Horaz
Satiren
Horaz

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4. Verteidigung der Satire.

        Eupolis nebst dem Kratin, Aristophanes ferner, die Dichter,
Auch wer sonst ehrwürdig der alten Komödie vorstand,
Pflegten, wo einer verdient', als Schalk zu erscheinen und Gaudieb,
Als Eh'brecher, und als Dolchtragender, oder wodurch auch
5   Übel bekannt, ihn sehr freiherzigen Mutes zu zeichnen.
Ganz schließt diesen sich an Lucilius, diesen nur folgt er,
Nur daß Takt und Maß er vertauscht', anmutigen Witzes
Und feinspürender Nase; doch hart in der Verse Gestaltung.
Denn dies war sein Fehl: in der Stund' oft gegen zweihundert,
10   Als was Herrliches, gab er euch Vers', ein Bein in der Schwebe.
Floß er in schlammigem Sturz, doch war, was heben du möchtest:
Reich an Geschwätz, und träge zur Arbeit gehend des Schreibens,
Daß er schriebe, was gut; denn ob viel, nichts acht' ich es. Schaut doch,
Wetten beut mir Crispin um das Mindeste. »Nimm, wenn du Herz hast,
15   Ich auch nehme Papier, man geb' Ort, Stund' uns und Wächter;
Laß uns sehn, wer von beiden am fertigsten führe die Feder.«
Wohlthat übten die Götter, daß so kleinmütiger und so
Dürftiger Geist mir ward, der selten und weniges redet!
Du magst atmende Lüste, gezwängt in Bälge von Bockhaut,
20   Die stets fortarbeiten, bis weich in der Hitze der Stahl fließt,
Wie dir gefällt, nachahmen. –
                                                O Fannius, der ungefordert
Stiftete Kästchen und Bild, Glückseliger! Keiner indes liest,
Was ich schrieb, das Gehör der Versammlungen scheuend, darum, weil
Mancher ist, den solches am wenigsten freuet, da mancher
25   Tadelnswürdig sich fühlt. Wen ihr wollt, greift mitten vom Schwarm aus:
Krank entweder an Geiz ist der Elende oder an Ehrfurcht;
Der jagt Gattinnen nach, der liebkost weibische Knäblein;
Dem lacht glänzendes Silber; ein Albius staunt vor dem Erzwerk;
Tausch treibt jener mit Waren aus östlicher Sonne, zu jener,
30   Welche den Westen erwärmt; durch Gefahr kopfüber sich tummelnd,
Schwärmet er gleich wie der Staub, den der Sturm aufwirbelte, angstvoll,
Ob was schwind' an der Summ', und nicht anwachse das Gütlein.
Diese gesamt scheun Verse wie Pest und hassen die Dichter.
»Lauft! Heu trägt er am Horn! Lauft weit! Wenn nur in Gelächter
35   Sich ausschütten er kann, so verschont der selber den Freund nicht!
Und wenn er einmal was dem Papier ankleckste, wie freut's ihn,
Bis es gehört, wer vom Bäcker zurückkommt, oder vom Schöpfbrunn,
Knaben und Mütterchen alle!« Vernimm nun Kurzes zur Antwort.

Erst aus der Wenigen Zahl, die ich ansehn möchte für Dichter,

40   Nehm' ich selber mich aus: denn nur voll messen ein Verslein,
Nennest du schwerlich genug; und nicht, wer schreibet, wie wir jetzt,
Nahe dem Ton des Gesprächs, wird drum dir scheinen ein Dichter.
Wem lebendiger Geist. wem göttlicher Sinn und ein Laut ward,
Großes hervorzulallen, verleihn wir so edle Benennung.
45   Deshalb, ob ein Gedicht die Komödie wär', ob was anders,
Ward von manchem gefragt; weil Kraft und Feuer und Aufschwung
Weder Wort noch Sache beseelt; wenn gemessener Takt nicht
Höb' ihr Gespräch, ganz Sprache des Umgangs! »Doch wie der Vater
Glühet und tobt, daß toll für die üppige Dirne der Wüstling,
50   Ha! sein Sohn, abweise die Braut mit köstlichem Mahlschatz,
Und in der Trunkenheit (o der entsetzlichen Schande) mit Fackeln
Wandele noch vor Nacht!« Nun? würde Pomponius etwas
Schwächeres hören, denn das, wenn der Vater lebete? Folglich,
Nicht ist genug, in den Vers natürliche Worte zu fügen,
55   Daß, wenn du ihn auflösest, ein jeglicher Vater genau so
Eifere, wie der verlarvte. Jedoch, was selber ich jetzo
Hinschrieb, oder vordem Lucilius, raubtest du solchem
Rhythmisches Maß und Verhalt, und ein früheres Wort in der Ordnung
Würde zum späteren dir, dem äußersten folgte das erste;
60   Nicht, wie wenn du gelöst: »Nachdem die gräßliche Zwietracht
Aufgebrochen das Thor und die eisernen Pfosten des Krieges:«
Fändest du kennbar noch die zerstreueten Glieder des Dichters.

So weit dies; in der Folg', ob so was wahres Gedicht sei.
Jetzo werde nur jenes erkundiget, ob denn mit Recht dir

65   Solcherlei Art von Schrift in Verdacht sei. Sulcius rennt dort
Hitzig und Caprius dort, beid' heiser, beladen mit Klagschrift;
Dieser und der ein Entsetzen dem Gaudieb: aber wenn schuldlos
Und mit lauterer Hand wer lebt, beid' achtet er wenig.
Sei dem Cälius du, und dem Birrius ähnlich, den Räubern;
70   Nicht dem Caprius ich, noch dem Sulcius; also warum Furcht?
Niemals Schriften von mir soll Bud' aushängen noch Pfeiler
Schwitzenden Händen des Volks, und Tigellius fingernder Neugier;
Nie soll ich was vorlesen, als Freunden allein, und genötigt,
Nicht an allerlei Ort und vor jeglichem. Viele ja tönen
75   Selbst auf offenem Markt ihr Geschriebenes; mancher im Bad auch:
Lieblich den Ton hallt wieder das hohle Gewölb'. Es erfreut dies
Eitele, die darnach nie fragten, ob sie ohn' Urteil
Handelten, ob auch etwa zur Unzeit. »Aber du kränkst gern.«
Heißt es, »und zwar absichtlich, aus Bosheit!,« Wo doch ergriffst du,
80   Was du mir da zuschleuderst? Versicherte solches dir jemand
Derer, womit ich gelebt? Wer falsch nachredet dem Freunde,
Wer nicht redlich vertritt, wen ein anderer waget zu lästern,
Wer aufbrausendes Lachen sich hascht und die Ehre des Witzlings,
Wer Ungesehenes greift aus der Luft und vertrautes Geheimnis
85   Ausstreut, dieser ist schwarz, ihm nahe du, Römer, behutsam!

Oftmals sieht man je vier auf drei Schmauspolster gelagert,
Wovon einer sich freut, wie er kann, zu begeifern sie alle,
Schonend nur des, der den Tisch ihm breitete; trunken auch des nicht,
Wann ihm das Herz eröffnet der wahrheitliebende Bacchus.

90   Dieser scheint dir gesellig und frank und ein artiger Weltmann,
Dir, der die Schwarzen so haßt. Wenn ich einst lachte, daß thöricht
Bisam duftet Rufillus umher, Gargonius Bocksdunst,
Schein' ich ein Hämischer dir und ein Bissiger. Wenn, dir im Beisein,
Über des Capitolinus Petillius Sache vom Diebstahl
95   Vorfiel irgend ein Wort, du verteidigtest, deinem Gebrauch nach:
»Mir war Capitolinus von Kind auf immer ein Herzens-
Freund und Genoß; ich erkenne, wie manche Gefälligkeit er mir
Leistete, und mich erfreut sein sicheres Wohl in der Hauptstadt.
Gleichwohl wundert mich das, wie doch aus jenem Gericht er
100   Schlüpfete.« Das ist Schwärze wie Blackfischdinte; ja das ist
Fressender Rost! Daß entfernt dies Gift sein solle den Schriften,
So wie dem Herzen zuvor: wo von mir ja versprechen ich etwas
Anderes kann, auf Treue versprech' ich es. Wenn ich zu frei wo
Redet' ein Wort, wenn etwa zu scherzhaft, werde mit Nachsicht
105   Mir es vergönnt. Mich gewöhnt' also mein trefflicher Vater,
Fehler zu fliehn, da jeden er zeigt' im warnenden Beispiel.
Wenn er die Lehre mir gab, sparsam zu leben und mäßig,
Und zufrieden mit dem, was er durch Fleiß mir erworben:
»Siehest du nicht, wie elend der Sohn des Albius lebt, wie
110   Barrus in Not? ein Spiegel fürwahr, der jeglichen abschreckt,
Väterlich Gut zu verprassen!« Der Buhlerin schnöde Gemeinschaft
Macht' er mir also verhaßt: »Sei mir kein zweiter Sectanus!«
Daß nicht lüsterner Fraun ich begehrete, da mir erlaubt war
Reiner Genuß: »Wie befleckt des ertappten Trebonius Nam' ist«
115   Rief er aus. »Was besser zu fliehn sei, was zu erwählen,
Wird mit Gründen der Weise dir darthun. Mir ist genug. wenn
Ich den Gebrauch mitmache, wie unsere Väter vor Alters,
Und, so lang' ein Hüter dir not thut, Ehr' und Gesundheit
Unverletzt dir bewahre. Sobald dir reiferes Alter
120   Geist und Glieder gestärkt, dann schwimme mir ohne den Kork.« So
Bildete mich als Knaben sein Wort; und ob er mir anriet,
Etwas zu thun: »Da hast du ein Vorbild, also zu handeln,«
Sprach er und stellte mir einen der auserlesensten Männer;
Ob er verbot: »Daß dieses zu thun, unehrbar und unnütz
125   Sei, des zweifelst du noch, da in übelem Rufe doch schwebet
Dieser und der?« Wie die Leiche des Nachbars lüsterne Kranke
Ängstiget, und, sich zu schonen aus Furcht des Todes, sie zwinget:
So kann zartere Herzen der fremden Verschuldungen Unehr'
Oft abschrecken vom Fehl. So blieb ich gesund von den Lastern,
130   Die zum Verderben hinführen; geringeren und der Verzeihung
Würdigen, dien' ich annoch. Vielleicht wird manches auch davon
Nehmen ein längeres Alter, der Rat freiherziger Freundschaft
Und mein eigner Bedacht. Denn weder auf heimlichem Ruhbett
Fehl' ich, noch in der Halle, mir selbst: »Rechtschaffener ist dies;
135   Thät' ich dies, dann lebt' ich beglückt, so werd' ich den Freunden
Angenehm, das machte der Mann nicht hübsch, ob auch mir wohl
Unvermutet entschlüpft was ähnliches?« So mit mir selber
Geh' ich verschlossenen Mundes zu Rat; wenn Ruhe vergönnt wird,
Spiel' ich es hin auf Papier. Von jenen geringeren Fehlern
140   Hast du einen gehört; und versagst du diesem die Nachsicht,
Stracks soll ein Heer von Poeten zu Hilfe mir mächtig daherziehn;
Denn wir sind ja bei weitem die Mehrzahl; und, wie die Juden,
Werden wir wohl dich zwingen, zu huldigen unserer Meinung.

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