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Über die deutsche Sprache

Aus Briefen von Ausländern mitgeteilt von Jakob van Hoddis

Warum sagt man Stimmung in Deutschland? Warum sagt man nicht Lichtung oder Fühlung. Das letztere wäre ja für die Enkel des Turnvater Jahn sehr empfehlenswert. Für Elegants mehr das Wort Räuchung, für Gourmets Schmackung. Es ist wirklich eine Schande für das Volk der Dichter und Denker, daß man nicht Denkung sagt.

Stimmung! Als wären die Deutschen alle Konzertbackfische und Wagnerphantasten. Phantasma, Dichtung, Träumung würden von einem zarten Milieu sprechen.

Wie liebe ich den armseligen Dichtersmann, der die Sätze schreibt: »Und jener Ballsaal erstrahlte in einer tobenden, gedankenübertäubenden Nachdenklichkeit. Unser Held fand den Ausdruck neu.

»Ach, daß das Leben so heiter wäre, um auf die Anregung eines Milieus Laune sagen zu dürfen! Oder daß ich so gerieben wäre, daß ich Reibung sagen könnte.« – »Regung wäre das richtige Wort. Ja, Regung«, dachte er, und in einem Zustande, der einer überirdischen Erstarrung glich, betastete er sein rot maroquin gebundenes Notizbuch und notierte das Wort: Regung.

Seine Geliebte ging vorbei, in einem weiß und blau gestreiften Hängerchen. Ihre langen dünnen Beine, in gelben Strümpfen, am rechten Bein kokett verrutscht, so daß ihn ein etwas bleichsüchtiges, knochiges und viel zu schmales Knie verwunderte.

»Krisung müßte es heißen«, lallte unser Romantiker, »Krisung!« – und starrte ihr regungslos nach.

So schrieb ein vor kurzem verstorbener, sehr feinsinniger junger und durchaus imaginärer Dichtersmann, der ein etwas verspäteter Nachkomme des Herrn Justinus Kerner gewesen sein soll.

Il caballero Montagnardo.

Geehrter Herr!

Es scheint mir wirklich erstaunlich, daß das deutsche Wort »gewiß«, wie man mir sagte, etwas Unbestimmtes oder als unbekannt Voranstellendes zu bedeuten vermöchte. Wenn auch nur im ironischen Sinne. Ein gewisser Herr X. in gewissem Sinne usw. Erlauben Sie mir, anzunehmen, daß dieses Wort, das ich mit certain übersetze, in Wirklichkeit ein philosophisches Demonstrativum sei, das seinen Zwischenklang zwischen den Wörtern »Wissen« und »Gewissen« im tieferen Sinne rechtfertigt. Vom Wissen her ein Bestimmtes bedeutend, von Gewissen her in jenes Zwielicht der Ungewißheit aller Verbaldefinitionen entrückend, das die Geburtsstätte jedes künstlerischen Ausdruckes ist.

Méraut.


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