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Sechstes Kapitel

Abweisung des Kurfürsten von Bayern.
Vertrag mit dem Markgrafen von Ansbach und Zusatzvertrag mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel

Der ganze Feldzug des Sommers 1776 war bekanntlich für die englischen Waffen von seiner Eröffnung an bis Weihnachten entschieden siegreich. Machten sie bis zum nächsten Frühjahr ebenso schnelle Fortschritte, so war die schnelle Beendigung des Krieges in weniger als einem Jahr durchaus nicht unwahrscheinlich. Solange diese günstigen Aussichten dauerten, beeilte sich die englische Regierung durchaus nicht, von den ihr seitens der deutschen Fürsten gemachten Truppenangeboten Gebrauch zu machen; sie wählte vielmehr nur unter den ihr am besten geeignet erscheinenden Angeboten aus, um ihre deutsche Streitkraft in Amerika auf 20 000 Mann zu bringen.

England galt im Verhältnis zu den verkümmerten deutschen Zuständen und namentlich den verschuldeten Fürsten als ganz unermeßlich reich, weshalb seine Kundschaft von letzteren aufs eifrigste gesucht wurde; jeder von ihnen machte dem anderen in der gemeinsten Krämerweise Konkurrenz, jeder wollte einen günstigen Vertrag für sich und glaubte zu verlieren, wenn sein Nachbar schnelleren Erfolg hatte. Als der Ansbacher hörte, daß der Württemberger auch auf dem Markt war, ließ er Lord Suffolk durch seinen Minister insinuieren, daß die württembergischen Stände sich dem beabsichtigten Vertrag widersetzten, daß also voraussichtlich die an eine Verhandlung mit dem Herzog verwandte Zeit verschleudert sein werde. Der Hesse wieder gab dem englischen Minister zu bedenken, daß der Kurfürst von der Pfalz, von dem man auch eine Zeitlang 4000 Mann zu nehmen beabsichtigte, zu viele Katholiken unter seinen Soldaten habe und daß diese für das protestantische England ein zu gefährliches Element seien. An diesen Köder biß natürlich Suffolk an, und trotzdem sich später bei näherer Untersuchung herausstellte, daß die Mehrzahl der Soldaten reformiert und nur die Offiziere meistens Katholiken waren, wurde doch nichts aus dem Vertrag. Es kümmerte den Landgrafen bei diesem uneigennützigen Eifer für das englische Seelenheil natürlich nicht der Umstand, daß er selbst katholisch geworden war.

Die katholischen, besonders die geistlichen Reichsfürsten blieben übrigens ihren alten Verbindungen mit Frankreich treu, so daß England nur mit protestantischen Reichsständen Verträge eingehen konnte. Bloß Bayern, das seit einem Jahrhundert gewohnt war, sich zu verkaufen, wenn es einen fetten Profit zu machen gab, wollte sich selbstredend auch diesmal die günstige Gelegenheit zu einem so gewinnreichen Geschäft nicht entgehen lassen.

In welcher für einen deutschen Reichsfürsten entwürdigenden Weise der alte Kurfürst den englischen Gesandten anbettelte und wie höhnisch dieser ihn abfertigte und für seine Zwecke ausbeutete, wird der Brief Elliotts selbst am klarsten auseinandersetzen:

»Der Kurfürst von Bayern«, schreibt er am 1. April 1776 aus Regensburg an Suffolk, S. P. O. German Princes, Vol. 40. »drückte mir wiederholt aufs wärmste seinen Wunsch aus, mit dem König Subsidienverträge einzugehen, und gab mir aufs unzweideutigste zu verstehen, daß ich mich ihm in keiner Weise angenehmer machen könne, als indem ich eine Verhandlung förderte, auf deren Gelingen er so großes Gewicht lege. Ich antwortete, daß ich keine Befehle in dieser Angelegenheit habe, und mit der Absicht, die Verbindungen des Kurfürsten mit Österreich und Frankreich zu sondieren, tat ich, als wenn ich erstaunt sei, sagte, ich hätte geglaubt, Seine Hoheit seien zu eng mit den anderen Mächten verbunden, als daß Sie ohne deren Zustimmung ihre Truppen habe vermieten können. Obgleich von dem Wunsch beseelt, Ihr zu gefallen, sei ich doch mit einer Menge von Dingen nicht bekannt, so daß ich nicht wagen könne, den Gegenstand zu Hause zur Sprache zu bringen.

Der Kurfürst erwiderte mir dann, daß es ihm ganz frei stehe, über seine Truppen in der ihm profitabelsten, seinen Interessen entsprechendsten Weise zu verfügen. Zugleich bat er mich, seinen Ministern nichts von seinem Wunsch mitzuteilen, da er sich ohne die Aussicht auf einen daraus herzuleitenden Vorteil der Unannehmlichkeit seines Bekanntwerdens nicht aussetzen wolle. Ich glaube kaum, daß der König das Anerbieten annehmen wird; zudem sind die bayerischen Truppen die schlechtesten, die ich in Deutschland gesehen habe. Ich sagte aber, ich wolle die Angelegenheit zu Hause in der gewünschten Weise anregen, Seine Majestät werde natürlich das Ihr bewiesene Vertrauen sehr hoch schätzen. Ich war um so vorsichtiger, die Möglichkeit einer derartigen Verbindung mit Bayern nicht zu zerstören, als die Intimität, mit der mich der Kurfürst jetzt behandelt, mir eine Quelle der besten Information über wichtige Dinge eröffnet, die ich an einem an Österreich und Frankreich verkauften Hof nicht anders erlangen kann, wo der Fürst selbst es für geeignet hält, mich gegen seine eigenen Minister zu warnen.«

Natürlich lehnte Suffolk auf Grund der obigen Schilderung seines Gesandten jede Unterhandlung mit Bayern ab, dessen Truppen zu jener Zeit nach den päpstlichen als die schlechtesten in Europa galten. Ebensowenig erklärte er sich damals geneigt, auf das ihm zuerst durch den Erbprinzen von Hessen gemachte Anerbieten des Fürsten von Anhalt-Zerbst einzugehen, der ihm gern ein Regiment Infanterie überlassen hätte. Dagegen zog er die ihm im Dezember 1776 gemachten Offerten Württembergs und Brandenburg-Ansbachs näher in Betracht und betraute zu Anfang des Jahres 1777 Oberst Faucitt zum sofortigen Abschluß eines Truppenlieferungsvertrages mit einer Mission an die Höfe von Stuttgart und Ansbach.

»Da der Markgraf von Brandenburg-Ansbach« ? so lautet Suffolks Instruktion vom 14. Januar 1777 an Faucitt S. P. O. German States, Vol. 206, Nr. 5. ? »durch einen an mich gerichteten Brief dem König ein kleines Korps für Amerika angeboten hat, das sofort auf 1200 Mann gebracht und marschbereit gemacht werden kann, so erhalten Sie Vollmacht, den betreffenden Vertrag mit ihm abzuschließen. Reisen Sie also unverzüglich nach Ansbach, und erledigen Sie dieses Geschäft so schnell als möglich. Ich kann Ihnen, dem jetzt bereits eine Erfahrung von sechs Verträgen zur Seite steht, überlassen, eine solche Konvention abzuschließen, wie sie der König billigen wird. Suchen Sie also die möglichst besten Bedingungen zu erlangen, und gestatten Sie keine neuen. Als Sie 1775 die ersten Verträge abschlossen, war eine Expedition nach Amerika den Deutschen noch ganz neu und galt, abgesehen von den Schrecken der Seereise, noch für schlimmer, als sie in der Tat ist. Jetzt aber versteht man diesen Dienst besser. Wir brauchen uns also nicht länger übervorteilen zu lassen; suchen Sie namentlich Geld zu ersparen. Möglicherweise hilft die Ansbacher Verstärkung bei der gegenwärtigen Lage der Dinge [die Niederlagen bei Trenton und Princeton waren in England noch nicht bekannt geworden] gar nicht mehr. Dies muß Ihr Hauptgesichtspunkt bei der Bestimmung der Subsidien sein. Diese dürfen nur vom Tag der Genehmigung des Vertrages an und während der aktiven Verwendung der Truppen, nicht aber auf eine Reihe von Jahren gewährt werden und höchstens noch sechs Monate nach dem Krieg fortdauern. Die Löhnung muß mit dem Monate aufhören, in welchem die Truppen zurückkehren. Das Korps selbst muß am 10. März zur Einschiffung bereit sein. Diese Winke mögen Ihnen als Richtschnur dienen.«

Faucitt kam in den letzten Januartagen 1777 in Ansbach an und ließ sich sofort dem Markgrafen vorstellen. Christian Friedrich Karl Alexander, der 1757 die Regierung von Ansbach angetreten und 1769 Bayreuth geerbt hatte, 1791 aber sein Ländchen an Preußen überließ, war vom Scheitel bis zur Sohle der deutsche Landesvater des 18. Jahrhunderts. Seine Mutter hatte darauf bestanden, daß er auf einer republikanischen Universität studierte, damit er dort den Wert der bürgerlichen Tugend desto besser zu erkennen und zu würdigen lerne. »Ansbacher Monatsschrift«, 1794, 8°, III, 4. Heft Infolgedessen wurde der Prinz der Studien halber nach Utrecht geschickt, scheint aber den Absichten der verständigen Frau gar nicht oder höchstens in sehr geringem Grad entsprochen zu haben.

Da wir seinesgleichen schon in den hessischen und braunschweigischen Fürsten kennengelernt haben, so können wir uns hier füglich seine nähere Charakteristik ersparen. Bei diesen Menschen ist alles Schablone, sowohl die abschreckende Einförmigkeit ihrer inneren Leere und Hohlheit als ihre geistlose Übereinstimmung in äußerer Verschwendung und Prunksucht. Von Urgroßvater und Großvater an haben sie alle dieselbe Schule der Entfremdung vom deutschen Wesen, der bedientenhaften Erniedrigung vor dem Ausland und der despotischen Gewalt gegen die eigenen Untertanen durchlaufen. Die naiv-derbe, wenn auch oft rohe Eigenart der deutschen Fürsten des 16. und teilweise des 17. Jahrhunderts ist durch den Versailler und den Venezianer Firnis, durch den halb zivilisierten, halb zivilisierenden, französischen und italienischen Einfluß zurückgedrängt. Darum bleibt es sich im Grunde auch gleich, ob der eine Landesvater eine französische oder der andere eine englische Mätresse hat; ob der Ansbacher mit einer in carrarischem Marmor gehauenen Büste Voltaires auf seinem Arbeitstisch prahlt oder ob der Kasseler einen Fürstenkatechismus in Voltaireschen Redensarten schreibt. Ebensowenig ist es charakteristisch, daß der Markgraf eine Armee von Kammerherren, Hofjunkern und Kammerjunkern hält und daß zur Bestreitung des Unterhalts dieser Tagediebe das Genuesische Lotto eingeführt wird, denn dieser ganze Unfug findet sich bei seinen sämtlichen Kollegen wieder. Noch weniger befremdend ist es aber, daß die bürgerlichen, an den Ansbacher Hof gezogenen Damen dort kein deutsches Wort fallen lassen dürfen, weil alles, was deutsch ist, die fremde Hure anekelt.

Bezeichnend jedoch ist die liebevolle Fürsorge, die der Markgraf seinem Wildstand angedeihen ließ. Als sein Land 1791 preußisch wurde, erlaubte der damalige Statthalter und spätere Staatskanzler Hardenberg den Bauern, das Wild auf ihren Feldern niederzuschießen. Seither hatten sie Sommer und Winter die Nächte mit Schreien zubringen müssen, um ihre Felder vor dem in Massen herumstreifenden Hochwild zu schützen. Verschliefen sie eine Nacht, so war auch die Saat zertreten. Denn nur schrecken durften sie das Wild, und es war ihnen bei Zuchthausstrafe verboten, ein Gewehr oder einen Knittel, ja selbst einen Hund mit sich zu führen.

Noch bezeichnender aber ist für die Ansbacher Fürsten der Wert, den ein Menschenleben in ihren Augen hat. Der vorletzte Markgraf, Carl Friedrich Wilhelm (1723-57) schoß seiner Mätresse zum Spaß einen Schornsteinfeger vom Dach! Sie hatte den Wunsch geäußert, den Menschen herunterpurzeln zu sehen. Der seine Gnade anflehenden Witwe des Ermordeten gab der biedere Fürst fünf Gulden. Ich habe in meinem »Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb« (Stuttgart bei Cotta, 1862), Seite 236, den uns beschäftigenden Markgrafen Karl Alexander als Täter genannt, wurde aber später dahin berichtigt, daß es sein Vater und Vorgänger gewesen sei ? ein Irrtum, den ich hiermit zu berichtigen mich beeile, obgleich er, da uns hier die Tat und nicht die an sich gleichgültige Person interessiert, ziemlich unerheblich ist.

Wenn man die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Ansbach herrschenden Zustände türkisch nennen wollte, so wäre das eine durchaus ungerechtfertigte Beleidigung der Muselmanen; sie nähern sich vielmehr der durch das Negerkönigreich Dahomey repräsentierten Kulturstufe; Serenissimus ist echt patriarchalischer Ankläger, Richter und Henker in einer Person! Der Leser findet im Anhang Siehe Anhang sub XVII. den Beweis für diese Behauptung in Hülle und Fülle, wenn er ihn durch die obige Tatsache noch nicht für hinlänglich geführt erachten sollte.

Zur Zeit, als Faucitt in Ansbach eintraf, hatte der Markgraf oder vielmehr sein Land etwa fünf Millionen Taler Schulden; der Mann ließ also leicht mit sich reden. Faucitt würde selbst noch viel bessere Bedingungen erlangt haben, wenn er sich die Finanznot seines fürstlichen Handelsfreundes mehr vergegenwärtigt hätte. Er nahm laut Vertrag vom 1. Februar 1777 zwei Regimenter Infanterie zu je 570 Mann, 101 Jäger und 44 Artilleristen, im ganzen also 1285 Mann, ausschließlich für den amerikanischen Dienst, deren Löhnung und sonstige Behandlung ganz derjenigen der englischen Truppen gleichgestellt wurde, bewilligte für jeden Soldaten 30 Kronen Werbegeld, dessen eine Hälfte sechs Wochen und dessen andere drei Monate nach Unterzeichnung des Vertrags zu begleichen war, und zahlte außerdem eine jährliche Subsidie von 45 000 Kronen. Parliamentary Register, VII, 44. Doch hören wir in dieser Sache Faucitt selbst:

»Am Tag nach meiner Ankunft, am 31. Januar«, schreibt er am 10. Februar 1777 aus Hanau an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 106, Nr. 9. »wurde ich dem Markgrafen vorgestellt, bei welcher Gelegenheit die gewöhnlichen Redensarten gewechselt wurden. Der Markgraf bedankte sich dann ganz besonders dafür, daß der König so gnädig und herablassend gewesen war, auf seinen Wunsch einen Teil der ansbachischen Truppen in seine Dienste zu nehmen. Ich schloß darauf sofort einen Vertrag mit dem Minister, Freiherrn von Gemmingen, ab, der sich zu unserem Nachteil die gedruckten Verträge verschafft hatte und diese natürlich seiner Unterhandlung zugrunde legte. Es waren in der Tat Waffen, die wir gegen uns selbst geschmiedet hatten und die Gemmingen sehr gut zu gebrauchen wußte. Die Hauptveränderungen von den früheren Verträgen sind diese: Die Löhnung beginnt nur sieben Tage (statt einen und zwei Monate) vor dem Abmarsch der Truppen und hört mit dem Monat ihrer Rückkehr auf. Die Subsidie, die ich vergebens herunterzudrücken suchte, ist verhältnismäßig so groß wie die an Hanau und Waldeck gezahlte, fängt aber, statt mit der Unterschrift, erst mit der Genehmigung des Vertrages an und endet drei Monate statt ein Jahr nach der Rückkehr der Truppen. Die gewöhnlichen Ausgaben für deren Marsch, Wagen und Pferde etc. fallen, statt wie in den bisherigen Verträgen auf die Krone, jetzt auf den Markgrafen, der alles bezahlen muß, bis die Soldaten auf die Mainboote geschafft werden.

Ich war jeden Morgen auf der Parade und fand die Truppen sehr schön, groß und gut gebaut. Sie handhaben ihre Waffen die übrigens sehr gut sind – vortrefflich, exerzieren so regelmäßig, daß kaum eine Uhr besser gehen kann, und marschieren und schwenken sehr gut. Ihre Uniformen – blaue Röcke mit roten Aufschlägen und gelber Weste – sind neu und rein. Wenn der Rest so gut ist, so können wir uns zu einem ausgezeichneten Handel Glück wünschen. Das andere Regiment steht noch in Bayreuth. Die Leute sollen nicht so groß, aber sonst ebenso tüchtig sein. Einige österreichische Offiziere sagten mir, sie seien sogar besser. Beide Regimenter werden am 28. Februar marschfertig sein; sie haben nur zwei bis drei Tage nach Steft am Main, wo sie nach Dordrecht eingeschifft werden sollen. Die Wasserreise dauert etwa fünfzehn Tage.«

Das Bayreuther Regiment trat am festgesetzten Tag seinen Marsch an, traf am 3. März in Ansbach ein und marschierte mit dem dortigen Regiment am 7. März an den Main ab. Die beiden Regimenter erreichten am 9. März Ochsenfurt am Main und sollten hier, statt in Steft, in die Mainboote umgeschifft werden, als ein Aufstand unter ihnen ausbrach, der nur durch die Geistesgegenwart des in aller Eile herbeigekommenen Markgrafen unterdrückt werden konnte. »Am 9. d. M. entstand«, heißt es in einem Bericht des Hamburger Korrespondenten vom 18. März 1777, »unter gewissen, auf der Reise nach England begriffenen deutschen Kriegsvölkern ein Aufstand, der gefährliche Folgen hätte nach sich ziehen können, wenn nicht noch in derselben Nacht der Landesherr selbst in aller Eile bei den Schiffen persönlich angekommen wäre und durch seine hohe Gegenwart die Völker in Gehorsam zu halten vermocht hätte. Indessen war es dennoch zu solchen Tätlichkeiten gekommen, daß ein Mann getötet und fünf verwundet worden sind, dreißig andere aber sich davonzumachen Gelegenheit gefunden haben. Die Herren Kriegskommissarien, die ihres Lebens nicht sicher gewesen waren, mußten in einer benachbarten Stadt ihre Zuflucht suchen.«

Lassen wir noch einen Augenzeugen die Ereignisse dieses Tages erzählen:

»Wir marschirten durch Ochsenfurth, welches dem Bischof von Würzburg gehört«, schreibt Johann Konrad Doehla, Soldat im bayreuthischen Regiment von Voit, in seinem Tagebuch, »und wurden da am Abend des 9. März das erste Mal eingeschifft und hielten da vor Anker über Nacht auf dem Main. Weil wir nun dieses Quartier noch nicht gewohnt waren und sehr wenig Platz war auf den Schiffen, indem wir sehr dichte zusammen lagen und der häufige Schiffsrauch uns sehr beschwerlich war, auch war es ziemlich kalt: Dieses alles gab daher Gelegenheit zum raisoniren an die Hand und entstünde auch Tages darauf ein ganzer Aufstand und Rebellion nemlich. Zu Früh mit Tagesanbruch machte das Anspacher Regiment den Anfang dazu, indem da ein Schiff von ihnen nahe am Lande vor Anker lag, so legten sie ein lang Brett vom Schiff an's Land hinaus, und gingen alle aus diesem Schiff an's Land heraus, zogen hernach mehr Schiffe zu Lande; auch eines vom Bayreuther Regiment. Unsere Leute stimmten auch diesem Unternehmen bey und brachen mit Gewalt und ohne Erlaubnis der Herrn Offiziere aus den Schiffen; so daß in einer Stunde kein Soldat von den zwei Regimentern mehr in Schiffen anzutreffen war; alles war in der größten Furie aufgebracht. Und obgleich die beiden Herrn Obristen und Commandanten, sammt allen Offizieren, sowohl gute als böse Worte und alle Mittel hervorsuchten, um die Leute wieder zufrieden zu stellen auch Brod, Fleisch und andere Victualien nebst Holz häufig aus der Stadt herbeischaffen ließen, um damit die Leute kochen sollten, und wann die Leute gegessen und getrunken hätten, wiederum zu Schiffe sich begeben, so half doch dieses alles im Geringsten nichts, sondern der viele Wein, den die Einwohner von Ochsenfurth häufig herbei brachten, machte, daß die Soldaten noch furiöser wurden und auf keinen Offizier nichts mehr gaben, ein Jeder ließ sich verlauten, nicht mehr in's Schiff sich nöthigen zu lassen. Daher gegen Mittag hin die Leute sich stark gegen den überliegenden Bergen zu wanderten und in ihrer Tollheit und Betrunkenheit den Reisaus nahmen. Es wurde daher das Jäger Corps befehligt, sich gegen die Anhöhen anzupostieren und Schreckschüsse auf die rebellierenden Ausreißer zu thun. Allein unsere Leute gaben auch Feuer auf die Jäger. Es wurden daher einigen Leuten von den unßerigen die Beine blessirt, die Rebellion gab daher Anlaß, daß die Stadt gespert wurde und die Zugbrücken aufgezogen wurden, weil sich die Bürger bei dergleichen Aufruhr nichts Guts versahen, es wurde faßt auf zwei Stunden gegen einander gefeuert, und weil endlich die Jäger einige von uns blessirten, so gab es auch Anlaß zu einer großen Antipathie zwischen uns und ihnen, so auch einige Jahre noch in America fort dauerte. Endlich gegen Abend hin, als der Wein den Leuten etwas aus den Köpfen gekommen war, so wurden sie doch wieder etwas zufriedener, es wurde auch von dem Herrn Obrist v. Eyb als Chef vom Anspacher Regiment die Versicherung ertheilt, daß wir wieder Uffenheim gingen; dieses veranlaßte daß die Regimenter sich wieder in Ordnung stellten und endlich auf vieles Zureden, von denn Herrn Offizieren in Zufriedenheit und Ruhe gebracht wurden. Es waren bei diesem Aufstande gegen 40 Mann von unsern Bayreuther Regimente echappiret. Daher wurde auch sogleich ein Expresser nach Anspach abgeschickt, um von diesen Vorgegangenen allen Ihro hochfürstlichen Durchlaucht zu rapportiren. Dieser sobald er Nachricht bekam, machte sich sogleich mit einigen Begleitern zu Pferd in der Nacht auf den Weg und kam mit höchster Bestürzung ganz schleunig. In aller Frühe kam der Markgraf bei uns an, unsere zwei Regimenter wurden sogleich aufgestellt, und der Markgraf ging Mann für Mann durch und fragte einen jeden, was seine Einwendungen wären und versprach dabei alle Gnade und Fürstengunst alle denen, die mit nach Amerika in englischen Solde gehen würden, die so aber nicht wollten mit hinein, sollten heraustreten und dagegen aber ihres Vermögens sammt ihren Vaterlande und aller fürstlichen Gnade verlustigt sein. Hierauf sind wir beide Regimenter wieder eingeschiffet.«

Der Markgraf stellte sich, mit der gespannten Büchse in der Hand und in seine Wildschur gehüllt, selbst auf das Mainschiff, um jeden Erneuerungsversuch der Flucht zu verhindern, was ihm denn mit Hilfe würzburgischer Husaren auch gelang. Ja Serenissimus, bei dessen Anblick der rechtschaffene Soldat Freudentränen vergoß und seinen Marsch mit Ruhe antrat (wenn wir jenem Bericht des Hamburger Korrespondenten glauben dürfen), beschloß, der größeren Sicherheit wegen, seine Truppen jetzt nicht mehr außer Augen zu lassen und sie den Main und den Rhein hinunter bis zu ihrer Einschiffung in Holland zu begleiten. So schnell war er von Ansbach weggeeilt, daß er seine Uhr auf dem Tisch liegen ließ und nicht einmal Kleider mitgenommen hatte, so daß er sich vom Erbprinzen von Hanau reine Wäsche und Hemden borgen mußte.

Diese Meuterei, so unbedeutend sie an sich auch war, verursachte eine gewaltige Aufregung unter den kleinen deutschen Fürsten und im englischen Ministerium. Beide Teile fürchteten, daß dieser Geist der Unzufriedenheit und offenen Widersetzlichkeit leicht um sich greifen, also zukünftigen Aushebungen hindernd in den Weg treten könne. »Die Revolte der Ansbacher«, meldet der englische Gesandte Cressener am 17. März an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 107, Nr. 13. »konnte nur durch die freundliche Hilfe der Truppen des Fürstbischofs von Würzburg gedämpft werden. Der Markgraf erzählte mir gestern beim Essen, wie sehr er diesem zu Dank verpflichtet sei. Die Ansbacher sind lauter schöne Leute; wenn sie nur nicht so abgeneigt wären, nach Amerika zu gehen!«

»Bedanken Sie sich im Namen Ihres Hofs beim Fürstbischof von Würzburg für seine uns bei der Niederwerfung des Aufstands der Ansbacher gewährte Unterstützung«, antwortete Suffolk.

»Die Meuterei in Ochsenfurt«, schrieb Graf Wartensleben aus Mainz am 16. März an Cressener, »brach, soviel ich hörte, aus, weil das Regiment Bayreuth sich nicht von den Jägern transportieren lassen wollte, weil die Schiffe zu eng waren und zu stark rauchten. Der Bischof von Würzburg schickte ein Korps Husaren und ein Dragonerregiment. Das half.«

Faucitt meldete am 17. April, S. P. O. German States (Private). daß der Aufstand nicht so schlimm gewesen sei. Die Offiziere hätten gleich dreinhauen sollen, statt zuviel Nachsicht zu beweisen. Eine gute Disziplin werde die frechen Burschen schon mürbe machen; man solle beide Regimenter in Amerika zu besonders schwerem Dienst verwenden. »Der Markgraf bekannte mir«, fuhr er am 24. April fort, Ibidem, Vol. 108, Nr. 27. »daß er bei jener Ochsenfurter Meuterei 18-20 Mann durch Desertion verloren habe ? eine keineswegs große Zahl, wenn man die hierzulande überwiegende Parteilichkeit für die Amerikaner und die Vorteile bedenkt, die österreichische und andere Werbeoffiziere aus diesem Stand der öffentlichen Meinung für ihre eigenen Zwecke ziehen. Es ist mir kaum möglich, Ew. Lordschaft einen nur annähernden Begriff von der hierorts herrschenden gehässigen Abneigung gegen England und von den Bemühungen zu geben, die von übelgesinnten Menschen angewandt werden, um die Soldaten vom englischen Dienst abzuschrecken. Des Markgrafen kluges und beherztes Handeln und seine Begleitung der Truppen bis zum Hafen vereitelten jedoch die schändlichen Absichten dieser Schurken. Leider werden wir aber aus Franken in diesem Jahr schwerlich neue Truppenlieferungen erhalten, um so weniger, als der Markgraf entschlossen ist, in Zukunft keine Rekruten mehr aus seinem eigenen Land, sondern nur Fremde anzuwerben.«

Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrags mit Ansbach war Faucitt nach Hanau geeilt, um mit dem Erbprinzen von Kassel wegen der ihm von diesem angebotenen Jäger abzuschließen. Siehe Anhang sub XVII. Seit die englischen Generäle ihre unbedingte Vermehrung empfohlen hatten, wurden auf einmal, wie wir bereits im vierten Kapitel gesehen haben, die deutschen Förster und Jagdgehilfen ein äußerst gesuchter Artikel. Erbprinz Wilhelm, obgleich er deren nur wenige zur Hand hatte und deswegen anfangs nur 160 anbot, machte sich, um aus den günstigen Konjunkturen des Marktes Vorteil zu ziehen, doch anheischig, ihrer so viele zu liefern, als Suffolk verlangte, zumal sein Vater, der Landgraf von Hessen-Kassel, schon im Vorsprung war.

»Wir hatten«, schrieb Malsburg am 17. Januar 1777 an Faucitt, S. P. O. German Papers, Vol. 106. »auf Ihren ablehnenden Brief hin den Plan, Ihnen für das Frühjahr Jäger zu liefern, schon ganz fallen lassen. Seine Ausführung ist jetzt auch schwieriger als damals, wenn nicht ganz unmöglich; nicht allein durch den Zeitverlust, sondern auch durch Rekrutierungen, die der Landgraf seitdem in unserer ganzen Nachbarschaft vorgenommen hat und auf die wir ganz besonders gerechnet hatten. Nur der Eifer meines Herrn für die gute Sache und seine unwandelbare, ehrfurchtsvolle Anhänglichkeit an den König ist imstande, diese unvorhergesehene Schwierigkeit zu heben. Der Prinz wird jeden Nerv anstrengen, um das Jägerkorps möglichst bald zusammenzubringen. Voraussichtlich können wir aber vor Mai niemanden liefern.«

»Es ist eine Abgeschmacktheit, zu erwarten«, antwortet Suffolk am 4. Februar 1777, »daß man die Jäger noch im Mai nimmt. Der König will deshalb nur so viele, als bis zur Einschiffung der Ansbacher fertig sein können.«

Der hanauische Minister Malsburg tat nach dem Zeugnis Faucitts nur so ängstlich, um sich aus der Erfüllung des Vertrags in kürzerer Zeit ein besonderes Verdienst zu machen. Faucitt riet, dem geldbedürftigen Prinzen 2000 Pfund auf Abschlag zu schicken, das werde helfen.

Natürlich half es. Der Vertrag, durch den zugleich die Subsidie im Verhältnis zur Zahl der gelieferten Jäger vermehrt wurde, kam am 10. Februar 1777 für 412 Mann zustande. Parliamentary Register, VII, p. 49 Seine Einleitung lautet: »Nachdem der König von England seine Zustimmung dazu gegeben hat, daß die in seinem Dienst befindlichen Truppen des Erbprinzen um ein Korps Jäger vermehrt werden sollen, und nachdem der Erbprinz im Einklang mit der tiefsten Dankbarkeit, der ehrfurchtsvollsten Ergebenheit an Seine Majestät und dem unbegrenztesten Eifer für die Interessen und den Dienst des Königs mit der größten Freudigkeit die Aushebung und Ausrüstung eines solchen Korps übernommen hat, so sind die beiderseitigen Minister übereingekommen etc.«

Es werden sodann in acht Paragraphen die Bedingungen festgestellt, unter denen dieses Korps in den englischen Dienst tritt. Es darf mehr, aber nicht weniger als vier Kompanien, jede zu 100 Mann, zählen. Die erste Kompanie muß Anfang März marschfertig sein. Die Löhnung erfolgt mit dem Augenblick der Anwerbung jedes einzelnen Mannes, der ein gelernter Jäger sein muß. Das Werbegeld beläuft sich auf 30 Kronen pro Mann, das in zwei gleichen Zahlungen, je einen und je zwei Monate nach Unterzeichnung des vorliegenden Vertrags, zu entrichten ist, und auch die an den Erbprinzen zu zahlende Subsidie wird im Verhältnis der Zahl der neu angeworbenen respektive von England angenommenen Jäger erhöht. Schließlich werden die Hanauer Jäger mit den kasselschen auf ganz gleichen Fuß gestellt, und ihre Löhnung ist höher als die der Infanterie.

Der erste Transport (117) Jäger und 100 Rekruten verließ Hanau am 7. März; der aus drei Kompanien bestehende Rest wurde Anfang April auf Main und Rhein eingeschifft.

Faucitt und der Prinz von Hanau hatten diesmal versäumt, sich zur rechten Zeit die Erlaubnis zur Durchreise der Truppen durch die Gebiete der rheinischen Fürsten zu erbitten; diese Vernachlässigung sollte sich aber jetzt bitter rächen. Der Mainzer und der Trierer Kurfürst beschlossen nämlich auf Anstiften des kaiserlichen Gesandten Graf Metternich (des Vaters des späteren Fürsten), die vorbeipassierenden Kontingente anzuhalten und jedes mit Truppen gefüllte Fahrzeug nach ihren Untertanen zu durchsuchen. Am 8. März also ließ der Kurfürst von Mainz, ohne den Einspruch des hanauischen Offiziers zu beachten, aus dessen Booten acht Jäger nehmen, die er als seine Untertanen reklamierte. Einige, hieß es, seien Deserteure aus seinem Dienst, und besonders einer befinde sich darunter, den er vergebens von Hanau reklamiert habe; dann aber seien auch einige Leibeigene dabei gewesen, denen das Eigentumsrecht an ihren Körpern anklebe; diesen Eingriff in Privatrechte habe man sich unter keinen Umständen gefallen lassen können, wenn man selbst wegen der Deserteure ein Auge habe zudrücken wollen. Der Prinz von Hanau habe wissen müssen, daß diese Eigentumstitel wieder aufgelebt seien, sobald einer von diesen Leuten Mainzer Gebiet betreten habe.

Selbstredend verfehlte Malsburg nicht, Suffolk die gefährlichen Folgen dieses Verfahrens in den stärksten Farben auszumalen. »Der Akt ist gegen England gerichtet«, schrieb er diesem am 9. März. S. P. O. German States, Vol. 107. »Wenn Sie ihn dulden, so können die mit Soldatenlieferungen betrauten Fürsten auf die Dauer ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Man muß, um die Nachahmung des gegebenen Beispiels zu verhindern, ähnliche Eingriffe gleich von vornherein durch lebhafte Vorstellungen unterdrücken. Mein Herr, der kein Kartell mit Mainz hat, also jeden Mainzer anwerben kann, hat sie gemacht und Genugtuung für die begangene Gewalttat verlangt. Tun Sie jetzt auch das Ihrige!«

Da sich herausstellte, daß die acht Mainzer wirklich Deserteure aus der Festung und da sie noch von keinem englischen Kommissär in den Dienst des Königs eingemustert waren, so verweigerte Suffolk mit Recht jede Einmischung in die Sache und empfahl dem Erbprinzen, die von Mainz gestohlenen Rekruten in Zukunft nicht mehr der Gewalt des Kurfürsten preiszugeben.

Dieser hatte auch den einige Tage später eintreffenden Ansbacher Schiffen einen Besuch zugedacht; als er aber hörte, daß der Markgraf selbst sich in Begleitung der Erbprinzen von Hanau und Darmstadt an Bord befand, zog er aus Furcht vor ihnen die zur Durchsuchung der Boote bestimmte Abteilung von einigen Offizieren und dreißig Unteroffizieren zurück – dagegen wurde die Schiffbrücke anfangs nicht geöffnet.

Der Kurfürst hatte ein großes Essen anrichten lassen, weil er den Markgrafen mit den beiden Erbprinzen als Gäste erwartete. Ob sie sich nun nicht an Land wagten, weil sie, wie Oberst Rainsford berichtet, von den Mainzern arg verhöhnt und beschimpft wurden – es kam niemand als ein Ansbacher Offizier, der kurz die Frage stellte, ob man die Brücke öffnen wolle oder nicht. Als man mit dem Bescheid zögerte, erklärte er, die Brücke im Weigerungsfall sprengen zu lassen. Lächerlicherweise antwortete man ihm darauf, daß man sie auf eigene Gefahr öffnen wolle, daß es der Kurfürst aber nicht erfahren dürfe, da er Befehl gegeben habe, die Brücke unter keiner Bedingung zu öffnen. So fuhr denn abends in der Dunkelheit die Ansbacher Flottille durch.

Auch bei Koblenz zog der Markgraf ungehindert vorbei, da man ihn zu stark fand, als daß man ihn anzuhalten gewagt hätte. Die dortige Regentschaft verlangte nur, er solle den Hessen nicht helfen, was er natürlich seinem Konkurrenten gegenüber gern versprach. Darauf begrüßte man ihn in aller Freundschaft von Ehrenbreitstein aus mit vierundzwanzig Kanonenschüssen. Als der Markgraf Koblenz passierte, war dort nämlich gerade der Hessen-Kasseler Oberst Benning mit einem von Rheinfels kommenden Rekrutentransport angehalten, damit er auf Befehl der Regentschaft dem kaiserlichen Gesandten, Grafen Metternich, die unter seinen Leuten befindlichen kaiserlichen Untertanen herausgebe. Am Rhein waren die Posten verdoppelt und die Kanonen auf die hessischen Boote gerichtet; den Fluß entlang aber waren Feuer angesteckt, um sie an der Abfahrt zu hindern – kurz, die Sache sah ganz ernst aus. Indessen wären Hessen und Ansbacher stark genug gewesen, dem Ansinnen erfolgreichen Widerstand zu leisten; da aber der Markgraf den Oberst im Stich ließ, so wurden ohne weiteres siebzehn Soldaten aus den Schiffen geholt, die dem Kaiser gehören sollten.

Diese Maßnahme verursachte einen Aufenthalt von mehreren Tagen. Der Verzug war um so gefährlicher, als es gerade damals sehr stark fror, die Boote aber zum Teil offen waren und weder hinreichendes Stroh noch Ofen hatten, so daß die Rekruten massenhaft krank und die Gesunden stündlich unzufriedener wurden; Faucitt und Cressener befürchteten deshalb jeden Augenblick eine Meuterei. Indessen kamen die Hessen diesmal noch ohne weiteren Verlust als die obigen siebzehn Mann davon.

Cressener schrieb einen entrüsteten Brief an den Kommandanten von Koblenz und die Regentschaft. Er fragte darin verwundert, wie der kaiserliche Gesandte es wagen dürfe, derartig den Kurfürsten von Trier zu beleidigen, der doch Herr in seinem eigenen Land sei. Übrigens hoffe er, dem Kommandanten liege die Ehre seines Fürsten zu nahe, als daß er die Hand zu einer solchen Gewalttat bieten werde, die ganz gegen das Völkerrecht verstoße, und er wies schließlich die Regentschaft auf die angebliche Rettung Deutschlands durch den Herzog von Marlborough und die Schlacht von Dettingen (!!) hin. Selbst Suffolk scheint diese Art englischen Geschichtsunterrichts doch etwas zu kühn gefunden zu haben, denn er meint in einem Brief an Cressener, dieser hätte lieber von den Marlboroughschen Feldzügen und der Dettinger Schlacht als im Interesse des Reichs unternommen nicht sprechen sollen; zur Sache selbst aber hoffe er, der Kurfürst werde seine eigene Würde zu sehr fühlen, als daß er Metternich gestattete, seine Rechte so schmählich zu verletzen.

Übrigens behielt es bei den Beschwerden sein Bewenden. Es wird in unseren Quellen auch nicht berichtet, ob die Rachedrohungen des Kasseler Vaters und des Hanauer Sohnes wegen der Beschimpfung ihrer »Flagge« (!!) wirklich ausgeführt wurden; es scheint vielmehr, daß sich ihr Zorn allmählich abgekühlt und ganz verlaufen hat.

Die Fahrt der Hessen und Ansbacher verlief bei der freundlichen Gesinnung des Kurfürsten von Köln gegen England und in Ermangelung jeder Schikane seitens der preußischen Behörden ohne jede äußere Störung. Dagegen war die Stimmung der Truppen selbst desto erbitterter. Der Markgraf gab den Seinigen, um ihnen jede Ursache zur Klage zu nehmen, auf der ganzen Reise eine Extraration von einem Pfund Brot und einem Pfund Fleisch pro Tag für den Mann und teilte, als bis Nimwegen alles gutgegangen war, unter jedes Regiment hundert Dukaten als Geschenk aus. Unter den Soldaten der hanauischen Kompanie Kornrumpf entstand dagegen am 25. März auf dem Rhein bei s-Gravendeel in Holland eine Meuterei. Sieben Mann sprangen über Bord; vier von ihnen wurden von ihren Verfolgern wieder eingefangen, die drei übrigen retteten sich in ein Haus. Die Bauern der Ortschaft nahmen ihre Partei und verteidigten sie gegen die ihnen nachsetzenden Offiziere und Soldaten, so daß sie sich, um nicht erschlagen zu werden, unverrichteterdinge zurückziehen mußten.

Die Ansbacher wurden am 25. März von Oberst Rainsford in den englischen Dienst gemustert. »Es sind schöne, prächtige Kerle«, meldet dieser am 28. März aus s-Gravendeel an Suffolk, S. P. O. German States, Vol. 107, Nr. 7 »jung und gut gebaut, kurz ein herrliches Korps. Ich fürchtete, sie würden nicht ohne weiteres den Eid der Treue leisten, da ihr Gemurre noch kurz vorher ihre eigenen Offiziere beunruhigt hatte; allein die Anwesenheit ihres Fürsten, des Markgrafen, der sie von Ochsenfurt bis hierher begleitet hatte, verhinderte den Ausbruch selbst der geringsten Unzufriedenheit. Am zweiten Tag brachten wir sie nach Dordrecht, wohin sie der Markgraf in seiner Jacht begleitete, und gestern abend wurden sie alle zugleich mit den hessischen Jägern und Rekruten eingeschifft. Ich hielt es im Interesse des königlichen Dienstes für geboten, ihnen bei ihrer Ankunft an den Schiffen, um sie guten Mutes zu erhalten und jede Unannehmlichkeit zu vermeiden, frisches Fleisch und Brot zu versprechen, da sie sonst schwerlich dem König den Eid der Treue geleistet haben würden. Es ging aber alles gut. Die Leute waren sehr zufrieden, als sie an Bord frisches Brot und Fleisch erhielten.«

Auch die Hanauer Jäger fand Rainsford in ausgezeichneter Ordnung für den Dienst.

Nicht so günstig spricht er sich über die Hessen-Hanauer Rekruten aus, die er am 27. März in den englischen Dienst musterte. Nur die früher in preußischen Diensten gestandenen Leute seien hübsche Kerle; die übrigen habe er nur deshalb zugelassen, meldet er, weil es bereits sehr schwer geworden sei, gute Mannschaften zu bekommen; sie seien meistens zu alt oder zu jung, ja sogar mehrere Einäugige hätten sich darunter befunden. Wegen der hier bewiesenen Nachsicht schenkte, wie es scheint, der Erbprinz von Hanau dem Oberst Rainsford eine goldene, mit seinem von Brillanten umgebenen Porträt verzierte Schnupftabakdose. Dieser hielt sie nicht für echt und Heß sie deshalb sofort von einem Juwelier schätzen. »Das hätte ich nicht gedacht«, vermerkt der ob der Schätzung freudig erstaunte Oberst in seinem Tagebuch; »die Dose ist wahrhaftig £Stg 160 wert: £Stg 100 die Brillanten, £Stg 20 das Gold, £Stg 10 das Bild und £Stg 30 die Arbeit; der Prinz ist doch anständig!«

Am 29. März segelten die Ansbacher nach Portsmouth ab und kamen am 4. Juni in Staten Island bei New York an; der Markgraf selbst traf von seiner »Berufsreise« am 10. April wieder in Ansbach ein.

Die drei letzten hanauischen Jägerkompanien gelangten unter Oberst Creuzburg am 9. April ganz unbehelligt nach Nimwegen und wurden am 11. in den englischen Dienst eingeschworen. Rainsford schildert sie als ein schön ausgerüstetes Korps von vortrefflichen Schützen und bedauert nur, daß Suffolk keine Transportschiffe zu ihrer Beförderung gesandt habe. Über die im vorstehenden Kapitel geschilderten Vorgänge spricht sich auch Sir Joseph Yorkes, des Gesandten im Haag, Brief an Suffolk vom 1. April 1777 (siehe Anhang sub XIX) ausführlich aus.


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