Henrik Ibsen
Frau Inger auf Oestrot
Henrik Ibsen

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Dritter Akt

Der Rittersaal. Im Hintergrund ein hohes Bogenfenster; ein kleineres Fenster links im Vordergrund. Zu beiden Seiten mehrere Türen. Die Decke ruht auf starken freistehenden Holzpfeilern, die, gleich den Seitenwänden, mit Waffen aller Art behängt sind. Bilder von Heiligen, Rittern und Frauen hängen in langen Reihen. Unter der Decke ein großer vielarmiger Kronleuchter, der angezündet ist. Rechts im Vordergrund ein geschnitzter Hochsitz aus alter Zeit. Mitten im Saale steht ein gedeckter Tisch mit Resten von der Nachtmahlzeit.

Eline kommt langsam und gedankenvoll von links. Der Ausdruck ihres Gesichts verrät, daß sie in der Erinnerung die Szene mit Nils Lykke nochmals durchlebt. Zuletzt macht sie dieselbe Armbewegung wie in jenem Augenblicke, da sie den Strauß zu Boden warf; dann spricht sie mit lauter Stimme:
  – und so sammelte er die Stümpfe von Dänemarks Königskrone – Blumen waren's – und – »bei Christi Blut! Wie ist sie stolz und schön!« Hätte er diese Worte geflüstert, geflüstert im heimlichsten Winkel, meilenweit von Oestrot – ich hätte sie dennoch vernommen! – Wie ich ihn hasse! Wie ich ihn immer gehaßt habe – diesen Nils Lykke! – Kein andrer Mann ist ihm gleich, sagen sie. Er spielt mit Frauen und – tritt sie mit Füßen. – – Und ihm wollte meine Mutter mich ausliefern! – Wie ich ihn hasse! – – Man sagt, Nils Lykke sei anders wie sonst die Männer. Das ist nicht wahr! Es ist nichts Besonderes an ihm; es gibt viele, viele wie er. Wenn Björn mir Märchen erzählte, da sahen alle Prinzen aus wie Nils Lykke. Wenn ich einsam hier im Saale saß und meine Sagen träumte, und wenn meine Ritter kamen und gingen – alle, alle sahen sie aus wie Nils Lykke. – – Wie wundersam und wie gut ist es, zu hassen! Noch nie hab' ich gewußt, wie köstlich es ist – bis zu dieser Stunde. Nein, nicht für tausend Lebensjahre würde ich die Augenblicke verkaufen, die ich gelebt habe, seit ich ihn sah! – – »Bei Christi Blut! Wie ist sie – –«

Sie geht langsam nach dem Hintergrund, öffnet das Fenster und sieht hinaus. Nils Lykke kommt herein durch die erste Tür rechts.

Nils Lykke für sich. »Schlaft wohl auf Oestrot, Herr Ritter«, sagte Inger Gyldenlöve, als sie ging. Schlaft wohl! Ja, das ist leicht gesagt, aber – –; da draußen Himmel und Meer in Aufruhr; tief unten in der Totengruft das junge Blut auf der Bahre; das Schicksal zweier Reiche in meiner Hand – und an meiner Brust ein verwelkter Blumenstrauß, den ein Weib mir vor die Füße geschleudert hat! Wahrlich, ich fürchte sehr, der Schlaf wird sich erst spät melden. Er bemerkt Eline, die das Fenster verläßt und nach links abgehen will. Da ist sie. Das stolze Auge scheint gedankenvoll. Ah, wenn ich es wagte – – Laut: Jungfer Eline!

Eline bleibt an der Tür stehen. Was wollt Ihr? Was verfolgt Ihr mich?

Nils Lykke. Ihr irrt. Ich verfolge Euch nicht. Ich werde selbst verfolgt.

Eline. Ihr?

Nils Lykke. Von mancherlei Gedanken. Und darum macht's der Schlaf wie Ihr; – er flieht mich.

Eline. Geht ans Fenster, da findet Ihr Zeitvertreib –. Ein Meer im Sturm –

Nils Lykke lächelnd. Ein Meer im Sturm? – Das finde ich auch wohl bei Euch.

Eline. Bei mir?

Nils Lykke. Unsere erste Begegnung hat mich dessen gewiß gemacht.

Eline. Und Ihr beschwert Euch darüber?

Nils Lykke. Keineswegs; aber ich wünschte doch, Euch milder gestimmt zu sehen.

Eline stolz. Glaubt Ihr, es wird Euch glücken?

Nils Lykke. Ich bin dessen sicher; denn ich bring' Euch willkommene Botschaft.

Eline. Und welche?

Nils Lykke. Mein Lebewohl.

Eline einen Schritt näher. Euer Lebewohl? Ihr verlaßt Oestrot – so bald?

Nils Lykke. Noch in dieser Nacht.

Eline scheint einen Augenblick uneinig mit sich selbst zu sein; dann sagt sie kalt: So nehmt meinen Gruß, Herr Ritter!

Sie verbeugt sich und will gehen.

Nils Lykke. Eline Gyldenlöve, – ich habe kein Recht, Euch zurückzuhalten; aber es ist unedel, wenn Ihr Euch weigert zu hören, was ich zu sagen habe.

Eline. Ich höre Euch, Herr Ritter.

Nils Lykke. Ich weiß, Ihr haßt mich.

Eline. Euer Scharfblick hat nicht gelitten, wie ich merke.

Nils Lykke. Aber ich weiß auch, daß ich diesen Haß vollauf verdient habe. Unziemlich und kränkend waren die Worte, womit ich in meinem Briefe an Frau Inger Eurer Erwähnung getan habe.

Eline. Wohl möglich; ich habe sie nicht gelesen.

Nils Lykke. Aber der Inhalt ist Euch doch wenigstens nicht unbekannt? Ich weiß, Eure Mutter hat Euch nicht in Unklarheit darüber gelassen; sie hat Euch jedenfalls gesagt, daß ich den Mann glücklich pries, der –; ja, Ihr wißt, welche Hoffnung ich genährt habe –

Eline. Herr Ritter, – wünschtet Ihr mich deshalb zu sprechen, so –

Nils Lykke. Nur, um mein Unterfangen zu entschuldigen, wünschte ich Euch zu sprechen. Aus keinem anderen Grunde; das schwör' ich Euch. Ist, wie ich leider vermuten muß, mein Ruf zu Euch gedrungen, bevor ich mich selbst auf Oestrot vorgestellt habe, so müßt Ihr auch mein Leben hinreichend kennen, um Euch nicht darüber zu wundern, daß ich in solchen Dingen etwas dreist zu Werke ging. Ich bin vielen Frauen begegnet, Eline Gyldenlöve! Unbeugsam habe ich noch keine gefunden. Unter solchen Umständen, seht Ihr, wird man etwas bequem. Man kommt aus der Gewohnheit, Umschweife zu machen –

Eline. Möglich. Ich weiß nicht, aus welchem Stoff jene Frauen waren. – Übrigens täuscht Ihr Euch, wenn Ihr glaubt, jener Brief an meine Mutter habe mein Herz mit Haß und Bitterkeit gegen Euch erfüllt. Ich hatte ältere Gründe.

Nils Lykke unruhig. Ältere Gründe? Was wollt Ihr damit sagen?

Eline. Es ist, wie Ihr vermutet: Euer Ruf ist vor Euch her gegangen nach Oestrot, wie durchs ganze Land. Wird der Name Nils Lykke genannt, so geschieht es immer in Verbindung mit einem Weibe, das er betört und verstoßen hat. Einige nennen diesen Namen mit Gram, andre mit Hohngelächter und frechem Spott über jene schwachsinnigen Geschöpfe. Aber durch den Gram und das Hohngelächter und den Spott klingt die Weise von Euch, die dröhnende und empörende Weise gleich eines Feindes Siegessang. – Das alles zusammen hat meinen Haß gegen Euch erzeugt. Unaufhörlich standet Ihr vor meinen Gedanken, und ich wurde die Sehnsucht nicht los, Euch Aug' in Auge gegenüberzustehen, damit Ihr erfahret, daß es auch Frauen gibt, bei denen Eure glatten Reden verloren sind – wofern Ihr sie anzuwenden die Absicht habt.

Nils Lykke. Ihr richtet mich ungerecht, wenn Ihr mich nach dem richtet, was das Gerücht Euch gesagt hat. Möglich, daß Wahrheit in allem ist, was Ihr hörtet; – aber die Ursachen kennt Ihr nicht. – Als siebzehnjähriger Junker begann ich meine lustige Laufbahn. Volle fünfzehn Jahre sind seitdem vergangen. Leichte Weiber gewährten mir, was ich wünschte – oft eh' mein Wunsch noch Bitte ward; und was ich ihnen darbot, das ergriffen sie mit frohen Händen. Ihr seid das erste Weib, das ein Geschenk mir verächtlich vor die Füße warf. – Denkt nicht, daß ich mich beklage. Nein, im Gegenteil, – ich ehre Euch eben darum so hoch, wie ich noch nie ein Weib geehrt habe. Aber was ich beklage, und was in mir nagt wie ein großes Herzeleid, ist, daß das Schicksal mich nicht schon früher zu Euch geführt hat. – Eline Gyldenlöve! Eure Mutter hat mir von Euch erzählt. Während die Welt fern von hier ihren unruhigen Lauf nahm, wandeltet Ihr in diesem einsamen Oestrot, still, allein mit Eurem Dichten und Euren Träumen. Und darum werdet Ihr auch verstehen, was ich Euch zu sagen habe. – Wisset denn, daß auch ich einstmals ein Leben gelebt habe wie Ihr. Ich dachte, wenn ich hinausträte in die große, weite Welt, dann käme mir ein edles und herrliches Weib entgegen, die mir zuwinkte, die mir den Weg zu einem ruhmreichen Ziele zeigte. Aber nein, Eline Gyldenlöve, – Frauen begegneten mir; doch sie war nicht unter ihnen. Noch eh' ich ganz Mann geworden war, hatte ich sie insgesamt verachten gelernt. – Ist das meine Schuld? Warum waren die andern nicht wie Ihr? – Mir ist bekannt, das Schicksal Eures Vaterlandes bedrückt schwer Euer Herz. Ihr wißt, welchen Anteil ich an diesen Verhältnissen habe – –. Man sagt, ich sei falsch wie der Schaum der Wellen. Wohl möglich. Aber bin ich es, so haben die Weiber mich es zu sein gelehrt. Hätte ich früher gefunden, was ich suchte, – wäre ich einem Weibe begegnet, stolz, edel und hochgesinnt wie Ihr, – mein Weg wäre gewißlich ein ganz andrer geworden. Vielleicht stünde ich dann in diesem Augenblick an Eurer Seite als Verteidiger aller Unterdrückten im norwegischen Reiche. Denn das glaub' ich fest: ein Weib ist das Mächtigste auf Erden, und in seiner Hand liegt es, einen Mann dahin zu leiten, wo Gott der Herr ihn haben will.

Eline für sich. Sollt' er die Wahrheit sprechen? – Nein, nein! Lug ist in seinem Auge und Trug auf seinen Lippen. Und doch – kein Sang ist so lieblich wie sein Wort.

Nils Lykke näher, leiser und vertraulicher. Wie oft habt Ihr wohl hier gesessen, einsam mit Euren wechselnden Gedanken! Da ward es Euch so schwer ums Herz; Decke und Wände schienen enger und enger zu werden und Eure Seele zu erdrücken. Ihr sehntet Euch hinaus, – es lüstete Euch weit, weit wegzufliegen, – Ihr wußtet selbst nicht wohin. – Wie oft seid Ihr wohl einsam am Fjord gewandelt, während ein geschmücktes Schiff, mit Rittern und Damen an Bord, unter Gesang und Saitenspiel weit draußen vorübersegelte. Eine dunkle Kunde von großen Begebenheiten ist zu Euch gedrungen, da habt Ihr ein Sehnen in Eurer Brust gefühlt, ein unbezwingliches Verlangen nach dem, was Ihr jenseits des Meeres vermutet. Aber Ihr habt nicht begriffen, was Euch fehlte. Ihr glaubtet zuweilen, es wäre das Geschick Eures Vaterlandes, was Euch mit so unruhigen Gedanken erfüllte. Ihr betrogt Euch selbst – eine Jungfrau in Euren Jahren hat über andre Dinge nachzusinnen. – – Eline Gyldenlöve! Habt Ihr nie an geheime Kräfte geglaubt, – an eine starke und rätselhafte Macht, die der Menschen Schicksale aneinander knüpft? Wenn Ihr von dem bunten Leben draußen in der weiten Welt träumtet, – wenn Ihr träumtet von Waffenspiel und frohen Festen, – saht Ihr dann nie in Euren Träumen einen Ritter, der mit Lächeln auf den Lippen und mit Gram im Herzen mitten im lärmenden Treiben stand, – einen Ritter, der einst so süß wie Ihr geträumt von einem hohen, herrlichen Weibe, so er vergebens suchte unter all denen, die ihn umgaben?

Eline. Wer seid Ihr, der meine geheimsten Gedanken in Worte zu kleiden vermag? Wie seid Ihr imstande zu nennen, was ich im tiefsten Innern barg, mir selber unbewußt? Woher wißt Ihr –?

Nils Lykke. Was ich Euch gesagt habe, das habe ich in Euren Augen gelesen.

Eline. Niemals noch hat ein Mann so zu mir gesprochen. Nur dunkel hab' ich Euch verstanden; und doch – – wie scheint mir alles, alles seitdem verwandelt – – Für sich. Nun begreif ich, warum es heißt, Nils Lykke sei anders als alle andern.

Nils Lykke. Es gibt etwas in der Welt, das eines Menschen Gedanken verwirren könnte, wenn man darüber grübeln wollte, und das ist der Gedanke, wie es gekommen wäre, wenn alles sich so oder so gefügt hätte. Wäret Ihr auf meinem Wege mir entgegengetreten, solange mein Lebensbaum noch grünte und blühte, so säßet Ihr vielleicht in dieser Stunde als – – Doch verzeiht mir, edle Jungfrau. Unser kurzes Zwiegespräch ließ mich unsre gegenseitige Stellung vergessen. Mir war, als hätte eine geheime Stimme mir gesagt, ich könnte mit Euch offen reden, ohne Schmeichelei und ohne Verstellung.

Eline. Das könnt Ihr.

Nils Lykke. Nun wohl, – und diese Offenherzigkeit hat uns vielleicht halb und halb miteinander ausgesöhnt. Ja, ich bin noch kühner in meiner Hoffnung – vielleicht kommt noch die Zeit, da Ihr des fremden Ritters ohne Haß und Harm in der Seele gedenkt. Nun, mißversteht mich nicht! Ich meine nicht jetzt gleich, – aber einmal, späterhin. Und um Euch den Gedanken minder schwer zu machen, und weil ich einmal begann, freimütig und offen mit Euch zu reden, so laßt mich Euch sagen –

Eline. Herr Ritter –!

Nils Lykke lächelnd. Ah, ich merke, daß mein Brief Euch noch immer schreckt. Doch Ihr könnt ganz ruhig sein. Ich gäbe Tausende hin, wenn er ungeschrieben wäre; denn – nun ich weiß, daß Ihr es ohne sonderlichen Schmerz vernehmen werdet, kann ich es ja gleich frei heraussagen: – ich liebe Euch nicht und werde Euch niemals lieben lernen. Seid also deswegen ganz unbesorgt. Ich werde nie den Versuch machen – – Aber was ist Euch?

Eline. Mir? Nichts, nichts! – – Sagt mir nur eins: warum tragt Ihr noch diese Blumen? Was wollt Ihr damit?

Nils Lykke. Diese Blumen? Ist das nicht der Fehdehandschuh, den Ihr im Namen aller Frauen dem bösen Nils Lykke hingeworfen habt? Mußte ich sie darum nicht aufheben? – Ihr fragt, was ich damit will? Mit gedämpfter Stimme: Wenn ich wieder im Kreise schöner Dänenfrauen sitze, wenn das Saitenspiel schweigt und im Saale Stille herrscht – dann will ich diese Blumen hervornehmen und ein Märchen von einer Jungfrau erzählen, die fern in Norwegen einsam in dunkler Balkenhalle sitzt – Abbrechend, indem er sich ehrerbietig verneigt. Aber ich fürchte, schon allzulange hielt ich des Hauses edle Tochter auf. Wir sehen uns nicht wieder. Denn noch vor Tagesanbruch bin ich fort. Ich biete Euch also mein Lebewohl!

Eline. Und ich Euch das meinige, Herr Ritter!

Kurze Pause.

Nils Lykke. Ihr seid wieder so gedankenvoll, Eline Gyldenlöve! Ist's wieder das Geschick Eures Vaterlandes, was Euch bedrückt?

Eline schüttelt den Kopf, indem sie zerstreut vor sich hin blickt. Mein Vaterland? – Ich denke nicht an mein Vaterland.

Nils Lykke. So ängstigt Euch die Zeit mit ihrem Kampf und ihrer Not?

Eline. Die Zeit? Die vergess' ich jetzt. – – Ihr geht nach Dänemark? Sagtet Ihr nicht so?

Nils Lykke. Ich gehe nach Dänemark.

Eline. Kann ich gen Dänemark von diesem Saale sehen?

Nils Lykke auf das Fenster links deutend. Ja, von diesem Fenster. Dort, gen Süden, liegt Dänemark.

Eline. Und ist es weit von hier? Mehr als hundert Meilen?

Nils Lykke. Viel weiter. Das Meer liegt zwischen Dänemark und Euch.

Eline vor sich hin. Das Meer? – Der Gedanke hat Mövenschwingen. Das Meer hemmt ihn nicht. Sie geht links ab.

Nils Lykke blickt ihr eine Weile nach; dann spricht er: Könnte ich zwei Tage daran wenden – oder nur einen –, sie wäre in meiner Gewalt so gut wie alle andern. – Und doch – aus seltnem Stoff ist dieses Mädchen geschaffen. Sie ist stolz. Sollte ich mich wirklich entschließen –? Nein, lieber sie demütigen. – – Er geht im Saal auf und ab. Wahrhaftig, – ist mir nicht, als hätte sie mein Blut in Brand gesetzt?! Wer würde das noch gestern für möglich gehalten haben? – – Weg damit! Ich muß heraus aus diesem Wirrsal, in das ich mich verstrickt habe! – Er setzt sich auf einen Stuhl rechts. Wie soll ich mir das erklären? Olaf Skaktavl und Inger Gyldenlöve scheinen beide blind zu sein gegen das Mißtrauen, dem sie sich aussetzen, sobald es ruchbar wird, daß ich mit ihnen im Bunde stehe. – Oder sollte Frau Inger wirklich meinen Plan durchschauen? Sollte sie erraten, daß alle Zusagen nur darauf berechnet sind, Nils Sture aus seinem Versteck zu locken? Er springt auf. Verdammt! Wäre ich wirklich selbst der Gefoppte? Es ist höchst wahrscheinlich, daß Graf Sture gar nicht auf Oestrot ist. Vielleicht ist auch das Gerücht von seiner Flucht nur eine Kriegslist gewesen. Er sitzt möglicherweise zu dieser Stunde wohlbehalten bei seinen Freunden in Schweden, während ich – Er geht unruhig auf und ab. Daß ich auch meiner Sache so sicher sein mußte! Wenn ich nun nichts ausrichte? Wenn Frau Inger hinter meine Absichten kommt – und mein Unternehmen aufdeckt? – Daß Du Dich zum Kinderspott machst hier und in Dänemark! Frau Inger in die Falle locken zu wollen – und dadurch ihre Sache erst recht zu fördern, ihr Ansehen im Volke erst recht zu stärken! – – Ach, ich könnte mich dem Bösen selbst verschreiben, wenn er den Grafen Sture in meine Hand geben wollte –

Das Fenster im Hintergrund wird aufgestoßen. Nils Stenssön wird draußen sichtbar.

Nils Lykke greift nach dem Schwert. Was gibt's?

Nils Stenssön springt herunter auf den Fußboden. Na, endlich bin ich da!

Nils Lykke leise. Was soll das heißen?

Nils Stenssön. Gottes Frieden, Herr!

Nils Lykke. Dank, Herr! Übrigens habt Ihr Euch einen eigenartigen Eingang ausgesucht.

Nils Stenssön. Teufel auch, was sollt' ich anders tun? Das Tor war ja verschlossen. Hier im Hofe müssen die Leute einen Schlaf haben wie der Bär zu Weihnachten.

Nils Lykke. Gott sei Dank! Ein gutes Gewissen ist das beste Ruhekissen, wißt Ihr ja.

Nils Stenssön. Das muß wohl so sein; denn wie ich auch hämmerte und donnerte –

Nils Lykke. – es ward Euch doch nicht aufgetan!

Nils Stenssön. Aufs Haar getroffen. Ich sagte also zu mir selbst: da du nun einmal heut abend auf Oestrot sein mußt, und ging's durch Wasser und Feuer, – so kannst du auch wohl durchs Fenster hereinkriechen.

Nils Lykke leise. Sollt' er vielleicht – Einen Schritt näher. Es war Euch also sehr daran gelegen, heute noch hier einzutreffen?

Nils Stenssön. Ob mir daran gelegen war! Das sollt' ich meinen! Ich lasse nicht auf mich warten, meiner Treu!

Nils Lykke. Aha – Frau Inger Gyldenlöve erwartet Euch also?

Nils Stenssön. Frau Inger Gyldenlöve? Darauf kann ich nicht so bestimmt antworten. Mit listigem Lächeln. Aber ich sollt' einen andern –

Nils Lykke lächelt auch. Also, hier sollte ein anderer –

Nils Stenssön. Sagt mal – gehört Ihr zum Hause?

Nils Lykke. Ich? Ja, insofern ich seit diesem Abend Frau Ingers Gast bin.

Nils Stenssön. So? – Ich glaube wir haben heute den dritten Abend nach Martini.

Nils Lykke. Den dritten Abend nach –? Richtig, ja. – Wünscht Ihr vielleicht die Frau des Hauses gleich zu sprechen? So viel ich weiß, ist sie noch nicht zu Bett gegangen. Doch wollt Ihr Euch nicht zuerst setzen und ausruhen, lieber junger Herr? Seht, hier ist noch eine Kanne Wein. Etwas Speise werdet Ihr auch finden. Na, so langt zu! Ihr werdet der Stärkung bedürfen.

Nils Stenssön. Ihr habt recht, Herr. Gar nicht so übel das! Er setzt sich an den Tisch; während er ißt und trinkt: Braten und süßer Kuchen! Ihr führt ja hier ein Herrenleben! Wenn man wie ich vier, fünf Tage auf nacktem Boden geschlafen und nur von Wasser und Brot gelebt hat –

Nils Lykke betrachtet ihn lächelnd. Ja, das mag schwer genug für einen sein, der gewohnt war, im gräflichen Saal obenan zu sitzen.

Nils Stenssön. Im gräflichen Saale –?

Nils Lykke. Doch nun könnt Ihr Euch ja auf Oestrot ausruhen, solange es Euch gefällt.

Nils Stenssön froh. So? Kann ich das wirklich? Muß ich denn nicht gleich wieder fort?

Nils Lykke. Ja, ich weiß nicht. Die Frage könnt Ihr Euch wohl selbst am besten beantworten.

Nils Stenssön leise. Au, verflucht! Laut. Ja, seht Ihr, die Sache hat noch ihren Haken. Ich für mein Teil hätte freilich nichts dagegen, mir für's erste es hier bequem zu machen; aber –

Nils Lykke. – aber Ihr seid nicht in allen Stücken Euer eigener Herr? Da gibt's andere Geschäfte und andere Aufträge –?

Nils Stenssön. Ja, da sitzt der Knoten. Wenn es bei mir stünde, so blieb' ich wenigstens den Winter über hier; ich habe mein halbes Leben im Felde gestanden, und da – Er bricht plötzlich ab, schenkt ein und trinkt. Euer Wohl, Herr!

Nils Lykke. Im Felde? Hm.

Nils Stenssön. Nein, das war's, was ich sagen wollte: ich habe mich lange danach gesehnt, Frau Inger Gyldenlöve zu sehen, von der man so viel Rühmens macht. Das muß eine herrliche Frau sein! Nicht wahr? – Das Einzige, was mich ärgert, ist, daß sie so verflucht ungern losschlagen will.

Nils Lykke. Nicht losschlagen will –?

Nils Stenssön. Na ja, Ihr versteht mich schon. Ich meine, daß sie so gar nicht mit Hand anlegen will, die fremden Herrenleute aus dem Lande zu jagen.

Nils Lykke. Da habt Ihr freilich recht. Wenn Ihr nun aber tut, was Ihr könnt, dann geht's schon.

Nils Stenssön. Ich? Gott bewahre! Das würde viel helfen, wenn ich –

Nils Lykke. Es ist doch seltsam, daß Ihr sie aufsucht, wenn Ihr nichts Besseres zu hoffen habt.

Nils Stenssön. Was meint Ihr damit? – Sagt, kennt Ihr Frau Inger?

Nils Lykke. Versteht sich. Da ich ihr Gast bin, so –

Nils Stenssön. Damit ist noch nicht gesagt, daß Ihr sie kennt. Auch ich bin ihr Gast und habe doch noch nicht einmal so viel wie ihren Schatten gesehen.

Nils Lykke. Aber Ihr wißt doch zu erzählen –

Nils Stenssön. – wovon jedermann schnackt! Ja freilich. Außerdem habe ich vom Kanzler Peter oft genug gehört –

Er hält verlegen inne und beginnt eifrig zu essen.

Nils Lykke. Ihr wolltet noch etwas sagen.

Nils Stenssön essend. Ich? Nicht daß ich wüßte.

Nils Lykke lacht.

Nils Stenssön. Worüber lacht Ihr, Herr?

Nils Lykke. Über nichts, Herr!

Nils Stenssön trinkt. Das ist ein lieblicher Wein, den Ihr hier auf dem Schlosse habt.

Nils Lykke nähert sich vertraulich. Sagt mal, – wär' es jetzt nicht an der Zeit, die Maske fallen zu lassen?

Nils Stenssön lächelnd. Die Maske? O ja, das könnt Ihr tun, wenn's Euch gefällt.

Nils Lykke. So laßt doch alle Verstellung fahren! Ihr seid erkannt, Graf Sture!

Nils Stenssön mit Lachen. Graf Sture? Glaubt Ihr auch, ich bin Graf Sture? Er steht vom Tisch auf. Ihr irrt Euch, Herr. Ich bin nicht Graf Sture.

Nils Lykke. Wirklich nicht? Wer seid Ihr denn?

Nils Stenssön. Mein Name ist Nils Stenssön.

Nils Lykke betrachtet ihn lächelnd. Hm? Nils Stenssön? Und Ihr seid nicht Sten Stures Sohn Nils? Der Name stimmt doch so ziemlich.

Nils Stenssön. Sehr wahr; aber Gott weiß, mit welchem Recht ich ihn trage. Meinen Vater hab' ich nie gekannt; meine Mutter war eine arme Bauersfrau, die in den früheren Kriegsläuften um Gut und Leben kam. Der Kanzler Peter war damals gerade nicht weit. Er nahm sich meiner an, erzog mich und lehrte mich das Waffenhandwerk. Wie Ihr wißt, ist er viele Jahre hindurch von König Gustav verfolgt worden, und ich hab' ihn auf seinen Fahrten getreulich begleitet.

Nils Lykke. Der Kanzler, scheint's, hat Euch noch mehr gelehrt als das Waffenhandwerk. – – Nun gut, Ihr seid also nicht Nils Sture. Jedoch Ihr kommt aus Schweden. Der Kanzler schickt Euch her, um hier einen Fremden zu finden, der –

Nils Stenssön nickt listig. – der schon gefunden ist.

Nils Lykke etwas unsicher. Und den Ihr nicht kennt?

Nils Stenssön. Ebensowenig wie Ihr mich kennt – denn ich schwöre bei Gott dem Vater: ich bin nicht Graf Sture!

Nils Lykke. Im Ernste, Herr?

Nils Stenssön. So wahr ich lebe! Warum sollt' ich es leugnen, wenn ich's wäre?

Nils Lykke. Aber wo ist denn Graf Sture?

Nils Stenssön mit gedämpfter Stimme. Ja, das ist eben das Geheimnis.

Nils Lykke flüsternd. Das Euch bekannt ist? Nicht wahr?

Nils Stenssön nickt. Und das ich Euch mitzuteilen habe.

Nils Lykke. Mir? Nun denn, wo ist er?

Nils Stenssön zeigt nach oben.

Nils Lykke. Da oben? Frau Inger hält ihn auf dem Boden verborgen?

Nils Stenssön. Was fällt Euch ein! Ihr mißversteht mich. Er sieht sich vorsichtig um. Nils Sture ist im Himmel.

Nils Lykke. Gestorben! – Wo?

Nils Stenssön. Auf seiner Mutter Schloß, – schon vor drei Wochen.

Nils Lykke. Ah, Ihr belügt mich. Vor fünf oder sechs Tagen zog er über die Grenze nach Norwegen.

Nils Stenssön. O, das bin ich gewesen!

Nils Lykke. Aber wenige Tage zuvor hatte der Graf sich in Dalekarlien gezeigt. Das Volk, das schon längst unruhig war, brach in offne Empörung aus und wollte ihn zum König machen.

Nils Stenssön. Hahaha! Das war ja ich!

Nils Lykke. Ihr?

Nils Stenssön. Ihr sollt jetzt hören, wie das zuging. Eines Tages rief der Kanzler mich zu sich und ließ verlauten, daß große Begebenheiten sich vorbereiteten. Er hieß mich ins norwegische Land nach Oestrot gehen, wo ich zu einer bestimmten Zeit eintreffen sollte –

Nils Lykke nickt. Den dritten Abend nach Martini.

Nils Stenssön. Da würd' ich einen Fremden finden –

Nils Lykke. Richtig; das bin ich.

Nils Stenssön. Von ihm würd' ich erfahren, was ich weiter zu tun hätte. Ich sollte ferner ihm melden, daß Graf Sture plötzlich gestorben ist, daß aber außer seiner Mutter, der Gräfin, dem Kanzler und einigen alten Hausleuten der Stures noch keiner darum wisse.

Nils Lykke. Ich verstehe. Graf Sture war das Haupt der Bauern. Würde sein Tod ruchbar, so gingen sie auseinander – und aus der ganzen Sache würde nichts.

Nils Stenssön. Kann wohl sein. Ich bin in diese Dinge nicht so eingeweiht.

Nils Lykke. Aber wie konntet Ihr darauf verfallen, Euch für den Grafen auszugeben?

Nils Stenssön. Wie ich darauf verfallen konnte? Ja, weiß ich es selbst? Ich bin in meinem Leben schon auf mehr Dummheiten verfallen. Es war übrigens gar nicht meine Erfindung; denn wohin ich auch kam in Dalekarlien, da rotteten sich die Leute zusammen und grüßten mich als den Grafen Sture. Da half keine Widerrede. Der Graf wäre erst vor zwei Jahren dagewesen, erzählten sie, und das kleinste Kind erkennte mich wieder. Na, in Gottes Namen! dachte ich. Ein Graf wirst du doch in deinem Leben nie wieder; du kannst ja mal versuchen, wie das tut.

Nils Lykke. Nun – und was tatet Ihr dann weiter?

Nils Stenssön. Ich? Ich aß und trank und ließ mir's wohl sein. Es war nur schade, daß ich so bald wieder fort mußte. Und als ich über die Grenze zog, – hahaha! – da gelobte ich ihnen, daß ich mit drei- oder viertausend Mann – oder wie viel es nun wären – wiederkommen würde, – und dann sollt' es gehörig losgehen.

Nils Lykke. Und es ist Euch gar nicht eingefallen, wie unbesonnen Ihr handeltet?

Nils Stenssön. Ja, nachher ist es mir eingefallen; aber da war's schon zu spät.

Nils Lykke. Es tut mir leid um Euch, mein junger Freund; aber Ihr werdet bald die Folgen Eurer Torheit spüren. Ich kann Euch sagen, daß Ihr verfolgt werdet. Ein Troß schwedischer Reiter setzt Euch nach.

Nils Stenssön. Mir nach? Hahaha! Nein, das ist herrlich! Und wenn sie kommen und glauben, Graf Sture endlich erwischt zu haben – hahaha!

Nils Lykke ernst. – dann ist es um Euer Leben geschehen.

Nils Stenssön. Um mein –? Ich bin doch nicht Graf Sture.

Nils Lykke. Aber Ihr habt das Volk zu den Waffen gerufen. Ihr habt den Rebellen Zusagen gemacht und Unfrieden im Lande gestiftet.

Nils Stenssön. Das war ja nur im Scherz.

Nils Lykke. König Gustav wird die Sache in einem anderen Lichte sehen.

Nils Stenssön. Ja, es ist wirklich etwas an dem, was Ihr da sagt. – Daß ich auch so dumm sein konnte! – – Je nun, wir werden uns schon wieder herauswinden! Ihr werdet Euch ja meiner annehmen und – die Reiter sind mir wohl auch noch nicht auf den Fersen.

Nils Lykke. Aber was habt Ihr mir weiter zu sagen?

Nils Stenssön. Ich? – Nichts; nur das Paket hab' ich Euch noch zu geben –

Nils Lykke unbedacht. Das Paket?

Nils Stenssön. Ja, freilich. Ihr wißt doch –

Nils Lykke. Ach ja, richtig! Die Papiere vom Kanzler –

Nils Stenssön. Seht, hier sind sie samt und sonders.

Er überreicht Nils Lykke ein Paket, das er aus seinem Wams hervorgezogen hat.

Nils Lykke leise. Briefe und Pergamente für Herrn Olaf Skaktavl. Zu Nils Stenssön: Ich sehe, das Paket ist offen. Ihr kennt also wohl den Inhalt?

Nils Stenssön. Nein, Herr! Ich lese nicht gern Geschriebenes; das hat so seine Gründe.

Nils Lykke. Verstehe. Ihr habt Euch zumeist aufs Waffenhandwerk gelegt. Er setzt sich an den Tisch und durchfliegt die Briefe. Aha, Aufklärungen, mehr als genug, um hinter das zu kommen, was vorgeht. – Dieser kleine Brief mit der Seidenschnur – Er untersucht die Aufschrift. Auch an Herrn Olaf Skaktavl. Öffnet den Brief und prüft flüchtig den Inhalt. Vom Kanzler. Ich konnte es mir denken. Liest murmelnd: »Ich bin hart bedrängt; denn –« ja, ganz richtig, hier steht es – »der junge Junker Sture ist zu seinen Vätern heimgegangen, gerade als der Aufruhr losbrechen wollte – aber noch ist nicht alles verloren« – – Was nun? Er stutzt und liest weiter: »Denn Ihr müßt wissen, Herr Olaf Skaktavl, der junge Mann, der Euch diesen Brief überbringt, ist ein Sohn von –« Himmel und Hölle! – steht das da? – Ja, bei Christi Blut, es steht da! Mit einem Blick auf Nils Stenssön. Er wäre – wäre wirklich – Er liest weiter: »Ich habe ihn von seinem ersten Jahr an erzogen; aber bis heute habe ich mich beharrlich geweigert, ihn zurückzugeben, weil ich glaubte, in ihm ein sicheres Unterpfand für Frau Ingers Treue gegen uns und unsre Freunde zu haben. Doch hat er uns in dieser Hinsicht nur wenig genützt. Ihr seid wohl erstaunt, daß ich Euch dies Geheimnis nie anvertraut habe, nicht einmal als Ihr letzthin bei mir wart. Ich will Euch ehrlich gestehen, ich fürchtete, Ihr würdet ihn für denselben Zweck wie ich in Anspruch nehmen. Nun aber, da Ihr mit Frau Inger zusammengetroffen seid und Euch wahrscheinlich überzeugt habt, wie ungern sie unsrer Sache beitritt, werdet auch Ihr es für das Klügste halten, ihr so schnell wie möglich zurückzugeben, was ihr gehört. Es wäre wohl möglich, daß Freude, Sicherheit und Dankbarkeit –« – »das ist unsre letzte Hoffnung.« Er sitzt eine Weile starr vor Erstaunen und sagt dann ungestüm vor sich hin: Ah, dieser Brief! Er ist Goldes wert!

Nils Stenssön. Ich habe Euch wichtige Botschaft gebracht, wie es scheint. Ja, ja, – der Kanzler, heißt es, hat viele Eisen im Feuer.

Nils Lykke für sich. Was fang' ich nun mit alledem an? Hundert Wege lassen sich einschlagen. Wenn ich –. Nein, das wäre zu unsicher. Aber wofern – hm, wofern ich –? Ja, das sei gewagt!

Er reißt den Brief quer durch, ballt die Stücke zusammen und verbirgt sie in seinem Wams. Die übrigen Papiere legt er wieder in das Paket, steckt es in seinen Gürtel, erhebt sich und sagt:

Ein Wort, mein junger Freund!

Nils Stenssön nähert sich. Na, – das klingt fast, als stünde das Spiel gut.

Nils Lykke. Ja, das will ich meinen! Ihr habt mir lauter gute Karten in die Hand gegeben, – Damen und Buben und –

Nils Stenssön. Und ich, der Euch all diese guten Zeitungen gebracht hat, ich bin nun überflüssig?

Nils Lykke. Ihr? Bewahre! Ihr gehört mit zum Spiele. Ihr seid König – und Trumpf obendrein.

Nils Stenssön. Ich? Ach, ich begreife! Ihr denkt wohl an die Erhöhung –

Nils Lykke. Erhöhung?

Nils Stenssön. Ja, im Fall König Gustav mich zu fassen kriegt, prophezeitet Ihr, so – Er macht das Zeichen des Hängens.

Nils Lykke. Ach ja, so – doch laßt Euch das nicht weiter anfechten! Jetzt steht es bei Euch, ob Ihr binnen eines Monats den Strick oder eine goldne Kette um den Hals tragen wollt.

Nils Stenssön. Eine goldne Kette? Und bei mir stünde das? Nils Lykke nickt. Da mag der Teufel sich lange bedenken! – Doch sagt mir nur, wie ich mich zu verhalten habe.

Nils Lykke. Das werd' ich. Aber zuvor schwört mir einen heiligen Eid, daß keine lebende Seele auf der weiten Welt erfahren soll, was ich Euch anvertraue.

Nils Stenssön. Weiter nichts? Ich schwör' Euch zehn Eide, wenn Ihr's verlangt.

Nils Lykke. Ernsthaft, Herr! Ich spaße nicht mit Euch.

Nils Stenssön. Na ja, ja; ich bin ernsthaft.

Nils Lykke. In Dalekarlien nanntet Ihr Euch einen Grafensohn; – nicht so?

Nils Stenssön. Ei, fangt Ihr schon wieder damit an? Ich hab' Euch ja ehrlich gebeichtet –

Nils Lykke. Ihr versteht mich nicht. Was Ihr damals sagtet, war die Wahrheit.

Nils Stenssön. Die Wahrheit? Wo wollt Ihr nun hinaus? Aber so sagt mir doch –

Nils Lykke. Erst den Eid, den heiligsten, unverbrüchlichsten, den Ihr kennt!

Nils Stenssön. Ich will ihn schwören. Da an der Wand hängt das Bild der Jungfrau Maria –

Nils Lykke. Die Jungfrau Maria ist heut eine gefallene Größe. Habt Ihr nicht gehört, was der Mönch von Wittenberg behauptet?

Nils Stenssön. Pfui! Was geht Euch der Mönch von Wittenberg an? Der ist ja ein Ketzer, sagt der Kanzler.

Nils Lykke. Ja, wir wollen darüber nicht streiten. Aber hier will ich Euch einen einwandfreien Heiligen zeigen, bei dem Ihr mir schwören sollt. Er deutet auf ein Ahnenbild, das an einem der Wandpfosten hängt. Kommt her und gelobt mir unverbrüchliches Schweigen, bis ich selbst Eure Zunge löse, – unverbrüchliches Schweigen, so wahr Ihr auf des Himmels Seligkeit hofft für Euch und für ihn, dessen Abbild hier hängt.

Nils Stenssön, indem er sich dem Bilde nähert. Das schwör' ich – so wahr mir Gott helfe! Entsetzt zurückweichend. Jesus Christus, mein Erlöser!

Nils Lykke. Was ist denn?

Nils Stenssön. Das Bild da –! Das bin ich ja selbst!

Nils Lykke. Das ist der alte Sten Sture, wie er in seinen jungen Jahren leibte und lebte.

Nils Stenssön. Sten Sture! – Und die Ähnlichkeit –? Und – Ihr sagtet, ich hätte die Wahrheit gesprochen, als ich mich einen Grafensohn nannte? War es nicht so?

Nils Lykke. So war es.

Nils Stenssön. Ach, ich hab' es, ich hab' es. Ich bin –

Nils Lykke. Ihr seid Sten Stures Sohn, Herr.

Nils Stenssön erfaßt von stillem Erstaunen. Ich Sten Stures Sohn!

Nils Lykke. Auch von mütterlicher Seite seid Ihr edler Abkunft. Der Kanzler hat nicht die Wahrheit gesprochen, wenn er sagte, eine arme Bauersfrau wäre Eure Mutter.

Nils Stenssön. Seltsam, wunderlich! – Aber kann ich denn auch glauben –?

Nils Lykke. Alles, was ich Euch sage, könnt Ihr glauben. Aber bedenkt wohl, daß all dies zu Eurem eignen Verderben ausschlagen kann, wofern Ihr vergeßt, was Ihr mir bei Eures Vaters Seligkeit zugeschworen habt.

Nils Stenssön. Ich das vergessen? O nein, seid versichert, das werd' ich nicht. – Aber Ihr, dem ich mein Wort gegeben habe, sagt an – wer seid Ihr?

Nils Lykke. Mein Name ist Nils Lykke.

Nils Stenssön überrascht. Nils Lykke! Doch nicht der dänische Reichsrat?

Nils Lykke. Derselbe.

Nils Stenssön. Und Ihr solltet –? Das wäre seltsam. Wie kamt Ihr –?

Nils Lykke. – um die Botschaft des Kanzlers zu empfangen. Das wundert Euch wohl?

Nils Stenssön. Ja, ich will es nicht leugnen. Er hat Euch stets seinen erbittertsten Gegner genannt –

Nils Lykke. Und deshalb mißtraut Ihr mir?

Nils Stenssön. Nein, das gerade nicht; aber – – Na, der Teufel möge grübeln!

Nils Lykke. Recht habt Ihr! Folgt Ihr Eurem eignen Kopfe, so ist die Hanfschnur Euch ebenso gewiß wie der Grafenname und die goldne Kette, wenn Ihr Euch auf mich verlaßt.

Nils Stenssön. In allem und jedem! Hier meine Hand darauf, lieber Herr! Helft mir mit gutem Rat, solange er vonnöten ist. Gilt es loszuschlagen, dann werd' ich mich schon selber wehren.

Nils Lykke. Das ist gut. Folgt mir auf meine Kammer; da sollt Ihr hören, wie das alles zusammenhängt, und was Ihr ferner zu tun habt. Geht rechts ab.

Nils Stenssön mit einem Blick auf das Bild. Ich Sten Stures Sohn! O wunderlich – wie ein Traum – –! Er folgt Nils Lykke.


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