Wilhelm von Humboldt
Briefe
Wilhelm von Humboldt

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An Schiller

Tegel, 16. Oktober 1795

...Jetzt kann ich ein Resultat ziehen: Den schönsten und Ihrer am meisten würdigen Kranz bietet Ihnen die dramatische Gattung, aber nur innerhalb gewisser Grenzen, vorzüglich in der einfachen heroischen Gattung, einen leichteren und in einem weiteren Umfange die epische dar.

Mein Wunsch kann hiernach nur die Maltheser treffen. Sie sind eine sehr glückliche Wahl für die Gattung überhaupt und für den Augenblick insbesondere. Denn an sich ist der Wallenstein freilich bei weitem größer und tragischer, und auch ganz gewiß in dem Kreise, für den Sie bestimmt sind. Auch muß ich darum dazu raten, weil ich überzeugt bin, daß die romantische Erzählung doch immer gewiß ist und uns nicht entgeht; dahingegen der erste Versuch, den Sie wieder im Dramatischen wagen, mehr Hindernisse finden muß. Im Philosophischen und Poetischen der Gattung, in der Sie jetzt arbeiten, haben Sie nun auf eine bedauernswürdige Weise gezeigt, daß Sie die Vollendung jeder Arbeit, wie ein Maler jede Zeichnung, in Ihrer Gewalt haben. Zeigen Sie es auch hier. Ihr Genie scheint Ihnen, auch den ungünstigsten Umständen zum Trotz, einmal keinen Dienst zu versagen — eine Betrachtung, die mich oft rührt. Wer ein so reges geistiges Leben hat, scheint der erde wenig mehr schuldig zu sein. Allein freilich muß auch eben diese größere Schwierigkeit der Maltheser sehr sorgfältig mit auf die Wagschale gelegt werden. Sie müssen genau prüfen, ob Sie hoffe dürfen, genug innere Stimmung und äußere Muße zu haben, um ein so mühsames Werk, als ein solches Schauspiel ist, zu vollenden. Unterbrochen dürfte es nicht werden. Wäre dies zu fürchten, so wählte ich an Ihrer Stelle die Erzählung. Diese empföhle sich allerdings gar sehr dadurch, daß Sie damit einen gewissen Kreis vollendeten, Universalität erreichten. Aber die Erzählung bleibt Ihnen gewiß und jener Rücksicht, die mehr für das Publikum ist — denn Sie und wer Sie kennt, weiß auch, daß Sie jener Universalität fähig sind —, läßt sich auch die andre entgegensetzen, daß es des Spaßes wert wäre, durch ein neues Schauspiel die Menschen, die über Ihren dramatischen Charakter so bestimmt scheinen, ein wenig konfus zu machen...

 


 


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