Henrik Ibsen
Die Kronprätendenten
Henrik Ibsen

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Fünfter Akt

Ein Gemach im Königsschloß zu Nidaros.

Die Eingangstür ist rechts; vorn auf derselben Seite ein Fenster; links eine kleinere Tür. Abenddämmerung. Paul Flida, Bård Bratte und mehrere von König Skules vornehmsten Mannen stehen am Fenster und blicken hinaus und zum Himmel auf.

Ein Gefolgsmann. Wie rot es leuchtet!

Ein Andrer Gefolgsmann. Gleich einem glühenden Schwerte reicht es über den halben Himmel.

Bård Bratte. Heiliger König Olaf, was kündet solch ein Schreckenszeichen?

Ein alter Windbalg. Es kündet gewißlich eines großen Häuptlings Tod.

Paul Flida. Håkons Tod, Ihr braven Windbälge! Er liegt draußen im Fjord mit der Flotte; wir können ihn an diesem Abend in der Stadt erwarten – diesmal gebührt uns der Sieg.

Bård Bratte. Baut nicht darauf – das Heer hat nicht mehr viel Mut.

Der alter Windbalg. Das ist ganz erklärlich; seit der Flucht von Oslo hat ja König Skule sich eingeschlossen und will seine Mannen nicht sehen noch sprechen.

Erster Gefolgsmann. Manch einer in der Stadt weiß nicht, ob er ihn für lebendig oder tot halten soll.

Paul Flida. Der König muß heraus, so krank er auch ist. Sprecht mit ihm, Bård Bratte, – es gilt aller Rettung.

Bård Bratte. Nützt nichts – ich hab' eben schon mit ihm gesprochen.

Paul Flida. So will ich's selbst versuchen. Geht an die Tür links und klopft. Herr König, Ihr müßt das Steuer in die eigenen Hände nehmen; so kann es nicht länger gehen.

König Skule von innen. Ich bin krank, Paul Flida!

Paul Flida. Kann's anders sein? Ihr habt ja zwei Tage lang nichts gegessen; Ihr müßt Euch stärken und pflegen –

König Skule. Ich bin krank.

Paul Flida. Beim Allmächtigen, es hilft nichts! König Håkon liegt draußen auf dem Fjord, und wir können ihn jeden Augenblick hier in Nidaros erwarten.

König Skule. Schlagt ihn an meiner Statt! Tötet ihn und das Königskind!

Paul Flida. Ihr müßt selbst mit sein, Herr!

König Skule. Nein, nein, nein, – Ihr werdet am ehesten Glück und Sieg erlangen, wenn ich nicht mit bin.

Peter kommt von rechts; er ist gewappnet. Das Stadtvolk wird unruhig – es schart sich in hellen Haufen um das Königsschloß.

Bård Bratte. Redet der König nicht zu ihnen, so lassen sie ihn im Stich, wenn die Not am größten ist.

Peter. So muß er zu ihnen reden. An der Türe links. Vater! Die Trondhjemer, Deine treuesten Mannen, fallen von Dir ab, wenn Du ihnen nicht Mut machst!

König Skule. Was sagte der Skalde?

Peter. Der Skalde?

König Skule. Ja, der Skalde, der in Oslo für meine Sache starb. Man kann nicht verschenken, was man selbst nicht besitzt, sagte er.

Peter. So kannst Du auch das Reich nicht fortgeben – denn es gehört mir, wenn Du stirbst.

König Skule. Jetzt komme ich!

Paul Flida. Gott sei gelobt!

König Skule erscheint in der Tür; er ist bleich und gebrochen; sein Haar ist stark ergraut. Ihr sollt mich nicht ansehen! Ich will nicht, daß Ihr mich anseht, jetzt da ich krank bin! Er geht zu Peter. Dir das Reich nehmen, sagst Du? Großer Gott des Himmels, was wollt' ich da tun!

Peter. O, vergib mir – ich weiß ja: was Du tust, ist das Richtigste.

König Skule. Nein, nein, bis jetzt nicht; – aber jetzt will ich beherzt und stark sein, – ich will handeln.

Laute Rufe von draußen rechts. König Skule! König Skule!

König Skule. Was ist das?

Bård Bratte am Fenster. Das Stadtvolk strömt zusammen; der ganze Schloßhof ist voll von Leuten – Ihr müßt zu ihnen reden.

König Skule. Seh' ich wie ein König aus?! Kann ich jetzt reden?

Peter. Du mußt, mein hoher Vater!

König Skule. Gut, sei es denn! Tritt ans Fenster und schiebt den Vorhang beiseit, läßt ihn aber sogleich wieder fallen und zuckt entsetzt zurück. Da steht das glühende Schwert wieder über mir!

Peter. Es kündet, daß das Schwert des Sieges für Dich gezückt ist.

König Skule. Ja, wäre dem nur so! Tritt ans Fenster und spricht hinaus. Trondhjemer, was wollt Ihr? Hier steht Euer König.

Ein Städter von draußen. Verlaßt die Stadt! Die Birkebeiner werden sengen und morden, wenn sie Euch hier finden.

König Skule. Wir müssen alle zusammenhalten. Ich bin Euch ein milder König gewesen; ich habe nur geringe Kriegssteuer verlangt –

Eine Männerstimme drunten in der Menge. Wie nennst Du denn all das Blut, das bei Låka und in Oslo geflossen ist?

Eine Frau. Gib mir meinen Bräutigam wieder!

Ein Knabe. Gib mir meinen Vater und meinen Bruder!

Eine andre Frau. Gib mir meine drei Söhne König Skule!

Ein Mann. Er ist nicht König; denn man hat ihm nicht an des heiligen Olaf Schrein gehuldigt!

Viele Stimmen. Nein, nein, – man hat ihm nicht am heiligen Olafsschrein gehuldigt! Er ist nicht König!

König Skule zieht sich hinter den Vorhang zurück. Nicht gehuldigt –! Nicht König!

Paul Flida. Unselig, daß der Heiligenschrein nicht hinausgetragen wurde, als man Euch erkor.

Bård Bratte. Lassen uns die Stadtleute im Stich, so können wir uns in Nidaros nicht halten, wenn die Birkebeiner kommen.

König Skule. Und sie werden uns im Stiche lassen, solange mir nicht an dem Heiligenschrein gehuldigt worden ist.

Peter. So laß den Schrein hinausbringen, und laß Dir jetzt huldigen!

Paul Flida kopfschüttelnd. Wie sollte das ausführbar sein?

Peter. Ist etwas unausführbar, wenn es ihn betrifft? Laßt zum Thing blasen und tragt den Schrein hinaus!

Mehrere der Mannen fahren zurück. Kirchenraub!

Peter. Nicht Kirchenraub; – kommt, kommt! die Kreuzbrüder sind König Skule wohlgesinnt; sie werden einwilligen –

Paul Flida. Das tun sie nicht; sie dürfen es des Erzbischofs wegen nicht tun.

Peter. Ihr seid Königsmannen und wollt nicht helfen, wenn es eine so große Sache gilt! Gut, es sind andere da unten, die willfähriger sein werden. Mein Vater und König, die Kreuzbrüder sollen nachgeben – ich will bitten, will flehen–. Laß blasen zum Thing! Du sollst Deinen Königsnamen mit Recht tragen! Eilt rechts hinaus.

König Skule freudestrahlend. Saht Ihr ihn? Saht Ihr meinen herrlichen Sohn? Wie seine Augen blitzten! Ja, wir wollen alle kämpfen und siegen. Wie stark sind die Birkebeiner?

Paul Flida. Nicht so stark, daß wir's nicht mit ihnen aufnehmen könnten, wenn nur die Stadtleute zu uns halten.

König Skule. Sie sollen zu uns halten. Wir müssen jetzt alle einig sein und diesen Schreckenskrieg enden. Seht Ihr denn nicht, wie der Himmel selbst gebeut, daß wir ihn enden sollen? Der Himmel zürnt ganz Norwegen um der Taten willen, die nun so lange schon verübt worden sind. Glühende Schwerter stehen hoch da oben und leuchten jede Nacht; Weiber fallen um und gebären in den Kirchen; Irrwahn erfaßt Priester und Klosterbrüder, daß sie durch die Gassen rennen und rufen, der jüngste Tag sei gekommen. Ja, beim Allmächtigen, das soll enden mit einem einzigen Schlage!

Paul Flida. Was befehlt Ihr – was soll geschehen?

König Skule. Alle Brücken sollen abgebrochen werden.

Paul Flida. Geht und laßt alle Brücken abbrechen.

Einer der Gefolgsmannen geht rechts hinaus.

König Skule. Alle Mannen sollen sich auf dem Werder unten versammeln; kein Birkebeiner soll seinen Fuß nach Nidaros setzen.

Paul Flida. Wohlgesprochen, König!

König Skule. Wenn der Heiligenschrein hinausgetragen ist, soll man zum Thing blasen. Das Heer und die Städter sollen zusammengerufen werden.

Paul Flida zu einem der Mannen. Geh hinaus und laß den Lurenbläser durch die Gassen blasen. Der Mann ab.

König Skule redet aus dem Fenster zur Menge. Haltet fest zu mir, Ihr Trauernden und Klagenden da unten! Es soll wieder Frieden und Licht über das Land kommen, wie in Håkons ersten schönen Tagen, da das Korn jeden Sommer zweimal reifte. Haltet fest zu mir! Bauet auf mich und vertraut mir – dessen bedarf ich so unsäglich! Ich will wachen und streiten für Euch; ich will bluten und fallen für Euch, wenn es not tut – aber verlaßt mich nicht und zweifelt nicht –! Laute Schreckensrufe erschallen aus der Menge. Was ist das?

Eine fanatische Stimme. Tut Buße! Tut Buße!

Bård Bratte blickt hinaus. Ein Priester, der vom Teufel besessen ist!

Paul Flida. Er reißt seine Kutte in Fetzen und peitscht sich mit der Geißel.

Die Stimme. Tut Buße! Tut Buße! Der jüngste Tag ist gekommen!

Viele Stimmen. Flieht, flieht! Wehe über Nidaros! O der sündigen Tat!

König Skule. Was ist denn geschehen?

Bård Bratte. Alle fliehen, alle weichen zurück, als wär' ein wildes Tier unter sie gefahren.

König Skule. Ja, alle fliehen – Mit einem Freudenausruf. Ha! Gleichviel – wir sind gerettet! Seht, seht, – König Olafs Schrein steht mitten im Schloßhof!

Paul Flida. König Olafs Schrein!

Bård Bratte. Ja, beim Himmel, – da steht er!

König Skule. Die Kreuzbrüder sind mir treu – nie haben sie eine bessere Tat getan!

Paul Flida. Hört! Es wird zum Thing geblasen.

König Skule. Nun wird mir also nach dem Gesetz gehuldigt!

Peter kommt von rechts. Leg' den Königsmantel an – der Heiligenschrein steht jetzt draußen.

König Skule. So hast Du das Reich gerettet für mich und für Dich; und zehnfach wollen wir den frommen Kreuzbrüdern danken, daß sie nachgegeben haben,

Peter. Die Kreuzbrüder, mein Vater? – ihnen hast Du nichts zu danken.

König Skule. So waren sie es nicht, die Dir geholfen haben?

Peter. Sie sprachen den Kirchenbann aus über jeden, der es wagen würde, das Heiligtum zu berühren.

König Skule. Der Erzbischof also! Endlich hat er doch nachgegeben.

Peter. Der Erzbischof schleuderte ärgere Bannflüche noch als die Kreuzbrüder.

König Skule. O, so seh' ich, daß ich trotz allem noch treue Mannen habe. Ihr standet hier feig und wichet zurück, – Ihr, die mir am nächsten stehen solltet, – und da unten in der Menge hab' ich Leute, die eine so große Schuld um meinetwillen auf sich laden mochten.

Peter. Nicht einen treuen Mann hast Du, der solche Schuld auf sich laden möchte.

König Skule. Allmächtiger Gott, ist denn ein Wunder geschehen? – Wer trug das Heiligtum hinaus?

Peter. Ich, mein Vater!

König Skule aufschreiend. Du!

Die Mannen weichen scheu zurück. Kirchenräuber! Paul Flida, Bård Bratte und ein paar andere gehen hinaus.

Peter. Die Tat mußte geschehen. Auf keines Mannes Treue ist zu bauen, ehe Dir nicht nach dem Gesetz gehuldigt worden ist. Ich bat, ich beschwor die Kreuzbrüder, – es half nichts. Da sprengte ich die Kirchentür; niemand wagte mir zu folgen. Ich sprang auf den Hochaltar, ich erfaßte den Griff und stemmte die Knie gegen die Wand; es war, als ob eine rätselhafte Macht mir übermenschliche Kraft verliehen hätte. Der Schrein lockerte sich, ich zog ihn hinter mir her über den Kirchenflur, während der Bannstrahl wie ein Gewitter hoch oben unter der Wölbung hersauste; ich zog ihn aus der Kirche heraus, – alle flohen und wichen vor mir; als ich in des Schlosshofs Mitten angekommen war, da brach der Griff ab – hier ist er! Hält ihn empor.

König Skule still, vor Entsetzen starr. Kirchenräuber!

Peter. Um Deinetwillen – um Deines großen Königsgedankens willen! Aber Du wirst die Sünde auslöschen – alles, was böse ist, wirst Du auslöschen. Licht und Frieden werden mit Dir kommen; ein strahlender Tag wird heraufsteigen über dem Lande – was tut's, daß eine Gewitternacht ihm voranging?

König Skule. Es lag wie ein Heiligenschein über Deinem Haupte, als Deine Mutter Dich mir brachte – und jetzt dünkt mich's, ich sehe den Bannstrahl flammen.

Peter. Vater, Vater, denk nicht an mich – sei nicht besorgt um mein Weh und Wohl. Deinen eignen Willen hab' ich ja erfüllt, – wie kann das mir als Schuld angerechnet werden!

König Skule. Deinen Glauben an mich, den wollt' ich besitzen, und Dein Glaube ist zur Sünde geworden.

Peter wild. Um Deinetwillen! Um Deinetwillen! Deshalb muß Gott sie abwaschen!

König Skule. Rein und schuldlos, gelobte ich Ingebjörg – und er höhnt den Himmel!

Paul Flida tritt ein. Alles in Aufruhr! Die Schreckenstat hat Deine Mannen mit Grausen erfüllt – sie fliehen in die Kirchen.

König Skule. Sie sollen, sie müssen heraus!

Bård Bratte tritt ein. Die Städter haben sich wider Euch erhoben; sie erschlagen die Windbälge rings auf den Gassen und in den Häusern, wo sie sie finden können!

Ein Gefolgsmann tritt ein. Jetzt segeln die Birkebeiner den Fluß herauf!

König Skule. Blast meine Mannen zusammen! Keiner darf mich hier im Stich lassen!

Paul Flida. Unmöglich – der Schreck hat sie gelähmt.

König Skule verzweifelt. Aber ich kann jetzt nicht fallen! Mein Sohn darf nicht sterben mit einer Todsünde auf seiner Seele!

Peter. Denk nicht an mich – um Dich nur handelt es sich. Versuchen wir's nach Indherred hinüber zu kommen; dort sind alle Mannen treu!

König Skule. Ja, fliehen wir! Folge mir, wer sein Leben lieb hat!

Bård Bratte. Auf welchem Wege?

König Skule. Über die Brücke!

Paul Flida. Alle Brücken sind abgebrochen, Herr.

König Skule. Abgebrochen –! Alle Brücken abgebrochen, sagst Du!

Paul Flida. Ihr hättet sie in Oslo abbrechen sollen, dann hättet Ihr in Nidaros sie können stehen lassen.

König Skule. Über den Fluß gleichwohl! – Hier gilt's Leben und Seligkeit zu retten! Flieht! Flieht! Er und Peter eilen links hinaus.

Bård Bratte. Ja, lieber das, als von Städtern und Birkebeinern erschlagen zu werden!

Paul Flida. In Gottes Namen denn, – die Flucht! Alle folgen Skule.

Die Stube steht einen Augenblick leer; man hört fernen und wirren Lärm von den Straßen; dann stürmt ein Trupp bewaffneter Städter durch die Tür rechts herein.

Ein Städter. Hieher! Hier muß er sein.

Ein Andrer. Erschlagt ihn!

Mehrere. Erschlagt auch den Kirchenräuber!

Ein Einzelner. Seht Euch vor! Sie beißen um sich.

Erster Städter. Das hat keine Not – die Birkebeiner sind schon oben in der Straße.

Ein Städter kommt. Zu spät! – König Skule ist geflohen!

Mehrere. Wohin? Wohin?

Der Ankömmling. In eine der Kirchen, denk' ich – sie sind voller Wolfsbälge.

Erster Städter. So wollen wir ihn suchen; – großen Dank und Lohn spendet König Håkon dem Manne, der Skule erschlägt.

Ein Andrer. Da kommen die Birkebeiner.

Ein Dritter. König Håkon selbst!

Viele in der Menge rufen: Heil König Håkon Håkonsson!

Håkon tritt von rechts ein; ihm folgen Gregorius Jonsson, Dagfinn und zahlreiche andere. Ja, jetzt seid Ihr demütig, Ihr Trondhjemer, – lange genug habt Ihr mir getrotzt.

Erster Städter auf die Knie fallend. Gnade, Herr! Skule Bårdsson hat uns so hart zugesetzt!

Ein Andrer gleichfalls kniend. Er zwang uns, – sonst wären wir ihm niemals gefolgt.

Der Erste. Er nahm unser Hab und Gut und nötigte uns, für seine ungerechte Sache zu kämpfen.

Der Zweite. Ach, hoher Herr, er ist eine Geißel gewesen für seine Freunde wie für seine Feinde.

Viele Stimmen. Ja, ja, Skule Bårdsson ist eine Geißel gewesen für das ganze Land!

Dagfinn. Das dürfte ein wahres Wort sein.

Håkon. Gut, – mit Euch Städtern werd' ich später reden – ich habe vor, streng zu bestrafen, was hier verbrochen worden ist. Aber zunächst gilt es an andres zu denken. Weiß einer, wo Skule Bårdsson ist?

Mehrere. In einer der Kirchen, Herr!

Håkon. Wißt Ihr das so sicher?

Der Städter. Ja, da sind alle Wolfsbälge.

Håkon leise zu Dagfinn. Man muß ihn finden, – stellt Wachen vor alle Kirchen der Stadt.

Dagfinn. Und wenn man ihn findet – soll er ohne Verzug erschlagen werden.

Håkon mit leiser Stimme. Erschlagen? Dagfinn, Dagfinn, wie schwer dünkt mich das!

Dagfinn Herr, Ihr habt es hoch und teuer beschworen in Oslo.

Håkon. Und jedermann im Lande wird seinen Tod fordern. Er wendet sich zu Gregorius Jonsson und spricht, unhörbar für die andern: Geh! Du warst einstmals sein Freund! Such' ihn auf, und berede ihn, aus dem Lande zu fliehen.

Gregorius Jonsson freudig. Das wollet Ihr, Herr?

Håkon. Um meiner frommen, lieben Hausfrau willen.

Gregorius Jonsson. Aber wenn er nicht flieht? Wenn er nicht will oder nicht kann?

Håkon. In Gottes Namen, dann kann ich ihn nicht schonen! Dann muß mein Königswort in Kraft bleiben. Geh!

Gregorius Jonsson. Ich werde gehen und mein Bestes tun. Der Himmel gebe, daß es gelinge. Ab nach rechts.

Håkon. Du, Dagfinn, geh mit zuverlässigen Männern hinunter aufs Königsschiff. Ihr sollt die Königin und das Kind hinauf nach dem Kloster Elgesäter begleiten.

Dagfinn. Herr, glaubt Ihr, daß sie dort sicher ist?

Håkon. Sie ist nirgends sicherer. Die Wolfsbälge haben sich in den Kirchen eingeschlossen, – und sie, sie hat so sehr darum gebeten: ihre Mutter ist in Elgesäter.

Dagfinn. Ja, ja, ich weiß es.

Håkon. Grüße die Königin zärtlich von mir – und grüss' auch Frau Ragnhild. Du kannst ihnen sagen: sobald die Wolfsbälge mir zu Füßen liegen und Begnadigung erhalten haben, dann sollen alle Glocken in Nidaros läuten, zum Zeichen, daß wieder Frieden im Land geworden ist. – Ihr Städter sollt mir morgen Rede und Antwort stehen und Strafe empfangen, – ein jeder nach seinen Werken. Ab mit seinen Mannen.

Erster Städter. Weh' uns morgen!

Zweiter Städter. Wir haben eine große Sündenrechnung.

Erster Städter. Wir, die Håkon so lange getrotzt haben, – die Skule zujauchzten, als er sich den Königsnamen aneignete!

Zweiter Städter. Die Skule Schiffe und Kriegssteuer gaben, – die alles Gut kauften, das er Håkons Vögten geraubt hat.

Erster Städter. Ja, weh' uns morgen!

Ein Städter tritt eilig von links ein. Wo ist Håkon? Wo ist der König?

Erster Städter. Was willst Du von ihm?

Der Ankömmling. Ihm große und wichtige Botschaft bringen.

Mehrere. Welche?

Der Ankömmling. Das sag' ich nur dem König selbst.

Mehrere. Sag's uns, sag's uns!

Der Ankömmling. Skule Bårdsson flieht nach Elgesäter hinauf.

Erster Städter. Unmöglich! Er ist in einer der Kirchen.

Der Ankömmling. Nein, nein! Er setzte mit seinem Sohne in einer Fähre über den Fluß.

Erster Städter. Ha, dann können wir uns vor Håkons Zorn retten.

Zweiter Städter. Ja, dann laßt uns sogleich ihm melden, wo Skule ist.

Erster Städter. Nein, ich weiß Besseres: sagen wir ihm nichts, sondern gehen wir selbst hinauf nach Elgesäter, Skule zu töten.

Zweiter Städter. Ja, ja, – laßt uns das tun!

Dritter Städter. Aber sind ihm nicht viele Wolfsbälge über den Fluß gefolgt?

Der Ankömmling. Nein, es waren nur wenige Männer in Boote.

Erster Städter. Wir waffnen uns, so gut wir können. O, jetzt sind die Städter geborgen! Sagt keinem, was wir vorhaben. Wir sind Mannen genug, – und nun hinauf nach Elgesäter!

Alle mit gedämpfter Stimme. Ja, hinauf nach Elgesäter! Sie gehen rasch, aber vorsichtig, links ab.

 

Tannenwald auf den Hügeln vor Nidaros.

Mondschein; aber neblige Nacht, so daß man den Hintergrund nur undeutlich und zuweilen gar nicht sehen kann. Baumstümpfe und große Felsblöcke liegen rings umher. König Skule, Peter, Paul Flida, Bård Bratte und mehrere Windbälge kommen von links durch den Wald.

Peter. Komm her und ruh' Dich aus, mein Vater!

König Skule. Ja, laß mich ruhen, ruhen. Sinkt an einem Felsblock nieder.

Peter. Wie geht es Dir?

König Skule. Ich bin hungrig! Krank, krank! Ich sehe die Schatten toter Männer!

Peter springt auf. Schafft Hilfe! – Brot für den König!

Bård Bratte. Hier ist jedermann König; denn hier gilt es das Leben. Steh auf, Skule Bårdsson; bist Du König, so regiere Dein Land nicht im Liegen!

Peter. Höhnst Du meinen Vater, so töte ich Dich!

Bård Bratte. Der Tod ist mir ohnehin gewiß; nie gewährt mir König Håkon Gnade; denn ich war sein Vogt und verließ ihn um Skules willen. Macht etwas ausfindig, das uns retten kann! Es gibt keine so verzweifelte Tat, daß ich sie jetzt nicht wagte.

Ein Windbalg. Könnten wir nur hinüber nach dem Kloster von Holm entkommen.

Paul Flida. Besser nach Elgesäter.

Bård Bratte plötzlich ausrufend: Das beste wäre: hinunter auf Håkons Schiff zu gehen und das Königskind zu rauben!

Paul Flida. Rasest Du?!

Bård Bratte. Nein, nein, das ist unsere einzige Rettung, und leicht ist sie ins Werk zu setzen. Die Birkebeiner durchsuchen jedes Haus und halten Wacht vor den Kirchen; sie glauben nicht, daß einer von uns hat entfliehen können, da alle Brücken abgebrochen waren. Es kann unmöglich viel Mannschaft an Bord der Schiffe sein; haben wir den Königserben in unsrer Gewalt, so soll Håkon uns Frieden gewähren oder sein Sproß soll mit uns sterben. Wer tut mit, das Leben zu retten?

Paul Flida. Ich nicht, wenn's auf solche Art geschehen soll.

Mehrere. Ich nicht! Ich nicht!

Peter. Ha, aber wenn mein Vater dadurch gerettet werden kann –!

Bård Bratte. Willst Du mittun, so komm. Ich gehe jetzt hinunter nach Hladehammer; dort liegt die Schar, der wir am Fuß des Hügels begegneten. Es sind die tollsten Waghälse unter allen Wolfsbälgen; sie waren über den Fluß geschwommen, denn sie wußten, daß sie in den Kirchen keine Gnade finden würden. Die Burschen wagen schon, das Königsschiff heimzusuchen. Wer von Euch will also mit?

Einige. Ich! Ich!

Peter. Vielleicht auch ich; – aber erst muß ich meinen Vater unter sichrem Obdach wissen.

Bård Bratte. Ehe der Tag graut, fahren wir den Fluß hinauf. Kommt, hier geht ein Richtweg nach Hlade hinunter.

Er und einige andere rechts ab.

Peter zu Paul Flida. Sprecht nicht zu meinem Vater von all dem. Er ist heut an der Seele krank. Wir müssen für ihn handeln. Bård Brattes Tat verheißt Rettung; vor Tagesgrauen soll das Königskind in unsern Händen sein.

Paul Flida. Um getötet zu werden, versteht sich. Seht Ihr denn nicht, daß das eine Sünde ist –?

Peter. Es kann keine Sünde sein. Denn mein Vater erklärte es in Oslo für vogelfrei. Das Kind muß ja so wie so aus dem Wege. Es hindert meinen Vater – mein Vater hat einen großen Königsgedanken durchzusetzen; es kann gleichgültig sein, wer oder wie viele für den fallen.

Paul Flida. Unselig der Tag, da Ihr erführet, daß Ihr König Skules Sohn seid! Aufhorchend. Pst! – werft Euch platt auf die Erde – es kommen Leute.

Alle werfen sich hinter Baumstümpfen und Felsblöcken zur Erde; man sieht undeutlich durch den Nebel zwischen den Bäumen einen Zug von Reitenden und Fußgängern vorüberkommen, der von rechts nach links passiert.

Peter. Das ist die Königin!

Paul Flida. Ja, ja, – sie spricht mit Dagfinn dem Bauer. Still!

Peter. Sie wollen nach Elgesäter. Das Königskind ist mit!

Paul Flida. Und die Frauen der Königin.

Peter. Aber nur vier Mann! Auf, auf, König Skule! – nun ist Dein Reich gerettet!

König Skule. Mein Reich? Das ist finster, – wie des Engels Reich, der sich wider Gott erhob. Eine Schar Kreuzbrüder erscheint von rechts.

Ein Kreuzbruder. Wer spricht da? Sind das König Skules Mannen?

Paul Flida. König Skule selbst.

Der Kreuzbruder zu Skule. Gott sei gelobt, daß wir Euch getroffen haben, lieber Herr! Wir erfuhren von einigen Städtern, daß Ihr den Weg hier herauf genommen habt, und wir sind ebenso unsicher in Nidaros wie Ihr selbst –

Peter. Ihr hättet den Tod verdient, daß Ihr den Olafsschrein nicht herausgabt!

Der Kreuzbruder. Der Erzbischof verbot es. Aber wir möchten trotzdem gern König Skule dienen; wir haben ja immer zu ihm gehalten. Hier haben wir Kreuzkutten für Euch und Eure Mannen mitgebracht! Zieht sie an, – so entkommt Ihr leicht in eins der Klöster und könnt versuchen, von Håkon Begnadigung zu erlangen.

König Skule. Ja, werft mir eine Kreuzkutte über; ich und mein Sohn, wir müssen auf geweihtem Grunde stehen. Ich will nach Elgesäter –

Peter leise zu Paul Flida. Sorgt dafür, daß mein Vater sicher hinkommt –

Paul Flida. Vergeßt Ihr, daß Birkebeiner auf Elgesäter sind?

Peter. Nur vier Mann; mit denen werdet Ihr leicht fertig, und innerhalb der Klostermauern wagen sie nicht, Euch anzurühren. Ich suche Bård Bratte.

Paul Flida. Überlegt es Euch!

Peter. Nicht auf dem Königsschiffe, sondern auf Elgesäter sollen die Geächteten das Reich für meinen Vater retten! Schnell ab nach rechts.

Ein Windbalg, einem andern zuflüsternd. Gehst Du mit Skule nach Elgesäter?

Der Andre. Pst – nein – die Birkebeiner sind ja dort.

Der Erste. Ich gehe auch nicht – aber sag' den andern nichts.

Der Kreuzbruder. Und nun vorwärts, je zwei und zwei, ein Kriegsmann und ein Kreuzbruder –

Ein zweiter Kreuzbruder, der auf einem Baumstumpfe hinter den übrigen sitzt. Ich nehme König Skule.

König Skule. Weißt Du den Weg?

Der Kreuzbruder. Der breite ist's.

Erster Kreuzbruder. Beeilt Euch. Laßt uns auf verschiedenen Pfaden gehen und draußen vor der Klosterpforte zusammentreffen.

Sie gehen zwischen den Bäumen rechts ab; der Nebel lichtet sich etwas, und der Komet erscheint rot und glühend am dämmrigen Himmel.

König Skule. Peter, mein Sohn –! Fährt zurück. Ha, da steht das glühende Schwert am Himmel!

Der Kreuzbruder hinter ihm sitzend auf dem Baumstumpfe. Und da bin ich!

König Skule. Wer bist Du?

Der Kreuzbruder. Ein alter Bekannter.

König Skule. Einen bleicheren Mann hab' ich nie gesehen.

Der Kreuzbruder. Und Du kennst mich nicht.

König Skule. Nach Elgesäter willst Du mich geleiten.

Der Kreuzbruder. Zum Königssitze will ich Dich geleiten.

König Skule. Kannst Du das?

Der Kreuzbruder. Ich kann's, wenn Du selber willst.

König Skule. Und durch welches Mittel?

Der Kreuzbruder. Durch das Mittel, dessen ich mich vormals bedient habe – ich will Dich auf einen hohen Berg führen und Dir alle Herrlichkeit dieser Welt zeigen.

König Skule. Alle Herrlichkeit dieser Welt hab' ich schon einmal in verlockenden Träumen geschaut.

Der Kreuzbruder. Ich war es, der Dir die Träume eingab.

König Skule. Wer bist Du ?

Der Kreuzbruder. Ein Sendbote des ältesten Thronforderers der Welt.

König Skule. Des ältesten Thronforderers der Welt?

Der Kreuzbruder. Des ersten Jarls, der sich wider das größte Reich erhob und sich selber ein Reich gründete, das über den jüngsten Tag hinaus währen soll!

König Skule aufschreiend. Bischof Nikolas!

Der Kreuzbruder erhebt sich.
Kennst Du mich nun? Bekannte ja sind wir; –
Um Deinetwillen kehr' ich zurück.
Es fuhren ja einst mit demselben Wind wir,
Im selben Nachen ein weites Stück.
Ich war feig, als wir schieden; wild heulte der Sturm,
Im Herzen mir wühlte ein garstiger Wurm;
Ich flehte um Messen und Glockenklang,
Gebete mir kauft' ich und Mönchsgesang, –
Für sieben bezahlt' ich und vierzehn empfing ich;
Und doch nicht ein zur Himmelstür ging ich.

König Skule. Und nun kommst Du von da unten –?

Der Kreuzbruder.
Vom Reiche dort unten, vom Flammensitze,
Der so furchtbar stets scheint Eurer Oberwelt.
Pah, glaub' mir, es ist so schlimm nicht bestellt;
Es hat keine Not mit der argen Hitze.

König Skule. Und Du hast, wie ich sehe, die Skaldenkunst erlernt, alter Baglerhäuptling!

Der Kreuzbruder.
Die Skaldenkunst und sehr viel Latein!
Du weißt, sonst war ich kein guter Lateiner;
Jetzt bin ich schier der vorzüglichsten einer.
Denn um sich Ansehn dort zu verleihn,
Ja, schon um nur durch die Pforte zu gehn,
Muß man notwendig Latein verstehn.
Und das macht sich ja leicht, wenn man jederzeit
Verkehrt mit so großer Gelehrsamkeit, –
Mit Päpsten schockweis, mit Ärzten und Richtern,
Fünfhundert Kardinälen und sechstausend Dichtern.

König Skule. Grüss' Deinen Herrn und dank' ihm für seine Freundschaft. Du kannst ihm sagen, er wäre der einzige König, der Skule dem Ersten von Norwegen Hilfe sende!

Der Kreuzbruder.
Vernimm jetzt, weshalb ich hieher gesandt.
Er hat viele Diener, die für ihn schalten,
Und jeder hat sein Gebiet zu verwalten;
Norwegen ward mir, denn hier bin ich bekannt.
Håkon Håkonsson ist für uns nicht der Mann,
Er bietet uns Trotz, er steht uns nicht an;
Sieh, er muß fallen, gestürzt vom Throne,
Du einzig sollst herrschen als Erbe der Krone.

König Skule. Ja, gib mir die Krone! Hab' ich die, so werde ich schon so regieren, daß ich mich wieder loskaufen kann!

Der Kreuzbruder.
Hm, davon können wir später sprechen.
Jetzt gilt's, die Frucht vom Baume zu brechen.
Auf Elgesäter schläft Håkons Kind; –
Fängst Du das in des Todes Netz geschwind,
Dann zerstiebt jedes Hemmnis, wie Spreu verfliegt,
Dann bist Du König, dann hast Du gesiegt!

König Skule. Glaubst Du sicher, daß ich dann gesiegt habe?

Der Kreuzbruder.
Es seufzt nach Frieden ja Groß und Klein.
Der König darf nicht ohne Thronerbe sein,
Dem nach ihm der Kronreif ums Haupt sich schmiege;
Denn das Volk ist müde der langen Kriege.
Steh auf, König Skule! Triff heut ins Ziel!
Jetzt oder niemals gewinnst Du Dein Spiel!
Siehst Du: wo's hell wird, drüben gen Nord,
Wo draußen die Nebel sich heben fort,
Da schließt sich geräuschlos Nachen an Nachen; –
Und hörst Du donnernd die Erde krachen?
Alles sei Dein für ein bindendes Wort:
Tausend Streiter voll stürmischer Wucht, .
Tausend Segel in blinkender Bucht!

König Skule. So nenne das Wort!

Der Kreuzbruder.
Die höchste Staffel der Welt zu ersteigen,
Sollst Du nur dem eignen Verlangen Dich neigen;
Ich gebe Dir Land und Reich zum Lohn,
Wenn als Norwegs König Dir folgt Dein Sohn!

König Skule erhebt die Hand wie zum Schwure. Mein Sohn soll –! Er hält plötzlich inne und ruft entsetzt aus: Der Kirchenräuber! Ihm alle Macht? Ha, jetzt durchschau' ich Dich – Du willst das Verderben seiner Seele! Weiche von mir, weiche von mir! Streckt die Arme gen Himmel. Und erbarme Dich meiner, Du, zu dem ich jetzt um Hilfe schreie in meiner höchsten Not! Er stürzt zur Erde.

Der Kreuzbruder.
Verwünscht! Es schien doch so prächtig zu gehn;
Ich glaubt' ihn so sicher im Garn schon zu sehn;
Da kehrte das Licht einen Trumpf heraus,
Den ich nicht gekannt, – und das Spiel ist aus.
Gleichviel! zur Eile verspür' ich nicht Drang;
Das perpetuum mobile ist ja in Gang;
Die Macht ist verbrieft mir durch viele Geschlechter,
Die Macht über Zweifler und Lichtesverächter;
Die werd' ich in Norwegen leiten und lenken,
So wenig sie selber vielleicht an mich denken!
Weiter entfernt.
Beugt sich in Nordlands Männern der Sinn,
Willenlos taumelnd, er weiß nicht wohin; –
Herrscht in dem Herzen die Selbstsucht, die blinde,
Schwach, wie das schwankende Rohr in dem Winde; –
Können sie einzig sich darüber einigen,
Jegliche Größe zu stürzen und steinigen; –
Stoßen die Ehre sie über die Schwelle,
Während das Banner der Schändlichkeit flammt:
Dann ist der Baglerbischof zur Stelle, –
Bischof Nikolas wartet sein Amt!

Er verschwindet im Nebel zwischen den Bäumen.

König Skule richtet sich nach einer kurzen Pause halb auf und sieht sich um. Wo ist er, der Schwarze? Springt auf. Wegweiser, Wegweiser, wo bist Du? Fort! – Gleichviel; jetzt kenn' ich selbst den Weg nach Elgesäter – und noch weiter! Rechts ab.

 

Der Klosterhof zu Elgesäter.

Links liegt die Kapelle mit dem Eingangstor vom Hofe; die Fenster sind erleuchtet. An der entgegengesetzten Seite des Klosterhofs ziehen sich einige niedrigere Gebäude entlang; im Hintergrunde die Klostermauer mit einer starken Pforte, die verriegelt ist. Helle Mondnacht. Drei Häuptlinge der Birkebeiner stehen an der Pforte. Margrete, Frau Ragnhild und Dagfinn kommen aus der Kapelle.

Frau Ragnhild wie außer sich. König Skule mußte in die Kirche fliehen, sagst Du, – er, er flüchtig, um Frieden bettelnd am Altare, – vielleicht um das Leben bettelnd – o nein, nein, das hat er nicht getan! Aber Gott wird Euch strafen, daß Ihr wagtet, es so weit kommen zu lassen!

Margrete. Meine gute, geliebte Mutter, – beherrsche Dich, Du weißt nicht, was Du redest; es ist das Leid, das aus Dir spricht.

Frau Ragnhild. Hört, Ihr Birkebeiner! Håkon Håkonsson, der sollte vor dem Altar liegen und von König Skule Leben und Frieden erbetteln!

Ein Birkebeiner. Solche Worte anzuhören, ist treuen Mannen zuwider.

Margrete. Den Hut ab vor der Trauer einer Gattin!

Frau Ragnhild. König Skule geächtet! Hütet Euch, hütet Euch alle zusammen, wenn er wieder zur Macht gelangt!

Dagfinn. Zu der gelangt er nie mehr, Frau Ragnhild.

Margrete. Schweig, schweig!

Frau Ragnhild. Glaubst Du, daß Håkon Håkonsson wagt, das Urteil vollstrecken zu lassen, wenn er den König dingfest macht?

Dagfinn. König Håkon weiß selbst am besten, ob ein Königsschwur gebrochen werden darf.

Frau Ragnhild zu Margrete. Und solch einem Blutmenschen bist Du in Treue und Liebe gefolgt! Bist Du Deines Vaters Kind? Möge die Strafe des Herrn –! Fort, fort von mir!

Margrete. Gesegnet sei Dein Mund, obschon Du jetzt mir fluchst!

Frau Ragnhild. Ich muß nach Nidaros hinunter – in die Kirche, König Skule erkunden. Er hat mich entlassen, als er im Glücke saß; da bedurfte er meiner ja nicht; – jetzt wird er nicht zürnen, wenn ich komme. Schließt mir die Pforte auf, laßt mich nach Nidaros!

Margrete. Meine Mutter, um Gottes Barmherzigkeit willen –!

Es pocht laut an der Klosterpforte.

Dagfinn. Wer klopft?

König Skule draußen. Ein König.

Dagfinn. Skule Bårdsson!

Frau Ragnhild. König Skule!

Margrete. Mein Vater!

König Skule. Macht auf, macht auf!

Dagfinn. Den Vogelfreien wird hier nicht aufgemacht.

König Skule. Es ist ein König, der anklopft, sag' ich; ein König, der kein Dach über dem Kopfe hat, – ein König, der heiligen Boden suchen muß, um seines Lebens sicher zu sein.

Margrete. Dagfinn, Dagfinn, es ist mein Vater!

Dagfinn geht an die Pforte und öffnet eine kleine Schiebetür. Kommt Ihr zum Kloster mit vielen Mannen?

König Skule. Mit allen den Mannen, die mir in der Not treu geblieben sind.

Dagfinn, Und wie viele sind das?

König Skule. Weniger als einer.

Margrete. Er ist allein, Dagfinn!

Frau Ragnhild. Der Zorn des Himmels treffe Dich, wenn Du ihm geweihten Boden versagst!

Dagfinn. In Gottes Namen denn! Schließt auf; die Birkebeiner entblößen ehrerbietig ihr Haupt; König Skule tritt in den Klosterhof.

Margrete an seinem Halse. Mein Vater! Mein lieber, unglücklicher Vater!

Frau Ragnhild stellt sich empört zwischen ihn und die Birkebeiner. Ihr heuchelt Ehrfurcht vor ihm, – Ihr wollt ihn verraten wie Judas! Wagt nicht, ihm nahe zu kommen! Ihr sollt ihn nicht anrühren, solang' ich am Leben bin!

Dagfinn. Hier ist er sicher, denn er steht auf geweihtem Grunde.

Margrete. Und nicht einer von allen Deinen Mannen hatte den Mut, Dir diese Nacht zu folgen!

König Skule. Kreuzbrüder wie Kriegsmannen folgten mir auf dem Wege; aber sie schlichen sich fort von mir, einer nach dem andern, weil sie wußten, daß Birkebeiner auf Elgesäter wären. Als letzter hat mich Paul Flida verlassen; er folgte mir bis zur Klosterpforte – da drückte er mir zum letzten Mal die Hand und dankte mir für die Zeit, da es Wolfsbälge gab in Norwegen.

Dagfinn zu den Birkebeinern. Geht hinein, Ihr Häuptlinge – und stellt Euch als Wache um das Königskind – ich muß gen Nidaros und dem Könige melden, daß Skule Bårdsson auf Elgesäter ist; in einer so großen Sache muß er selber handeln.

Margrete. O, Dagfinn, Dagfinn, – kannst Du das wollen!

Dagfinn. Schlecht würd' ich sonst dem Könige und dem Lande dienen. Zu den Mannen. Verriegelt die Tür hinter mir, wacht über das Kind, und macht keinem auf, bis der König kommt. Mit gedämpfter Stimme zu Skule. Lebt wohl, Skule Bårdsson, – und Gott schenk' Euch ein seliges Ende! Er geht durch die Pforte hinaus; die Birkebeiner schließen hinter ihm zu und gehen in die Kapelle.

Frau Ragnhild. Ja, mag Håkon kommen – ich lasse Dich nicht – ich halte Dich so fest und zärtlich in meinen Armen wie nie zuvor.

Margrete. O, wie bleich Du bist – und wie gealtert! Dich friert!

König Skule. Mich friert nicht, – aber ich bin müde, müde.

Margrete. So komm hinein und ruh' Dich aus –

König Skule. Ja, ja – es dürfte wohl bald an der Zeit sein, auszuruhen.

Sigrid aus der Kapelle. Endlich kommst Du, mein Bruder!

König Skule. Sigrid! Du hier?

Sigrid. Ich gelobte doch, wieder vor Dich hinzutreten, wenn Du mein bedürftest in Deiner höchsten Not.

König Skule. Wo ist Dein Kind, Margrete?

Margrete. Es schläft in der Sakristei.

König Skule. So ist das ganze Geschlecht auf Elgesäter versammelt in dieser Nacht.

Sigrid. Ja – versammelt nach langen, wirren Zeiten.

König Skule. Jetzt fehlt nur noch Håkon Håkonsson.

Margrete und Frau Ragnhild, sich mit einem Schmerzensausrufe fest an ihn klammernd. Mein Vater! – Mein Gatte!

König Skule, sie bewegt anschauend. Habt Ihr mich so sehr geliebt, Ihr beiden? Ich suchte das Glück draußen in der Fremde und bedachte nie, daß ich ein Heim besaß, wo ich es hätte finden können. Ich jagte der Liebe nach in Schuld und Sünde und wußte nie, daß ich sie kraft göttlichen und menschlichen Gesetzes besaß. – Und Du, Ragnhild, mein Weib, Du, an der ich mich so schwer vergangen habe, Du schmiegst Dich warm und weich an mich in der Stunde der höchsten Not, Du kannst zittern und beben für das Leben des Mannes, der nie einen Sonnenstrahl auf Deinen Weg geworfen hat!

Frau Ragnhild. Du Dich vergangen! O Skule, sprich nicht so! Glaubst Du, ich würde mich jemals unterfangen, mit Dir ins Gericht zu gehen! Ich bin immer zu gering für Dich gewesen, mein hoher Gemahl – es kann keine Schuld auf irgend einer Tat lasten, die Du getan hast.

König Skule. So fest hast Du an mich geglaubt, Ragnhild?

Frau Ragnhild. Vom ersten Tag an, da ich Dich sah.

König Skule lebhaft. Wenn Håkon kommt, will ich um Gnade bitten! Ihr milden, liebreichen Frauen, – o, es ist doch schön, zu leben!

Sigrid mit einem Ausdruck des Schreckens. Skule, mein Bruder! Wehe Dir, wenn Du in dieser Nacht den rechten Weg verfehlst!

Lärm draußen; gleich darauf wird an die Pforte gepocht.

Margrete. Hört, hört! Wer stürmt da heran?

Frau Ragnhild. Wer klopft da an der Pforte?

Stimmen von draußen. Die Städter von Nidaros! Macht auf! Wir wissen, daß Skule Bårdsson drinnen ist!

König Skule. Ja, er ist hier – was wollt Ihr von ihm?

Lärmende Stimmen von draußen. Komm heraus, komm heraus! Du sollst sterben, Du schlechter Mann!

Margrete. Und das wagt Ihr Städter ihm anzudrohen?

Ein Einzelner. König Håkon hat ihn zu Oslo gerichtet.

Ein Andrer. Es ist jedermanns Pflicht, ihn zu erschlagen.

Margrete. Ich bin die Königin – ich gebiete Euch, abzuziehen.

Eine Stimme. Skule Bårdssons Tochter ist's und nicht die Königin, die so spricht.

Ein Andrer. Ihr habt keine Macht über Leben und Tod. Der König hat ihn gerichtet.

Frau Ragnhild. In die Kirche, Skule! Um des barmherzigen Gottes willen, laß die Blutmenschen Dir nicht nahe kommen!

König Skule. Ja, in die Kirche! Durch die da draußen will ich nicht fallen. Mein Weib, meine Tochter – mir ist, als hätt' ich Licht und Frieden gefunden – o, das darf mir nicht so jäh wieder geraubt werden! Er will in die Kapelle eilen.

Peter draußen rechts. Mein Vater, mein König! Nun hast Du bald den Sieg gewonnen!

König Skule mit einem Aufschrei. Er! Er! Sinkt auf der Kirchentreppe nieder.

Frau Ragnhild. Wer ist das?

Ein Städter draußen. Seht, seht! Der Kirchenräuber klettert über das Klosterdach!

Andre. Steinigt ihn! Steinigt ihn!

Peter erscheint rechts auf einem Dache und springt in den Hof hinab. Glückauf, mein Vater!

König Skule starrt ihn entsetzt an. Du? – Dich hatt' ich vergessen –! Wo kommst Du her?

Peter leidenschaftlich. Wo ist das Königskind?

Margrete. Das Königskind!

König Skule springt auf. Wo kommst Du her? frag' ich.

Peter. Von Hladehammer – ich habe Bård Bratte und den Wolfsbälgen bedeutet, daß das Königskind diese Nacht auf Elgesäter ist.

Margrete. Gott!

König Skule. Das hast Du getan! Und nun?

Peter. Er sammelt die Schar, und dann kommen sie zum Kloster herauf – Weib, wo ist das Königskind?

Margrete, die sich vor die Kirchentür gestellt hat. Es schläft in der Sakristei!

Peter. Einerlei, und wenn es auf dem Altar schliefe! Ich habe Olafs Heiligtum herausgeschafft – ich fürchte mich auch nicht, das Königskind herauszuschaffen!

Frau Ragnhild ruft Skule zu. Und ihn hast Du so sehr geliebt!

Margrete. Vater, Vater! Wie konntest Du uns alle um seinetwillen vergessen?

König Skule. Er war rein wie ein Lamm Gottes, als das reuige Weib ihn mir brachte – der Glaube an mich hat ihn zu dem gemacht, der er jetzt ist.

Peter, ohne auf ihn zu hören. Das Kind muß heraus! Erschlagt es, erschlagt's im Arme der Königin! – Das waren König Skules Worte in Oslo!

Margrete. Sündhaft, sündhaft!

Peter. Ein Heiliger dürfte es ohne Bedenken tun, wenn mein Vater es gesagt hat! Mein Vater ist der König – denn er hat den großen Königsgedanken!

Der Städter klopfen an die Pforte. Macht auf! Kommt heraus, Du und der Kirchenräuber, oder wir stecken das Kloster in Brand!

König Skule wie von einem starken Entschlusse erfaßt. Der große Königsgedanke! Ja, er ist's, der Deine junge liebereiche Seele vergiftet hat! Rein und schuldlos sollt' ich Dich zurückgeben – der Glaube an mich, der treibt Dich wild von Frevel zu Frevel, von Todsünde zu Todsünde! O, aber ich kann Dich noch retten. Ich kann uns alle retten! Er ruft nach dem Hintergrunde. Wartet, wartet, Ihr Städter draußen! Ich komme!

Margrete ergreift entsetzt seine Hand. Mein Vater, was willst Du tun?

Frau Ragnhild klammert sich schreiend an ihn. Skule!

Sigrid reißt sie von ihm weg und ruft mit wild auflodernder Freude: Laßt ihn los, laßt ihn los, Ihr Frauen! – Seinem Gedanken wachsen jetzt Flügel!

König Skule fest und stark zu Peter. Du sahst in mir den Erkorenen des Himmels, – ihn, der die große Königstat im Lande vollbringen sollte. Sieh mich besser an, Du Verirrter! Die Königslumpen, mit denen ich mich geschmückt hatte, die waren geliehen und gestohlen, – jetzt lege ich sie ab, Stück für Stück.

Peter ängstlich. Mein hoher, herrlicher Vater, sprich nicht so!

König Skule. Der Königsgedanke ist Håkons, nicht meiner. Ihn zur Wahrheit zu machen, dazu hat er allein die Kraft vom Herrn empfangen. Du hast an eine Lüge geglaubt – wende Dich ab von mir und rette Deine Seele.

Peter mit gebrochener Stimme. Der Königsgedanke ist Håkons!

König Skule. Ich wollte der Größte im Lande sein. Gott, Gott! sieh, ich demütige mich vor Dir und stehe da als der allergeringste.

Peter. Nimm mich von der Erde, Herr! Strafe mich für all meine Frevel – aber nimm mich von der Erde; denn hier bin ich jetzt heimatlos! Sinkt auf der Kirchentreppe nieder.

König Skule. Ich hatte einen Freund, der in Oslo für mich blutete. Er sagte: Ein Mann kann fallen für das Lebenswerk eines andern, aber weiter leben kann er nur für sein eignes. – Ich habe kein Lebenswerk, für das ich leben könnte, und für Håkons kann ich auch nicht leben, – aber ich kann dafür fallen.

Margrete. Nein, nein, das sollst Du nimmermehr!

König Skule erfaßt ihre Hand und blickt sie freundlich an. Liebst Du Deinen Mann, Margrete?

Margrete. Über alles in der Welt.

König Skule. Du konntest ertragen, daß er das Todesurteil über mich sprach – aber könntest Du auch ertragen, wenn er es müßte vollstrecken lassen?

Margrete. Herr des Himmels, stärke mich!

König Skule. Könntest Du's, Margrete?

Margrete leise und schaudernd. Nein, nein, – uns trennen müßten wir, – ich dürfte ihn niemals wiedersehn!

König Skule. Du würdest das schönste Licht in seinem und in Deinem Leben auslöschen – sei ruhig, Margrete, – Du sollst dazu nicht gezwungen sein.

Frau Ragnhild. Zieh aus dem Lande, Skule, – ich folge Dir, wohin und so weit Du willst.

König Skule kopfschüttelnd. Mit einem höhnenden Schatten zwischen uns? – Ich habe Dich heut zum ersten Male gefunden; es darf kein Schatten zwischen mir und Dir stehen, mein stilles, treues Weib; – deshalb ist auch ein Zusammenleben auf Erden zwischen uns unmöglich.

Sigrid. Mein königlicher Bruder! Ich sehe, Du bedarfst nicht mein – ich sehe, Du kennst den Weg, den Du zu gehen hast.

König Skule. Es gibt Männer, die geschaffen sind, um zu leben, und Männer, die geschaffen sind, um zu sterben. Mein Wille strebte stets dahin, wohin nicht Gottes Finger mich wies; deshalb sah ich bis jetzt niemals klar den Weg. Mein stilles häusliches Leben hab' ich verwirkt – ich kann es nicht zurückgewinnen. Was ich an Håkon gesündigt habe, das kann ich sühnen, indem ich ihn von einer Königspflicht befreie, die ihn von dem Teuersten scheiden müßte, was er hat. Die Städter stehen draußen – ich will nicht auf König Håkon warten! Die Wolfsbälge sind nahe; solang' ich am Leben bin, stehen sie nicht von ihrem Vorsatz ab: finden sie mich hier, so kann ich Dein Kind nicht retten, Margrete – Sehet, seht empor! Seht, wie es erblaßt und schwindet, das glühende Schwert, das über mir gezückt war! Ja, ja, – Gott hat gesprochen, und ich hab' ihn verstanden, und sein Zorn ist gestillt. Nicht soll ich mich im Heiligtum zu Elgesäter auf die Knie werfen und einen König der Erde um Gnade anflehen – in die hohe Kirche, die der Sternendom überwölbt, muß ich eingehen, und den König der Könige, den soll ich um Gnade und Erbarmen anflehen für alle meine Taten im Leben!

Sigrid. Widersetzt Euch ihm nicht! Widersetzt Euch nicht dem Rufe Gottes! Der Tag graut; es tagt in Norwegen, und es tagt in seiner unruhigen Seele! Standen wir verschüchterten Weiber nicht lange genug im einsamen Kämmerchen, von Schrecken gelähmt und versteckt in den dunkelsten Winkeln, lauschend den Grausamkeiten, die draußen verübt wurden, lauschend dem blutigen Gemetzel, das von einem Ende des Landes bis zum andern herrschte? Haben wir nicht bleich und wie versteinert in den Kirchen gelegen, voll Angst, hinauszublicken, wie Christi Jünger in Jerusalem lagen an dem großen Karfreitage, da der Zug gen Golgatha ging? Brauch' Deine Schwingen, und wehe dem, der Dich jetzt fesseln will!

Frau Ragnhild. Fahr hin in Frieden, mein Gemahl! Fahr dahin, wo kein höhnender Schatten zwischen uns steht, wenn wir uns wiedersehen. Eilt in die Kapelle.

Margrete. Mein Vater, leb' wohl, leb' wohl, – leb' wohl tausendmal!

Sie folgt Frau Ragnhild.

Sigrid öffnet die Kirchentür und ruft hinein: Heraus, heraus, Ihr Weiber all'! Sammelt Euch im Gebete! Sendet im Gesang eine Botschaft zum Herrn empor und meldet ihm, daß Skule Bårdsson jetzt reuig heimkehrt von seinem trotzigen Erdenwallen!

König Skule. Sigrid, meine treue Schwester, grüße König Håkon von mir; sag' ihm, auch in meiner letzten Stunde wisse ich nicht, ob er als König geboren sei; das aber wisse ich unwandelbar gewiß: er ist der, den Gott erkoren hat.

Sigrid. Ich werde ihm Deinen Gruß überbringen.

König Skule. Und noch einen Gruß mußt Du überbringen. Es sitzt ein reuig Weib im Norden auf Hålogaland; sag' ihr, daß ihr Sohn ihr vorausgegangen ist; er folgte mir, als die höchste Gefahr für seine Seele war.

Sigrid. Das werd' ich.

König Skule. Sag' ihr, nicht mit dem Herzen habe er gesündigt; rein und schuldlos werde sie ihn wiedersehen.

Sigrid. Das werd' ich. – Deutet nach dem Hintergrunde. Hörst Du? Sie sprengen das Schloß!

König Skule deutet nach der Kapelle. Hörst Du? Sie singen laut zu Gott um Erlösung und Frieden!

Sigrid. Hörst Du, hörst Du? Alle Glocken läuten in Nidaros –!

König Skule lächelt wehmütig. Sie läuten einem König zu Grabe.

Sigrid. Nein, sie läuten zu Deiner rechten Krönung jetzt! Leb' wohl, mein Bruder – laß des Blutes Purpurmantel weit um Deine Schultern wallen – mit ihm deckst Du alle Sünde zu! Geh ein, geh ein in die große Kirche und empfange die Krone des Lebens! Rasch ab in die Kapelle. Gesang und Glockengeläut dauern während des Folgenden fort.

Stimmen draußen an der Pforte. Jetzt ist das Schloß gesprengt! Zwinge uns nicht, den Kirchenfrieden zu brechen!

König Skule. Ich komme.

Der Städter. Und der Kirchenräuber soll auch kommen!

König Skule. Der Kirchenräuber soll auch kommen, ja! Er geht zu Peter hin. Mein Sohn, bist Du bereit?

Peter. Ja, Vater, ich bin bereit.

König Skule emporblickend. Gott, ich bin ein armer Mann, ich habe nichts als mein Leben darzubringen – aber nimm es hin und rette Håkons großen Königsgedanken. – So, jetzt reich mir Deine Hand.

Peter. Da ist meine Hand, Vater.

König Skule. Und fürchte Dich nicht vor dem, was da kommen wird.

Peter. Nein, Vater, ich fürchte mich nicht, wenn ich mit Dir zusammen gehe.

König Skule. Einen schwereren Weg sind wir nie mitsammen gegangen. Er öffnet die Pforte; die Städter stehen mit erhobenen Waffen draußen geschart. Da sind wir – wir kommen freiwillig; – doch schlagt ihm nicht ins Angesicht! Sie gehen Hand in Hand hinaus; die Pforte fällt hinter ihnen zu.

Eine Stimme. Zielt nicht, schont sie nicht; – schlagt zu, wo Ihr könnt!

König Skules Stimme. Unrühmlich ist's, so mit Häuptlingen zu verfahren!

Kurzer Waffenlärm; dann hört man zweimal einen dumpfen Fall; einen Augenblick ist alles still.

Eine Stimme. Sie sind alle beide tot! Das Königshorn erschallt.

Eine andre Stimme. Da kommt König Håkon mit seinem ganzen Gefolge!

Die Menge. Heil Euch, Håkon Håkonsson; – jetzt habt Ihr keine Feinde mehr!

Gregorius Jonsson bleibt einen Augenblick bei den Toten stehen. So bin ich doch zu spät gekommen! Er betritt den Klosterhof.

Dagfinn. Unselig für Norwegen, wenn Ihr früher gekommen wäret! Ruft: Hier herein, König Håkon!

Håkon bleibt stehen. Die Leiche liegt mir im Wege!

Dagfinn. Will Håkon Håkonsson vorwärts, so muß er über Skule Bårdssons Leiche.

Håkon. In Gottes Namen denn!

Er schreitet über die Leiche und tritt ein.

Dagfinn. Endlich könnt Ihr mit freien Händen an Euer Königswerk gehen. Da drinnen sind die, die Ihr liebt; – zu Nidaros wird der Frieden im Lande eingeläutet – und draußen liegt der, so Euch der ärgste war von allen.

Håkon. Ein jeder hat ihn schief beurteilt – es war ein Rätsel an ihm.

Dagfinn. Ein Rätsel?

Håkon faßt ihn beim Arm und sagt leise: Skule Bårdsson war Gottes Stiefkind auf Erden – das war das Rätsel an ihm!

Der Gesang der Frauen erschallt lauter aus der Kapelle; alle Glocken läuten in Nidaros fort.

Der Vorhang fällt.


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