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Vom wunderlichen Herrn von Bindunghausen

I

Wächtengleich droht des Herrn von Bindunghausen Burg dort droben auf jenem Sprunghügel, der trutzig verharscht in lawinenloser Landschaft wurzelt.

Seht Ihr? – – – rings gleiten die eisblauen Berge als das ideale Skigelände in den glattgefrorenen See, an dessen Gestaden Seehundfelle röhren; und nirgends findet der Wanderer Straßen, nur Bobbahnen und statt der Pfade Rodelbahnen – – – und an so mancher stimmungsvollen Kurve mahnt zum inneren Bremsen ein Kreuz aus ungleichem Schneeschuhpaar.

Sanft überwölbt der silbergraue Himmel Bilder emsiger Arbeit: um dereinst magere Jahre zu mästen verspeichert sich heute die Pulverschnee-Ernte, dort drinnen, wo das Skifett sich konserviert, des Burgherrn pikanteste Delikatesse.

Und der Gemächer Wände verkünden aus großer Zeit der Vorfahren Ruhm: da hängen Schneereifenschilde, Skistocklanzen und krumme Säbel aus Schlittschuhstahl. Und der Wappen derer von Bindunghausen spricht: »Nur auf die Bindung kommt es an!« – – – (was aber angezweifelt werden kann)

Wahrlich: ein bezaubernder Besitz!

II

Des Nachts, wenn am Hochgericht Sturm, Strick und Rad musizieren, besucht ihn die wilde Jagd – – –und jedesmal wieder führt er die Gäste gerührt in jenen einfachen Anschnallraum, in welchem König Winter MLXXVII. das letztemal nächtigte, als er gen Süden zum Frühling nach Canossa zog.

III

Leitartikel las er nur schlittschuhlaufend: Bogen links, Bogen rechts, Dreier, Dreiersprung, sprungpung – – – pung! da saß er am Hintern und tief im Teiche rief der Wassermann: »Herein!« Denn man darf nicht aufhören zu hoffen.

So dachten auch die Nixlein unterm durchsichtigen Eis und zwinkerten ihm, wenns dämmerte aus Schlingpflanzen zu: »Kleiner komm runter – – –«. Sie waren zwar recht kitschig, doch nichts Menschliches blieb ihm fremd.

IV

Obwohl er durchaus kein Wüstling war, dürfte wohl seinem Geschlechtsleben auch der gebildete Laie Interesse entgegenbringen.

Wahrscheinlich weil er wintersportlich empfand, reizten ihn nur weibliche Schneemänner. Wie peinlich für ihn, falls es mal zu sehr fror, doch um wie viel peinlicher für die Frauen, wenn er mal zu sehr transpirierte!

Seine angetraute Gemahlin war jene zweieinhalbmeter hohe nibelungenhaft herbe Erscheinung, die ihm bereits sieben rassereine Albinos gebar: bei roten Äuglein weiß an Haut und Haar. Mutter und Kinder stellten fürwahr malerische Familienbilder.

Und gar oft führte geile Intuition seine Finger und er formte am nahen Übungshügel Dicke, Dünne, Große, Kleine, Reife – – – so frönte er seiner Gefrierfleischeslust.

V

Weltberüchtigt war die große Kurve, die noch von niemandem befriedigend bezwungen worden war. Dieselbe richtig zu nehmen, war des Herrn von Bindunghausen Lebensziel – – –»dann erst« so sprach er zu seinen Söhnen »kann ich ruhig sterben. Denn Leben heißt Kurven nehmen.« – – – – – –


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