Horaz
Satiren
Horaz

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7. Zurechtweisung des Herrn durch seinen Sklaven.

Davus.
                  Längst schon lausch' ich allhier und möchte dir weniges sagen,
Scheu, als Knecht.

Horaz.
                              Ist's Davus?

Davus.
                                                   O ja, dein Davus, ein treuer
Diener dem Herrn und brav, zum Genugsein wenigstens, nämlich,
Daß er sein Leben dir spart.

Horaz.
                                              Wohlan, vom Dezember begünstigt,
5   Weil ja die Alten es so anordneten, rede mit Freiheit.

Davus.
Einige freun sich der Laster mit festem Bestand und verfolgen
Immer den Zweck; viel wogen umher, bald Rechtliches haschend,
Manchmal wieder vom Argen bewältiget. Priscus, der häufig
Mit drei Ringen und bald mit lediger Linken uns auffiel,
10   Lebete so ungleich, daß er stündlich tauschte den Purpur,
Sich aus dem prächtigen Haus unversehns einnistete, wo wohl
Kaum ein hübscher Gefreiter hervorgehn konnte mit Anstand,
Bald in Rom wie Galan und bald in Athen wie ein Weiser
Lebete, allen Vertumnen gesamt im Zorne geboren.
15   Volanerius aber der Narr, da verschuldete Handgicht
Ihm die Knöchel gelähmt; daß wer statt seiner die Würfel
Auflas' und in den Becher ihm schüttete, dung er sich täglich
Einen in Lohn und Kost: je mehr standhaft in den Lastern,
Desto weniger auch elend und besser daran, als
20   Wer bald straff anziehet den Strang, bald locker ihn nachläßt.

Horaz.
Willst du mir sagen sogleich, wohin das Gequatsche da zielet,
Schändlicher?

Davus.
                        Nun, auf dich.

Horaz.
                                                Und wie das? Nichtswürdiger?

Davus.
                                                                                                  Laut ja
Lobest du Glück und Sitten des älteren Volkes, und gleichwohl,
Wenn dich zu jenen ein Gott hinführete, rängst du mit Macht an:
25   Weil du entweder nicht fühlst, was der Mund als Besseres ausruft,
Oder nicht fest solch Gutes verteidigest, und im Morast tief
Haftest, umsonst arbeitend, dem Kot zu entziehen die Ferse.
Bist du in Rom, dich reizet die Flur, abwesend als Landmann
Hebst du gen Himmel die Stadt. Lud nirgendwohin dich zum Nachtschmaus
30   Einer, du lobst harmloses Gemüs', und als gingst du gekettet
Irgendwohin, so preisest du dich glückselig und segnest,
Daß du von fremdem Gezeche verschont bist. Wenn dich Mäcenas
Nötiget, daß auf den Abend, sobald Licht brenne, du kommest
Als Mitgast: Bringt keiner mir Öl in Geschwindigkeit? He! wer
35   Höret denn? polterst und schreist du mit mächtigem Lärmen und wütest.
Mulvius und die Schmarotzer, mit nicht aussprechlichem Anwunsch,
Ziehen hinweg. »Nun ja, ich bekenne mich,« saget so einer,
»Leicht vom Bauche geführt; mir hebt Fleischbrodem die Nüstern;
Lotterich und fahrlässig und, willst du, Schlemmer im Wirtshaus.
40   Du, da du bist, was ich, und vielleicht noch lockerer, fährst mich
Noch wie ein Besserer an und weißt in stattliche Worte
Einzuhüllen den Fehl?« – Wie? wenn thörichter noch, denn ich selber,
Der fünfhundert Drachmen dir kostete, du dich verrietst? – Halt!
Weg mit der drohenden Miene! die Hand und die Galle gebändigt;
45   Bis ich, was mir der Pförtner Crispius mitteilte, gemeldet.

Du liebkosest die Gattin des anderen, Davus die Dirne.
Welcher von uns fehlt werter der Kreuzigung? Wann unbezähmbar
Mich entflammt die Natur, dann wander' ich, treu dem Naturruf,
So wie zur Herde der Stier, zum holden Gestüt der Beschäler.

50   Welche nun auch willfährig den rasenden Trieb mir gedämpft hat,
Scheid' ich, weder an Ehre gekränkt, noch wahrlich bekümmert,
Ob ein Reicherer, ob auch ein Schönerer eben dahin rennt.
Wann du aber, die Zeichen des Rangs abwerfend, des Ritters
Ring und Römergewand, vorgehst, aus dem Richter ein Dama,
55   Schmählich, das duftende Haupt vom Sklavenmantel umdunkelt,
Bist du nicht, was du scheinst? Dich Zagenden führt man hinein und,
Weil mit Begier Angst ringet, erbeben dir alle Gelenke.
Was verschlägt's, ob, erbötig zu Brand und Geißel, ja Mordstahl,
Als Leibeigner du gehst; ob schmählich im Kasten verschlossen,
60   Wo des verbuhleten Weibs mitschuldige Sklavin dich einschob,
Du dein Haupt zu den Knieen hinabschmiegst? Übt nicht der Eh'mann
Einer entehrten Matrone Gewalt an beiden mit Recht aus?
An dem Verführer sogar noch gerechtere? Jene verändert
Gleichwohl weder Gewand noch Ort, noch sündigt sie thätig,
65   Weil sie den Leichtsinn scheut des Galans, halb spröde vor Mißtraun.
Willig trägst du das Joch an dem Hals' und dem wütenden Frohnherrn
Stellt du anheim dein Vermögen und Leib und Leben und Leumund.
Kamst du davon? scheu wirst du vielleicht und durch Witzigung klüger.
Nein du suchst, wo du wieder dich ängstigen und dich vernichten
70   Könnest! O du vielfältig ein Knecht! Welch reißendes Tier doch,
Wenn es entflohn, wird kehren verdumpft zur gesprengeten Fessel?

Du bist kein Eh'brecher. – Und ich kein Dieb, wenn bedachtsam
Ich an Silbergefäßen vorbeiging! Nimm die Gefahr weg;
Wild aus springt die Natur, unstet nach entnommenen Zügeln.

75   Du mein Herr, der so vielen, und so machtvollen Gewalten
Fröhnt der Ding' und der Menschen, den kein prätorischer Freistab
Jemals ledigen kann von der sklavischen Angst, die dich einnimmt?
Füge dazu, was nicht dem gesageten weichet an Nachdruck.
Ist man teils ein Vikar, der dem Knechte gehorcht (wie bei euch hier
80   Bringt der Gebrauch) und teils Mitknecht; was bin ich dir? O wahrlich,
Du, der Befehl mir giebt, fröhnst anderen wieder als Sklav' und
Wirst gelenkt, wie am Draht in der Hand ein bewegliches Holzbild.

Wer denn aber ist frei? Der Weise, der sich in Gewalt hat!
Den nicht Armut schreckt, nicht Tod, nicht fesselnde Bande,

85   Trotz der Begierde zu bieten und Rang zu verachten und Hoheit,
Männlich gefaßt, und ganz in sich selbst, wie glatt und gerundet,
Daß vom Äußeren nichts der gediegenen Glätte sich ansetzt,
An dem jeglicher Streich des Geschicks abprallet. Vermagst du
Hiervon was zu erkennen als Eigenes? Fünf der Talente
90   Fordert das Mädchen von dir, hohnneckt, und die Thüre versperrend,
Schüttet sie Kaltes herab, dann ruft sie zurück. O entreiß dich
Frisch dem entehrenden Joch! Frei, frei bin ich, sage! – Du kannst nicht.
Denn es drängt ein Gebieter den Geist unsanft, der mit scharfem
Stachel den lässigen reizt und den rückwärts wollenden forttreibt.

95  

Auch wenn von Pausias du, wie verdutzt, anstarrest ein Bildchen,
Fehlst du minder denn ich, wenn des Fulvius und des verwegnen
Rutuba Kampf und des knieanstemmenden Pacidejanus
Ich anstaune, mit Rötel gemalt und mit Kohle, so leibhaft,
Als ob sie kämpften im Ernst, und zum Haun und Vermeiden, wie Männer,

100   Regten die Wehr. Untüchtig und faul heißt Davus; du selber,
Ah! wie fein von den Alten, wie gar kunstmäßig du urteilst!
Taugenichts heiß' ich, gelockt vom dampfenden Fladen; bei dir ist
Kraftvoll Tugend und Mut, dem köstlichen Schmause zu trotzen!
Folgsam dem Bauche zu sein, warum ist schädlicher mir das?
105   Ja mein Rücken bezahlt's! Wie bist du weniger strafbar,
Wenn die nicht um Kleines gewinnbaren Bissen du haschest?
Traun, in Galle verkehrt sich ein endlos dauerndes Gastmahl,
Und der genarrete Fuß will nicht den verdorbenen Leib mehr
Tragen. Vergeht sich der Bursch', der die Traub' in der Dämmerung eintauscht
110   Für die entwendete Striegel des Bads? Wer Güter veräußert,
Thut er, dem Gaumen zu Dienst, nichts Knechtisches? Füge dazu, daß
Du kein Stündchen bei dir sein kannst, noch die Muße gehörig
Brauchen; du meidest dich selbst, wie ein flüchtiger Knecht und ein Troller,
Bald mit Wein zu betäuben und bald mit Schlafe den Mißmut.
115   Aber umsonst! schwarz dringet er nach und verfolget den Flüchtling!

Horaz.
Wo bei der Hand mir ein Stein?

Davus.
                                                    Was braucht's den?

Horaz.
                                                                                    Wo ein Geschoß mir?

Davus.
Toll ist er, oder auch Vers' arbeitet er!

Horaz.
                                                              Wenn du sogleich nicht
Fortrennst, mehrst du den Frohn des sabinischen Gutes, ein neunter.

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