Henrik Ibsen
Die Helden auf Helgeland
Henrik Ibsen

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Erster Akt

Hoher Strand, der im Hintergrunde schroff zum Meer abfällt. Links eine Bretterhütte, rechts Felsen und Nadelwaldung. Die Masten zweier Kriegsschiffe sieht man unten in der Bucht. Rechts weit draußen Klippen und hohe kleine Inseln. Die See ist in wildem Aufruhr. Es ist Winter; Schneegestöber und Sturm.

Sigurd kommt von den Schiffen herauf. Er trägt ein weißes Wams mit Silbergürtel, einen blauen Mantel, gewirkte Beinkleider, Pelzschuhe und eine Stahlhaube, an der Seite ein kurzes Schwert. Gleich danach erscheint Oernulf auf dem Felsen. Er trägt ein Wams von dunklem Schafsfell mit Brustplatte und Beinschienen, gewirkte Beinkleider und Pelzschuhe; über der Schulter hat er einen braunen groben Wollenmantel, dessen Kapuze über die Stahlhaube gezogen ist, so daß ein Teil des Gesichtes verborgen bleibt. Er ist hoch und hünenhaft gewachsen, hat einen langen weißen Bart und ist vom Alter nur leicht gebeugt; bewaffnet ist er mit rundem Schild, Schwert und Spieß.

Sigurd tritt zuerst auf, blickt um sich, gewahrt die Bretterhütte, geht rasch darauf zu und versucht, die Tür zu erbrechen.

Oernulf wird auf dem Felsen sichtbar, stutzt, da er Sigurd sieht, scheint ihn zu erkennen, steigt hernieder und ruft: Gib Raum, Krieger!

Sigurd wendet sich um, legt die Hand ans Schwert und antwortet: Ich weichen? Es wär' das erste Mal!

Oernulf. Du sollst und mußt! Ich brauche die Hütte zum Nachtlager für meine steifgefrornen Mannen.

Sigurd. Und ich für ein müdes Weib.

Oernulf. Meine Mannen sind mehr wert als Deine Weiber!

Sigurd. Dann müssen auf Helgeland Geächtete hoch im Preise stehen.

Oernulf legt den Spieß ein. Teuer sollst Du das Wort mir zahlen!

Sigurd zieht sein Schwert. Nun wird es Dir schlimm ergehen, Greis!

Oernulf dringt auf ihn ein, Sigurd verteidigt sich.

Dagny und mehrere Mannen Sigurds kommen vom Strand, Oernulfs sechs Söhne rechts vom Berge.

Dagny, einige Schritte voraus, trägt ein rotes Gewand, einen blauen Mantel mit zurückgeschlagener Pelzmütze. Sie ruft zu den Schiffen hinunter: Auf, Sigurds Mannen! Mein Herr streitet mit einem Fremdling!

Oernulfs Söhne. Zu Hilfe dem Greis! Sie steigen herab.

Sigurd zu seinen Leuten. Bleibt, wo Ihr seid! Ich zwing' ihn wohl allein.

Oernulf zu den Söhnen. Laßt mich! Er dringt auf Sigurd ein. Dein Blut will ich sehen!

Sigurd. Doch erst sieh Deines! Er verwundet ihn am Arm, so daß der Spieß zur Erde fällt.

Oernulf.Ein guter Hieb, Kriegsmann!

        Schwingst das Schwert gewaltig,
        Schlägst mit scharfen Streichen;
        Sigurd selbst, der Starke,
        Müßte vor Dir weichen.

Sigurd lächelnd. So wird ihm die Schande zur Ehre.

Oernulfs Söhne mit einem Ausruf des Erstaunens. Sigurd selbst! Sigurd, der Starke!

Oernulf. Doch härter trafst Du traun in jener Nacht, da Du mir Dagny, die Tochter, raubtest. Schlägt die Kapuze zurück.

Sigurd und seine Mannen. Oernulf von den Fjorden!

Dagny, freudig, doch mit einem Anflug von Unruhe. Mein Vater! Meine Brüder!

Sigurd zu Dagny. Tritt hinter mich!

Oernulf. Das ist nicht nötig. Nähert sich Sigurd. Ich erkannte Dich sogleich, als ich Dich erschaute. Darum fing ich Fehde an. Prüfen wollt' ich, ob das Gerücht wahr ist, das Dich Norwegens kühnsten Kämpen nennt. So sei denn Fried' und Freundschaft zwischen uns!

Sigurd. Das beste wär's, fügte es sich so.

Oernulf. Hier meine Hand! Du bist ein wackerer Kämpe. So scharfe Hiebe hat noch keiner getauscht mit dem alten Oernulf!

Sigurd schüttelt die dargebotene Hand. Es seien die letzten Schwerthiebe, so wir tauschten! Und nun sollst Du selbst in unsrer Sache richten; bist Du bereit, zu stellen die Bedingungen?

Oernulf. Ich bin's; und so sei der Streit geschlichtet! Zu den andern. Hiermit tu' ich Euch allen kund, um was es sich handelt. Fünf Winter ist's her, da lagen Sigurd und Gunnar als Wikinger auf Island. Ganz nahe bei meinem Hofe nahmen sie den Winter über Aufenthalt und Obdach. Da raubte Gunnar mit Gewalt und List meine Pflegetochter Hjördis; doch Du, Sigurd, nahmst Dagny, mein eigen Kind, und zogst mit ihr von dannen. Für diesen Raub wirst Du verurteilt, dreihundert Mark in Silber zu entrichten, und damit soll Dein Friedensbruch gesühnt sein.

Sigurd. Billige Buße dünkt mich, was Du da forderst. Die dreihundert Mark werd' ich entrichten, und dazu will ich noch einen verbrämten Seidenmantel legen; es ist eine Königsgabe von Aedhelstan in England und so gut, wie je ein Mann auf Island einen trug.

Dagny. Recht so, mein kühner Eheherr, und Dank Dir, mein Vater! Nun erst bin ich frohen Mutes. Sie drückt dem Vater und den Brüdern die Hand und spricht leise mit ihnen.

Oernulf. So trete denn unser Vergleich in Kraft, und Dagny soll von Stund an so ehrenvoll gehalten werden, als wäre sie Dir gesetzlich angetraut mit ihrer Sippe Zustimmung.

Sigurd. Und auf mich kannst Du von nun an bauen wie auf Dein eigen Geschlecht.

Oernulf. Das hoff' ich fürwahr; und gleich will ich erproben, wie Du mir gesonnen.

Sigurd. Ich bin bereit. Sprich, was begehrst Du?

Oernulf. Deine Hilfe, mit Rat und mit Tat. Hierher fuhr ich gen Helgeland, um Gunnar zu suchen und Sühne zu fordern für Hjördis' Raub.

Sigurd überrascht. Gunnar!

Dagny ebenso. Und Hjördis! Wo sind sie zu finden?

Oernulf. Daheim, denk' ich, auf Gunnars Hof.

Sigurd. Und der liegt –?

Oernulf. Wenig Pfeilschüsse von hier. Das hast Du nicht gewußt?

Sigurd mit unterdrückter Bewegung. Gewiß nicht! Spärlich hab' ich nach Gunnar geforscht, seit wir zusammen von Island segelten. Weite Wikingsfahrten macht' ich und manchem fremden König dient' ich, indessen Gunnar zu Hause saß. Hier bin ich heut gelandet, im Dämmerlicht, vom Unwetter verschlagen. Wohl war es mir kund, daß Gunnar den Hof seiner Väter hier im Norden habe, doch –

Dagny zu Oernulf. Und darum verließest Du die Heimat?

Oernulf. So ist's. Zu Sigurd. Daß wir beide uns trafen, ist ein Werk der Gewaltigen dort oben. Sie wollten es so. Hätt' ich Dich suchen wollen, ich hätte nicht gewußt, wo Du zu finden bist.

Sigurd gedankenvoll. Wohl wahr! Wohl wahr! Doch Dein Handel mit Gunnar! – Sag', Oernulf, denkst Du ihn hart anzupacken und alle Mittel anzuwenden, gute wie böse?

Oernulf. Das muß ich. Höre, Sigurd, was ich Dir sage. Im Sommer ritt ich zum Thing, und viel ehrenreiche Männer waren zur Stelle. Als der Thing zu Ende war, saß ich in der Halle und zechte mit meinen Stammgenossen, und es kam auf den Weiberraub die Rede. Höhnische Worte mußt' ich da hören, daß ich den Schimpf so lange ungerächt auf mir sitzen lassen. Da faßte mich der Zorn; ich schwur, gen Norwegen zu ziehen, um Gunnar zu suchen, und Buße für den Raub zu fordern oder ihn zu rächen und nicht eher nach Island heimzukehren, als bis ich meine Sache gefördert.

Sigurd. Steht es so, dann gilt es, wenn es not tut, mit Strenge zu verfahren.

Oernulf. Gewiß. Doch unbillig werd' ich nicht sein, und Gunnar steht im Ruf eines ehrenwerten Mannes. Auch freu' ich mich auf einen Kampf; es ward mir zuletzt die Zeit zu lang auf Island. Draußen auf den blauen Wassern bin ich alt und grau geworden; es war mir, als müßt' ich noch einmal hinaus, eh' ich – nun! Bergthora, mein gutes Weib, ist ja längst gestorben, meine ältesten Söhne gingen Sommer um Sommer auf die Wikingsfahrt, und als nun Thorolf heranwuchs –

Dagny freudig. Thorolf ist mit? Wo ist er?

Oernulf. Unten im Schiffe. Deutet rechts nach dem Hintergrunde. Da wirst Du einen Burschen sehen! Groß und stark und schön ist er geworden, seit Du die Heimat verlassen. Er wird ein herrlicher Recke werden, Sigurd – gleich Dir!

Dagny lächelnd. Ich merke schon – Thorolf steht Deinem Herzen noch immer am nächsten.

Oernulf. Gewiß! Ist er doch der Jüngste und seiner Mutter ähnlich.

Sigurd. Aber so sag' mir, – Dein Handel mit Gunnar – willst Du schon heut –

Oernulf. Heut lieber als morgen. Mit billiger Buße geb' ich mich zufrieden; verweigert Gunnar solchen Vergleich, dann mag er die Folgen tragen!

Der Bauer Kåre kommt eilig von rechts; er trägt ein grobes Bauerngewand und den Filzhut tief im Gesicht; in der Hand hält er einen Zaunpfahl, den er abgebrochen hat.

Kåre. Glück zur Begegnung, Krieger!

Oernulf. Kriegers Begegnung bringt selten Glück.

Kåre. Seid Ihr Männer von Ehre, so gewährt mir Frieden in Eurer Mitte! Gunnars Leute trachten mir nach dem Leben.

Oernulf. Gunnar!

Sigurd. So hast Du Böses gegen ihn verübt!

Kåre. Mein Recht hab' ich behauptet. Wir trieben Vieh auf derselben Weide, einer Insel hart am Festland. Gunnars Leute nahmen meine besten Ochsen weg, und einer der Männer schalt mich einen Hörigen. Da griff ich zur Waffe und erschlug ihn.

Oernulf. Das war gerechte Tat!

Kåre. Doch heut morgen fahndeten seine Mannen nach mir. Das Glück war mir günstig, denn ich wurde beizeiten gewarnt und konnte entschlüpfen. Doch kurze Frist nur bleibt mir, und meine Feinde suchen mich aufs neue.

Sigurd zu Kåre. Kaum trau' ich Deinen Worten, Bauer! In frühern Tagen kannt' ich Gunnar so gut wie mich selbst, und so viel weiß ich: niemals übte er Unbill gegen den Friedfertigen.

Kåre. Gunnar hat auch nicht teil an all dem Ungemach, er ist südwärts gefahren. Doch Hjördis, sein Weib –

Dagny. Hjördis!

Oernulf murmelt. O ja, das gleicht ihr!

Kåre. Ich bot Sühne für den Knecht, und Gunnar war gewillt, sie zu nehmen; da aber kam Hjördis hinzu; sie stachelte ihren Eheherrn auf mit höhnischen Worten und hinderte die Aussöhnung; bald darauf fuhr Gunnar südwärts, und morgen –

Sigurd blickt nach links. Dort ziehen reisige Mannen nordwärts; ist das nicht –?

Kåre. Gunnar selbst.

Oernulf. Sei getrost! Ich hoff', Euch zu versöhnen.

Gunnar mit mehreren Männern kommt von links. Er trägt ein Hausgewand, braunen Kittel, gewirkte Beinkleider, blauen Mantel und breiten Hut; als Waffe hat er nur eine kleine Handaxt.

Gunnar bleibt überrascht und unsicher stehen, da er die Versammlung erblickt. Oernulf von den Fjorden! Wahrhaftig –!

Oernulf. Du siehst recht.

Gunnar. Nun wohl – Heil und Glück auf meiner Scholle, so Du in Frieden kommst!

Oernulf. Willst Du wie ich, dann soll kein Unfriede verübt werden.

Sigurd nähert sich. Gruß und Heil, Gunnar!

Gunnar freudig. Sigurd – Waffenbruder! Er schüttelt ihm die Hand. Ja, bist Du mit, dann weiß ich gewiß, daß Oernulf in Frieden kommt. Zu Oernulf. Reich' mir Deine Hand, Greis! Nicht schwer ist zu erraten, was Dich nach dem Norden führt: es gilt Hjördis, Deiner Pflegetochter.

Oernulf. So ist es. Große Schmach widerfuhr mir, als Du sie von Island entführtest, ohne meine Zustimmung nachzusuchen.

Gunnar. Du kommst mit Fug und Recht. Was der Knabe gesündigt, muß der Mann sühnen. Lang' schon habe ich Dich erwartet um dieser Sache willen, Oernulf; und forderst Du Sühne, so sind wir bald einig.

Sigurd. So denk' auch ich. Oernulf wird billig sein.

Gunnar mit Wärme. Das mußt Du, Greis! Wolltest Du Hjördis schätzen nach Gebühr, dann würde all mein Hab und Gut nicht reichen.

Oernulf. Nach Gesetz und Brauch werd' ich mich richten, darauf verlaß Dich! – Doch nun zu etwas anderm! Deutet auf Kåre. Kennst Du diesen Mann?

Gunnar. Kåre! Zu Oernulf. So weißt Du, daß zwischen uns Streit ist?

Oernulf. Deine Leute haben sein Vieh geraubt, und für Raub gebührt Buße.

Gunnar. Auch für Mord! Zu Kåre. Er hat meinen Knecht erschlagen!

Kåre. Weil er mich verhöhnte.

Gunnar. Ich habe mich bereit erklärt zum Vergleich.

Kåre. Aber das war nicht nach Hjördis Sinn; sie überfiel mich diesen Morgen, während Du fern warst, und trachtet mir nach dem Leben.

Gunnar aufgebracht. Sprichst Du die Wahrheit? Hjördis hätte –?

Kåre. Jedes Wort ist wahr.

Oernulf. Deshalb hat der Bauer um meinen Beistand gebeten, und der ist ihm sicher.

Gunnar nach einem Augenblick der Überlegung. Rühmlich hast Du an mir gehandelt, Oernulf, und es ist billig, daß ich mich Deiner Forderung füge. Höre mich, Kåre! Ich will des Knechtes Tod für aufgewogen halten durch die Unbill, die Dir widerfuhr.

Kåre reicht Gunnar die Hand. Ein guter Spruch ist das; dem füg' ich mich.

Oernulf. Und soll der Bauer Friede haben vor Dir und den Deinen?

Gunnar. Friede zu Hause und allerwegen!

Sigurd deutet nach rechts. Seht!

Gunnar mißvergnügt. Das ist Hjördis!

Oernulf. Mit bewaffneten Knechten.

Kåre. Sie sucht mich.

Hjördis mit einem Troß Knechte. Sie trägt ein schwarzes Gewand, Mantel und Hut. Die Knechte sind mit Schwert und Axt bewaffnet; sie selbst hat einen leichten Spieß in der Hand.

Hjördis bleibt am Eingang stehen. Ei seht, zahlreiche Mannen treffen wir hier!

Dagny eilt ihr entgegen. Gruß und Heil, Hjördis!

Hjördis kalt. Dank! Ich habe schon vernommen, daß Du nicht ferne seist. Tritt näher, indem sie einen scharfen Blick über die Versammlung gleiten läßt. Gunnar und – Kåre, mein Widersacher – Oernulf und seine Söhne und – Indem sie Sigurd gewahrt, fährt sie kaum merklich zusammen, verstummt, faßt sich aber sogleich und sagt: Viele seh' ich, die ich kenne – doch weiß ich nicht, wer mir am meisten zugetan ist.

Oernulf. Wir alle sind Dir zugetan.

Hjördis. Wenn dem so ist, wirst Du Dich nicht widersetzen, Kåre in meines Gatten Gewalt zu geben.

Oernulf. Dessen bedarf es nicht mehr.

Gunnar. Es ist jetzt Fried' und Eintracht zwischen uns.

Hjördis mit unterdrücktem Spott. Eintracht? Nun ja, ich weiß, Du bist ein kluger Mann, Gunnar! Kåre hat zahlreiche Freunde hier gefunden, und so dünkt es Dich denn das Sicherste –

Gunnar. Es nützt Dir wenig, mich mit Hohnreden zu reizen. Mit Nachdruck. Kåre hat Frieden vor uns!

Hjördis bezwingt sich. Gut! Hast Du ihm Frieden zugesagt, so muß die Zusage gehalten werden.

Gunnar streng, doch ohne Heftigkeit. Das muß es und das soll es!

Oernulf zu Hjördis. Und noch, ein Vergleich ward halb und halb geschlossen, ehe Du erschienst.

Hjördis scharf. Zwischen Dir und Gunnar?

Oernulf nickt. Es galt Dir.

Hjördis. Ich ahne, wem es galt. Doch wisse, mein Pflegevater: nie soll es heißen, Gunnar habe sich schrecken lassen, weil Du mit bewaffneter Macht ins Land gekommen. Wärst Du als ein Wandersmann allein in unser Haus getreten – der Zwist wäre leichter beigelegt worden.

Gunnar. Oernulf und seine Söhne kommen in Frieden!

Hjördis. Mag sein. Doch anders wird es im Volksmund lauten; und Du selbst, Gunnar, trautest gestern dem Frieden noch so wenig, daß Du Egil, unsern Sohn, südwärts schicktest, sobald es hieß, Oernulf liege mit Heerschiffen in der Bucht.

Sigurd zu Gunnar. Du hast Deinen Sohn südwärts geschickt?

Hjördis. Jawohl – daß er geborgen wäre, wenn Oernulf uns überfallen sollte.

Oernulf. Darüber solltest Du nicht spotten, Hjördis! Was Gunnar getan, war klugen Mannes Tat, – falls Du die Aussöhnung hindern solltest.

Hjördis. Das Glück schaltet über das Leben – laß geschehen, was da will! Doch lieber untergehen, als das Leben fristen durch feigen Vergleich!

Dagny. Sigurd zahlt Buße und wird darum nicht angesehen als ein geringerer Mann.

Hjördis. Sigurd muß selbst am besten wissen, was sich mit seiner Ehre verträgt.

Sigurd. Daran braucht keiner mich zu mahnen.

Hjördis. Sigurd ist ein vielgepriesener Held; und doch vollbrachte Gunnar eine kühnere Tat, als er den Eisbären vor meiner Kammer tötete.

Gunnar mit einem verlegenen Blick auf Sigurd. Laß das, Hjördis!

Oernulf. Fürwahr! Es ist die kühnste Tat, die je ein Mann auf Island vollführte, und darum –

Sigurd. Und darum auch kann Gunnar sich leichter fügen, ohne feig genannt zu werden.

Hjördis. Wird Sühne gegeben, so wird auch Sühne gefordert – Gunnar, gedenke dessen, was Du mir einst gelobt!

Gunnar. Unbedacht war das Gelöbnis. Verlangst Du, daß ich es halte?

Hjördis. Gehalten muß es werden, wofern wir beide fortan noch unter einem Dache leben sollen. Wisse denn, Oernulf: willst Du Sühne für Deiner Pflegetochter Raub, so sollst auch Du büßen, weil Du Jökul, meinen Vater, getötet und all sein Hab und Gut genommen hast.

Oernulf. Jökul fiel in ehrlichem Zweikampf. Und böseren Schimpf tat Deine Sippe mir an, als sie Dich ungekannt mir nach Island schickte, damit ich Dich an Kindesstatt annähme.

Hjördis. Ehre und nicht Schimpf hattest Du davon, daß Du Jökuls Tochter erzogst.

Oernulf. Eitel Unfrieden hatt' ich davon.

Hjördis. Noch schlimmerer Unfriede kann Dir werden, wofern –

Oernulf. Ich kam nicht her, um mit Weibern zu zanken. Gunnar, vernimm mein letztes Wort! Bist Du willens, für den Weiberraub Buße zu zahlen?

Hjördis zu Gunnar. Denk an Dein Gelöbnis!

Gunnar zu Oernulf. Du hörst ja, ich tat ein Gelübde, und darum muß ich –

Oernulf erbittert. Schon gut! Niemand soll von mir sagen, ich hätte Blutgeld gezahlt für einen ehrlichen Kampf.

Hjördis mit mächtiger Stimme. So trotzen wir Dir und den Deinen!

Oernulf in steigendem Zorn. Und wer hat hier das Recht, Sühne zu fordern für Jökul? Wo sind seine Gesippen? – Keiner von ihnen ist am Leben. Wo ist sein rechtmäßiger Stellvertreter?

Hjördis. Das ist Gunnar an meiner Statt.

Oernulf. Gunnar! Ja, wärest Du ihm verbunden mit Deines Pflegevaters Einwilligung, oder hätte Gunnar für den Raub Buße gezahlt, so wäre er rechtmäßiger Stellvertreter; so aber –

Dagny bang und flehentlich. Vater! Vater!

Sigurd rasch. Sprich nicht zu Ende!

Oernulf mit erhobener Stimme. Ja, laut soll es gesagt werden! – Ein entführtes Weib hat gesetzlich keinen Gatten.

Gunnar heftig. Oernulf!

Hjördis in wilder Erregung. Verhöhnt! Beschimpft! Mit zitternder Stimme. Das – das sollst Du bereuen!

Oernulf fährt fort. Ein entführtes Weib ist vor dem Gesetz nicht mehr als eine Buhle! Willst Du Deinen ehrlichen Namen wiedergewinnen, so mußt Du –

Hjördis bezwingt sich. Nein, Oernulf! Was sich ziemt, das weiß ich besser. Bin ich Euch nur Gunnars Buhle – wohlan! so wasche er seine Ehre rein durch eine Tat, durch eine so große Tat, daß keine Schande mehr an meinem Lose haftet. Und nun hüte Dich, Oernulf! Hier trennen sich unsere Wege. Aber die Waffen laß ich führen gegen Dich und die Deinen – immer und überall. Gefährdet sollst Du sein an Leib und Leben und auch jedweder, der – – Mit einem durchdringenden Blick auf Kåre. Kåre! Nun wohl! Oernulf nahm sich Deiner Sache an, und es ist Friede zwischen uns; doch möcht' ich Dir nicht raten, fürs erste heimzukehren; manchen Rächer hat der Erschlagene, und es könnte leicht geschehen, daß – nun, ich habe Dich gewarnt; Du magst die Folgen tragen! – Komm, Gunnar! Wir müssen uns rüsten. Auf Island vollführtest Du eine kühne Tat; doch größere Tat mußt Du nun vollbringen, wofern nicht Deine – Deine Buhle sich Deiner schämen soll und ihrer selbst!

Gunnar. Sei besonnen, Hjördis! Unziemlich ist es, sich so zu gebärden!

Dagny bittend. Bleib, Hjördis! Ich will den Vater besänftigen.

Hjördis ohne auf sie zu hören. Fort, fort! – Nicht wurde mir an der Wiege geweissagt, daß ich als elende Buhle mein Leben fristen würde. Doch soll ich dieses Leben und diese Schmach ertragen, nur einen einzigen Tag länger ertragen, so muß mein Eheherr eine Tat vollbringen, eine Tat, die ihn berühmter macht als alle Männer!

Geht rechts ab.

Gunnar mit leiser Stimme. Sigurd, gelobe mir eines: wir sprechen uns, bevor Du aus dem Lande gehst!

Geht mit seinen Leuten rechts ab.

Während dieses Vorganges hat sich das Unwetter verzogen. Die Mittagssonne erscheint gleich einer roten Scheibe unten tief am Meeresrand.

Oernulf drohend. Dein Gebaren soll Dir teuer zu stehen kommen, Pflegetochter!

Dagny. Vater, Vater! Du führst doch nichts Böses im Schilde?

Oernulf. Laß mich! – Jetzt, Sigurd, jetzt handelt es sich um mehr als Buße zwischen mir und Gunnar.

Sigurd. Was gedenkst Du zu tun?

Oernulf. Noch weiß ich es nicht. Doch weithin soll man davon sprechen, daß Oernulf von den Fjorden Gunnar heimgesucht hat.

Sigurd fest und ruhig. Nun gut. Das aber sag' ich Dir, Oernulf: das Schwert gegen ihn schwingen sollst Du nicht, solang' ich atme.

Oernulf. Nicht? – Und wenn ich nun will?

Sigurd. Es wird nicht geschehen – und wenn Du auch wolltest.

Oernulf heftig. Gut! Halt Du nur zusammen mit meinen Feinden! Ich erkühne mich, wider Euch alle zu stehen.

Sigurd. Höre mich, Oernulf! Den Tag sollst Du nicht erleben, da wir zwei die Schwerter kreuzen. In Ehren haben wir uns ausgesöhnt; Dagny ist mir werter denn Waffen und Gold, und nie werd' ich vergessen, daß Du ihr nächster Blutsverwandter bist.

Oernulf. Das hab' ich von Dir erwartet, Held Sigurd!

Sigurd. Doch Gunnar ist mein Waffenbruder; Fried' und Freundschaft haben wir uns zugeschworen. Im Streit wie im Frieden haben wir zusammen das Glück gesucht, und er ist mir der teuerste von allen Männern. Nicht nach Kriegsfahrten steht ihm der Sinn, so kühn Gunnar auch ist. Nun, und mich kennt Ihr ja alle. Ihr wißt, daß mich die Gefahr nicht schreckt. Doch hier steh' ich, Oernulf, und bitte um friedlichen Austrag für Gunnar. Sei mir zu Willen in dieser Sache!

Oernulf. Das kann ich nicht. Ich würde zum Spott aller Helden, kehrt' ich mit leeren Händen heim nach Island!

Sigurd. Nicht mit leeren Händen sollst Du von hinnen ziehen. Hier im Hafen liegen meine beiden Heerschiffe mit allem Gut, das ich auf meinen Wikingsfahrten gewonnen. Da findest Du viel köstliche Königsgaben, Kisten mit guten Waffen und von fahrender Habe manch anderes feines Stück. Nimm eines von den Schiffen, nimm das reichste – es soll Dein sein mit allem, was sich an Bord findet; sieh es an als Buße für Hjördis und laß Gunnar in Frieden fahren!

Oernulf. Wackrer Sigurd! Das wolltest Du für Gunnar tun?

Sigurd. Wer tut für den erprobten Freund je zu viel?

Oernulf. Dein halbes Hab und Gut weggeben!

Sigurd inständig. Nimm es ganz! Nimm beide Schiffe! Alles, was mir gehört, und laß mich Dir nach Island folgen als der geringste Deiner Mannen! Was ich gebe, kann ich wieder erringen; – doch übst Du gegen Gunnar Gewalt, so werd' ich im Leben nicht mehr froh. Nun, Oernulf, was sagst Du dazu?

Oernulf überlegt. Zwei gute Heerschiffe, Waffen und fahrende Habe – der Schätze kann man nie zu viel haben – jedennoch – Heftig. Nein, nein! Hjördis hat mir gedroht – ich will nicht. Schimpflich wär's, nähm' ich Dein Eigentum.

Sigurd. So höre zuvor –

Oernulf. Nein! Selbst muß ich mein Recht mir verschaffen. Laß das Schicksal walten!

Kåre tritt näher. Freundlich ist der Rat, den Sigurd Dir gibt. Doch willst Du Dir Dein Recht auf fördersame Art verschaffen, so hab' ich einen besseren Vorschlag. Rechne nie auf Entschädigung, solange Hjördis noch ein Wort zu reden hat; doch Deine Rache kannst Du haben, wenn Du auf mich hörst.

Oernulf. Rache! Und was rätst Du mir?

Sigurd. Böses, – das seh' ich wohl.

Dagny zu Oernulf. Hör' ihn nicht an!

Kåre. Hjördis hat mich friedlos erklärt; listig wird sie mir nach dem Leben trachten. Gelobst Du, mich zu schützen, so will ich heut nacht Gunnars Hof in Brand stecken – mit allem, was darin ist. Ist das nach Deinem Sinn?

Sigurd. Elender!

Oernulf ruhig. Nach meinem Sinn? Weißt Du, Kåre, was mehr nach meinem Sinn wäre? Mit Donnerstimme. Könnt' ich Dir Nase und Ohren abhauen, schuftiger Knecht! Du kennst den alten Oernulf schlecht, wenn Du glaubst, er würde mittun bei solchem Bubenstück!

Kåre, der zurückgewichen ist. Machst Du Dich nicht über Gunnar her, so kommt er über Dich!

Oernulf. Das zu hindern, hab' ich Fäuste und Waffen.

Sigurd. Und nun fort von uns! Männer von Ehre schändet Dein Umgang.

Kåre am Ausgang. So muß ich mich denn selber schützen, so gut ich kann. Aber das sag' ich Euch: Ihr werdet es bereuen, verfahrt Ihr noch weiter so glimpflich. Ich kenne Hjördis – und werde sie zu treffen wissen!

Geht ab nach der See zu.

Dagny. Er brütet Rache. Sigurd, das muß vereitelt werden!

Oernulf verdrießlich. Ach, laß ihn tun, was ihn gelüstet. Sie ist nichts Besseres wert.

Dagny, Das ist nicht Deine wahre Meinung. Denk daran: Du hast sie auferzogen!

Oernulf. Unselig die Stunde, da ich sie unter mein Dach nahm – Jökuls Worte wollen in Erfüllung gehen.

Sigurd. Jökuls Worte?

Oernulf. Ihres Vaters Worte. Als ich ihm den Todesstreich versetzte, fiel er flach auf den Rasen nieder, sah mich an und sang:

        Jökuls Sproß wird Jökuls Mörder
        Weh bereiten allerwegen –
        Wem einst Jökuls Schätze eigen,
        Nimmer sind sie dem zum Segen!

So sang er. Dann schwieg er eine Weile, lachte – und verschied.

Sigurd. Das mußt Du so ernst nicht nehmen.

Oernulf. Wer weiß! Es geht verbürgt die Sage, Jökul habe einmal seinen Kindern das Herz eines Wolfs zu essen gegeben, damit sie einen grimmigen Sinn bekämen. Hjördis hat gewiß ihr gut Teil bekommen, das sieht man. Stutzt, indem er nach rechts hinausblickt. Gunnar! – Müssen wir beide uns nochmals begegnen?

Gunnar erscheint. Ja, Oernulf! Denke von mir, wie Du willst, aber ich kann nicht als Feind von Dir scheiden.

Oernulf. Was ist Dein Begehr?

Gunnar. Dir die Hand zur Versöhnung zu bieten, bevor Du aufbrichst. Hört mich alle! Folgt mir nach meinem Hause und seid meine Gäste, solang' es Euch lüstet! An Obdach und Speise fehlt es nicht; und von unserm Zwist soll weder heut noch morgen die Rede sein.

Sigurd. Doch Hjördis –?

Gunnar. Fügt sich meinem Willen. Sie besann sich eines Bessern auf dem Heimweg und meinte, gleich mir, daß wir uns wohl aussöhnen könnten, wenn Ihr uns als Gäste besuchen wolltet.

Dagny. Ja! So soll es sein!

Sigurd unschlüssig. Ich weiß doch nicht, ob –

Dagny. Gunnar ist Dein Waffenbruder. Wahrlich, ich müßte Dich schlecht kennen, wenn Du Dich weigertest!

Gunnar zu Sigurd. Freundschaft hast Du mir bezeugt, wo wir uns auch fanden; – Du wirst mir diesmal nicht entgegen sein!

Dagny. Und von hinnen ziehen, während Hjördis im Groll zurückbleibt – nein, nein, das dürfen wir nicht!

Gunnar. Groß Unrecht hab' ich Oernulf zugefügt. Eh' es nicht wieder gut gemacht ist, kann ich vor mir selbst nicht Frieden finden.

Sigurd heftig. Alles andre kann ich für Dich tun, Gunnar! Nur hier bleiben kann ich nicht! Faßt sich. Ich bin König Aedhelstan untertänig und muß noch diesen Winter zu ihm nach England.

Dagny. Das kannst Du ja ganz gut!

Gunnar. Keiner kennet sein künftig Schicksal. Vielleicht, Sigurd, sehen wir uns jetzt zum letzten Mal, und dann könnt' es Dich reuen, daß Du nicht bis zum letzten Augenblick mir hilfreich warst.

Dagny. Und lange Zeit wirst Du mich nicht wieder frohgemut sehen, wenn Du heute von dannen fährst.

Sigurd bestimmt. Nun wohl, es sei! Euer Wunsch werde erfüllt, obgleich – Doch nun ist es beschlossen – hier meine Hand: Ich bleibe – und will Dein und Hjördis' Gast sein.

Gunnar schüttelt Sigurd die Hand. Dank, Sigurd, das wußt' ich! – Und Du, Oernulf, denkst Du wie er?

Oernulf widerwillig. Ich will es überlegen; Hjördis hat bitter mich gekränkt – heute kann ich mich noch nicht entscheiden.

Gunnar. Ja, ja, alter Kämpe, Sigurd und Dagny werden wohl wissen, Dir die Stirn zu glätten. – Nun rüst' ich das Mahl. Lebt wohl so lange, und willkommen in meiner Halle!!

Geht rechts ab.

Sigurd für sich. Hjördis hat sich eines Bessern besonnen, sagt er. Da kennt er sie wenig; eher möcht' ich glauben, sie brüte Unheil – Bricht ab und wendet sich zu seinen Leuten. Nun folget mir alle zu den Schiffen! Gute Gaben will ich wählen für Gunnar und sein Gesinde.

Dagny. Das Beste, was wir haben – Und Du, mein Vater – Du sollst keine Ruhe vor mir haben, bis Du Dich fügst!

Sie geht mit Sigurd und den Mannen hinunter zur See und verschwindet im Hintergrunde.

Oernulf. Mich fügen! Ja, hätte Gunnar kein Weibervolk im Hause – Wüßt' ich ihr nur beizukommen! – Thorolf! Du hier?

Thorolf, der rasch aufgetreten ist. Wie Du siehst. Vater, ist es wahr, das Gerücht? Du trafst Dich mit Gunnar, dem Lehnsmann?

Oernulf. Ja.

Thorolf. Und hast nun Streit mit ihm?

Oernulf. Hm – wenigstens mit Hjördis.

Thorolf. So sei getrost! Nun wird Dir Rache.

Oernulf. Rache? Wer rächt mich?

Thorolf. Höre nur! Ich stand im Schiff, da kam ein Mann gelaufen, mit einem Pfahl in der Hand, und rief: »Gehörst Du auf Oernulfs Heerschiff, dann grüss' ihn vom Bauer Kåre und sag' ihm, daß ich jetzt Rache nehme für uns beide!« – Darauf bestieg er ein Boot und ruderte von dannen, indem er sagte: »Zwanzig Geächtete liegen im Fjord; mit ihnen fahr' ich südwärts, und heut abend wird Hjördis sich keines Sprossen mehr zu rühmen haben.«

Oernulf. Das sagte er?! Ha, nun begreif ich! Gunnar hat seinen Sohn weggebracht, Kåre ist in Unfrieden mit ihm –

Thorolf. Und nun rudert er hinaus, den Knaben zu töten!

Oernulf kurz entschlossen. Vorwärts – alle! Die Beute wollen wir ihm streitig machen!

Thorolf. Was hast Du vor?

Oernulf. Laß mich! Die Rache gehört mir, nicht Kåre!

Thorolf. Ich begleite Dich.

Oernulf. Nein, Du folgst Sigurd und Deiner Schwester nach Gunnars Hof!

Thorolf. Sigurd? Ist er im Lande?

Oernulf. Dort siehst Du seine Heerschiffe; wir sind ausgesöhnt – Du folgst ihm!

Thorolf. Zu Deinen Feinden?

Oernulf. Geh Du nur zum Gelage! Nun soll Hjördis den alten Oernulf kennen lernen! – Aber höre, Thorolf, – zu keinem sprichst Du von meinem Vorhaben, – hörst Du, zu keinem!

Thorolf. Das gelob' ich!

Oernulf faßt Thorolfs Hand und blickt ihn zärtlich an. So lebe wohl, mein wackrer Junge! Befleißige Dich guter Sitten im Festhaus – dann machst Du mir Ehre. Nicht sollst Du unnütze Reden führen, aber was Du sprichst, das muß scharf sein wie Schwertesschneide. Sei leutselig, solang' Dir Gutes erwiesen wird; doch reizt man Dich, sollst Du nicht dazu schweigen! Trinke nicht mehr, als Du vertragen kannst; aber weise das Horn nicht zurück, wenn es Dir mit Maßen geboten wird, damit man Dich nicht für einen Schwächling halte!

Thorolf. Sei unbesorgt!

Oernulf. So geh nun zum Fest nach Gunnars Hof! Ich komme auch zum Gelage, und zwar so, wie man's von mir gewiß nicht erwartet. Munter zu den andern. Vorwärts, Du Wolfsbrut! Wetze die Zähne – Blut sollst Du zu trinken bekommen!

Er geht mit den älteren Söhnen rechts im Hintergrund ab.

Sigurd und Dagny kommen in prächtigen Festgewändern vom Strand herauf, gefolgt von zwei Männern, die eine Kiste tragen; die Männer gehen gleich wieder zurück.

Thorolf blickt dem Vater nach. Nun ziehen sie alle hinaus in den Kampf, und ich darf nicht mit. Hart ist es, in seiner Sippe der Jüngste zu sein. – Dagny! Gruß und Heil, liebe Schwester!

Dagny. Thorolf! Alle guten Geister! Wie bist Du groß geworden!

Thorolf. Ei, in fünf Jahren, sollt' ich meinen –

Dagny. Ja, ja! Da hast Du recht.

Sigurd reicht Thorolf die Hand. In Dir wächst dem Oernulf ein mutiger Gesell heran, wenn ich mich nicht täusche.

Thorolf. Wollt' er mich nur auf die Probe stellen, –

Dagny lächelnd. Doch schont er Dich mehr, als es nach Deinem Sinn? Ich weiß wohl, er hat Dich fast allzulieb.

Sigurd. Wo ist er hin?

Thorolf. Hinunter zum Schiffe. Gehen wir! Er kommt später.

Sigurd. Ich harre meiner Leute, die noch Waren heraufbringen und die Schiffe verankern.

Thorolf. Da muß ich helfen!

Geht hinab zur See.

Sigurd nach einer kurzen Pause. Dagny, mein Weib, endlich sind wir allein! Ich habe Dir Dinge zu sagen, die sich nicht länger verschweigen lassen.

Dagny erstaunt. Was meinst Du?

Sigurd. Gefährlich kann sie werden, diese Fahrt nach Gunnars Hof.

Dagny. Gefährlich? Glaubst Du, daß Gunnar –?

Sigurd. Gunnar ist gut und treu. Nein, nein! Doch besser wär's gewesen, ich wäre von dannen gezogen, ohne ihn heimzusuchen.

Dagny. Du machst mir Angst! Sigurd, was ist es?

Sigurd. Antworte mir vor allem auf eine Frage: wo ist der Goldring, den ich Dir einstens gab?

Dagny zeigt ihn. Hier an meinem Arm. Du gebotest mir, ihn zu tragen.

Sigurd. Wirf ihn hinunter auf des Meeres Grund, so tief, daß keiner je ihn findet: denn manchen Mannes Untergang könnt' er werden!

Dagny. Der Ring?

Sigurd. An jenem Abend, da der Weiberraub in Deines Vaters Hause geschah – erinnere Dich –

Dagny. Ob ich mich erinnere!

Sigurd. Davon will ich jetzt reden.

Dagny. Was ist es? Sag'!

Sigurd. Du weißt, es war ein Festgelag gewesen. Zeitig gingst Du auf Deine Kammer, indes Hjördis mitten unter den zechenden Mannen sitzen blieb. Fleißig machte das Horn die Runde, und großer Dinge vermaß sich mancher. Ich schwur, eine holde Maid aus Island zu entführen, wenn ich aufbräche; Gunnar schwur dasselbe und reichte Hjördis den Trunk. Da trank sie aus dem Horn, stand auf und gelobte, daß sie als Eheweib nur dem Kämpen eignen wolle, der nach ihrer Kammer ginge, den Eisbären tötete, der an der Tür dort angebunden sei, und sie wegtrüge auf seinen Armen.

Dagny. Ja, ja – das weiß ich.

Sigurd. Doch alle meinten, es sei unmöglich; denn der Bär war der wildesten Ungetüme eines. Niemand außer Hjördis durfte ihm nahen, und er hatte die Stärke von zwanzig Männern.

Dagny. Aber Gunnar erschlug ihn dennoch, und diese Tat trug seinen Ruhm durch alle Lande.

Sigurd. Er ward berühmt durch sie – allein – diese Tat vollbrachte ich!

Dagny aufschreiend. Du!

Sigurd. Da die Männer den Festsaal verließen, bat mich Gunnar, ihm zur Zwiesprach auf sein Schlafgemach zu folgen. Dort sagte er: »Hjördis ist mir werter denn alle Weiber; ich kann nicht leben ohne sie.« – Ich antwortete: »So geh nach ihrer Kammer; Du weißt, welche Bedingung sie gestellt hat.« – Er aber meinte: »Ein liebesiecher Mann schätzt das Leben hoch. Ungewiß bleibt der Ausgang des Kampfes mit dem Bären, und ich zittere bei dem Gedanken, jetzt mein Leben lassen zu müssen – denn mit dem Leben verlör' ich auch Hjördis.« Lange sprachen wir zusammen, und das Ende war, daß Gunnar sein Schiff zur Abfahrt bereit machte, ich aber mein Schwert zog, Gunnars Waffenkleider antat und nach der Kammer ging.

Dagny mit stolzer Freude. Und Du, – Du warst des Bären Überwinder?

Sigurd. Ich war's. Im Gemach war es düster wie unter den Fittichen des Raben. Hjördis wähnte, es sei Gunnar, der neben ihr säße – erhitzt war sie vom Met – sie streifte einen Ring von ihrem Arm und gab ihn mir –: den Du jetzt trägst, der ist's.

Dagny zögernd. Und Du bliebst die Nacht bei Hjördis im Gemach?

Sigurd. Mein blankes Schwert lag zwischen uns. Nach kurzer Pause. Ehe der Tag graute, trug ich Hjördis auf Gunnars Schiff. Sie merkte nicht unsere List, und er segelte mit ihr ins Weite. Alsdann ging ich nach Deinem Schlafgemach und fand Dich dort inmitten Deiner Mägde, – was nun folgte, weißt Du. Ich zog von Island mit einer holden Maid, wie ich geschworen, und Du bist mir von Stund an treulich gefolgt, wohin ich auch fuhr.

Dagny bewegt. Mein tapferer Eheherr! Du vollbrachtest die Heldentat – o, ich hätt' es ahnen müssen! Außer Dir war keiner dazu im stande! Hjördis, das stolze und herrliche Weib, konntest Du gewinnen – und kürtest mich! Zwiefach teuer müßtest Du hinfort mir sein, wärst Du mir nicht schon das Teuerste auf Erden!

Sigurd. Dagny, mein gutes Weib, nun weißt Du alles – was Du wissen mußt. Ich mußte Dich warnen: denn der Ring – laß ihn Hjördis nie vor Augen kommen! Willst Du mir folgen, so wirf ihn weg – tief ins Meer!

Dagny. Nein, Sigurd! Dazu ist er mir zu teuer. Ist er doch ein Geschenk von Dir! Aber sei unbesorgt: ich werde ihn vor aller Augen verbergen, und niemals will ich verraten, was Du mir anvertraut.

Thorolf kommt von den Schiffen mit Sigurds Mannen.

Thorolf. Alles ist bereit zur Fahrt.

Dagny. So komm, Sigurd, mein edler, starker Held!

Sigurd. Ruhig, Dagny – ruhig! In Deiner Macht steht es nun, ob die Fahrt in Frieden oder mit Männermord enden soll. Rasch zu den übrigen. Auf zum Festmahl, nach Gunnars Hof!

Geht mit Dagny nach rechts; die andern folgen.



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