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4. Kapitel.

Die Bauten und die Erbauer. Ibrahim Soliman. Das Gesicht der Menschheit. »Denn tausend Jahre sind vor Dir wie eine Nachtwache ...« Eine beduinische Einladung. Ich wittere Romantik und folge der Fährte. Kafr el Haram.

 

Ich glaubte, eine Minute gestanden zu haben, versunken in Anschauung, aber es wird wohl eine Stunde gewesen sein, denn als ich wieder aufsah, war es Nacht. In den schwarzen Abgründen des Himmels blitzten hunderttausend weißstrahlende Sterne, und vor den todumfangenen bleichschimmernden Einöden der Wüste türmten sich die ungeheuren Massen dieser Bauwerke empor, phantastisch, unwirklich, jenseits aller Maße von Menschenwerk – als wären sie nicht von dieser Welt.

Mir war's schwer in den Beinen und wohl nicht nur vom Laufen; ich sah mich um und stellte mit unbeschreiblicher Dankbarkeit im Herzen fest, daß ich allein war hier oben. Die lärmenden Horden der Touristen waren in die Stadt zurück, und der Mond, der mit seinem Zauberlicht Scharen von nächtlichen Besuchern hier herauslockt, war noch nicht aufgegangen. So setzte ich mich auf einen der Blöcke von poliertem Granit, die Schänderhände von der Bekleidung der Pyramide des Chufu oder Cheops, wie ihn die Griechen nannten, herabgerissen haben, und begann zu träumen.

Und wahrlich, hier war der Ort, um Träume zu spinne; Träume von einem Stück Menschheitsgeschichte, das sich hier Denkmäler gesetzt hatte von so überwältigender Wucht und Größe und von so zeitloser, schlechthin vollkommener Schönheit.

Wie mochten sich die Sklavenscharen der Pharaonen in wimmelnden Haufen von Zehntausenden gemüht und gequält haben, Tag um Tag und Jahr um Jahr, die nackten, schweißbedeckten Rücken zerstriemt und zerfetzt von den Nilpferdpeitschen der Aufseher, Blöcke herauszubrechen und zuzuhauen drüben in den glühenden Felsenschluchten des Mokkatam, sie dann auf Rollen zu heben und auf eigens dazu gebauten Straßen die Berge herab und an den Nil zu schaffen, sie hier in Boote zu verladen und am diesseitigen Ufer auf den hohen Dammstraßen wieder um Meilen weiter und die steilabstürzende Stufe des Wüstenplateaus heraufzuschleppen! –

Hier droben standen die Baumeister und maßen und prüften, jeder dieser Millionen von Blöcken mußte ein Meisterstück von genauer Arbeit sein. Sie wurden aneinandergereiht in endlos langen Linien, keinerlei Mörtel verband sie, und doch durfte keine Messerklinge in ihren Fugen Platz haben. Heere von Weibern und Kindern schleppten unterdessen Erde herbei in Körbchen, die in ununterbrochener Kette von Hand zu Hand gingen, so wie es ihre Nachfahren heute noch tun beim Bau ihrer Bewässerungsdämme. Das Erdreich wurde an diese erste unterste Reihe der Blöcke angeschüttet, bis es ihren obersten Rand erreichte und so eine schräge Rampe bildete zum Emporwälzen der Steine für die nächste Reihe. Wie die übereinander getürmten Schichten der Quader himmelwärts wuchsen, wuchs auch die Rampe mit, kroch ihr Fuß immer weiter als grauschwarzer, zerwühlter Berghang in das Fruchtland des Niltals hinein.

Jahrzehnte vergingen, ohne Rast und Pause schafften die wimmelnden Haufen, das Land stöhnte unter der ungeheuerlichen Anstrengung, Tausende nahm der Tod aus den fronenden Sklavenscharen, neue Tausende wurden als Gefangene aus barbarischen Kriegen herbeigetrieben, die Zeit grub Furchen in das bronzegetönte Gesicht des Pharao, aber unbeweglich blickten seine Augen auf das höherwachsen dieses Baues – seines Grabes.

Bis der Tag kam, wo in schwindelnder Höhe der letzte krönende Block aufgetürmt war und Platten aus poliertem Granit, neunhundert Kilometer weit von der Grenze Nubiens herbeigeholt, von der Spitze herab dem Riesenbau als äußere Bekleidung angelegt wurden. Vielleicht noch viele Jahre lang wühlten dann die Arbeiter wie Mäuseheere, um die ungeheuerlichen Massen des aufgeschütteten Erdreiches wieder abzutragen, ihr schwermütiger Gesang mischte sich mit dem klingenden Gehämmer der Steinmetzen, die am Totentempel arbeiteten, und hallte von den gewaltigen spiegelnden Granitflächen der Pyramide wider. Nach mehr als vierzigjähriger Bauzeit wurde dann endlich die letzte vollendende Hand an das Werk gelegt, und das Sausen des Wüstenwindes, der an seinen gigantischen Formen dahinfuhr, war der einzige Laut, der an dieser Stätte noch vernehmbar war.

Da drang eines Tages ein seltsamer Ton aus dem palmenüberschatteten Königspalast da drunten am Ufer des Stromes; er schwoll und schwoll, bis er als einzige vibrierende Melodie das ganze weite Land erfüllte – die Totenklage um Chufu, den Pharao. Gongs dröhnten in tiefen verhaltenen Schlägen, Hörner und Trompeten bliesen dumpf, ein bunter glitzernder Heerzug wand sich durch die grünen Fluren. Er zog jenem funkelnden Stern am Himmel der Wüste, der goldenen Spitze am ewigen Hause des Pharao entgegen.

Der mächtige Sarkophag aus poliertem schwarzen Granit, mit Gebeten zu den Göttern der Unterwelt in Hieroglyphenschrift bedeckt, die Ebenholzbahre, auf der langgestreckt die Mumie des Königs lag, die Stirn mit der juwelenglitzernden Uräusschlange geschmückt, der Leib in geschmiedeten goldenen Panzer gehüllt, dann Waffen, Streitwagen, Thronsessel, Ruhebetten, Tisch- und Hausgerät – Schätze gleicherweise unermeßlich an Zahl und an Wert, schwankten, von Priestern auf den Schultern getragen, dem dunklen Tor an der Nordseite der Pyramide zu und drinnen durch endlose Gänge, in denen Weihrauchwolken in rotem Fackellichte glühten, der Grabkammer im Herzen des Riesenbaues entgegen.

Während sich dann draußen in das auf- und abschwellende Geheul der Klageweiber die dumpfen Hymnen der Priester im Totentempel mischten, waren drinnen in dem brütenden, lautlosen Schweigen der von den ungeheuren Steinmassen überwuchteten Sargkammer einige wenige ausgewählte Diener und Hohepriester beschäftigt, den Sohn der Götter inmitten seiner Schätze für die Ewigkeit zu betten, ihm Speise und Trank, Waffen und Gewänder, Effigien von Frauen und Sklaven für das Leben in der Unterwelt zurechtzustellen.

Abschiednehmend lagen noch einmal die nächsten Getreuen vor den goldbekleideten Formen des mit Osiris vereinten, nun zum Gott gewordenen Herrschers im Staube, dann verließ mit aufgehobenen Händen rückwärtsschreitend der Hohepriester des Totengottes Ptah als letzter die Grabkammer. Er drückte sein Siegel an die inneren Türen, überwachte das Vermauern des Zuganges, das Herunterlassen der schweren granitenen Falltüren und Öffnen der Sturzschächte in den Gängen, die Grabschändern das Eindringen wehren sollten, und schließlich noch das Zumauern und verdecken des Eingangs an der Außenseite des Bauwerks. Dann umfing die Wüste wieder die Stätte mit ihrer Stille wie ehedem.

Stumm standen von da an die schlicht-gewaltigen Formen dieses größten Grabmals aller Zeiten am Rande der größten Wüste dieser Erde, übersprüht von den Sonnengluten der Tage, umlodert von den farbigen Feuern der Morgen und Abende, und, gesteigert noch in seiner gigantischen Wucht, einsam, erschütternd und erdrückend, im Sternenglanz der Nächte, und Jahrtausend um Jahrtausend hindurch rollten zu seinen Füßen die bunten Bilder des Lebens ab. Menschen kamen zu ihm heraus, vielleicht um an seiner Zeit und an seinen Maßen einen Maßstab zu finden für die Nichtigkeit und Vergänglichkeit eines Herzeleids, andere, Herzen ohne Ehrfurcht, befangen und giergepeitscht, wühlten sich mit habsüchtigen Händen in sein steinernes Gefüge und schleppten ans Tageslicht, was sich in Münze umwandeln ließ, noch andere, von Fanatismus Geblendete oder roher Tierheit Näherstehende schlugen und rissen an seiner granitenen Hülle herum – aber von dem, was wesentlich an ihm war und ewig, hatte keiner etwas nehmen können.

Mit leisem, ganz, ganz feinem Klingen strichen windgetriebene Sandkörnchen an den rauhen Flächen der himmelwärts getürmten Quadern hin und sanken mir mit zartem Prickeln auf die Stirn, ein schwacher orangefarbener Schein, der über den dunklen Sandwellen der Wüste aufglomm, fiel mir ins Auge; er wurde in wenigen Augenblicken satter und leuchtender, ich sah auf und blickte in einen riesengroßen, dunkelrot glühenden Mond hinein, der aus den opalnen Nebeln über dem Strome emporstieg.

Von fern her wehten ein paar abgerissene Worte, ein Ruf in rauhem Arabisch hallte antwortend aus der Nacht, Fuß- und Huftritte knirschten näherkommend im Sande. Ein übernatürlich hohes schattengraues Wesen von bizarrer Form schwankte heran; als es als scharfe Silhouette vor dem rauchroten Kreis der Mondscheibe vorbeigeisterte, erkannte ich es als einen Beduinen auf einem Kamel. Noch ein Zuruf an sein Tier und ein Wort an jemand, den ich nicht sehen konnte, dann war die spukhafte Form wieder mit der Dunkelheit verschmolzen. Dicht vor mir leuchtete jetzt plötzlich ein Streichholz auf, seine kleine Flamme beschien für einen Augenblick ein scharfgeschnittenes, braunes, noch jugendliches Gesicht. Das weggeworfene Hölzchen traf mich gerade auf die Hand, meine unwillige Bewegung verriet dem Raucher meine Anwesenheit –, so war's mit meinem wunderschönen Alleinsein nun zu Ende.

»Oh, I'm so sorry, I didn't see you! (Es tut mir sehr leid, ich habe Sie nicht gesehen.) Guten Abend! – Sie sprechen Englisch, nicht wahr? Ich bin konzessionierter Fremdenführer, hier ist meine Nummer. Ich würde es sehr billig machen, Sir!«

»Nun, mein Junge«, sagte ich ruhig, aber sehr bestimmt, »ich kann dir nur raten, nicht unnütz Zeit mit mir zu verlieren. Ich bin kein Tourist und muß morgen schon hungern, wenn ich keine Arbeit gefunden habe. In meiner Tasche sind genau sieben Piaster und ein französischer Frank. Außerdem möchte ich sehr gern allein bleiben. Also: Gute Nacht!«

Wenn ich geglaubt hatte, ihn durch diese Eröffnung über den Haufen zu rennen, so bewies das nur, daß ich noch nicht die leiseste Ahnung von der Zähigkeit eines ägyptischen Fremdenführers hatte. Er begann unentwegt erst von drei Schilling, dann von zweien und zuletzt von einem zu sprechen, für die er mir alles hier herum zeigen und erklären wollte.

»Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich kein Geld habe und allein zu sein wünsche!« sagte ich schließlich scharf, stand auf und wandte mich ab. Doch er war gleich hinterher, beschwor mich, daß es hier draußen bei Nacht Räuber und Diebe gäbe, daß ich ihn auch später einmal bezahlen könnte, und er ganz mir überließ, mit wieviel, er wäre mit allem zufrieden.

»Nun will ich dir noch ein letztes Wort sagen«, knurrte ich erbost, »ich werde dir meinen Franken geben. Aber nicht dafür, daß du mir etwas zeigst oder erzählst, denn das kann ich mir selber besser, sondern damit du dafür sorgst, daß kein anderer von deiner Zunft mich belästigt, solange ich hier oben bin. Sag' schnell ja oder nein und sonst nichts weiter!«

»Ja! Denn es sind schlechte Zeiten, noch keine Fremden da und nichts zu verdienen. Kommen Sie, ich führe Sie zur Sphinx!«

Der feine Sand, durch den wir wateten, glänzte im Lichte des tiefstehenden Mondes wie Feilspäne von Bronze. Einmal klapperten Scherben vor meinem Fuße, vielleicht war der Krug, den sie einst gebildet hatten, einem Sklaven aus der Hand geglitten, als ihm der Tod endlich Feierabend gab vom Steinetragen für Chufus Pyramide – hier und da am Pfad klafften dunkle, mit Steinen umlegte Löcher, in tief ausgeschaufelten Mulden schimmerte mit undeutlichen Konturen verfallenes Gemäuer. Ein- oder zweimal, wenn etwas auftauchte, machte mein Mentor gewohnheitsmäßig den Mund auf, um irgendeine unsinnige Erklärung abzuschnurren, aber das unmißverständliche »Halt's Maul!«, mit dem ich ihn sofort anfuhr, ließ ihn prompt verstummen und sich's schließlich endgültig merken.

Jetzt ging es wieder jäh bergab, Sand floß und rieselte den stapfenden Füßen nach, da trat etwas aus der Dunkelheit, hob sich höher und höher, ein Tierleib mit mächtigen Flanken, umflossen von rauchigem Licht, ein Löwenkörper, der aus dem Gestein der Wüste herauswuchs, das hochgereckte Riesenhaupt dem nebeldampfenden Niltal zugewandt. Mit gesenktem Kopfe, ohne einmal aufzuschauen, rasch und ganz leise ging ich an diesem Leibe entlang und vorn wieder den Abhang der Mulde hinauf. Dann erst drehte ich mich um.

Voll und klar geworden, fiel das Mondlicht auf ihr Gesicht, das erschütterndste Gesicht, das die Erde trägt ...

Ich hatte mich niedergesetzt und sah es an. Vielleicht kamen und gingen Menschen um mich herum, manchmal fielen auch Worte, doch sie konnten für mich ebensogut von einem andern Sterne kommen. Hier sah und erlebte ich nicht wieder bewegte, bunte Völkergeschichte, dieses Gesicht hier, obgleich es Menschenzüge trug, hatte auch mit den Schicksalen eines ganzen Volkes nichts mehr zu tun. Seine Augen, diese unbeschreiblichen Augen, schauten auch nicht ins Niltal hinab wie ich gedacht hatte. Sie schauten darüber hinweg, schauten auch drüben über die weiten, grenzenlosen Einöden der arabischen Wüste hinweg, über alle Länder, alle Zeiten hinweg – wohin? ...

Immer reiner und weißer strömte das Licht des Mondes über das Gesicht, beim Höherschweben des Gestirns wechselten die Schatten auf seinen Zügen und schufen um den Mund ein Spiel lebendigsten Lebens. Manchmal schien's, als lächelten diese Lippen – ein unergründliches Lächeln. Jetzt war es höhnisch, voll von unsagbar gleichgültiger Verachtung, gleich darauf wurde es traurig, schmerzvoll, trübe, dann wieder grausam, hart und wild und nun ganz still und weich, voller Verstehen, Güte und Weisheit. Alles was aus Menschenherzen quillt und auf Menschenlippen zum Ausdruck wird, lag, zur Vollkommenheit gesteigert, im Lächeln dieser Lippen, im Blick dieser in die Ewigkeit gerichteten Augen.

Da wurde mir klar, daß es das Gesicht der Menschheit war, das hier über mir, unvergänglich bei allem Wechsel, unter den Sternen der Wüste schimmerte –

Jetzt fiel ein kohlschwarzer, auf und ab zuckender Schatten auf die steinernen Züge, Reitkamele, die von der Düne hinter mir herunterstiegen. Der Vorderste der Reiter wandte sein Tier den Nachkommenden zu und hob die Hand.

»Um alle störende Fragerei abzuschneiden, gleich das Wenige, was wir über dieses Werk leidlich sicher wissen: Unter Benutzung eines natürlichen Felsgebildes wurde es von den Steinmetzen, die an der Pyramide des Chefren arbeiteten, ausgemeißelt. Später erwies man ihm göttliche Ehren, und jener kleine Tempel dort wurde ihm errichtet. Also nicht auf Befehl eines Herrschers wurde diese Form gebildet, sondern sie entstand aus der Seele eines Volkes. Und die spricht aus ihm, heute noch. – Schaut und schweigt!«

Die klare Stimme verstummte, still hielten Lehrer und Schüler vor dem Steinbild.

Der Mond stand schon hoch am Himmel, schnatternd und johlend kam eine Touristenherde herangezogen, die Luft wehte eisfrisch von der Wüste her und warf Bruchstücke eines fernen rhythmischen Gesanges gegen die widerhallenden Steinflächen der Pyramiden; ich dachte an meinen langen Heimweg und stand auf.

»Wollen Sie noch etwas sehen, Sir? Den Torbau des Chefren, die Gräber der fünften Dynastie?« fragte mein Führer, der bis jetzt brav und still hinter mir gehockt hatte und rieb sich die frostklammen Hände.

Ich winkte ab. »Nein, nichts. Aber was ist das für ein Singen da drüben?«

»Es kommt nicht von dort, sondern von da unten aus meinem Dorfe, Sir. Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee im Hause meines Vaters einladen, und wollen Sie dann vielleicht einen Sikr sehen, einen Derwischtanz? Der Orden der Chatmije hält einen heute abend. Alle Amerikaner sehen gern einen Sikr.«

»Warum Amerikaner? Ich bin keiner, sondern Deutscher. Ich möchte den Tanz auch ganz gern sehen, aber ich muß nun nach Hause.«

»O, Sie sind Deutscher!« schrie da der braune Jüngling ehrlich begeistert. »Nein, gehen Sie doch nicht nach Hause, ohne bei uns eine Tasse Kaffee getrunken zu haben, ich bitte Sie sehr darum! Und auch mein Vater würde sich sehr freuen, er ist Aufseher gewesen bei einem deutschen Professor, der hieß Borka, und ...«

»Borka? Ach so, wohl Borchardt?«

»Ja, ja so, – Borka! Und ich selbst habe auch einen deutschen Freund, der schickt mir jedes Jahr ein Geschenk und der heißt Haintis! Bitte, kommen Sie mit, ja?«

Mir wurde bei dem Gedanken an die erbarmungslos richtende Moral meiner Herbergsmutter ein bißchen schwül, aber ich habe immer eine kleine Schwäche für guten Kaffee und eine große für entlegene Romantik gehabt, und nach dieser letzten schien mir ein Derwischtanz da drunten in dem mondbeschienenen Dorf zu riechen, und so sagte ich schließlich zu.

Ein paar Palmen, schräggeneigt vom Wüstenwind, die flüssiges Mondlicht auf ruinenhafte flachdächige Häuser heruntertropften, winklige kaum meterbreite Gassen mit schwarzen Schlagschatten, wiederkäuend liegende Kamele, hurtig und scheu wie Ratten huschende Hunde, mauzende Katzen, die auf weißbestrahlten Mauerkronen entlang preschten, pantoffelschlurfende, weißgekleidete Gestalten mit flüchtig auffunkelnden Augen, die meinen Begleiter mit einem »Salem aleik!« und mich mit »Harik saida!« begrüßten, eine plötzlich aufschmetternde Wahnsinnssymphonie von einem guten Dutzend Eseln, ein scharfes Duftgemisch von Viehdung, Räucherwerk und heißem Hammelfett, und, alles durchpulsend, ein pausenloser, stoßender, rauhkeuchender Rhythmus von Männerstimmen – das war seine Heimat, »Kafr el haram«, das Dorf der Pyramiden.


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