Friedrich Hölderlin
Empedokles
Friedrich Hölderlin

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Zweiter Akt

(Gegend am Ätna. Bauernhütte.)

1.

Empedokles. Pausanias.

Empedokles. Wie ist's mit dir?

Pausanias. O das ist gut,
Daß du ein Wort doch wieder redest, Lieber
Denkst du es auch? hier oben waltet wohl
Der Fluch nicht mehr, und unser Land ist ferne;
Mir atmet frei die Brust auf diesen Höhen,
Und auf zum Tage darf das Auge doch
Nun wieder blicken, und die Sorge wehrt
Den Schlaf uns nicht, es reichen
Gewohnte Kost uns Menschenhände wieder.
Du brauchst der Pflege, Lieber! und es nimmt
Der heil'ge Berg, der väterliche, wohl
In seine Ruh' die umgetriebnen Gäste.
Willst du, so bleiben wir auf eine Zeit
In dieser Hütte – darf ich rufen, ob
Sie uns vielleicht den Aufenthalt vergönnen?

Empedokles. Versuch' es nur, sie kommen schon heraus.

2.

Bauer. Was wollt ihr? dort hinunter geht
Die Straße.

Pausanias. Gönn' uns Aufenthalt bei dir
Und scheue nicht das Aussehn, guter Mann.
Denn schwer ist unser Weg und öfters scheint
Der Leidende verdächtig, doch mögen dir's
Die Götter sagen, welcher Art wir sind.

Bauer. Es stand wohl besser einst mit euch denn jetzt.
Ich will es gerne glauben, doch es liegt
Die Stadt nicht fern; ihr solltet doch daselbst
Auch einen Gastfreund haben.Besser wär's,
Zu dem zu kommen, denn zu Fremden.

Pausanias. Es schämte leicht der Gastfreund unser sich,
Wenn wir zu ihm in unserm Unglück kämen.
Und gibt uns doch der Fremde nicht umsonst
Das wenige, warum wir ihn gebeten.

Bauer. Wo kommt ihr her?

Pausanias. Was nützt es, das zu wissen?
Wir geben Gold, und du bewirtest uns.

Bauer. Ich habe keinen Raum für euch
In meinem Hause.

Pausanias. Was ist das? so reich'
Uns Brot und Wein und fordre, was du willst.

Bauer. Das findet ihr an anderm Orte besser.

Pausanias. O, das ist hart! doch gibst du mir vielleicht
Ein wenig Leinen, daß ich's diesem Mann
Um seine Füße winde, die ihm noch
Vom Felsenpfade blutig sind – sieh nur
Ihn an! Der gute Geist Siziliens ist's
Und mehr, denn eure Fürsten! und er steht
Vor deiner Türe kummerbleich und bettelt
Um deiner Hütte Schatten und um Brot,
Und du versagst es ihm, und todesmüd
Und dürstend lässest du ihn draußen stehn
An diesem Tage, wo das harte Wild
Zur Höhle sich vorm Sonnenbrande flüchtet?

Bauer. Ich kenn' euch. Wehe! das ist der Verfluchte
Von Agrigent. Es ahndete mir gleich.
Hinweg!

Pausanias. Beim Donner! nicht hinweg! – er soll
Für dich mir bürgen. lieber Heiliger!
Indes ich geh' und Nahrung suche. Ruh'
An diesem Baum und höre! wenn ihm
Ein Leid geschieht, es sei, von wem es wolle,
So komm' ich über Nacht und brenne dir,
Eh' du es denkst, dein strohern Haus zusammen!
Erwäge das!

(Bauer geht ab.)

3.

Empedokles. Pausanias.

Empedokles. Sei ohne Sorge! Sohn!

Pausanias. Wie sprichst du so? Ist doch dein Leben mir
Der lieben Sorge wert, und diese meinen,
Es wäre nichts am Manne zu verderben,
Dem solch ein Wort gesprochen ward wie dir,
Und leicht gelüstet sie's, und wär' es nur
Um seines Mantels wegen, ihn zu töten;
Denn ungereimt ist's ihnen, daß er noch
Gleich Lebenden umhergeht; weißt du es
Denn nicht?

Empedokles. O ja, ich weiß es.

Pausanias. Lächelnd sagst
Du das, o Empedokles?

Empedokles. Treues Herz,
Ich habe wehe dir getan, ich wollt'
Es nicht.

Pausanias. Ach! ungeduldig bin ich nur.

Empedokles. Sei ruhig meinetwegen, Lieber, bald
Ist dies vorbei.

Pausanias. Wie sagst du das?

Empedokles. Du wirst
Es sehn.

Pausanias. Wie ist dir? soll ich nun ins Feld
Nach Speise gehn? wenn du es nicht bedarfst,
So bleib' ich lieber, oder besser ist's,
Wir gehn und suchen einen Ort zuvor
Für uns im Berge.

Empedokles. Siehe! nahe blinkt
Ein Wiesenquell; der ist auch unser. Nimm
Dein Trinkgefäß, die hohle Kürbis, daß der Trank
Die Seele mir erfrische.

Pausanias (an der Quelle)
Klar und kühl
Und rege sproßt's aus dunkler Erde, Vater!

Empedokles. Erst trinke du. Dann schöpf' und bring' es mir.

Pausanias (indem er ihm es reicht)
Die Götter segnen dir's.

Empedokles. Ich trink' es euch,
Ihr alten Freundlichen! ihr meine Götter!
Und meiner Wiederkehr, Natur! schon ist
Es anders, o ihr Gütigen, ihr geht
Voraus, und eh' ich komme, seid ihr da.
Und blühen soll
Es, eh' es reift! – sei ruhig, Sohn! und höre,
Wir sprechen vom Geschehenen nicht mehr.

Pausanias. Du bist verwandelt und dein Auge glänzt
Wie eines Siegenden; ich fass' es nicht.

Empedokles. Wir wollen noch, wie Jünglinge, den Tag
Zusammen sein und vieles reden. Findet
Doch leicht ein heimatlicher Schatte sich,
Wo unbesorgt die treuen Langvertrauten
Beisammen sind in liebendem Gespräch.
Mein Liebling! haben wir, wie gute Knaben
An einer Traub', am schönen Augenblick
Das liebe Herz so oft gesättigt,
Und mußtest du bis hier mich hergeleiten,
Daß unsrer Feierstunden keine sich verlör',
Wohl kauftest du um schwere Mühe sie;
Doch geben was umsonst die Götter?

Pausanias. O mache mir es klar, daß ich wie du
Mich freue!

Empedokles. Siehest du denn nicht! Es kehrt
Die schöne Zeit von meinem Leben heute
Noch einmal wieder; und das Größre steht
Bevor. Hinauf, o Sohn, zum Gipfel
Des alten heil'gen Ätna!
Denn gegenwärt'ger sind auf Höhn die Götter,
Da will ich heute noch mit diesen Augen
Die Ströme sehn und Inseln und das Meer.
Da, zögernd über goldenen Gewässern,
Auch das Sonnenlicht beim Scheiden,
Das jugendliche, das ich einst
Zuerst geliebt. Dann glänzt um uns
Das ewige Gestirn, indes herauf
Der Erde Glut aus Bergestiefen quillt,
Und zärtlich rührt der Allbewegende,
Der Geist, uns an! o dann –

Pausanias. Du schreckst
Mich nur, denn unbegreiflich bist du mir.
Du siehest heiter aus und redest herrlich,
Doch lieber wär' es mir, du trauertest.
Ach, brennt dir doch die Schmach im Busen, die
Du littest, und achtest selber dich für nichts,
So viel du bist.

Empedokles. O Götter, läßt auch der
Zuletzt die Ruh' mir nicht und regt den Sinn
Mir auf mit roher Rede; willst du das,
So geh! Bei Tod und Leben! Nicht ist dies
Die Stunde mehr, viel Worte noch davon
Zu machen, was ich leid' und bin.
Besorgt ist das; ich will es nimmer wissen.
Ich hab's verdient. Ich kann dir's wohl verzeihn,
Daß du zur Unzeit mich gemahnt. Es ist
Der Priester dir vor Augen und es gellt
Im Ohre dir des Pöbels Hohngeschrei,
Die brüderliche Nänie, die uns
Zur lieben Stadt hinausgeleitet.
Ha! mir! bei allen Göttern, die mich schufen,
Sie hätten's nicht getan, wär ich
Der Alte noch gewesen. Was? schändlich
Verriet ein Tag von meinen Tagen mich
An diese Feigen – still! hinunter soll's!
Begraben will ich es, so tief, wie noch
Kein Grab für Sterbliches gegraben ist.

Pausanias. Ach! häßlich stört' ich ihm die hohe Seele,
Die herrliche, und bänger denn zuvor
Ist jetzt die Sorge.

Empedokles. Getrost! es ist geholfen. Laß die Klage!
Und störe mich nicht wieder. Mit der Zeit
Ist alles gut. Mit Sterblichen und Göttern
Bin ich nun bald versöhnt, ich bin es schon.

Pausanias. Ist's möglich? und geheilt
Ist dir der furchtbar trübe Sinn, und wähnest du
Dich nun nicht mehr allein, und ruhig kehrt
Dein Herz wie sonst ans Herz der Erde wieder?
Und freundlich ahndend sieht dein Auge
Zum väterlichen Äther wieder auf?
Du Lieber! und es dünkt der Menschen Tun
Unschuldig wie die Herdesflamme dir?
So sprachst du sonst; ist's wieder wahr geworden?
O sieh! dann segn' ich den klaren Quell,
An dem das neue Leben dir begann.
Und fröhlich wandern morgen wir hinab
Ans Meer, das uns an sichres Ufer bringt.
Was achten wir der Reise Not und Mühe!
Ist heiter doch der Geist!

Empedokles. O Kind! Pausanias, hast du dies vergessen:
Umsonst wird nichts den Steblichen gewährt.
Und eines hilft. – Nein, heldenmüt'ger Jüngling,
Erblasse nicht! Sieh! was mein altes Glück
Mir wieder bringt, und leise kaum gedacht,
Das Unersinnbare mir wieder gibt,
Mit Götterjugend mir, dem Welkenden,
Die Wange rötet, kann nicht übel sein.
Geh Sohn! Ich möchte meinen Sinn
Und meine Lust nicht gerne ganz verraten.
Für dich ist's nicht. Und höre, liebes Herz,
Wenn du's erfährst, so mache dir's nicht eigen,
Und lasse mir's, ich lasse deines dir.
Was ist's?

Pausanias. Ein Haufe Volks, dort kommen sie
Herauf.

Empedokles. Erkennst du sie?

Pausanias. Ich traue nicht
Den Augen.

Empedokles. Was? soll ich zum Rasenden
Noch werden, was? in sinnenlosem Weh
Und Grimm hinab, wohin ich friedlich wollte?
Agrigentiner sind's!

Pausanias. Unmöglich!

Empedokles. Träum'
Ich denn? Mein edler Gegner ist's, der Priester
Und sein Gefolge – pfui! so heillos ist,
In dem ich Wunden sammelte, der Kampf,
Und würdigere Kräfte gab es nicht
Zum Streite gegen mich? o schrecklich ist's,
Zu hadern mit Verächtlichen! und weh!
In dieser heil'gen Stunde noch, wo schon
Zum Tone sich der allverzeihenden
Natur die Seele vorbereitend stimmt',
Da fällt die Rotte mich noch einmal an
Und mischt ihr wütend sinnenlos Geschrei
In meinen Schwanensang. Heran! es sei,
Ich will es euch verleiden! schont' ich doch
Von je zu viel des schlechten Volks und nahm
An Kindesstatt der falschen Bettler g'nug.
Habt ihr es mir noch immer nicht vergeben,
Daß ich euch wohlgetan? Ich will es nun
Auch nicht. O kommt, Elende! muß es sein,
So kann ich auch im Zorne zu den Göttern.

Pausanias. Wie wird das endigen?

4.

Die Vorigen. Hermokrates. Kritias. Volk.

Hermokrates. Befürchte nichts!
Und laß der Männer Stimme dich nicht schrecken,
Die dich vertrieben. Sie verzeihen dir.

Empedokles. Ihr Unverschämten! Anders wißt ihr's nicht?
O tut die Augen auf und seht, wie schlecht
Ihr seid, daß euch das Weh die närrische,
Verruchte Zunge lähme; könnt ihr nicht
Erröten? o ihr Armen! schamlos läßt
Den schlechten Mann mitleidig die Natur,
Daß ihn das Größre nicht zu Tode schrecke.
Wie könnt' er sonst vor Größerem bestehn?

Hermokrates. Was du verbrochen, büßest du, genug
Von Elend ist dein Angesicht gezeichnet.
Genes' und kehre nun zurück; dich nimmt
Das gute Volk in seine Heimat wieder.

Empedokles. Wahrhaftig, großes Glück verkündet mir
Der Fromme Friedensbote: Tag für Tag
Den schauerlichen Tanz mit anzusehen,
Wo ihr euch jagt und äfft, wo ruhelos
Und irr' und bang, wie unbegrabne Schatten,
Ihr umeinander rennt, ein ärmliches Gemeng',
In eurer Not ihr Gottverlaßnen!
Und eure lächerlichen Bettlerkünste,
Die nah zu haben, ist der Ehre wert!
Ha! wüßt' ich Bessres nicht, ich lebte lieber
Sprachlos und fremde mit des Berges Wild
In Regen und in Sonnenbrand und teilte
Die Nahrung mit dem Tier, als daß ich noch
In euer blindes Elend wiederkehrte.

Hermokrates. So dankst du uns?

Empedokles. O sprich es einmal noch
Und siehe, wenn du kannst, zu diesem Licht,
Dem allesschauenden empor! doch freilich
Sind Helios' Strahlen immer Blitze dem Heuchler!
. . . . . . . . . . warum bliebst
Du auch nicht fern und kamst mir frech vors Auge,
Und nötigst das letzte Wort mir ab,
Damit es dich zum Acheron geleite?
Weißt du, was du getan? Was tat ich dir?
Es warnte dich! und lange fesselte
Die Furcht die Hände dir, und lange grämt'
In seinen Banden sich dein Grimm; ihn hielt
Mein Geist gefangen; freilich mehr
Wie Durst und Hunger quält das Edlere
Den Schlechten; konntest du nicht ruhn und mußtest
Dich an mich wagen, Ungestalt, und wähntest,
Ich würde dir gleich, wenn mit deiner Schmach du
Das Angesicht mir übertünchtest?
Das war ein alberner Gedanke, Mann!
Und könntest du dein eigen Gift im Tranke
Mir reichen, dennoch paarte sich mit dir
Mein lieber Genius nicht und schüttete
Mit diesem Blut, das du entweiht, dich aus.
Es ist umsonst; wir gehn verschiedne Wege,
Stirb du gemeinen Tods, wie sich's gebührt,
Am seelenlosen Knechtgefühl! Mir ist
Ein ander Los beschieden, andern Weg
Weissagtet einst, da ich geboren ward,
Ihr Götter, mir, die gegenwärtig waren.
Was wundert sich der allerfahrne Mann?
Sein Werk ist aus, und seine Ränke reichen
An meine Freude nicht. Begreifest du das auch?

Hermokrates. Den Rasenden begreif' ich freilich nicht.

Kritias. Genug ist's nun, Hermokrates! du reizest
Zum Zorne nur den Schwerbeleidigten.

Pausanias. Was nehmt ihr auch den kalten Priester mit,
Ihr Toren, wenn um Gutes euch zu tun ist,
Und wählet zum Versöhner
Den Gottverlaßnen, der nicht lieben kann!
Zu Zwist und Tod ist der und seinesgleichen
Ins Leben ausgesät, zum Frieden nicht!
Jetzt seht ihr's ein, o hättet ihr's vor Jahren!
Es wäre manches nicht in Agrigent
Geschehen. Viel hast du getan, Hermokrates,
Solang du lebst, hast manche liebe Lust
Den Sterblichen hinweggeängstigt,
Hast manches Heldenkind in seiner Wieg'
Erstickt; und gleich der Blumenwiese fiel
Und starb die jugendkräftige Natur
Vor deiner Sense. Manches sah ich selbst,
Und manches hört' ich. – Soll ein Volk vergehn,
So schicken nur die Furien einen,
Der, täuschend überall, der Missetat
Die lebensreichen Menschen überführe!
Zuletzt, der Kunst erfahren, machte sich
An einen Mann der heiligschlaue Würger,
Und herzempörend glückt es ihm, damit
Das Göttergleiche durchs Gemeinste falle.
Mein Empedokles! – gehe du des Wegs,
Den du erwählt, ich kann's nicht hindern, brennt
Das Blut in meinen Adern gleich,
Doch diesen, der das Leben dir genommen,
Den Allverderber, such' ich auf, wenn ich
Allein gelassen bin von dir, und flöhe
Er zum Altar, es hilft ihm nichts, ich nehm' ihn
Mit mir, ich weiß sein elend Element,
Zum toten Sumpfe schlepp' ich ihn, und wenn
Er flehend wimmert, so erbarm' ich mich
Des grauen Haars, wie er der andern sich
Erbarmt; hinab! hörst du? ich halte Wort.

Erster. Es braucht des Wartens nicht, Pausanias!

Hermokrates. Ihr Bürger!

Zweiter. Regst du noch die Zunge? Du,
Du hast uns schlecht gemacht, hast den Sinn
Uns weggeschwatzt; hast uns des Halbgotts Liebe
Gestohlen, du! er ist's nicht mehr. Er kennt
Uns nicht; ach! ehmals sah mit sanften Augen
Auf uns der königliche Mann; nun kehrt
Sein Blick das Herz mir um.

Dritter. Weh! waren wir
Doch gleich den Alten zu Saturnus' Zeit,
Da freundlich unter uns der Hohe lebt',
Und jeder hatt' in seinem Hause Freude,
Und alles war genug. Was ludest du
Den Fluch auf uns, den unvergeßlichen,
Den er gesprochen? Ach! er mußte wohl,
Und sagen werden unsre Söhne, wenn
Sie groß geworden sind, ihr habt den Mann,
Den uns die Götter sandten, uns gemordet.

Zweiter. Er weint! – O größer noch und lieber,
Denn vormals, dünkt er mir. Und sträubst
Du noch dich gegen ihn und stehest da,
Als sähst du nicht, und brechen dir vor ihm
Die Kniee nicht? Zu Boden, Mensch!

Erster. Und spielst
Du noch den Götzen? Was? Und möchtest gern
So fort es treiben? Nieder mußt du mir!
Und auf den Nacken setz' ich dir den Fuß,
Bis du mir sagst, du habest endlich dich
Bis in den Tartarus hinabgelogen.

Dritter. Weißt du, was du getan? Dir wär' es besser,
Du hättest Tempelraub gegangen, ha!
Wir beteten ihn an, und billig war's;
Wir wären götterfrei mit ihm geworden,
Da wandelt unverhofft, wie eine Pest,
Dein böser Geist uns an, und uns verging
Das Herz und Wort und alle Freude, die
Er uns geschenkt, in widerwärt'gem Taumel.
O Schande! Schande! Wie die Rasenden
Frohlockten wir, da du zum Tode schmähtest
Den hochgeliebten Mann. Unheilbar ist's,
Und stürbst du siebenmal, du könntest doch
Was du an ihm und uns getan, nicht ändern.

Empedokles. Die Sonne neigt zum Untergange sich
Und weiter muß ich diese Nacht, ihr Kinder.
Laßt ab von ihm! Es ist zu lange schon,
Daß wir gestritten. Was geschehen ist,
Vergehet all, und künftig lassen wir
In Ruh' einander. –

Pausanias. Gilt denn alles gleich?

Dritter. O lieb uns wieder!

Zweiter. Komm und leb'
In Agrigent; es hat's ein Römer mir
Gesagt, durch ihren Numa wären sie
So groß geworden. Komme, Göttlicher!
Sei unser Numa! Lange dachten wir's
Du solltest König sein. O sei es! sei es!
Ich grüße dich zuerst, und alle wollen's.

Empedokles. Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr.

Die Bürger (erschrocken)
Wer bist du, Mann?

Pausanias. So lehnt man Kronen ab,
Ihr Bürger.

Erster. Unbegreiflich ist das Wort,
So du gesprochen, Empedokles.

Empedokles. Hegt
Im Neste denn die Jungen immerdar
Der Adler? Für die blinden sorgt er wohl,
Und unter seinen Flügeln schlummern süß
Die ungefiederten ihr dämmernd Leben.
Doch haben sie das Sonnenlicht erblickt
Und sind die Schwingen ihnen reif geworden,
So wirft er aus der Wiege sie, damit
Sie eignen Flug beginnen. Schämet euch,
Daß ihr noch einen König wollt; ihr seid
Zu alt; zu eurer Väter Zeiten wär's
Ein anderes gewesen. Euch ist nicht
Zu helfen, wenn ihr selber euch nicht helft.

Kritias. Vergib! bei allen Himmlischen! du bist
Ein großer Mann, Verratener!

Empedokles. Es war
Ein böser Tag, der uns geschieden, Archon.

Zweiter. Vergib und komm mit uns! Dir scheinet doch
Die heimatliche Sonne freundlicher,
Denn anderswo, und willst du schon die Macht,
Die dir gebührte, nicht, so haben wir
Der Ehrengaben manche noch für dich,
Für Kränze grünes Laub, und schöne Namen,
Und für die Säule nimmer alternd Erz.
O komm! Es sollen unsre Jünglinge,
Die reinen, die dich nie beleidigten,
Dir dienen – wohnst du nahe nur, so ist's
Genug, und dulden müssen wir's, wenn du
Uns meid'st und einsam bleibst in deinen Gärten,
Bis du vergessen hast, was dir geschehn.

Empedokles. O einmal noch! Du heimatliches Licht,
Das mich erzog, ihr Gärten meiner Jugend
Und meines Glücks, noch soll ich eurer denken,
Ihr Tage meiner Ehre, wo ich rein
Und ungekränkt mit diesem Volke war.
Wir sind versöhnt, ihr Guten! – Laßt mich nun,
O schonet mein! vergebens ist es! still!
Und besser ist's, ihr seht das Angesicht,
Das ihr geschmäht, nicht mehr; so denkt ihr lieber
Des Manns, den ihr geliebt, und irre wird
Dann nicht an ihm der leichtgetrübte Sinn;
In ew'ger Jugend lebt mit euch mein Bild,
Und schöner tönen, wenn ich ferne bin,
Die Freudensänge, so ihr mir versprochen.
O laßt uns scheiden, ehe Torheit uns
Und Alter scheidet, sind wir doch gewarnt;
Und eines bleiben, die zu rechter Zeit
Aus eigner Kraft die Trennungsstunde wählten.

Dritter. So ratlos lässest du uns stehn?

Empedokles. Ihr botet
Mir eine Kron', ihr Männer, nehmt von mir
Dafür mein Heiligtum. Ich spart' es lang.
In heitern Nächten oft, wenn über mir
Die Welt sich öffnet', und die heil'ge Luft
Mit ihren Sternen allen als ein Geist
Voll freudiger Gedanken mich umfing,
Da wurd' es oft lebendiger in mir;
Und freudig ungeduldig rief ich schon
Vom Orient die goldne Morgenwolke
Zum neuen Fest, an dem mein einsam Lied
Mit euch zum Freudenchore würd', herauf.
Mit Tagesanbruch dacht' ich euch das Wort,
Das ernste, langverhaltene, zu sagen.
Doch immer schloß mein Herz sich wieder, hofft'
Auf seine Zeit und reifen sollte mir's.
Heut ist mein Herbsttag, und es fällt die Frucht
Von selbst.

Pausanias. O hätt' er früher nur gesprochen,
Vielleicht dies alles wär' ihm nicht geschehn.

Empedokles. Nicht ratlos stehen lass' ich euch,
Ihr Lieben! aber fürchtet nichts! Es scheun
Die Erdenkinder meist das Neu' und Fremde.
Daheim in sich zu bleiben, strebet nur
Der Pflanze Leben und das frohe Tier.
Beschränkt im Eigentume sorgen sie,
Wie sie bestehn, und weiter reicht ihr Sinn
Im Leben nicht; doch müssen sie zuletzt,
Die Ängstlichen, hinaus, und sterbend kehret
Ins Element ein jedes, daß es da
Zu neuer Jugend, wie im Bade, sich
Erfrische. Menschen ist die große Lust
Gegeben, daß sie selber sich verjüngen;
Und aus dem reinigenden Tode, den
Sie selber sich zur rechten Zeit gewählt,
Erstehn, wie aus dem Styx Achill, die Völker
Unüberwindlich . . .
O gebt euch der Natur, eh' sie euch nimmt! –
Ihr dürstet längst nach Ungewöhnlichem,
Und wie aus krankem Körper sehnt der Geist
Von Agrigent sich aus dem alten Gleise.
So wagt's! was ihr geerbt, was ihr erworben,
Was euch der Vater Mund erzählt, gelehrt,
Gesetz' und Bräuch', der alten Götter Namen,
Vergeßt es kühn und hebt, wie Neugeborne,
Die Augen auf zur göttlichen Natur!
Wenn dann der Geist sich an des Himmels Licht
Entzündet, süßer Lebensodem euch
Den Busen, wie zum ersten Male tränkt,
Und goldner Früchte voll die Wälder rauschen,
Und Quellen aus dem Fels, wenn euch das Leben
Der Welt ergreift, ihr Friedensgeist, und euch's
Wie heil'ger Wiegensang die Seele stillet;
Dann aus der Wonne schöner Dämmerung
Der Erde Grün von neuem euch erglänzt,
Und Berg und Meer und Wolken und Gestirn,
Die edeln Kräfte, Heldenbrüdern gleich,
Vor euer Auge kommen, daß die Brust,
Wie Waffenträgern, euch nach Taten klopft
Und eigner schöner Welt; dann reicht die Hände
Euch wieder, gebt das Wort und teilt das Gut,
O dann, ihr Lieben! teilet Tat und Ruhm,
Wie treue Dioskuren; jeder sei,
Wie alle, – wie auf schlanken Säulen ruh'
Auf richt'gen Ordnungen das neue Leben
Und euern Bund befest'ge das Gesetz.
Dann, o ihr Genien der wandelnden
Natur! dann ladet euch, ihr heiteren,
Das freie Volk zu seinen Festen ein,
Gastfreundlich! fromm! denn liebend gibt
Der Sterbliche vom Besten, schließt und engt
Den Busen ihm die Sorg' und Knechtschaft nicht.
Von Herzen nennt man, Erde, dann dich wieder,
Und, wie die Blum' aus deinem Dunkel sproßt,
Blüht Wangenrot der Dankenden für dich
Aus lebensreicher Brust und selig Lächeln.
Beschenkt mit Liebeskränzen rauschet dann
Der Quell hinab, wächst unter Segnungen
Zum Strom, und mit dem Echo der Gestade
Tönt deiner wert, o Vater Ozean,
Der Lobgesang aus reicher Wonne wieder.
Es fühlt sich neu in himmlischer Verwandtschaft,
O Sonnengott, der Menschengenius
Mit dir; und dein wie sein ist, was er bildet.
Aus Lust und Mut und Lebensfülle gehen
Die Taten leicht, wie deine Strahlen, ihm,
Und Schönes stirbt in traurigstummer Brust
Nicht mehr. Wie edles Samenkorn ist oft
Das Herz der Sterblichen in toter Schale,
Bis ihre Zeit gekommen ist; es atmet
Der Äther liebend immerdar um sie,
Und mit den Adlern trinkt
Ihr Auge Morgenlicht; doch Seegen gibt
Es nicht den Träumenden, und kärglich nährt
Vom Nektar, den die Götter der Natur
Alltäglich reichen, sich ihr schlummernd Wesen;
Bis sie des engen Treibens müde sind,
Und sich die Brust in ihrer kalten Fremde,
Wie Niobe, gefangen, und der Geist
Sich kräftiger denn seine Ruhe fühlt;
Und, seines Ursprungs eingedenk, das Leben
Lebend'ge Schöne sucht und gerne sich
Entfaltet an der Gegenwart des Reinen.
Dann glänzt ein neuer Tag herauf und staunend,
Ungläubig, wie nach hoffnungsloser Zeit
Beim heil'gen Wiedersehn Geliebtes hängt
Am totgeglaubten Lieben, hängt das Herz
An . . . . .
Sie sind's!
Die langentbehrten, die lebendigen,
Die guten Götter! –
Lebt wohl! es war das Wort des Sterblichen,
Der diese Stunde liebend zwischen euch
Und seinen Göttern zögert, die ihn rufen.
Am Scheidetage weissagt unser Geist
Und Wahres reden, die nicht wiederkehren.

Kritias. Wohin? o beim lebendigen Olymp,
Den du mir alten Manne noch zuletzt,
Mir Blinden aufgeschlossen, scheide nicht.
Nur wenn du nahe bist, gedeiht im Volk
Und wächst in Zweig und Frucht die neue Seele.

Empedokles. Es sprechen, wenn ich ferne bin, statt meiner
Des Himmels Blumen, blühendes Gestirn,
Und die der Erde tausendfach entkeimen.
Die göttlichgegenwärtige Natur
Bedarf der Rede nicht; und nimmer läßt
Sie einsam euch, wenn einmal sie genaht,
Denn unauslöschlich ist der Augenblick
Von ihr, und siegend wirkt durch alle Zeiten
Beseligend hinab sein himmlisch Feuer.
Wenn dann die glücklichen Saturnustage,
Die neuen männlichern gekommen sind,
Dann denkt vergangner Zeit, dann leb', erwärmt
Am Genius, der Väter Sage wieder!
Zum Feste komme, wie vom Frühlingslicht
Emporgesungen, die vergessene
Heroenwelt vom Schattenreich herauf,
Und mit der goldnen Trauerwolke lagre,
Ihr Freudigen, Erinnrung sich um euch!

Pausanias. Und du? und du? Ach! Nennen will ich's nicht
Vor diesen Glücklichen,
Daß sie nicht ahnden, was geschehen wird,
Nein, o nein! Du kannst es nicht!

Empedokles. O Wünsche! Kinder seid ihr, und doch wollt
Ihr wissen, was begreiflich ist und recht;
Du irrest! sprecht ihr Törichten zur Macht,
Die mächt'ger ist, denn ihr; doch hilft es nicht,
Und, wie die Sterne, geht unaufgehalten
Das Leben im Vollendungsgange weiter.
Kennt ihr der Götter Stimmen nicht? Noch eh'
Als ich der Eltern Sprache lauschend lernt',
Im ersten Odemzug, im ersten Blick
Vernahm ich jene schon, und immer hab'
Ich höher sie, denn Menschenwort geachtet.
Hinauf! sie riefen mich und jedes Lüftchen
Regt mächtiger die bange Sehnsucht auf,
Und wollt' ich hier noch länger weilen, wär's,
Wie wenn der Jüngling unbeholfen sich
Am Spiele seiner Kinderjahre letzte.
Ha! seellos, wie die Knechte, wandelt' ich
In Nacht und Schmach vor euch und meinen Göttern.
Gelebt hab' ich! wie aus der Bäume Wipfel
Die Blüte regnet und die goldne Frucht,
Und Blum' und Korn aus dunklem Boden quillt,
So kam aus Müh' und Not die Freude mir,
Und freundlich stiegen Himmelskräfte nieder;
Es sammeln in der Tiefe sich, Natur,
Die Quellen deiner Höh'n, und deine Freuden,
Sie kamen all, in meiner Brust zu ruhn,
Sie waren eine Wonne; wenn ich dann
Das schöne Leben übersann, da bat
Ich herzlich oft um eines nur die Götter:
Sobald ich einst mein heilig Glück nicht mehr
In Jugendstärke taumellos ertrüg',
Und wie des Himmels alten Lieblingen
Zur Torheit mir des Geistes Fülle würde,
Dann mich zu nehmen, dann nur schnell ins Herz
Ein unerwartet Schicksal mir zu senden,
Zum Zeichen, daß die Zeit der Läuterung
Gekommen sei, damit bei guter Stund'
Ich fort zu neuer Jugend noch mich rettet',
Und unter Menschen nicht der Götterfreund
Zum Spiel und Spott und Ärgernisse würde.
Sie haben mir's gehalten; mächtig warnt'
Es mich zwar einmal nur, doch einmal ist's
Dem freien Geiste g'nug!
Und so ich's nicht verstände, wär' ich gleich
Gemeinem Rosse, das den Sporn nicht ehrt
Und noch der nötigenden Geißel wartet.
Drum fordert nicht die Wiederkehr des Manns,
Der euch geliebt, doch wie ein Fremder war
Mit euch und nur für kurze Zeit geboren;
O fordert nicht, daß er an Sterbliche
Sein Heiliges und seine Seele wage!
Ward doch ein schöner Abschied uns gewährt,
Und konnt' ich noch mein Liebstes euch zuletzt,
Mein Herz hinweg aus meinem Herzen geben.
Drum vollends nicht! Was sollt' ich noch bei euch?

Erster. Wir brauchen deines Rats.

Empedokles. Fragt diesen Jüngling! schämet des euch nicht.
Aus frischem Geiste kommt das Weiseste,
Wenn ihr um Großes ihn im Ernste fraget.
Aus junger Quelle nahm die Priesterin,
Die alte Pythia, die Göttersprüche,
Und Jünglinge sind selber eure Götter. –
Mein Liebling! Gerne weich' ich, lebe du
Nach mir; ich war die Morgenwolke nur,
Geschäftslos und vergänglich! und es schlief,
Indes ich einsam blühte, noch die Welt,
Doch du, du bist zum klaren Tag geboren.

Pausanias. O! schweigen muß ich.

Kritias. Überrede dich
Nicht, bester Mann! und uns mit dir. Mir selbst
Ist's vor dem Auge dunkel, und ich kann
Nicht sehn, was du beginnst, und kann nicht sagen: bleibe!
Verschieb' es einen Tag. Der Augenblick
Faßt wunderbar uns oft, so gehen wir,
Die Flücht'gen mit den Flüchtigen, dahin.
Oft dünkt das wohlgefallen einer Stund'
Uns lange vorbedacht und doch ist's nur
Die Stunde, die uns blendet, daß wir sie
Nur sehen in Vergangenem. Vergib!
Ich will den Geist des Mächtigern nicht schmähn,
Nicht diesen Tag; ich seh' es wohl, ich muß
Dich lassen, kann nur zusehn, wenn es schon
Mich in der Seele kümmert –

Dritter. Nein! o nein!
Er gehet zu den Fremden nicht, nicht übers Meer,
Nach Hellas' Ufern oder nach Ägyptos
Zu seinen Brüdern, die ihn lange nicht
Gesehn, den Hohen, Weisen – bittet ihn,
O bittet, daß er bleib', es ahndet mir,
Und Schauer gehn von diesem stillen Mann,
Dem heiligfurchtbaren, mir durch das Leben,
Und heller wird's in mir und finstrer auch,
Denn in der vor'gen Zeit –
(Sich an Empedokles wendend)
. . . . .

Empedokles. O lieber Undank! gab ich doch genug,
Wovon ihr leben möget. Ihr dürft leben
Solang ihr Odem habt; ich nicht. Es muß
Beizeiten weg, durch wen der Geist geredet.
Es offenbart die göttliche Natur
Sich göttlich oft durch Menschen, so erkennt
Das vielversuchende Geschlecht sie wieder,
Doch hat der Sterbliche, dem sie das Herz
Mit ihrer Wonne füllten, sie verkündet,
O laßt sie dann zerbrechen das Gefäß,
Damit es nicht zu anderm Brauche dien'
Und Göttliches zum Menschenwerke werde.
Laßt diese Glücklichen doch sterben, laßt,
Eh' sie in Eigenmacht und Tand und Schmach
Vergehn, die Freien, sich bei guter Zeit
Den Göttern liebend opfern. Mein ist dies
Und wohl bewußt ist mir mein Los; und längst
Am jugendlichen Tage hab' ich mir's
Geweissagt; ehret mir's! Und wenn ihr morgen
Mich nimmer findet, sprecht: veralten sollt'
Er nicht und Tage zählen, dienen nicht
Der Sorge Krankheit, ungesehen ging
Er weg, und keines Menschen Hand begrub ihn,
Und keines Auge weiß von seiner Asche;
Denn anders ziemt es nicht für ihn, vor dem
In todesfroher Stund' am heil'gen Tage
Das Göttliche den Schleier abgeworfen,
Den Licht und Erde liebten, dem der Geist,
Der Geist der Welt, den eignen Geist erweckte,
In dem sie sind, zu dem ich sterbend kehre.

Kritias. Weh! unerbittlich ist er, und es schämt vor ihm
Das Herz sich selbst, ein Wort noch ihm zu sagen.

Empedokles. Komm, reiche mir die Hände, Kritias!
Und ihr, ihr all! – (Zu Pausanias) Du bleibest, Liebster, noch
Beim Freunde bis zum Abend,
Du immertreuer, guter Jüngling! – Trauert nicht!
Denn heilig ist mein End' und schön, – o Luft,
Luft, die den Neugeborenen umfängt,
Wenn droben er die neuen Pfade wandelt,
Dich ahnd' ich, wie der Schiffer, wenn er nah
Dem Blütenwald der Mutterinsel kommt,
Schon atmet liebender die Brust. Und sein
Gealtert Angesicht verklärt Erinnerung
Der ersten goldnen Jugendwonne wieder!
Und o Vergessenheit! Versöhnerin! –
Voll Segens ist die Seele mir, ihr Lieben!
Geht nur und grüßt die heimatliche Stadt
Und ihr Gefild! am schönen Tage, wenn,
Den Göttern der Natur ein Fest zu bringen,
Ihr einst heraus zum heil'gen Haine geht,
Und wie mit freundlichen Gesängen euch's
Empfängt aus heitern Höhn: dann wehet wohl
Ein Ton von mir im Liede;
Des Freundes Wort, verhüllt ins Liebeschor
Der schönen Welt, vernehmt ihr liebend wieder, –
Und herrlicher ist's so! Was ich gesagt,
Dieweil ich hie noch weile, wenig ist's.
Doch nimmt's der goldne Strom des Lichts vielleicht zu
Der stillen Quelle, die euch sehnen möchte,
Durch dämmerndes Gewölke mit hinab.
Und ihr gedenket meiner!

Kritias. Heiliger!
Du hast mich überwunden, heil'ger Mann!
Ich will es ehren, was mit dir geschieht,
Und einen Namen will ich ihm nicht geben.
O mußt' es sein? es ist so eilend all
Geworden. Da du noch in Agrigent
Stillherrschend lebtest, achteten wir's nicht,
Nun bist du uns genommen, eh' wir's denken;
Es kommt und geht die Freude, doch gehört
Sie Sterblichen nicht eigen, und der Geist
Geht ungefragt auf seinem Pfade weiter.
Ach, können wir denn sagen, daß du da
Gewesen?
. . . . . . . . . . . . . . .

5.

Empedokles. Pausanias.

Pausanias. Es ist geschehen, schicke nun auch mich
Hinweg! Dir wird es leicht!

Empedokles. O raste!

Pausanias. Ich weiß es wohl, ich sollte so nicht reden
Zum heil'gen Fremdlinge. Doch will ich nicht
Das Herz im Busen bändigen. Du hast's
Verwöhnt, du hast es selber dir erzogen –
Und meinesgleichen dünkte mir, da noch
Ein roher Knab' ich war, der Herrliche,
Wenn er mit Wohlgefallen sich zu mir
Im freundlichen Gespräche neigt' und mir
Wie längst bekannt des Mannes Worte waren.
Das ist vorbei! vorbei! O Empedokles!
Noch nenn' ich dich mit Namen, halte noch
Bei seiner treuen Hand den Fliehenden,
Und sieh! noch immer ist es mir
Als könntest du mich nicht lassen, Liebender!
Geist glücklicherer Jugend! hast du mich
Umsonst umfangen, hab' ich dir umsonst
Entfaltet dieses Herz in Wagelust
Und großen Hoffnungen? Ich kenne dich
Nicht mehr. Es ist ein Traum. Ich glaub' es nicht.

Empedokles. Verstandest du es nicht?

Pausanias. Mern Herz versteh' ich,
Das treu und stolz für deines zürnt und schlägt.

Empedokles. So gönn' ihm seine Ehre, doch dem meinen –

Pausanias. Ist Ehre nur im Tod?

Empedokles. Du hast's gehört,
Und deine Seele zeugt es mir, für mich
Gigt's andre nicht.

Pausanias. Ach! ist's denn wahr?

Empedokles (heimlich)
Wofür
Erkennst du mich?

Pausanias (innig)
O Sohn Uraniens!
Wie kannst du fragen?

Empedokles. Dennoch soll ich wie ein Knecht
Den Tag der Unehr' überleben?

Pausanias. Nein!
Bei deinem Zaubergeiste, Mann, ich will nicht,
Will nicht dich schmähn, geböt' es auch die Not
Der Liebe mir, du Lieber! Stirb denn nur
Und zeuge so von dir, wenn's sein muß.

Empedokles. Hab'
Ich's doch gewußt, daß du nicht ohne Freude
Mich gehen ließest, Heldenmütiger!

Pausanias. Wo ist das Leid? umwallt das Haupt
Dir doch ein Morgenrot, und einmal schenkt
Dein Auge noch mir seine kräft'gen Strahlen.

Empedokles. Und ich, ich küsse dir Verheißungen
Auf deine Lippen, größer wirst du sein
Denn ich! Wirst leuchten, jugendliche Flamme, mächtig wirst
Was sterblich ist, in Seel' und Flamme wandeln,
Daß es mit dir zum heil'gen Äther steigt.
Ja! Liebster! nicht umsonst hab' ich mit dir
Gelebt und unter mildem Himmel
Viel einzig Freudiges vom ersten goldnen
Gelungnen Augenblick uns aufgegangen,
Und oft wird dessen dich mein stiler Hain
Und meine Halle mahnen, wenn du dort
Vorüberkömmst des Frühlings, und der Geist,
Der zwischen mir und dir gewesen, dich
Umwaltet; dank' ihm dann und dank' ihm jetzt!
O Sohn! Sohn meiner Seele!

Pausanias. Vater! danken
Will ich, wenn wieder erst das Bitterste
Von mir genommen ist.

Empedokles. Doch Lieber, schön
Ist auch der Dank, solange noch die Freude,
Die Scheidende, bei Scheidenden verzögert.

Pausanias. O muß sie denn vergehn? ich fass' es nicht,
Und du? was hülf' es dir?

Empedokles. Bin ich durch Sterbliche doch nicht bezwungen
Und geh' in meiner Kraft furchtlos hinab
Den selbst erkornen Pfad; mein Glück ist dies,
Mein Vorrecht ist's.

Pausanias. Laß, o laß! und sprich nicht so
Das Schreckliche mir aus! Noch atmest du,
Noch hörst du Freundeswort und rege quillt
Das teure Lebensblut von Herzen dir,
Du stehst und blickst und hell ist rings die Welt,
Und klar ist dir dein Auge vor den Göttern,
Der Himmel ruht auf freier Stirne dir,
Und freundlich überglänzt,
Du Herrlicher! dein Genius die Erd' –
Und alles soll vergehn!

Empedokles. Vergehn? ist doch
Das Bleiben gleich dem Strome, den der Frost
Gefesselt. Töricht Wesen! schläft und hält
Der heil'ge Lebensgeist denn irgendwo,
Daß du ihn binden möchtest, du, den Reinen?
Es ängstiget der Immerfreudige
Dir niemals in Gefängnissen sich ab
Und zaudert hoffnungslos auf seiner Stelle!
Frägst du, wohin? die Wonnen einer Welt
Muß er durchwandern und er endet nicht. –
. . . . . . . . Gehe nun hinein,
Bereit' ein Mahl, daß ich des Halmes Frucht
Noch einmal koste und die Kraft der Rebe
Und dankesfroh mein Abschied sei, und wir
Den Musen auch, denHolden, die mich liebten,
Den Lobgesang noch singen – tu es, Sohn!

Pausanias. Mich meistert wunderbar dein Wort, ich muß
Dir, muß gehorchen, will's und will
Es nicht.
(Er geht.)

Empedokles. Ha! Jupiter, Befreier! näher tritt
Und näher mein Stund' und vom Geklüfte
Kommt schon der traute Bote meiner Nacht,
Der Abendwind zu mir, der Liebesbote.
Es wird! gereift ist's! o nun schlage, Herz,
Und rege deine Wellen, ist der Geist
Doch über dir, wie leuchtendes Gestirn,
Indes des Himmels heimatlos Gewölk,
Das immerflüchtige, vorüberwandelt.
Wie ist mir? staunen muß ich noch, als fing'
Ich erst zu leben an, denn all ist's anders,
Und jetzt erst bin ich, bin – und darum war's,
Daß in der frommen Ruhe dich so oft,
Du Müßiger, ein Sehnen überfiel?
O darum ward ein wirksam Leben dir
Versagt, daß du des Überwinders Freuden all
In einer vollen Tat am Ende fändest?
Ich komme. Sterben? nur ins Dunkel ist's
Ein Schritt und sehen möchtest du doch, mein Auge!
Du hast nun ausgediehnt, dienstfertiges!
Es muß die Nacht jetzt eine Weile mir
Das Haupt umschatten. Aber freudig quillt
Aus mut'ger Brust die Flamme. Schauderndes
Verlangen! Was? am Tod entzündet mir
Das Leben sich zuletzt, und reichest du
Den Schreckensbecher mir, den gärenden,
Natur! damit dein Priester noch aus ihm
Die letzte der Begeisterungen trinke!
Zufrieden bin ich, suche nun nichts mehr
Denn meine Opferstätte. Wohl ist mir.
O Iris Bogen! über stürzenden
Gewässern, wenn die Wog' in Silberwolken
Auffliegt, wie du bist, so ist meine Freude!
– – – – – – – – –

6.

Panthea. Delia.

Panthea. Nein! mich wundert nicht,
Daß er sich fort zu seinen Göttern sehnt.
Was gaben ihm die Sterblichen! hat ihm
Sein töricht Volk gereift den hohen Sinn?
Ihr unbedeutend Leben, hat ihm dies
Das Herz verwöhnt?
Nimm ihn, du gabst ihm alles, gabst
Ihn uns – O nimm ihn nur hinweg, Natur.
Vergänglicher sind deine Lieblinge,
Ich weiß es wohl!
Sie kommen und werden groß, und keiner weiß,
Wie sie's geworden; so entschwinden sie auch,
Die Glücklichen wieder, es hält sie nichts –
Ach! und laßt sie doch!

Delia. Ist's denn nicht schön,
Bei Menschen wohnen? sieh! es weiß
Mein Herz von anderm nicht.
Vor meinem Auge steht das Ende
Des Unbegreiflichen, und du heißest ihn auch
Hinweggehn, Panthea?

Panthea. Ich muß. Wer will ihn binden?
Ihm sagen, mein bist du,
Ist doch sein Eigen der Lebendige
Und nur sein Geist ihm Gesetz,
Und soll er die Ehre der Sterblichen
Zu retten, die ihn geschmäht,
Verweilen, wenn
Der Vater die Arme,
Der Äther, öffnet?

Delia. Sieh! herrlich auch
Und freundlich ist die Erde.

Panthea. Ja, herrlich und herrlicher jetzt.
Es darf nicht unbeschenkt
Von ihr ein Kühner scheiden.
Noch weilt er wohl
Auf deiner grünen Höhen einer,
Du Wechselnde!
Und sieht über die wogenden Hügel
Hinab ins freie Meer! und nimmt
Die letzte Freude sich. Vielleicht wir sehn
Ihn nimmer. Gutes Kind!
Mich trifft es freilich, und gerne möcht'
Ich's anders, doch ich schäme dessen mich.
Tut er es ja. Ist's so nicht heilig?

Delia. Wer ist der Jüngling, der
Vom Berge dort herabkömmt?

Panthea. Pausanias. Ach! müssen wir so
Uns wiederfinden, Vaterloser?

Pausanias. Panthea. Delia.

Pausanias. Wo ist er? o Panthea!
Du ehrst ihn, suchst ihn auch,
Willst einmal noch ihn sehn,
Den ernsten Wanderer, ihn, dem allein
Beschieden, den Pfade zu gehen mit Ruhm,
Den ohne Fluch betritt kein anderer.

Panthea. Ist's fromm von ihm und groß,
Das Allgefürchtete? Wo ist er?

Pausanias. Er sandte mich hinweg, indessen sah
Ich ihn nicht wieder. Droben rief
Ich im Gebirg' ihn, doch ich fand ihn nicht.
Er kehrt gewiß. Bis in die Nacht
Versprach er freundlich mir zu bleiben.
O käm' er! Es flieht geschwinder wie Pfeile
Die liebste Stunde vorüber ,
Denn freuen werden wir uns noch mit ihm,
Du wirst es, Panthea, und sie,
Die edle Fremdlingin, die ihn
Nur einmal sieht, ein herrlich Meteor.
Von seinem Tode habt ihr gehört,
Ihr Trauernden? o sehet ihn
In seiner Blüte, den Hohen,
Ob Trauriges nicht,
Und was den Sterblichen schrecklich düngt,
Zerrinne vor seligem Auge.

Delia. Wie liebst du ihn? und batest umsonst
Den Ernsten? Mächtiger ist, denn er,
Die Bitte, Jüngling! und ein schöner Sieg
Wär's dir gewesen!

Pausanias. Wie konnt' ich? trifft
Er doch die Seele mir, wenn er
Antwortet, was sein Will' ist.
Denn Freude nur gibt sein Versagen,
Und es tönt, je mehr auf Seinem
Der Wunderbare besteht,
Nur tiefer das Herz ihm wider. Es ist
Nicht eitel Überredung, glaub' es mir,
Wenn er des Lebens sich
Bemächtiget.
Oft wenn er stille war
In seiner Welt,
Der Hochgenügsame, sah ich ihn
Nur dunkelahnend, rege war
Und voll die Seele mir, doch konnt' ich nicht
Sie fühlen, und es ängstigte mich fast
Die Gegenwart des Unberührbaren.
Doch kam entscheidend von seiner Lippe das Wort,
Dann tönt' ein Freudenhimmel nach in ihm
Und mir, und ohne Widerred'
Ergriff es mich, doch fühlt' ich nur mich freier.
Ach! könnt' er irren, inniger
Erkennt' ich daran den unerschöpflich Wahren,
Und stirbt er, so flammt aus seiner Asche nur heller
Der Genius mir empor.

Delia. Dich entzündet, große Seele! der Tod
Des Großen, aber es sonnen
Die Herzen der Sterblichen auch
An mildem Lichte sich gern und heften
Die Augen an Bleibendes. O sage, was soll
Noch leben und dauern? Die Stillsten reißt
Das Schicksal doch hinaus, und haben
Sie ahnend sich gewagt, verstößt
Sie bald die Mutter wieder, und es stirbt
An ihren Hoffnungen die Jugend.
In seiner Blüte bleibt
Kein Lebendes – ach! und die Besten
Noch treten zur Seite der tilgenden
Todesgötter, auch sie, und gehen dahin
Mit Lust und machen zur Schmach es uns,
Bei Sterblichen zu weilen.

Pausanias. O bei den Seligen! verdamme nicht
Den Herrlichen, dem seine Ehre so
Zum Unglück ward, der sterben muß, weil er
Zu schön gelebt.
Denn wird ein anderer, denn er, geschmäht,
So ist's zu tilgen, aber er,
Was kann der Göttersohn?
Unendlich trifft es den Unendlichen.
Ach! niemals ward ein edler Angesicht
Empörender beleidigt! Ich mußt'
Es sehn.

Delia. O warum lässest du
Zu sterben deinen Helden
So leicht es werden, Natur?
Zu gern nur, Empedokles,
Zu gerne opferst du dich.
Die Schwachen wirft das Schicksal um, die andern,
Die Starken achten es gleich, zu fallen, zu stehn,
Und werden wie die Gebrechlichen.
Wohl bist du versucht, du Herrlicher!
Und ärmer denn die andern Bettler,
Durchwandertest du das Land.
Ja! nicht die Verworfensten
Sind elend, wie eure Lieben, wenn einmal
Schmähung sie berührt! ihr Götter!

Pausanias. So gönn' es ihnen, finden sie auch
Sich leichter heraus denn andre.

Panthea. O nicht wahr?
Wie sollt er auch nicht?
Muß immer und immer doch,
Was übermächtig ist,
Der Genius überleben – gedachtet ihr,
Es halte der Stachel ihn auf?
Es beschleunigten ihm
Die Schmerzen den Flug,
Und wie der Wagenlenker,
Wenn ihm in der Bahn
Das Rad zu rauchen beginnt, eilt
Der Gefährdete nur schneller zum Kranze!

Delia. So freudig bist du, Panthea?

Panthea. Nicht in der Blüt' und Purpurtraub'
Ist heilige Kraft allein, es nährt
Das Leben vom Leide sich, Schwester!
Und trinkt, wie mein Held, doch auch
Am Todeskelche sich glücklich!

Delia. Weh! mußt du so
Dich trösten, Kind?

Panthea. O nicht! es freuet mich nur,
Daß heilig, wenn es geschehen muß,
Das Gefürchtete, daß es herrlich geschieht.
Sind nicht, wie er, auch
Der Heroen einige zu den Göttern gegangen?
Erschrocken kam, lautweinend
Vom Berge das Volk, ich sah
Nicht einen, der's ihm hätte gelästert,
Denn nicht, wie die Verzweifelnden,
Entfliehet er heimlich, sie hörten es all,
Und ihnen glänzt' im Leide das Angesicht
Vom Worte, das er gesprochen!

Pausanias. So gehest du festlich hinab,
Du, das Gestirn! und trunken
Von deinem Lichte glänzen die Täler.

Panthea. Wohl geht er festlich hinab –
Warum denn traur' ich? leuchtet
Dämmernde Seele! doch auch
Der Untergehende dir,
Der Ernste, dein Liebster, Natur!
Dein Treuer, dein Opfer!
O, die Todesfürchtigen lieben dich nicht,
Täuschen fesselt ihnen die Sorge
Das Aug'; an deinem Herzen
Schlägt nicht mehr ihr Herz, sie veralten,
Gerissen von dir – o heilig All!
Lebendiges! inniges! Dir zum Dank
Und daß er zeuge von dir, du Todesloses!
Wirft lächelnd seine Perlen ins Meer,
Aus dem sie kamen, der Kühne.
So will es der Geist
Und die reifende Zeit,
Denn einmal bedurften
Wir Blinden des Wunders.


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