divara, fort! Rette dich! Es wird ein Sohn sein! Gott hat mir einen Sohn gegeben, daß er mein Werk vollende! Fort, Divara! Es ist ein Befehl an dich ergangen!

Divara klammert sich an ihn: Ich will leben um deines Sohnes willen, Johann!

Johann. Um deines Sohnes willen wird Gott dich beschirmen. Fort!

Divara gläubig: Führe mich, Johann!

Beide eilen durch die Mitteltür.

Der Saal bleibt längere Zeit leer. Dann hört man Waffenklirren und Stimmen.

Einige bischöfliche Offiziere treten laut und lachend durch die Türe links in den Saal.

Zuletzt Meinhard von Hamm.

Meinhard von Hamm. Das Rathaus ist in unserer Hand! Meldet es den Feldherrn! – In mancher Schlacht habe ich gefochten, ihr Herren, manche Burg und Stadt habe ich gestürmt. Ich bekenne es offen: niemals habe ich einen solchen Kampf erlebt. Was noch zu tun ist, besorgt, ihr Herren! Zieht sie aus den Häusern, den Kellern, den Betten. – Übt keine Gnade! Die Anführer allein nehmt gefangen! – Die Täufer haben sich zu einem letzten Widerstand in die Wagenburg am Domplatz geworfen. Feuert aus den Häusern auf sie, bis sie um Gnade flehen. Und wenn sie die Waffen abgegeben haben, schlagt sie nieder, Mann für Mann! Das Blut soll den Boden Münsters rot färben für alle Zeiten. Wir kümmern uns nicht um die Abmachungen mit den evangelischen Fürsten und freien Reichsstädten. Der Bischof wird uns Dank wissen.

Dritter Offizier kommt durch die Mitteltüre mit einigen Knechten: Knipperdolling ist gefangen. Sie haben ihn niedergeschlagen mit Spießen.

Die Offiziere. Knipperdolling!

Dritter Offizier. Zwanzig Knechte waren nötig, ihn zu bändigen. Krechting ist gefangen. Tilbeck haben sie in Stücke gerissen, er bettelte um sein Leben. Rottmann, der Prediger und der Holländer Gert tom Kloster wurden im Kampf erschlagen.

Meinhard von Hamm drohend: Und Johann?

Dritter Offizier zuckt die Achseln.

Geschrei draußen.

Dritter Offizier. Sie rufen: Johann ist gefangen!

Alle. Johann gefangen!

Meinhard von Hamm. Führt ihn hierher! Und sein Weib?

Dritter Offizier. Es verlautet nichts von Divara.

Meinhard von Hamm. Seht zu, daß uns Johanns Weib nicht entkommt! Hundert Gulden hat der Bischof auf den Kopf der Metze gesetzt.

Erster Offizier. Der Bischof, wird gemeldet, ist soeben in Münster eingeritten und nähert sich dem Rathaus.

Meinhard von Hamm. Gehen wir Seiner fürstlichen Gnaden entgegen, ihr Herren!

Meinhard von Hamm mit seinem Stab rasch ab durch die Mitteltür. Der Saal ist eine Weile leer.

Lärm. Gelächter. Die Tür rechts wird aufgestoßen. Vier Kriegsknechte, zerlumpte Burschen, stoßen Johann durch die Türe. Johanns Kutte und Hemd sind noch mehr zerrissen. Er ist jetzt totenbleich. Seine Augen glühen. Die Knechte haben ihm eine Krone aus Papier auf den Kopf gesetzt.

Erster Knecht. Spute dich, Johann!

Zweiter Knecht. Bist doch sonst so rasch gewesen und über die Erde geflogen wie ein Engel.

Dritter Knecht. Hast du nicht gesagt, du kannst in Köln und Straßburg zur gleichen Zeit sein?

Vierter Knecht. Eine Frage, Johann –

Erster Knecht. Sage mir eines, große christliche Majestät: Wie weit ist es von Münster bis zum Himmel? Ich wette, du wirst rascher zum Himmel kommen als der Himmel nach Münster. Gelächter.

Zweiter Knecht. Da du doch ein Schneider bist, Johann: kannst du mir meinen Hosenlatz so fest zunähen, daß kein Weibsbild in der Welt ihn aufmachen kann, so will ich an dich glauben und dich anbeten. Gelächter.

Dritter Knecht. König der Christenheit, ich will eine Frage an dich richten. Was ist das? Spuckt ihm ins Gesicht. Was ist das? Laß dein Licht leuchten. Seht, er zerbricht sich den Kopf! Das ist die Wiedertaufe, die du gelehrt hast. Gelächter.

Vierter Knecht. Deine sechzehn Weiber, Johann?

Erster Knecht. Wo sind sie? Zeige sie uns.

Zweiter Knecht. Hast du alle sechzehn gleichzeitig beschlafen? Lehre uns das Kunststück und wir wollen gegen den Bischof rebellieren und dich zum König ausrufen über das Münsterland.

Johann betrachtet sie mit fiebernden Augen: Versündigt euch nicht, ihr Schelme.

Die Knechte drohend: Versündigen? An wem? An dir?

Johann. Es ist eine zu große Erhöhung für mich, wenn ihr mich schmäht wie die Kriegsknechte den heiligen Christ geschmäht haben!

Erster Knecht erhebt die Faust: Willst du dich mit Christus vergleichen? Stößt ihn hart an. Die Papierkrone fällt von Johanns Kopf.

Johann. Das sei ferne von mir. Ich bin ein armer sündiger Mensch.

Durch die Glasfenster in der Rückwand erblickt man den Bischof mit Gefolge.

Zuerst treten einige Offiziere ein. Dann der Bischof mit einigen geistlichen Würdenträgern. Darunter Johann v. Raesfeld und Dr. Melchior. Zuletzt die Feldherren und Obersten, darunter Meinhard von Hamm.

Der Bischof nimmt auf einem Sessel Platz, den man ihm hinschiebt. Er sieht staubgrau aus. Der Triumph hat seine grauen Wangen mit leichter Röte geschminkt. Er beachtet vorerst Johann nicht. Erst als das Gefolge sich gruppiert hat, hebt er das Gesicht und betrachtet Johann lange. Er bekreuzt sich. Die geistlichen Herren folgen seinem Beispiel.

Bischof, das Blut steigt ihm in das graue Gesicht. Er erhebt sich in größter Erregung, schreit: Achthunderttausend Goldgulden hast du mich gekostet! Achthunderttausend Goldgulden! Mein Stift Münster ist auf ein Menschenalter verpfändet, ich bin ein Bettler geworden. Not und Elend hast du über das Münsterland gebracht!

Johann. Das lügst du, Pfaffe! Du selbst hast es getan, nicht ich. Du hattest freies religiöses Bekenntnis allen Bürgern Münsters gelobt. Du bist es, der die Waffe erhob! Erregung des Gefolges.

Johann von Raesfeld. Darf ich Eure fürstliche Gnaden an Eure Gesundheit mahnen.

Bischof setzt sich, ruhiger: Seht ihn euch an, ihr Herren! Seinetwegen lagen wir achtzehn Monate vor Münster. Wie viele Gestalten hat der Satan schon angenommen, um die Welt zu verderben! Seht, diesmal hat er die Gestalt des Schneiders aus Leyden angenommen.

Johann. Bischof, es ziemt dir nicht –

Johann von Raesfeld. Schweige! – Geschäftsmäßig, kalt und haßerfüllt. Gestehst du, Johann Bokelson, der Schneider aus Leyden zu sein? Jener Johann, der sich König vom neuen Tempel nannte, auch König im neuen Zion, auch König der neuen Christenheit?

Johann. Ich leugne es nicht. Schreibe es ruhig hin, Schreiber.

Dr. Melchior hat mit seinen Gehilfen an dem schmalen langen Tisch Platz genommen, um das Protokoll aufzunehmen: Ei, du Schelm! Ich bin Doktor der Universität von Göttingen.

Johann von Raesfeld. Bekennst du dich schuldig des Aufruhrs, der Meuterei, der Zusammenrottung gegen die Obrigkeit, den Bischof Franz von Iburg und Münster, eingesetzt von Papst und Kaiser über das Erzstift Münster?

Johann. Ich kenne keine weltliche Obrigkeit. Wohl weiß ich, der Adel wählt die vom Adel und der Papst trägt die gleiche Haube wie die Fürsten.

Johann von Raesfeld. Du hast das heilige Sakrament der Taufe und Ehe geschändet, du hast –

Johann. Wo steht in der Schrift etwas von der Kindertaufe und der Ehe geschrieben? Es sind menschliche Sakramente und nicht von Gott eingesetzt. Aber: Es geht ja nicht um Taufe und Ehe und Messe. Es geht um den Inhalt. Nicht schöne Worte und Gebete tun es. Zweierlei gehören zum rechten Christen. Daß er an Christus wahrhaftig glaubt und daß er heilig wandelt in allen seinen Geboten. Weshalb ereifert ihr euch also, ihr Heuchler? Unruhe.

Johann von Raesfeld. Du hast alle göttliche und weltliche Ordnung geschändet, indem du die von Gott in seiner Weisheit eingesetzten Stände aufhobst und den Knecht dem Herrn gleichsetztest und offen die Empörung predigtest!

Johann. Das ist die Lehre Christi und nicht die meinige!

Erregung. Alle springen empört auf.

Johann von Raesfeld bleich vor Zorn: Es steht dir übel an, zu prahlen, Johann. Noch heute wirst du vor dem Richter im Himmel stehen und er möge dir gnädig sein.

Johann. Es geschieht nichts ohne seinen Willen.

Johann von Raesfeld voller Haß: Johann, dein Urteil ist gesprochen und besiegelt! Es ist bewiesen, daß du eine boshaft-viehische, im Reiche nicht geduldete Religion in Münster eingeführt hast. Du hast die Sakramente verunehrt und das Volk gegen Eid und Pflicht gegen die Obrigkeit zur Widersetzlichkeit aufgewiegelt, viehische Laster verübt. Das aber ist dein Urteil: Mit glühenden Zangen sollst du gerissen werden, dann wird man dir einen glühenden Dolch ins Herz stoßen. Dein Leichnam aber wird in einem eisernen Käfig zur Zinne des Lambertiturms emporgezogen werden und dort oben werden ihn die Raben fressen.

Johann weicht entsetzt zurück.

Johann von Raesfeld triumphierend: Ah, nun zitterst du!

Johann. Ich werde Gott anrufen, mir die Kraft zu geben, damit ich nicht schwach werde. Ich fürchte nicht den Tod. Es ist eine Erhöhung, zur Ehre Gottes zu leiden. Doch fürchte ich die Frage des Herrn: Johann, was hast du mit den Gerechten getan, die ich dir anvertraute?

Bischof. Fast könnte ich Mitleid mit dir haben, Johann. Armer Verführter, armer Johann, Beschützer der Armen, Bettler und Aussätzigen, der du alle Menschen gleich machen wolltest.

Johann hochmütig: Habe Mitleid mit dir selbst, Bischof!

Bischof. Ich bin demütig im Herrn und er allein wird richten. Aber sage mir eines, Johann, laß uns sprechen wie Christen, bevor du in den Tod gehst. Weshalb hast du all das getan?

Johann. Alles was ich getan habe, Bischof, geschah im Auftrage des lebendigen Gottes.

Bewegung.

Bischof. Alles geschah im Auftrage Gottes?

Johann. Alles, Bischof! Ich war nur sein Werkzeug.

Bischof. So ist es auch der Wille des lebendigen Gottes, daß du jetzt gefangen vor mir stehst?

Johann. Du weißt, Bischof, wenn Gott die Berge ansieht, beginnen sie zu rauchen. Nichts geschieht ohne seinen Willen. Er hat diese Prüfung über mich und die Gemeinde verhängt, da wir nicht stark genug im Glauben waren.

Bischof. Nicht stark genug im Glauben?

Johann. Das ist unsere Sünde, Bischof.

Bischof. So straft er dich mit Recht für deinen Übermut, Johann!

Johann. Er tut es, Bischof. Könnte Gott je Unrecht tun? Gott hat mir sein Geheimnis verschlossen, da ich unwürdig war.

Bischof. Du bist jetzt recht demütig geworden, Johann. Aber noch vor kurzem hast du das Maul vollgenommen und verkündet, daß das tausendjährige Reich nahe sei und du seiest sein erster Fürst?

Johann. Wer sagt dir, Bischof, daß Gottes Reich nicht heute beginnt? Du hast Münster genommen, was bedeutet es? In dieser Stunde kann Gott es dir wieder entreißen. Eines aber sage ich dir, Bischof: Kreuzige die Abgesandten Gottes, du wirst immer nur ihren Leib töten. Nicht den göttlichen Befehl, den sie verkünden. Verbrenne uns, wir werden aus der Flamme wieder auferstehen. Wirf uns in das tiefe Meer – wir werden wiederkommen. Wieder und wieder werden neue Boten Gottes aufstehen und immer mehr. Bald wird die Zeit erfüllt sein! Morgen, heute, in dieser Stunde kann Christus über die Erde fahren in seinem Glanz. Was weißt denn du, Bischof? Wer bist du, daß du es wissen könntest? Die Schrift eilet dem Ende entgegen.

Bischof. Armer Verführter! Nicht Gott hat dir diese Gedanken eingegeben, sondern die Hölle hat dich geblendet. Du hast nicht begriffen, daß das Reich Gottes die Ordnung und Ruhe auf der Erde ist und daß es kein größeres Verbrechen gibt als das, diese Ordnung zu stören. Kirche und Obrigkeit, das ist Gottes Reich, eingesetzt von Gott auf Erden. Es ist genug. – Johann, bevor du gehst: Widerrufe, und ich will dich nur mit dem Schwerte strafen.

Johann. Was, Bischof, soll ich widerrufen? Kann ich gegen Gottes Wort gehen? Eher werden die Flüsse zur Quelle zurückkehren. Bin ich auch in deiner Gewalt, so solltest du meiner nicht spotten. Aber wenn du eine Bitte erlaubst, Bischof, so will ich dir danken. Der Bischof nickt. Laß die gefangenen Frauen Münsters nicht in deinen Gefängnissen verfaulen und liefere sie nicht deinen Kriegsknechten aus! Töte sie, wenn du willst. Das ist meine Bitte. Töte sie mit dem Schwert.

Bischof nickt: Ihr habt gehört, ihr Herren!

Johann von Raesfeld. Divara allein sei ausgenommen!

Johann triumphierend: Nie wird Divara euch in die Hände fallen. Gott hat sie hinweggeführt aus Münster.

Bischof. Führt ihn fort!

Johann geht, steht still.

Hänslein, der Irre ist durch die Türe links eingetreten, beginnt zu deklamieren:

Der Würmer und Ungeziefer Hauf,
Die taten mir meinen Trinknapf auf ...

Meinhard v. Hamm. Hinweg! Wachen!

Hänslein faucht wie eine Katze: Diebe! Mörder! Er wird hinausgedrängt.

Johann. Höre, Bischof. Du hast so viele Fragen an mich gerichtet und ich habe sie alle ohne Verstocktheit beantwortet. Darf ich, bevor ich gehe, eine Frage an dich richten?

Bischof. Rede!

Johann. Bischof! Dienst du Gott mit der Lippe oder mit der Tat und Handlung?

Bischof. Ei freilich, diene ich Gott mit der Tat und Handlung, du Verblendeter.

Johann von Raesfeld. Führt ihn hinweg!

Johann. Bischof! Wenn du die Schwelle zur Ewigkeit überschreiten wirst – so werde ich dastehen, ich, Johann! In dieser Welt hast du Gewalt! In jener Welt werde ich sie haben! Und ich werde mit dir vor Gottes Thron treten und harte Klage gegen dich führen und dich der Lüge und Heuchelei anklagen. Und Gott wird dich verwerfen!

Bischof hat sich bleich und keuchend erhoben.

Erregung.

Johann von Raesfeld. Fort mit ihm!

Knechte führen Johann fort. Der Gang draußen, durch die Glasfenster sichtbar, hat sich mit Mönchen mit brennenden Kerzen gefüllt. Die Mitteltür springt auf: Ein Mönch mit einem großen Kreuz wird sichtbar, daneben der bischöfliche Scharfrichter mit Schwert.

Johann bricht in die Knie. Ein Mönch berührt seinen Arm und richtet ihn auf.

Johann mit einem heißen Blick: Gott wird es dir danken, Bruder! Er geht dem Henker mit Fassung entgegen: Der du die Welten und Himmel lenkst – laß dein Reich endlich kommen auf diese Erde, die ohne Friede ist!

Tür schließt sich.

Pause.

Draußen wildes Geschrei, Rufe: Johann! Johann!

Pause.

Bischof erhebt sich: Ihr Herren! Der Anschlag des Satans auf die Christenheit ist zuschanden geworden. Es sollen reitende Boten gesandt werden an alle unsere Nachbarn und Freunde und verkünden: Münster ist in unserer Hand und Johann von Leyden ist gerichtet!

Da die Kirchen entweiht sind, so wollen wir heute abend auf dem Domplatz ein Hochamt abhalten zur Ehre Gottes, und um dem Allmächtigen in aller Demut zu danken.

Der Bischof erteilt den Segen. Während er sich anschickt, den Saal zu verlassen, fällt der Vorhang.

 

Ende

 

Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig

 


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