Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Perle

Für Siegfried Kallenberg

Tief...:

im dunkelgrünkühlen Schöße der mächtigen Meere
träumt die einsame Perle.

Alle Abend, wenn die fahlen Strahlen des reifgewordenen
Mondes auf den finsteren Fluten tanzen, erwacht die Perle
und lächelt milde und blendet Alle; denn sie ist die Unberührte:
lebt nicht wie ihre so jung dahinsterbenden Schwestern
der Erde, die als bunte Blumen blühen.

Alle Abend, wenn die fahlen Strahlen des reifgewordenen
Mondes auf den finsteren Fluten tanzen, starrt von verlassenen
Gestaden der junge Siamese auf der Perle bleichen
Bau; und träumt...:
wenn sie nur nicht so weit wäre
wenn ich sie umarmte
wenn ich sie besäße
alle Herrlichkeiten der reichen Welt wären mein!
wenn...
wenn... ...

Alle Nacht sinkt er in die schlafenden Wogen, wie ein von einem gealterten Sterne geschleuderter schwerer Stein; tastet in der Dunkelheit einem blinden Bettler gleich, der den schmalen Pfad querüber das hungernde Moor verlor. Und unten leuchtet und lockt die weiße Perle und zieht ihn immer tiefer und tiefer hinab in das Meer, in ein Grab ohne Grund.

Überall kauert der Tod und lauert.

Perle ... Perle ...

Da
Erde!!

Stehend auf Erde
hat er die Perle
mit seinem roten Netze gefangen.

Und er schleift sie mit sich in sein Reich; und sie muß tanzen, wie er will, immer ihm nach: durch den lauschenden Wald, über gesegnete Fluren, durch die funkelnde Stadt, hinauf auf die eisumbrandeten Berge ... tanzen auf seiner werdenden Welt jauchzende Melodein!
Denn er hat die Perle gefangen!

Breitet am Höchsten der nebelbefreiten Gefilde die Arme aus
und will in die Welt schreien ...:
Glück!!

... doch da er die Hände erhob, ließ des roten Netzes Ende los und die Perle schält sich daraus und stülpt sein rotes Netz über sein Haupt ...

Und der Fischer muß tanzen, wie sie will, immer ihr nach: von den Gott erstrebenden Höhen herab, durch den weinenden Wald ... in das erboste Meer.
Grau steigt es vor ihm empor ...:
Das Nichts.

Und der Fischer bohrt die Fersen in den gelben Sand am Strand und bäumt sich auf ...
und beißt in die roten Seile und fleht sie an.
Und betet.

Doch die Götter bleiben taub.

Denn er ist von der Perle gefangen.
Und am Morgen ist er tot.
Verwest in seinem roten Netze.

Tief ...
im dunkelgrünkühlen Schoße der mächtigen Meere
träumt die einsame Perle.


 << zurück weiter >>