Georg Herwegh
Gedichte eines Lebendigen (Band 2)
Georg Herwegh

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Unseren Künstlern

quand même noch zwei Sonette!

I
Bei einem Gemälde von Cornelius

          Die Zeit ist die Madonna der Poeten,
Die Mater dolorosa, die gebären
Den Heiland soll. Drum halt die Zeit in Ehren:
Du kannst nichts Höheres denn sie vertreten.

Hat deine Zeit einmal nicht Lust zum Beten,
Du wirst sie keines Besseren belehren!
Warum die Augen ewig rückwärts kehren?
Im eigenen Jahrhundert dich verspäten?

Ich achte all dies strahlende Gelichter
Und deinen ganzen Himmel nicht sehr teuer,
Obschon du höflichst dreingesetzt den Dichter.

Nimm einen Lorbeer für die Ungeheuer
Und für die kolossalen Bösewichter,
Doch deine Heiligen – die wirf ins Feuer!

II

Die Blumen überwuchern unsre Saaten,
Drum fehlet uns ein Held von echtem Korne,
Der tief getrunken aus der Mannheit Borne
Und helfen kann, wo Tausende nur raten;

Der sich versteht auf hohe freie Taten,
Des Auge flammt in hellem Liebeszorne,
Der die Tyrannen peitschet mit dem Dorne
Von jeder Rose, so sie uns zertraten.

Ein Held, des Worte leuchten in die Runde,
Der unsres Vaterlands zersprengte Teile
Zusammenzaubern kann zu neuem Bunde;

Ein Held, der, wo die Not erheischet Eile,
Die Waffen in der Hand trägt statt im Munde,
Zum Schwert greift statt nach Pinsel oder Feile.

 


 


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