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Anhang.

I.
Ueber die Anwendung der Worte »Sklave« und »Sklaverei.«

Nachlässige oder rhetorisch angehauchte Schriftsteller pflegen es mit dem Gebrauch dieser Worte nicht sehr genau zu nehmen. So z. B. werden diese Bezeichnungen in Schilderungen des abendländischen Frauenlebens häufig angewendet, obgleich dieselben nicht einmal auf die Insassen der indischen Zenanas Passen. Und den modernen Arbeiter nennt man oft selbst dann, wenn er einem mächtigen Gewerkverein angehört, einen »Lohnsklaven.« Rednern und Dichtern darf man es nicht übel nehmen, wenn sie sich beim Gebrauch einer leidenschaftlichen Sprache des Ausdrucks »Sklaverei« bedienen, um die Lage von Klassen zu bezeichnen, denen es an gewissen bürgerlichen oder politischen Rechten fehlt; aber wenn es sich um gesellschaftswissenschaftliche Studien handelt, sollte alles stets beim rechten Namen genannt werden, und zwar möglichst gleichmäßig.

Freilich hält es sehr schwer, die genaue Bedeutung des Wortes »Sklaverei« festzustellen, wenn man dasselbe in rein wissenschaftlichem Geist gebraucht. Dies rührt davon, daß seit jeher die Züge der Einrichtung durch private Anschauungen und amtliche Vorschriften fortschrittlich abgeändert wurden. Allein das wesentliche Merkmal der Sklaverei liegt gewiß in der Thatsache, daß ein Herr der Besitzer der Person eines Menschen ist, einerlei, ob und in welcher Weise die mit dem Eigenthum verknüpften Rechte begrenzt sein mögen. Der Uebergang zur Hörigkeit fand in den bürgerlichen Gemeinwesen statt, sobald der Sklaven-Eigenthümer sein Besitzrecht an der Person freiwillig aufgab oder unfreiwillig verlor und nur noch auf ihre Dienstleistungen oder einen Theil derselben Anspruch erheben durfte. In den Landgemeinden, deren Entwicklungsgang ja meist ein langsamerer ist, griff jener Uebergang Platz, sobald in Folge der Grundprinzipien des Feudalismus das Verhältniß zwischen den beiden Betheiligten aufhörte, ein persönliches zu sein und ein territoriales wurde.

Vergeblich suchen wir in der Sprache der verschiedenen einschlägigen Gesetze genauen Aufschluß über den Status der Leibeigenen. Noch größer als im städtischen waren im ländlichen Leben die Unterschiede und Abweichungen zwischen der Juristenlogik und den gesellschaftlichen Hebungen – Differenzen, welche sich auch auf den Uebergang von der Hörigkeit zur Freiheit erstreckten, sodaß die Leibeigenen zu einer Zeit, da sie rechtlich nicht viel besser gestellt waren als Sklaven, in Wirklichkeit bereits in fast jeder Beziehung freien Bürgern gleichkamen.

II.
Die Sklaverei bei den alten Juden.

Die Kriege der Hebräer in den ersten Zeiten ihres Nationallebens zeichneten sich durch besondere Härte, um nicht zu sagen Grausamkeit aus. Man strebte nicht nach Unterjochung, sondern nach Vertilgung der Eingeborenen Palästinas und erreichte diese Absicht nicht vollständig. Wir haben im ersten Kapitel dargelegt, daß der Fetischismus zur Niedermetzelung der Gefangenen geneigt macht, weil sein rein örtliches Wesen keine geistlichen Bande zwischen Siegern und Besiegten zuläßt. Der einseitige, strenge Monotheismus der alten Juden, der Gott als den Schutzpatron dieser Nation und als den unerbittlichen Feind der Nachbarvölker auffaßte, hatte eine ähnliche isolirende Wirkung und führte naturgemäß zur Opferung der Anbeter anderer Götter. Dagegen betrachtet der wahre, entwickelte Monotheismus überwundene Feinde als demselben Gott unterstehend wie der Eroberer und das dadurch hervorgerufene Gemeinsamkeitsbewußtsein hat Barmherzigkeit zur Folge. Je höher die Israeliten sich von ihrer ursprünglichen Stammes-Religion zu einem wirklichen Monotheismus aufschwangen, desto tiefer empfanden sie die die ganze Menschheit umspannenden Bande und desto unblutiger wurde ihre Kriegführung. Derselbe Einfluß milderte die rauheren Züge des Sklavenwesens so sehr, daß im späteren Verlauf der jüdischen Geschichte die Beziehungen zwischen den Betheiligten, soweit die Einrichtung überhaupt noch bestand, ungemein rein und freundlich waren. Freilich übertreiben viele Autoren ihre Neigung, die Sklaverei bei den Hebräern mit besonderer Zärtlichkeit zu behandeln und manchen ihrer Merkmale eine Nachsicht angedeihen zu lassen, die sie denselben Merkmalen anderer Sklavereisysteme des Alterthums verweigern – eine Neigung, welche die Betreffenden verleitet, die humaneren Züge dieser anderen Systeme zu unterdrücken oder doch zu verkleinern.

»Im Alten Testament«, sagt Ewald, »tritt die Sklaverei in der Geschichte Abrahams plötzlich als vollentwickelte Einrichtung zu Tage, ohne daß sie vorher in anderer Weise erwähnt worden wäre als in der Voraussage Noahs am Anfang der Geschichte des jetzigen Menschengeschlechts.«

Der Bedarf an Sklaven wurde aus denselben Quellen gedeckt wie in anderen alten Gemeinwesen, nämlich: 1. Die Kriege, die aber angesichts der berührten Umstände nicht viele männliche Sklaven ergaben. 2. Der Menschenraub; vergl. Exodus XXI, 16 und Deuteron. XXIV, 7. 3. Der Ankauf; dieser war nach Genesis XVII bereits zu Abrahams Zeiten bekannt und erstreckten sich nicht auf Hebräer, sondern nur auf Ausländer (vergl. Levit. XXIV, 44). 4. Gesetzlicher Zwang; wer seine Schulden nicht zahlen konnte, mußte sich selbst oder sein Weib oder seine Kinder dem Gläubiger als Knechte überlassen. 5. Geburt; die im Hause geborenen Sklavenkinder genossen oft größeres Vertrauen als die anderen Knechte, man übertrug ihnen wichtige Obliegenheiten, adoptirte sie zuweilen sogar und setzte sie diesfalls zu Erben ein.

Alle Sklaven – auch die nichtjüdischen – wurden beschnitten und dadurch in die Gemeinde Jahves ausgenommen; demgemäß hielten sie die Sabbathruhe mit und betheiligten sich am Passahfest. Schlug ein Herr einen Sklaven oder eine Sklavin derart, daß der Tod noch an demselben Tage eintrat, so wurde er bestraft – wie, wissen wir nicht –; erfolgte der Tod erst am nächsten Tage, so blieb der Herr straffrei. War der Sklave schwer verletzt, ohne zu sterben, so erlangte er von Rechts wegen seine Freiheit. Es war vorgeschrieben, alle Sklaven gut zu behandeln und das Volk wurde daran erinnert, daß seine Vorfahren in Egypten selber Knechte gewesen. Aber das Gesetz unterschied streng zwischen hebräischen und ausländischen Knechten.

Der hebräische Knecht war nach sechs vollen Dienstjahren freizulassen. Hatte er sich während seiner Dienstzeit vermählt, so mußte er sein Weib und seine Kinder beim Herrn zurücklassen; war er dagegen schon vor seiner Knechtung als zahlungsunfähiger Schuldner verheirathet gewesen, so wurde auch sein Weib frei. Verzichtete ein Knecht auf die Benutzung dieser Gelegenheit zur Erlangung seiner Freiheit, und zog er es vor, im Dienste seines Besitzers zu bleiben, so begaben sich die Beiden zum nächsten Heiligthum Jehovas, um das neue Uebereinkommen durch ein symbolisches Verfahren unter Mitwirkung eines Priesters zu bekräftigen. Das Verfahren bestand darin, daß der Priester ein Ohr des Knechts an einen Thürpfosten legte und festhielt, während der Herr das Ohrläppchen mit einer Ahle durchbohrte. Die Anwesenheit des Priesters bildete eine Gewähr dafür, daß der Sklave auf die Freiheit, zu der er berechtigt war, wirklich freiwillig verzichtete. Auch Sklavinnen, die von ihren Vätern wegen Armuth verkauft worden waren, mußten im siebenten Dienstjahr freigelassen werden. Hatte ein Herr eine solche Sklavin zu seinem Kebsweib gemacht und als solches öffentlich anerkannt, so konnte er sie nicht verkaufen, falls er sie nachträglich verstieß; und hatte er sie seinem Sohn zum Kebsweib gegeben, so mußte er sie wie eine Tochter behandeln. Behielt er sie als eigenes Kebsweib für sich, nahm aber neben ihr ein zweites, so war er genöthigt, ihr alle Vorrechte einer »Halbgattin« zu gewähren; wollte er das nicht, so mußte er sie freilassen.

Die Befreiung der hebräischen Sklaven nach sechs Dienstjahren kam nach Ewalds Ansicht ziemlich früh ab. Im fünften Buch Mosis findet sich die Siebenjahrvorschrift, sowie das Gebot, den Knecht nicht mit leeren Händen fortzuschicken, sondern ihm so viel mitzugeben, daß er sein freies Leben beginnen könne.

Nach der Rückkehr der Israeliten aus ihrer großen Gefangenschaft scheint die Sklaverei, obgleich gesetzlich nicht beseitigt, nur noch in reichen Familien in Uebung gewesen zu sein. Schon seit einiger Zeit war ein neues, klientenartiges Verhältniß aufgetaucht, bei welchem der Abhängige nicht mehr das Eigenthum seines Herrn bildete, sondern nur zu seinem Haushalt gehörte und ihm gewisse Dienste leistete, wogegen er seines Schutzes theilhaft wurde. Dieses Verhältniß war erblich.

III.
Die Knechtschaft bei den alten Egyptern, Assyrern, Persern und Chinesen.

Ueber das Sklavenwesen bei diesen Nationen sind nur wenige Daten auf uns gekommen.

Egypten. Die Deckung des Bedarfs erfolgte aus denselben Quellen wie bei anderen alten Gemeinwesen. Die Hauptquelle waren die Kriege der Könige. Die Denkmäler weisen viele Darstellungen von Reihen asiatischer und afrikanischer Sklaven auf. Bei Herodot lesen wir von Sklaven, die als Tribut aus Aethiopien kamen. Augenscheinlich wurden die Gefangenen allgemein zu Staatssklaven gemacht und bei großen öffentlichen Bauten – Kanälen, Flußufern, Dämmen, Tempeln, Säulen, Pyramiden – verwendet. Zu diesen Bauten war von einigen Herrschern die ganze eingeborene Bevölkerung zwangsweise herangezogen worden; kein Wunder, wenn das Volk die Uebertragung solcher Arbeiten auf auswärtige Kriegsgefangene freudig begrüßte, wie wir durch Diodor Cassius wissen. Demgemäß dürfte Sesostris, der diese Politik zuerst befolgte, ebenso populär gewesen sein, wie Cheops mißliebig war, weil er Egypter verwendete. Sowohl die Gesetze als auch die Landessitten scheinen für eine gute Behandlung der Privatsklaven gesorgt zu haben. Die Ermordung eines Knechtes wurde mit dem Tode bestraft und Herodot theilt mit, daß flüchtigen Knechten ein Tempel als Zufluchtsort zur Verfügung stand. Die Besitzer von Sklaven mußten deren Namen in ein staatliches Verzeichniß eintragen lassen und jede zu Unrecht in Knechtschaft gehaltene Person konnte ihre Ansprüche auf Freiheit geltend machen.

Assyrien. Die Denkmäler zu Niniveh enthalten Darstellungen von Haufen Kriegsgefangener – Männer, Weiber, Kinder – aus den kriegerischen Raubzügen der assyrischen Herrscher. Auch die zahlreichen Eunuchen, die auf jenen Monumenten zu sehen sind, müssen ursprünglich Sklaven gewesen sein, wenngleich viele von ihnen wichtige Posten im königlichen Haushalt oder in der Staatsverwaltung bekleideten. Durch zweisprachige Täfelchen aus dem Palast Assurbanipals sind Rechtsformeln auf uns gekommen, die sich auf flüchtige Sklaven und auf den Verkauf oder die Auslösung von Sklaven beziehen.

Persien. Bei den Medern und nach der Eroberung im ganzen riesigen Perserreich herrschte die Sklaverei in ausgedehntem Maße. Je nach den Bedürfnissen der verschiedenen Provinzen wurden die Sklaven in der Viehzucht, beim Ackerbau, im Handel und Gewerbe, beim Tempeldienst und in den Wohnungen der großen Luxus treibenden höheren Kreise verwendet. Nach Eunuchen war wegen ihrer Eignung zu Haremswächtern die Nachfrage seitens angesehener Familien eine lebhafte. Nach Herodot zählte Xerxes in seinem Heer viele Sklaven und zur Zeit Xenophons bestand ein beträchtlicher Theil der persischen Reiterei aus solchen. Die tapferen Vertheidiger von Tyrus gegen Alexander den Großen waren vielfach Nachkommen rebellischer Sklaven, die die Stelle ihrer Herren eingenommen hatten. Zu Crassus' Zeiten setzte sich im parthischen Reich die Mehrheit des Heeres aus Sklaven zusammen, die, wie Justinus berichtet, von ihren Herren genau wie eigene Kinder behandelt und im Reiten und Bogenschießen sorgfältig unterwiesen worden waren.

China. Dieses Land hat nie ein Kastenwesen gekannt, weil dort ein planmäßiger Fetischismus über den Theologismus siegte und zur allgemeinen Volksreligion wurde. Bloß auf den Kron- oder den Staatsdomänen gab es ein ausgedehntes Sklavenwesen, sonst spielte es nur eine geringe Rolle. Die Deckung des Bedarfs erfolgte aus den im Alterthum üblichen Quellen. Manche Verbrecher, insbesondere politische, wurden zur Sklaverei verurtheilt. Eltern durften ihre Kinder verkaufen – ein Gebrauch, der vielleicht an die Stelle der älteren Unsitte des Aussetzens getreten war. Die Kriege ergaben nicht viele Sklaven, denn China verlor mehr Gefangene als es machte, weil seine dichte Industriebevölkerung sich mit Nomadenrassen berührt. Sowohl das Recht des Herrn auf den Sklaven als auch die Dienstpflicht des letzteren war erblich und unendlich, aber die Sklaverei war eine ganz besonders milde. Das Gesetz und die Volkssitten schützten Leben und Person des Sklaven, dessen Familie oft innerhalb der Familie seines Besitzers lebte, und zwar fast auf Gleichheitsfuß. Die Haussklavinnen standen nur wenig zurück gegen die untergeordneteren Gattinnen, die ebenfalls gekauft und der Ersten Gattin unterstellt waren. Viele männliche Sklaven erfreuten sich bei ihren Eigenthümern großen Vertrauens und Einflusses. Im Verhältniß zur Riesigkeit der Einwohnerzahl war die Sklaverei im Lande nie sehr verbreitet. Die freie Arbeit herrschte ganz allgemein vor und versah alle Familien, ohne daß Hausarbeit nöthig gewesen wäre, mit den meisten Bedarfsartikeln; und die Kindesliebe, die in der chinesischen Sittenlehre eine Hauptrolle spielt, erlegte den Kindern den Eltern gegenüber persönliche Dienstleistungen auf, welche das Halten von Sklaven oder gemiethetem Gesinde in der Regel unnöthig machten.

Zusatz des Bearbeiters.

Bezüglich des gegenwärtigen chinesischen Sklavenwesens dürfte es von Interesse sein, an der Hand des werthvollen Buches »China« von John Henry Gray (London 1878) einiges Wissenswerthe zu erfahren, das ich in meinen »Bildern aus dem chinesischen Leben« (Leipzig 1881) mitgetheilt habe:

»Die Sklaven werden durch Kauf erworben und bilden das persönliche Eigenthum des Familienoberhauptes. Die weiblichen Sklaven sind sehr zahlreich, männliche kommen viel seltener vor. Reiche Leute besitzen oft nicht weniger als zwanzig bis dreißig Sklaven. Selbst Bürger, die nichts weniger als wohlhabend sind, halten es für nöthig, sich mit einigen Sklaven zu versehen. Die Preise der Sklaven variiren je nach deren Alter, Gesundheit, Stärke und äußerer Erscheinung von fünfzig bis hundert Dollars. In unruhigen Zeiten – bei Kriegen und Revolutionen – pflegen arme Eltern, wenn es ihnen sehr schlecht geht, ihre Kinder zu außerordentlich niedrigen Preisen als Sklaven zu verkaufen. Durch die in den Jahren 1854 und 1855 so häufigen maraudirenden Banden ihrer Habe beraubt, boten viele Eltern ihre Töchter à fünf Dollars aus. Auch Spieler, die ihr Vermögen am grünen Tische einbüßen, sehen sich, um zu Geld zu kommen, oft veranlaßt, ihre Kinder zu verkaufen.

Beim Ankauf und Verkauf von Sklaven intervenirt gewöhnlich ein Vermittler, ein Sklavenmakler der in der Regel ein alter Mann ist; aber auch alte Weiber widmen sich nicht selten diesem Berufe. Diese Leute halten häufig »Waare auf Lager«; bietet man ihnen einen Sklaven an, so nehmen sie ihn zur Probe auf einen Monat zu sich. Sollte er im Schlafe sprechen oder sich als schwach erweisen, so lehnen sie ihn ab oder zahlen nur einen geringen Preis für ihn. Die Probe ist nothwendig, weil der Händler, der einen Sklaven weiterverkaufen will, für dessen Brauchbarkeit garantiren muß. Der Sklave darf vor allem keinerlei Anzeichen von Aussätzigkeit aufweisen; bekanntlich ist diese Krankheit unter den Chinesen sehr verbreitet und sie hegen vor ihr großen Abscheu. Der Vermittler oder Händler muß den Sklaven, den er Jemandem zum Kauf anbietet, in ein finsteres Zimmer bringen, wo ein blaues Licht erzeugt wird; nimmt bei dessen Schein das Gesicht des Sklaven eine grüne Farbe an, so ist er von allen Symptomen der Aussätzigkeit frei; erscheint die Gesichtsfarbe aber röthlich, so setzt man voraus, daß das Blut infizirt ist.

Die Sklaverei ist nicht nur lebenslänglich, sondern auch erblich. Die Sklaven haben keine elterliche Autorität über ihre Kinder; doch ist es ihren Urenkeln, wenn dieselben die Mittel dazu besitzen, gestattet, sich ihre Freiheit zu erkaufen. Die männlichen Sklaven heißen »nu«, die Sklavinnen »pi«. Alle Sklaven werden als Familienmitglieder betrachtet. In früheren Zeiten nahmen sie sogar die Familiennamen ihrer Herren an; diese Sitte ist jedoch längst abgekommen. Aber obgleich Familienmitglieder, werden Sklaven nicht als Mitglieder des Gemeinwesens anerkannt. In Folge dessen können sie z. B. bei Gericht keine Klagen anhängig machen. Kurz, sie haben keine Bürgerrechte und sind der Habsucht, dem Hasse und den gemeinen Begierden ihrer Herren ausgesetzt. Diese können ihre Sklavinnen an andere Herren als Maitressen oder an die Eigenthümer von Bordellen verkaufen oder sie zur Befriedigung ihrer eigenen Gelüste verwenden. Es kommt zuweilen vor, daß ein Herr eine seiner Sklavinnen heirathet; ehe er es thut, verständigt er seine Freunde und Nachbarn, damit dieselben ihn am Hochzeitstage besuchen. Die Ehe wird der Sklavin in solchen Fällen nicht von ihrem Herrn, sondern von dessen Gattin angetragen, und es ist nichts Seltenes, daß eine unfruchtbare Frau, wenn sie eine hübsche und angenehme Sklavin besitzt, ihren Mann auffordert, dieselbe zur zweiten Frau zu nehmen.

Die Hauptbeschäftigung der Sklavinnen besteht in der Bedienung der Frauen und Töchter ihres Herrn. Die chinesischen Sklavinnen sind vortreffliche Kammerzofen und daher auch in der Kunst des Frisirens und Schminkens sehr geschickt. Hat eine Dame so kleine Füße, daß ihr das Gehen schwer fällt, so läßt sie sich von den Sklavinnen auf dem Rücken tragen, und es ist erstaunlich, welch große Entfernungen die Sklavinnen mit solchen Lasten im Schaukeltrab zurücklegen können. Als Kindermädchen sind die Sklavinnen in der Regel sehr sorgsam und liebevoll.

Die Familienhäupter haben ihre Sklaven ebenso vollständig in ihrer Gewalt wie ihre Kinder. Daher rührt es, daß sie nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie durch übermäßige Mißhandlung den Tod ihrer Sklaven herbeiführen. Und es kommt wirklich oft vor, daß die Herren ihre Macht oft grausam mißbrauchen. Im Allgemeinen jedoch werden die Sklaven und Sklavinnen in den besseren Häusern sehr rücksichtsvoll behandelt. Leider läßt sich dies nicht auch von den Sklavinnen sagen, die von ärmeren Leuten als »Mädchen für alles« verwendet werden. Schlecht behandelte Sklavinnen und Sklaven pflegen durchzubrennen. Die das Durchbrennen eines Sklaven anzeigenden Plakate enthalten eine eingehende Schilderung des Aeußeren des Betreffenden und die Angabe der Belohnung, die dem Zustandebringer zugesichert wird. Auch werden oft Ausrufer in den Straßen der Städte umher gesandt, um den Steckbrief und die Höhe der Belohnung schreiend und einen Gongong schlagend zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. Der Gongong hängt an einer Stange, die auf den Schultern des Ausrufers und eines Gehilfen ruht. An dem Instrument flattert eine kleine Papierfahne, auf welcher die Einzelheiten des Falles mit deutlicher Schrift verzeichnet sind. Die Herrinnen durchgegangener Sklavinnen pflegen ein der Flüchtigen gehöriges Kleid an einen Handmühlstein zu binden und diesen zu drehen, wobei sie den Namen der Sklavin laut nennen. Sollte diese Zauberei, wie begreiflich, nicht zu dem erwünschten Ergebniß führen – d. h. die Flüchtige nicht wiederbringen, – so begiebt sich die Herrin in einen Tempel des Gottes Sin-Fung (»Anführer der Armee«), fleht um seine Hilfe und bindet an ein Bein des Pferdes des Götzenbildes ein Stück Bindfaden, um anzudeuten, daß die Sklavin gebunden werden möge.

Ein schöner Zug im chinesischen Familienleben ist es, daß in fast allen besseren Häusern die Herren mit ihren Sklaven, die Damen mit ihren Sklavinnen auf vertrautem Fuße stehen. Das Gesinde ertheilt daher nicht selten Rathschläge und Winke hinsichtlich des Wohles der Familie und sehr häufig wird es zur Besprechung der wichtigsten Angelegenheiten beigezogen.«

L. K.

IV.
Die Sklaverei im alten und im modernen Indien.

Manu zählt in seinem »Gesetzbuch« sieben Gattungen von Sklaven auf: »Im Kriege gefangene, für Beköstigung dienende, im Hause geborene, gekaufte, geschenkte, vom Vater ererbte und gerichtlich verurtheilte.« Manu fügt hinzu, daß der Sklave kein Eigenthum haben könne, daß alles von ihm Verdiente seinem Herrn gehöre, daß er nur dann bei Gericht zeugenfähig sei, wenn durchaus keine anderen Zeugen aufzutreiben wären und daß sein Herr mit ihm nicht zanken dürfe, sondern Beleidigungen ohne Zorn hinnehmen müsse.

Nach Manu besteht die Pflicht eines Sudra (Mitgliedes der niedrigsten der vier indischen Kasten) darin, den anderen Kasten zu dienen, namentlich den Brahmanen, in Ermangelung solcher jedoch auch den Kschatrijas und den reicheren Waisjas. Die niedrige Stellung der Sudras geht aus vielen gesetzlichen Bestimmungen hervor, aber Sklaven waren sie nicht. Sie konnten sich die Herren, denen sie ihre Dienste anbieten wollten, auswählen und angemessene Entlohnung fordern. Sie durften selbständig Handwerke oder Gewerbe betreiben, Eigenthum erwerben und sogar Reichthümer sammeln. Auch darauf, daß sie Staatssklaven waren, läßt nichts schließen. »Ihre Lage«, schreibt Elphinstone, »war eine viel bessere als die der öffentlichen Sklaven in einigen Republiken des Alterthums oder als die der Hörigen im Mittelalter oder als die irgend einer anderen geknechteten Klasse früherer Zeiten.« Arrian erwähnt mit Bewunderung, daß jeder Indier frei war. Er sagt, daß in Indien, wie in Sparta, kein Eingeborener ein Sklave sein könne, daß dort aber, im Gegensatz zu Lakonien, auch kein anderes Volk in Knechtschaft gehalten werde. Strabo, der bezweifelt, daß die Sklaverei in ganz Indien fehlte, führt nur Beispiele von Haussklaven an und weiß nichts von einer Sklavenklasse. Möglicherweise ließen sich die an ein ganz anderes System gewöhnten Griechen durch die milde Form der Sudraknechtschaft täuschen; wahrscheinlicher jedoch ist, daß die Ueberbleibsel der Sklaverei der Sudras, wie sie zu Manus Zeit bestand, vor dem Auftreten Alexanders des Großen gänzlich verschwunden waren.« (Elphinstone, »Geschichte Indiens.«)

Derselbe Autor schrieb 1839: »Eine milde Form der Haussklaverei herrscht allgemein vor« (im damaligen Indien). »Die Sklaven werden im Hause geboren oder sind von ihren Eltern in Zeiten der Hungersnoth verkaufte Kinder, zuweilen auch von den Banjaras – einem nomadisirenden Hirtenstamm, der von der Getreide- und Waarenverfrachtung lebt – geraubte Kinder ... Die Haussklaven werden genau wie Dienstboten behandelt, nur daß man sie mehr als zur Familie gehörig betrachtet. Sie werden schwerlich jemals verkauft, und da sie sich nicht auffällig von Freien unterscheiden, lenken sie keine besondere Aufmerksamkeit auf sich.« Geraubte Mädchen werden oft zu schmählichen Zwecken verkauft; »in anderen Fällen sind sie die Opfer der Leidenschaften ihrer Herren oder der eifersüchtigen Grausamkeit ihrer Herrinnen.« In manchen Theilen Indiens findet man Sklaven »nicht nur in den Häusern der Reichen und Großen, sondern auch in Landwirthsfamilien, in denen sie genau so behandelt werden wie die anderen Mitglieder.« Die alten Hindus kannten keine landwirthschaftlichen Sklaven; jetzt giebt es solche in einzelnen Forstgegenden, doch unterliegen sie keinem großen Zwang und sind zu Lohn berechtigt. Sie finden sich in Malabar, im äußersten Süden, in Bengal, Behar und mehreren Hügelbezirken; allein »ihre Zahl ist im Verhältniß zur Bevölkerungsziffer Indiens klein und in den meisten Landestheilen kennt man die Prädialsklaverei nicht einmal dem Namen nach.«

Ueber das Verfahren der britischen Regierung hinsichtlich der Sklaverei giebt der folgende Auszug aus einem im » Anti-Slavery-Reporter« (März 1885) veröffentlichten Schreiben des Bombayer Richters Scott Aufschluß: »Das Hauptgesetz bezüglich der Sklaverei in Indien wurde 1843 erlassen und besteht aus vier Abschnitten. Der erste verbietet den Verkauf von Menschen oder des Rechts auf deren Zwangsarbeit. Der zweite untersagt die Ausübung irgendwelcher Rechte aus dem angeblichen Besitz von Personen als Sklaven. Der dritte verwehrt die Geltendmachung von Ansprüchen auf Eigenthum, das einem vermeintlichen Sklaven gehört. Der vierte stellt jede einem angeblichen Sklaven zugefügte Unbill strafrechtlich derselben einer freien Person zugefügten Unbill vollkommen gleich.« Der Menschenraub zu Sklavereizwecken wird mit zehnjähriger Verschickung, der Verkauf irgend einer Person als Sklave oder Sklavin mit siebenjährigem Kerker und der berufsmäßige Sklavenhandel mit lebenslänglicher Deportation bestraft.

V.
Die Sklaverei unter den Berber-Korsaren.

Durch die Eroberungen des Brüderpaares Urudsch und Cheireddin Barbarossa, berüchtigten Seeräubern, begann die Berberei Europa gefährlich zu werden. Urudsch ergriff 1517 von Algerien Besitz; sein Nachfolger wurde Cheireddin, der das Land an die Pforte abtrat, wofür ihn der Sultan zum Beglerbeg von Algerien und später zum Generalkapitän der ottomanischen Seemacht ernannte. Er und seine Nachfolger durchstreiften die Meere, besiegten christliche Flotten, kaperten Handelsschiffe und brandschatzten die Küsten des Mittelländischen Meeres. Barbarossa eroberte Tunis; zwar gewann Karl V. es 1535 zurück, aber dieser Umstand verringerte kaum die Macht der Korsaren. Eine Expedition, die Karl 1541 gegen Algerien ausschickte, erlitt eine jämmerliche Niederlage. Sinan Pascha nahm Tripolis ein, das den Johannitern anvertraut worden war und Ochiali bemächtigte sich wieder Tunesiens. Die hochherzige Vertheidigung Maltas unter La Valette gab den Türken einen tüchtigen Stoß und die Schlacht bei Lepanto (1571) vernichtete ihre Uebermacht zur See endgiltig.

Nunmehr sanken die Berber-Piraten zu bloßen Plünderern herab. Dritthalb Jahrhunderte hindurch unternahmen sie von Algier und Tunis aus Raubzüge ins Mittelländische Meer und den Atlantischen Ocean, an den Küsten von Sizilien, Sardinien, Korsika, Neapel und Spanien Städte und Dörfer ausplündernd, Männer, Weiber und Kinder als Gefangene fortschleppend. Theils aus gegenseitiger Eifersucht, theils weil sie andere Sorgen hatten, duldeten die Westmächte diese Schändlichkeiten und zahlten den Räubern sogar Tribut. Mehrere schwache Versuche, dem Uebel zu steuern, blieben fruchtlos, bis endlich die amerikanischen Seeoffiziere Preble und Decatur einen nennenswerthen Erfolg erzielten. 1816 erwirkte Lord Exmouth von den Beys von Tunis und Tripolis die Aufhebung der Christensklaverei; da sein gleiches Begehren in Algier abgelehnt wurde, griff er die Hauptstadt an, zerstörte die Flotte und die Befestigungen und erzwang einen Vertrag, wonach Kriegsgefangene nicht mehr zu Sklaven gemacht, sondern ausgetauscht werden sollten. Aber erst die gänzliche Vernichtung durch die Franzosen (1830) machte den Grausamkeiten der Korsaren ein vollständiges Ende. Dieses Ergebniß kann man auch dann dankenswerth finden, wenn man die wortbrüchige Annexion des Landes, die vieljährige verkehrte Behandlung der Araber und der Kabylen und die gewaltsame Aneignung Tunesiens mißbilligt.

Von der Zahl der Christen, die auf den Galeeren der Seeräuber oder zu Lande als Sklaven arbeiteten, geben die folgenden Ziffern einen Begriff. Ihrer zwanzigtausend wurden bei der Einnahme von Tunis durch Karl V. theils durch Waffengewalt, theils durch Vertrag befreit. Aus Cervantes' »Don Quijote« wissen wir, daß die Schlacht bei Lepanto zur sofortigen Befreiung von 15,000 Sklaven führte. 1634 fand Pater Dan in der Stadt Algier und der Umgebung rund 25,000 christliche Sklaven. Als 1816 Lord Exmouth alle Sklaven in Algier befreite, zeigte sich, daß ihrer nur noch 1642 waren.

Nach Ankunft Gefangener in der Stadt Algier wurden sie versteigert, wobei man die Familienangehörigen trennte. Die Käufer legten ihnen schwere Fesseln an, warfen sie in ein großes Bagno oder in die Kerker der Privathäuser und verwendeten sie zu Reinigungs- und Bergwerksarbeiten, zum Lastentragen u. s. w. Zuweilen, aber nicht oft, wurden sie mit großer Grausamkeit behandelt. Im allgemeinen hatten sie Ruhetage, täglich freie Stunden und manchmal ersparten sie sich genug Geld, um ihre Freiheit erkaufen zu können.

Bekanntlich war der Verfasser des »Don Quijote« jahrelang in Algier gefangen, und zwar als einer der zahlreichen Sklaven des Korsarenkapitäns Deli Memi, eines arnautischen Renegaten, der den Dichter sehr roh behandelte, um ihn zu zwingen, sich wegen Lösegeldes an seine Freunde zu wenden. Nachdem er mehrere Fluchtversuche gemacht, wurde er schließlich durch Beiträge seiner Verwandten und des in Algier ansässigen »Beamten für die Auslösung spanischer Gefangenen« ausgelöst. Die Annahme, daß Cervantes mit dem Gefangenen im »Don Quijote« identisch sei, ist übrigens irrig.

Um ganz gerecht zu sein, müssen wir betonen, daß es nicht nur türkische und berberische, sondern auch christliche Korsaren gab und daß, wie die Muselmanen christliche, die Christen moslemitische Sklaven hielten. Die Ruder der Fahrzeuge Dorias wurden ebenso wie diejenigen Draguts von Sklaven gehandhabt, und als Franz I. Cheireddin aus Toulon entließ, übergab er ihm vierhundert Mohammedaner, die unter Christen Galeerensklaven gewesen waren.

VI.
Das Loskaufen Gefangener.

Schon frühzeitig richtete das katholische Priesterthum – und dasselbe thaten die von demselben beeinflußten reichen Gläubigen – sein Augenmerk auf die Befreiung Gefangener mittels Lösegeldes aus den Händen der Sarazenen, Mauren u. s. w. Wir wollen einige Beispiele anführen.

Im sechsten Jahrhundert ließ Theodorich durch den Bischof von Pavia, Epiphanius, »Verkaufte oder Flüchtlinge jenseits der Alpen« – so heißt es in Milman's »Lateinisches Christenthum« (1855) – »aus der Sklaverei erretten. Gundobald der Burgunder und seine Häuptlinge waren tief ergriffen von den beredten Worten des Bischofs, der an der Spitze von sechstausend durch ihn geretteten Sklaven in Pavia einzog ... Das Loskaufen von Sklaven war einer der Zwecke, für welche die Domherren die Veräußerung von Kirchenländereien gestatteten.« Gregor der Große »heiligte jenen großen Triumph des Geistes der Religion über deren Form«, sagt Milman ferner, »indem er behufs Sklavenbefreiungen nicht nur Kirchengüter, sondern selbst geweihte Altargeräthe verkaufen ließ.« Dasselbe hatte bereits der Heilige Ambrosius gethan.

Im siebenten Jahrhundert verwendete Königin Bathildis, die Gemahlin Clovis II. von Neustria, die selber gefangen gewesen war, große Summen zum Loskaufen Gefangener. Der Heilige Eligius, nachmals Bischof von Noyon, löste sehr viele Gefangene auf eigene Kosten aus. So oft er von einem Sklavenverkauf hörte, machte er sich auf den Weg und kaufte 20-30, manchmal sogar 50-100 auf einmal, um sie sodann vor den König zu führen und in aller Form Rechtens in Freiheit setzen zu lassen. Der Vater des Johannes Damascenus (8. Jahrhundert) widmete seinen ganzen großen Reichthum dem Loskaufen christlicher Sklaven.

In späterer Zeit wurden zu dem in Rede stehenden Zweck zwei Klosterorden gestiftet: die Trinitarier und Notre Dame de la Merci. Den Trinitarierorden gründete Papst Innocenz III. im Jahre 1198 auf die Bitte der Heiligen Johann von Matha und Felix von Valois zur Auslösung von durch die Mauren und die Sarazenen gemachten christlichen Gefangenen. Der Orden breitete sich bald über Italien, Spanien, Portugal, Polen, Ungarn, England und Amerika aus; im achtzehnten Jahrhundert zählte er fast dreihundert Klöster, heute jedoch ist er wegen des Aufhörens seines Daseinsgrundes beinahe ausgestorben. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts schätzte man die Zahl der losgekauften Gefangenen auf 30,000 in Frankreich, auf 11,000 in Kastilien und Leon. Der zweite der in Rede stehenden Orden wurde in Folge von im Jahre 1218 gesehenen Visionen gestiftet, und zwar vom König von Aragon auf Anregung des Heiligen Peter Nolasque. Zwölf Jahre später erfolgte die Bestätigung durch Gregor IX. Das Mutterhaus befand sich in Barcelona; in Frankreich gab es Zweigniederlassungen und in Amerika besaß der Orden eine große Ausdehnung.

VII.
Die Sklaverei als ein Industriesystem.

Adam Smith bemerkt in seinem »Reichthum der Nationen«: »Die Erfahrungen aller Zeiten und Völker haben gelehrt, daß die freie Arbeit schließlich billiger zu stehen kommt als die Sklavenarbeit.« Er erklärt dies mit der Erwägung, daß der zum Ersetzen der Abnützung des Sklaven bestimmte Fond gewöhnlich von einem nachlässigen Eigenthümer oder einem unachtsamen Aufseher mit wenig Sparsamkeit gehandhabt wird, während der freie Arbeiter das selber besorgt und dabei mit nothgedrungener Sparsamkeit verfährt. Auch ist nicht zu erwarten, daß der Sklave so fleißig arbeite wie der Freie; vielmehr wird er, da ihn keine Aussicht auf persönlichen Nutzen anspornt, möglichst wenig zu arbeiten trachten. Was zur Verwendung von Sklaven führte, war in der Regel die Machtliebe der Herren; aber die Einrichtung konnte sich nur dort erhalten, wo die Beschaffenheit des Bodenbaues es zuließ. Der Ertrag der britischen Zucker- und Tabakpflanzungen gestattete es, während der Getreidebau es nicht ermöglichte.

J. E. Cairnes hat in seinem werthvollen Buche »Die Sklavenhalterei« eingehend dargelegt, unter welchen Vorbedingungen die Sklaverei als ein Industriesystem Erfolg haben kann. Zu den einschlägigen Forschungen hatte ihn die Thatsache veranlaßt, daß die Sklaverei, die ursprünglich in sämmtlichen englischen Kolonien Amerikas bestand, in den nördlichen allmählig abnahm und von selbst verschwand, während sie in den südlichen einen immer größeren Aufschwung erhielt und schließlich den Zuschnitt des ganzen Gesellschaftssystems beherrschte.

Die Erklärungen, die auf der Verschiedenheit der Stellung und der Sitten der Gründer der nördlichen und der südlichen Niederlassungen, auf klimatischen Einflüssen und auf der Indolenz des Negers beruhen – diese Erklärungen verwirft Cairnes als unzulänglich, um sodann die wirklich richtigen Erklärungen vorzubringen.

Der einzige wirthschaftliche Vortheil der Sklaverei besteht in dem unbeschränkten Verfügungsrecht des Herrn über seine Arbeiter. Dieses Recht, das ihm den ganzen Ertrag ihrer Arbeit zuwendet, ermöglicht es ihm, die letztere in der vollkommensten Weise einzurichten, sie nach Belieben einzutheilen und zu vertheilen, sie an jedem gewünschten Punkte zu konzentriren, ohne daß die Kosten über den Unterhalt der Arbeiter hinausgehen könnten. Diesem Einen Vorzug stehen drei Schattenseiten gegenüber: 1. Die Sklavenarbeit wird ungern geleistet und erfordert daher beständige Ueberwachung. 2. Sie ist »ungelernt« und kann folglich nur mit ganz primitiven Werkzeugen geleistet, bezw. bloß zu primitiven Verrichtungen verwendet werden. 3. Es fehlt dem Sklaven an Vielseitigkeit, sodaß er lebenslänglich auf einerlei Arbeit beschränkt bleibt.

Was nun den Norden Amerikas betrifft, so ist er nach Klima und Bodenbeschaffenheit auf den Getreidebau angewiesen. Dieser erfordert keine geschickte Arbeitskombination, und da bei ihm die Arbeiter über eine große Fläche vertheilt sind, lassen sie sich schwer wirksam beaufsichtigen. Demgemäß war die Sklaverei für den Norden ungeeignet und wurde dort durch das Kleinfarmerwesen ersetzt, bei welchem die Bauern selbst in der Regel die ganze Arbeit leisteten. Das Selbstinteresse spornte sie zum Fleiß an und sie besaßen genug Intelligenz und Geschick zur Vornahme der verschiedensten landwirthschaftlichen Arbeiten.

Zur nutzbringenden Verwendung der Sklavenarbeit dagegen gehören richtige Eintheilung, sparsame Vertheilung und einheitliche Leitung aller Arbeitskräfte. Unerläßlich ist auch die strenge Ueberwachung und folglich die Zusammendrängung zahlreicher Arbeiter auf beschränktem Raum. Der Betrieb von Tabak- und Baumwollpflanzungen erforderte diese Vorbedingungen und demgemäß gedieh die Sklaverei dort, wo Klima und Boden zur Erzeugung dieser Gegenstände geeignet waren. Die große Fruchtbarkeit des südlichen Bodens machte sowohl eine höhere Geschicklichkeit der Arbeiter als auch die Verwendung vollkommenerer Arbeitsbehelfe entbehrlich. Und wenn wegen Mangels an Wechselwirthschaft der Boden erschöpft war, so fand sich anderer jungfräulicher Boden in Hülle und Fülle.

Cairnes, dessen Werk 1862 erschien, faßt die Ergebnisse seiner Untersuchung folgendermaßen zusammen: »Zur erfolgreichen Aufrechthaltung der Sklaverei bedarf es einmal einer Fülle fruchtbaren Bodens und dann einer Pflanze, deren Bau die Organisation und Kombination der Arbeit in großem Maße erfordert und ihre Verdichtung zuläßt. Dem Vorhandensein dieser Vorbedingungen ist es zuzuschreiben, daß die Sklaverei sich im Süden der Vereinigten Staaten erhalten hat, während sie im Norden in Folge des Fehlens jener Vorbedingungen verschwunden ist.«

Bezüglich des Südens wäre noch zu bemerken, daß die Erfindung von Whitneys Baumwollkratze (1793) der Baumwoll-Industrie einen ebenso schnellen wie ungeheuren Aufschwung verlieh, ein Umstand, der die Sklaverei außerordentlich kräftigte; verdankte sie ihre Fortdauer früher der Gewohnheit und der Furcht vor den Folgen einer Emanzipation, so wurde sie nunmehr zu einer schier unentbehrlichen Einrichtung der südstaatlichen Gesellschaft.


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