Wilhelm Hertz
Bruder Rausch
Wilhelm Hertz

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Sechstes Abenteuer.

            So zog er aus im Morgenstrahl.
Da lag im tiefen Tannenthal
Ein schmucker Ort mit Bach und Mühle.
Ein Kirchlein glänzt von weichem Bühle,
Des Pfarrers Haus daneben,
Ganz übergrünt mit Reben,
Darunter, halbversteckt im Hain,
Ein spitzes Dach mit Hirschgeweihn.
Der Förster war zu jagen aus;
Sein rundlich Weib bestellt das Haus,
Indes im Korb am Gartenhag
Ihr schöner Junge schlummernd lag.
Ein rotes Röckchen trug der Kleine;
Die Wänglein glühn im Rosenscheine.
Rausch nahte auf den Zehen
Und blieb verwundert stehen, 61
Und lachend sagt er sich: Fürwahr,
Der Racker gleicht mir auf ein Haar. –
Ihm fiel mit allen Schelmerein
Der Mutwill' seiner Jugend ein,
Und eh' er selber sich's versann,
Lief er schon mit dem Kind bergan;
Er trug es in des Pfaffen Bette
Und legt sich an des Knaben Stätte.

    Bald kam die Frau mit muntrem Schritt
Und nahm ihn in die Stube mit
Und bettet ihn an sichrem Ort
Mit manchem süßen Liebeswort.
Sie saß und schaukelt ihn und sang,
Indes die Spindel surrend sprang.
So heimlich war's, so dämmerkühl,
Das Bett so weich, so lind der Pfühl:
Rausch bleibt behaglich liegen,
Schweigt still und läßt sich wiegen.
Ah, denkt er, mir ist sanft zu Mut!
Wie hat's ein solches Menschlein gut!
O Mutterblick, du schönstes Licht!
So wohl erging mir's lange nicht. –

    Leis' kam die Mittagstunde
Zum lichten Tannengrunde. 62
Der Harzduft kocht im Sonnenbrand;
Ein schläfrig Glöcklein summt ins Land.
Dann ward es stille ringsumher
Und Weg und Kirchlein menschenleer.
Zur Kammer kam, sich auszuziehn,
Der wackre Priester Zephyrin.
Da lag das Kind. Der kleine Fant
War ihm nur allzu wohl bekannt.
Der lacht' auch gleich, als er ihn sah.
Betreten stand er vor ihm da
Und sprach in väterlichem Ton:
Ei sieh, bist du's, mein goldner Sohn?
Wer hat mit meinem armen Lieben
Zur Unzeit solchen Scherz getrieben? –
Er nahm ihn samt dem Pfühl heraus
Und huscht mit ihm ins Försterhaus:
Gevatterin, Frau Friderun,
Was soll ich mit dem Rangen thun?
Wir haben doch vor wenig Wochen
Sein Erbgut feierlichst besprochen.
Er wird gewiß auf Erden
Dereinst ein Bischof werden.
Doch treibt nicht frevle Neckerei!
Ihr bringt uns gar noch ins Geschrei. –
Sie sah ihm fragend ins Gesicht:
Was meint Ihr? Ich versteh Euch nicht. – 63
Er sprach: Was sollt' ich meinen?
Ihr kennt doch diesen Kleinen? –
Und damit wickelt er ihn los
Und stellt ihn auf der Mutter Schoß.
Herrgott, rief sie, es ist mein Bube!
So liegt der Teufel in der Stube! –

    Zum Thürspalt wies sie bleich vor Graun;
Der Pfaffe schlich, hineinzuschaun.
Er mustert Rausch mit Kennerblicken
Und zischelt mit bedächtgem Nicken:
Diaboli ludibrium!
Wie sieht er sich bedrohlich um!
Das arme Söhnlein ward verzückt:
Ein Wechselbalg hat Euch berückt. –
Sie ringt in wilder Angst die Hände;
Er faßt sie tröstend um die Lende
Und flüstert: Nein, habt guten Mut!
Ich will Euch raten, was Ihr thut,
Wie wir's in jungen Tagen
Die Muhmen hörten sagen.
Merkt auf! Ihr müßt vor allen Dingen
Den Feind mit List zum Sprechen bringen.
Dann lohnt man ihm mit blauen Malen:
Geht, brauet Bier in Eierschalen! – 64

    Sie that so, wie er sie gelehrt.
Sie lief geschäftig um den Herd,
Uebt allen Brauch der weisen Fraun,
Die Gerstentrank zum Feste braun.
Ihr Treiben stört des Kleinen Ruh;
Er sah mit großen Augen zu,
Erhob sich langsam aus den Daunen
Und brummte mit treuherzgem Staunen:
Nun bin ich doch so alt, so alt,
Viel älter als der Westerwald,
Und hab' mein Tage nicht geschaut,
Daß man das Bier in Eiern braut! –

    Hui, drauf und dran! Wir haben ihn! –
So rief der tapfre Zephyrin
Und wischte aus der Kellerthür
Mit einem Besenstiel herfür.
Die Frau mit fliegendem Gelock
Ergriff den knotgen Kunkelstock,
Und beide hieben im Verein
Auf den erschrocknen Redner ein.
Die Wiege rollte hin und her;
Die Kissen flogen kreuz und quer.
Wohl strebt er rüstig, zu entfliehn;
Doch stets ereilt ihn Zephyrin.
Der focht wie einst Sankt Michael; 65
Der Streiche ging ihm keiner fehl.
Er schrie und schlug in einem Saus:
So treibt man dumme Teufel aus! –

    Rausch lief in Angst und Eile
Wohl mehr als eine Meile.
Weit in der Wildnis hielt er an
Und pries sein Glück, daß er entrann.
Es scheint mir fast, so murmelt er,
Die alten Späße ziehn nicht mehr.
Das war ein schwarzer Wüterich!
Und Teufel, glaub' ich, hieß er mich.
Wie kann mir solch ein Schimpf geschehn?
Sollt' ich ihm wirklich ähnlich sehn? – 66

 


 


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