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Der große und der kleine Berg

Als einst der große Berg, der vor lauter Erhabenheit schon schneeweiß geworden war, dem kleinen Berge gebot:

»Staune ob meiner Größe!«

antwortete jener Felsenzwerg schnippisch nur dies:

»Wieso?«

Da reckte sich der Riese und sein Scheitel berührte die Wolken, als stünde Goliath in einer niederen Bauernstube – – – und durch seine drohende Stimme lief das Grollen der Lawinen:

»Ich bin der Größere!!«

Doch der kleine Berg ließ sich nicht einschüchtern:

»Aber ich bin der Stärkere!«

Wie lachte da der große Berg!

Doch der Kleine wiederholte stolz:

»Ich bin der Stärkere, denn ich bin der Schwierigere! Du wirst bei unseren Feinden, den Bergsteigerkreisen, nur als leicht belächelt, ich hingegen werde als sehr schwierig geachtet und gefürchtet. Mich ersteigen jährlich höchstens sieben! Und dich – – –? Blättere nur mal nach in deinem Gipfelbuch, dort steht der Unterschied unverfälschbar!«

Auf das sichere Auftreten des bisher (über die Achsel) Angesehenen hin wurd der Große doch etwas stutzig und blätterte stirnrunzelnd in seinem Gipfelbuche und – – – oh, Graus!

–: Namen, Namen, zehntausende! und was für Namen!! fünfjährige Kinder und achtzigjährige Lehrerinnen!!

Er zitterte.

Da bröckelten Steine aus seiner Krone und wurden als Steinschlag eines Bergsteigers Tod, der wenn er seinen Namen in ein Gipfelbuch schrieb, immer nur dies dachte: »Berge! staunet ob meiner Größe!«

Und als dies der große Berg erfuhr, sagte er nur:

»Wehe mir!«


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