Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XX
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Die Geschichte der drei Prinzen von Samarkand mit dem Dschinnī Morhagian und seinen Töchtern.

Nach dem Abriß, den Zotenberg aus Gallands Tagebüchern als Anhang zu Alā ed-Dîn und die Wunderlampe herausgab.

Ich vernahm, o glückseliger König, daß in alten Zeiten und längstentschwundenen Tagen ein Sultan zu Samarkand in Adschamland lebte, welcher drei Söhne hatte. Als derselbe hochbetagt war, rief er seine Söhne zu sich und drückte ihnen seine Freude darüber aus ihnen mitteilen zu können, wie sehr er sie liebte; dann sagte er ihnen, er ließe ihnen die Wahl sich zu wünschen, was sie nur wollten; sie hätten nur ihre Wünsche zu äußern, und er wäre bereit ihnen dieselben zu erfüllen; jedoch allein unter der Bedingung, daß er den ältesten zuerst zufrieden stellte, und hernach die beiden jüngern, einen jeden der Reihe nach.

Der älteste, Namens Rostem, bat den Sultan, er möchte ihm einen Pavillon erbauen, der abwechselnd mit lauter goldnen und silbernen Steinen bedeckt wäre. Der Sultan 137 gab noch an demselben Tag Befehl hierzu, doch war der Pavillon noch nicht vollständig gedeckt, und es befand sich auch noch kein einziges Möbel darin, als der Prinz von seinem Vater dem Sultan die Erlaubnis erbat, in ihm schlafen zu dürfen. Der Sultan riet ihm davon ab, indem er sagte, er müsse ihn zunächst erst fertig bauen und einrichten; der Prinz war jedoch von so großer Ungeduld ergriffen, daß er sein Bett dorthin tragen ließ und sich niederlegte. Gegen Mitternacht, als er den Koran las, öffnete sich plötzlich der Boden, und er sah aus der Erde einen Dschinnī von entsetzlichem Aussehen hervorsteigen. Der Dschinnī, dessen Namen Morhagian war, sprach zu ihm: »Du bist ein Prinz, aber wärest du auch ein Sultan, so würde ich mich für deine Kühnheit an dir rächen, daß du diesen Pavillon betratst, der gerade über dem Palast meiner ältesten Tochter erbaut ist.« Gleichzeitig ging er im Pavillon rings herum und schlug an seine Mauern, wodurch der ganze Pavillon in so feinen Staub verwandelt wurde, daß der Wind ihn aufhob und forttrug und nicht die geringste Spur von ihm übrigblieb. Der Prinz griff nach seinem Schwert und verfolgte den Dschinnī, der jedoch vor ihm floh und sich in eine Cisterne stürzte, in der er verschwand. Als der Prinz am folgenden Morgen vor dem Sultan erschien, war er verwirrt und niedergeschlagen, und der Sultan tadelte ihn wegen seiner Ungeduld und seines Ungehorsams.

Nun trat der zweite Prinz vor, dessen Name Ghajâth ed-Dîn war, und bat den Sultan ihm einen Pavillon aus lauter Fischgräten zu erbauen. Der Sultan ließ ihm den Pavillon mit großen Kosten erbauen, doch geduldete sich der Prinz ebensowenig wie sein älterer Bruder bis zur Vollendung des Baues, sondern legte sich in dem Pavillon mit dem Schwert zur Seite nieder. Um Mitternacht erschien ihm der Dschinnī Morhagian ebenfalls und machte ihm das gleiche Kompliment, indem er hinzusetzte, der Pavillon wäre über dem Palast seiner zweiten Tochter erbaut; dann ging er 138 wieder rings im Zimmer umher, und schlug an die Wände, daß das ganze Gebäude in Staub zerfiel. Der Prinz verfolgte ihn mit gezücktem Schwert bis zum Brunnen, in dem der Dschinnī Morhagian verschwand. Am nächsten Morgen erschien der Prinz Ghajâth ed-Dîn vor dem Sultan, der ihn ebenso wie seinen ältern Bruder Rostem radelte.

Nun trat der dritte Prinz, Namens Badîalzamân vor und bat seinen Vater ihm einen Pavillon ganz aus Krystallgestein zu erbauen. Er legte sich ebenfalls, noch bevor der Pavillon fertig gebaut war, in ihm schlafen, ohne seinem Vater etwas davon zu sagen, da er sehen wollte, ob ihn Morhagian in derselben Weise behandeln würde. Um Mitternacht erschien denn auch der Dschinnī Morhagian und sagte zu ihm, sein Pavillon wäre über dem Palast seiner dritten Tochter erbaut. Dann zerstörte er den Pavillon und floh, während der Prinz ihm mit gezücktem Schwert folgte und ihm drei Wunden beibrachte, bevor er den Brunnen erreichte; jedoch vermochte der Dschinnī ihm zu entrinnen.

Am nächsten Morgen suchte der Prinz Badîalzamân nicht seinen Vater den Sultan auf, sondern begab sich zu seinen beiden Brüdern und spornte sie an den Dschinnī im Brunnen aufzusuchen. Er führte die Brüder dorthin, und der älteste ließ sich an einem Seil hinunter, doch rief er, als er bis zu einer bestimmten Tiefe hinunter gelassen war, ihn wieder hinaufzuziehen, und entschuldigte sich durch die große Hitze im Brunnen. Ebenso erging es dem zweiten Prinzen Ghajâth ed-Dîn, der ebenfalls rief ihn wieder hinaufzuziehen. Alsdann ließ sich der jüngste Prinz Badîalzamân am Strick hinunter, befahl aber seinen Brüdern, ihn nicht heraufzuziehen, auch wenn er rufen sollte. Sie ließen ihn am Strick hinunter und achteten nicht auf seine Rufe, bis er den Boden des Brunnens erreicht hatte, wo er sich vom Seil losband und seinen Brüdern zurief, daß die Luft verpestet wäre. Unten fand er eine offene Thür, und er schritt eine Weile zwischen zwei Mauern entlang, bis er zum Ende des Ganges 139 kam, wo er eine goldne Thür gewahrte. Er öffnete sie, und als er nun hinter ihr einen prächtigen Palast erblickte, trat er ein und besichtigte die Küche und die Vorratsräume, die mit allerlei Lebensmitteln angefüllt waren. Dann nahm er die Wohnräume in Augenschein, bis er in einen Raum gelangte, der reich mit Sofas, Stühlen und andrer Einrichtung ausgestattet war. In seiner Neugierde zu sehen, wer hier wohnte, verbarg er sich und sah nach einiger Zeit eine Schar Tauben auf den Rand eines Wasserbeckens mitten im Hof niederfallen. Die Tauben tauchten ins Wasser unter und stiegen als Mädchen wieder heraus, von denen sich eine jede sofort an ihre besondre Arbeit machte, indem sich die eine in den Vorratsraum und die andre in die Küche begab; die dritte begann zu fegen, und so besorgte jede ihr Geschäft, indem sie ein Mahl zurechtmachten. Kurze Zeit hernach bemerkte der Prinz Badîalzamân eine andre Schar von zehn Tauben von verschiedener Farbe, die eine elfte ganz weiße Taube umgaben und sich ebenfalls auf den Rand des Wasserbeckens niederließen. Dann rauchten sie ins Wasser unter und stiegen als Mädchen wieder heraus, noch schöner als die ersten und prächtiger gekleidet. Sie nahmen die elfte Taube und tauchten sie in ein kleineres mit Rosenwasser gefülltes Becken, aus dem sie als Mädchen von wunderbarer Schönheit stieg. Dies war die älteste Tochter des Dschinnīs Morhagian, und ihr Name war Fattâne.

Zwei der Mädchen faßten sie nun unter die Achselgruben und führten sie in ihr Zimmer, gefolgt von den andern, dort setzte sie sich auf ein kleines erhöhtes Sofa, während ihre Sklavinnen nach rechts und links auseinander gingen und sich an ihre Arbeit machten. Der Prinz Badîalzamân aber hatte sein Taschentuch fallen lassen, und eine der Sklavinnen, die es sah, hob es auf, worauf sie sich umschaute und ihn erblickte. Erschrocken hierüber, teilte sie es ihrer Herrin Fattâne mir, die einige ihrer Sklavinnen fortschickte nachzusehen, wer es wäre. Da trat der Prinz vor und 140 erschien vor Fattâne, die in ihm einen jungen Prinzen erblickte und ihn huldvoll aufnahm. Sie ließ ihn an ihrer Seite Platz nehmen und fragte ihn, was ihn herführte, worauf er ihr von Anfang bis zu Ende seine Geschichte erzählte und sie fragte, wo er den Dschinnī Morhagian finden könne, um Rache an ihm zu nehmen. Fattâne lachte und sagte, er solle hiervon nicht mehr reden, sondern allein daran denken sich in einer so guten Gesellschaft zu vergnügen. Hierauf ward der Tisch gedeckt, und Fattâne ließ den Prinzen Badîalzamân neben sich sitzen; und die Mädchen musizierten, bis sie sich zur Ruhe legten.

In dieser Weise hielt Fattâne den Prinzen von Tag zu Tag hin, bis er nach Verlauf von vierzig Tagen darauf bestand zu erfahren, wo sich der Dschinnī Morhagian befände. Da gestand ihm die Prinzessin, daß es ihr Vater wäre, und schilderte ihm seine Riesenstärke; sie sagte ihm, sie könne ihm nicht angeben, wo er ihn zu finden vermöchte, doch würde es ihm ihre zweite Schwester sagen. Nachdem sie ihm eine Karte gegeben hatte, ließ sie ihn durch eine Verbindungsthür von einem ihrer Mädchen in den Palast ihrer zweiten Schwester führen, und wie er bei ihr eintrat, überreichte er ihr die Karte und ward aufs beste aufgenommen. Er fand, daß sie schöner und jünger als ihre ältere Schwester war, und bat sie, ihm zu sagen, wo er den Dschinnī finden könnte. Sie wich diesen Worten jedoch aus und bewirtete ihn und unterhielt ihn vierzig Tage lang, bis er auf seiner Frage bestand, worauf sie sich entschuldigte und ihn mit einer Karte zu ihrer jüngsten noch schönern Schwester schickte. Diese nahm ihn mit Freuden auf und versprach ihm, ihm Morhagians Aufenthalt anzugeben, worauf sie ihn ebenfalls vierzig Tage zurückhielt. Als er dann in sie drängte, riet sie ihm von seinem Vorhaben ab und sagte zu ihm, Morhagian würde ihn mit einer Hand beim Kopf, mit der andern bei den Füßen packen und mitten auseinanderreißen. Da er sich jedoch hierdurch nicht abschrecken ließ, gab sie ihm den Ort an, 141 wo er ihn finden würde, einen hohen, langen und breiten Raum, genau seiner Leibesgröße entsprechend. Der Prinz machte sich nun auf den Weg und stürzte sich, sobald er ihn sah, mit dem Schwert in der Faust auf ihn. Morhagian streckte jedoch seine Hände aus, faßte ihn mit der einen beim Haupt, mit der andern bei den Füßen und riß ihn ohne besondre Anstrengung mitten auseinander, worauf er seine Stücke zum Fenster hinauswarf, das auf einen Garten ging.

Die jüngste Tochter des Dschinnī hatte jedoch zwei ihrer Mädchen geschickt, von denen jede ein Stück vom Körper des Prinzen nahm und ihn ihrer Herrin brachte, die sie aneinander fügte und zusammennähte. Dann goß sie Wasser auf seine Wunde, worauf der Prinz wieder ins Leben zurückkam. Als sie ihn fragte, woher er käme, schien es ihm, als wäre er soeben aus dem Schlaf erwacht, und nun erzählte sie ihm das Vorgefallene. Dies schreckte jedoch den Prinzen nicht im geringsten ab den Dschinnī zu töten. Sie forderte ihn auf zu essen, doch lehnte er es ab, und schließlich sagte sie ihm, daß Morhagian ihr Vater wäre, und daß er ihn nur durch dessen eigenes Schwert umbringen könne. Der Prinz versetzte jedoch: »Thu', was dir beliebt, er muß durch meine eigene Hand sterben, damit ich mich und meine Brüder an ihm räche.« Da nahm ihm die Prinzessin einen feierlichen Eid ab sie zur Gattin zu nehmen und gab ihm an, wie er dem Dschinnī das Leben nehmen könne. Er dürfe nicht hoffen ihn zu töten, wenn er wach wäre; »wenn er schläft,« so sagte sie, »dann wirst du es vermögen. Du wirst ihn mit offenen Augen schnarchen hören, und dies ist ein Zeichen, daß er in tiefem Schlaf ruht. Da er den ganzen Raum einnimmt, so steig' auf ihn, fasse sein Schwert, das ihm zu Häupten hängt und versetz' ihm einen Streich in den Hals. Er wird davon nicht tot sein, sondern wird erwachen und dich auffordern, ihm noch einen zweiten Streich zu geben. Thu' dies jedoch nicht, denn, wenn du ihm gehorchtest, so würde er wieder heil werden und dich und mich ermorden.« 142

Hierauf kehrte der Prinz Badîalzamân zu Morhagians Raum zurück, wo er ihn so laut schnarchen hörte, daß alles rings um ihn erzitterte. Der Prinz trat ein und schritt, für sein Leben zitternd, über ihn, bis er das Schwert zu fassen bekam, worauf er ihm einen gewaltigen Streich in den Nacken gab. Morhagian erwachte davon und, als er seinen Mörder gewahrte, verfluchte er seine Tochter und rief dem Prinzen zu: »Mach' mir den Garaus.« Der Prinz versetzte jedoch, es wäre genug an dem einen Streich, und verließ ihn, worauf Morhagian starb.

Der Prinz nahm Morhagians Schwert mit sich, damit es ihm in andern Gefahren nützen könnte; und er gewahrte beim Fortgehen in einem prächtigen Stall ein Pferd von herrlicher Schönheit. Bei der Dschinnîje angelangt, erzählte er ihr seine That und äußerte ihr seinen Wunsch das Pferd mitzunehmen, doch fürchtete er, es möchte zu schwer sein. Sie erwiderte ihm jedoch: »Es ist nicht so schwer, als du glaubst; geh' nur zu ihm, schneide ihm etwas Haar vom Schwanz ab und verwahre es gut; und wenn du je in Not gerätst, dann verbrenne ein oder zwei Haare, worauf es sofort bei dir sein und dir zu Diensten stehen wird.«

Hierauf kamen die drei Töchter Morhagians zusammen, und der Prinz versprach ihnen, daß seine Brüder die beiden ältern Schwestern heiraten sollten. Dann brachte eine jede von ihnen ihren Palast auf die Größe eines kleinen Balles und gaben die drei Bälle dem Prinzen, worauf dieser sie zum Brunnenschacht führte.

Inzwischen hatte sein Vater, der Sultan von Samarkand, ihn für tot gehalten und ihn betrauert, während seine beiden Brüder sich häufig zum Brunnen begaben und zufällig wieder dort waren, als Badîalzamân im Brunnenschacht ankam. Er machte sich ihnen durch Rufe bemerkbar, erzählte ihnen, was er gethan hatte, und teilte ihnen mit, daß er die drei Töchter Morhagians mit sich führte. Dann bat er um ein Seil und rief, indem er die Älteste daran befestigte: »Zieh' 143 an, Prinz Rostem, ich sende dir dein Glück.« Als sein ältester Bruder Fattâne hinausgezogen hatte, ließ er das Seil wieder hinunter, worauf Badîalzamân die Zweite daran befestigte und rief: »Mein Bruder Ghajâth ed-Dîn, zieh' dein Glück hinauf.« Die dritte der Schwestern, die seinen Brüdern mißtraute, bat Badîalzamân sie nach ihm emporziehen zu lassen, ohne daß er auf ihre Gründe hörte. Als die Prinzen sie aber so hoch gezogen hatten, daß sie sie sehen konnten, begannen sie miteinander zu streiten, wer sie haben sollte. Da wendete sich die Dschinnîje zu Badîalzamân und rief ihm zu: »O mein Prinz, sagte ich es dir nicht im voraus?« Schließlich einigten sich die beiden Prinzen dahin, daß der Sultan ihren Streit schlichten sollte.

Als die dritte Dschinnîje aus dem Brunnen gezogen war, suchten alle drei Schwestern die Prinzen zu überreden, ihren jüngsten Bruder aus dem Brunnen zu ziehen; sie weigerten sich jedoch und zwangen sie ihnen zu folgen. Während sie aber die jüngste der Schwestern fortführten, baten die beiden andern sie um Erlaubnis dem Prinzen Badîalzamân Lebewohl zu sagen und riefen ihm von oben in den Brunnen zu: »O Prinz, gedulde dich bis Freitag; du wirst dann sechs Stiere sehen, drei rote und drei schwarze. Steig' auf einen roten, der dich auf die Erdoberfläche bringen wird; hüte dich jedoch einen schwarzen zu besteigen, denn er würde dich in eine andre Welt, um sieben Male tiefer unter der Erde gelegen, bringen.«

Hierauf nahmen die beiden Prinzen die drei Dschinnîjen fort, und drei Tage später, am Freitag, erschienen die sechs Stiere. Der Prinz wollte sich auf einen roten schwingen, ein schwarzer hinderte ihn jedoch daran, und zwang ihn auf seinen Rücken zu steigen, worauf er ihn mitten durch die Erde in eine andre Welt trug, wo er nahe bei einer großen Stadt anhielt. Er begab sich in die Stadt und kehrte bei einer alten Frau ein, der er ein Goldstück gab, ihm etwas zum Essen zu beschaffen, da er sehr hungrig war. Nachdem 144 er gehörig gegessen hatte, verlangte er zu trinken, worauf die Alte zu ihm sagte: »Du bist gewiß ein Fremdling, sonst würdest du nicht zu trinken verlangen.« Dann brachte sie ihm einen Schwamm und sagte, es gäbe kein andres Wasser, da eine starke Quelle, welche die Stadt mit Wasser versorgte, durch ein reißendes Tier verlegt wäre, dem man jeden Freitag ein Mädchen zum Verschlingen opferte. Heute würde die Prinzessin, die Tochter des Sultans, ausgesetzt, und, während das Tier aus seiner Höhle käme und sie verschlänge, flösse genügend Wasser heraus, daß sich alles bis zum nächsten Freitag damit versorgen könnte.

Als der Prinz dies vernahm, bat er die Alte, ihm die Stelle zu zeigen, wo die Prinzessin ausgesetzt wäre; sie war jedoch so furchtsam, daß er sie nur mit Mühe aus ihrer Wohnung bekam, ihm die Richtung des Weges anzuzeigen. Der Prinz Badîalzamân verließ nun die Stadt und schritt vorwärts, bis er die Prinzessin erblickte, die ihm ein Zeichen gab, sich nicht weiter vorzuwagen; und je näher er kam, desto inständiger wies sie ihn zurück. Er sagte ihr jedoch, er fürchte sich nicht, und setzte sich neben sie, um auf das wilde Tier zu warten. Da er aber sehr müde war, bat er sie, ihn zur rechten Zeit zu wecken, worauf er in Schlaf sank. Als nun das wilde Tier sich zeigte, fiel eine Thräne der Prinzessin dem Prinzen ins Gesicht, so daß er erwachte. Als er das Tier im Begriff sah, sich auf die Prinzessin zu stürzen, erschlug er es mit Morhagians Schwert, und das Wasser begann überreich zu fließen.

Die Prinzessin dankte ihrem Erretter und bat ihn, sie zu ihrem Vater dem Sultan zu führen, der ihm seine Erkenntlichkeit zeigen würde; er entschuldigte sich jedoch, worauf sie ihm die Schulter mit dem Blut des Tiers zeichnete, ohne daß er es bemerkte. Dann kehrte sie zur Stadt zurück und wurde zum Palast geführt, wo sie dem Sultan das Vorgefallene erzählte und ihm mitteilte, was sie gethan hatte. Da befahl der Sultan allen Bewohnern der Stadt unter 145 Todesstrafe vor ihm und der Prinzessin vorüberzuschreiten. Badîalzamân wollte sich in einem Chân verstecken, doch ward er hervorgeholt und gezwungen mit den andern Revue zu passieren. Die Prinzessin erkannte ihn und warf einen Apfel nach ihm, um ihn dadurch kenntlich zu machen. Man ergriff ihn und führte ihn vor den Sultan, der ihn fragte, worin er ihm dienen könnte. Der Prinz zauderte erst, dann aber bat er ihn, ihm Mittel und Wege anzugeben, wie er wieder auf die andre Welt gelangen könnte, von der er gekommen wäre. Da hielt ihn der Sultan für einen Ketzer und wollte ihn zuerst verbrennen lassen; dann aber jagte er ihn als einen Verrückten in Schimpf und Schande fort. Der Prinz verließ die Stadt und wanderte aufs Geratewohl ins Land, bis er sich einem hohen, ganz aus Felsen bestehendem Berg näherte, wo er eine riesige Schlange gewahrte, die aus ihrer Höhle kroch um junge Rochvögel zu verschlingen. Er erschlug die Schlange mit Morhagians Schwert, als gerade die alten Vögel Roch herzukamen und seiner That zuschauten. Sie forderten ihn auf zu bitten, was er wünschte. Zuerst zauderte er, dann aber bat er sie ihm den Weg anzugeben, wie er wieder zur Oberwelt gelangen könnte. Der männliche Roch befahl ihm nun sich zehn Hammelviertel zu beschaffen, mit ihnen auf seinen Rücken zu steigen und ihm stets ein Stück Fleisch zu geben, wenn er unterwegs sein Haupt, sei es nach rechts oder links umwenden würde.

Hierauf setzte sich der Prinz auf den Rücken des Rochs und der Roch stampfte mit dem Fuß auf die Erde, worauf sich der Boden beständig unter ihm teilte, bis er am Fuß des Brunnenschachtes anlangte. Als der Roch hier seinen Kopf wendete und kein Fleisch mehr übrig war, hieb sich der Prinz seine Wade ab und gab sie ihm. Sobald dann der Roch oben am Brunnenrand angelangt war, sprang der Prinz von seinem Rücken auf den Boden, wobei der Roch bemerkte, daß ihm die Wade fehlte. Er fragte den Prinzen nach der Ursache hiervon, und als der Prinz ihm erzählte, 146 was er gethan hatte, brach der Roch die Wade wieder aus und legte sie an ihre Stelle, worauf sie anwuchs und der Prinz auf der Stelle geheilt ward.

Beim Verlassen des Brunnens traf der Prinz einen Bauern und tauschte mit ihm seine Sachen ein; doch behielt er das Schwert, die drei Bälle und das Pferdehaar. Dann betrat er die Stadt und kehrte bei einem Schneider ein, wo er in Zurückgezogenheit lebte. Er stieg nach und nach in seiner Achtung, indem er ihn wissen ließ, daß er zu nähen und schneidern verstand. Es traf sich aber gerade, daß man die Zurüstungen zur Hochzeit des Prinzen Rostem betrieb und den Schneider beauftragte, den Anzug der Braut zu arbeiten. Badîalzamân, der im Laden des Schneiders arbeitete, nahm jedoch von einem der drei Bälle Kleider ähnlich den Hochzeitskleidern, die bereits weit in der Arbeit vorgeschritten waren, und vertauschte sie mit ihnen. Der Schneider, der über die seine Arbeit überrascht war, wollte den Prinzen bei der Ablieferung der Kleider mitnehmen, damit er ein Geschenk erhielte; er weigerte sich jedoch, indem er als Entschuldigung anführte, daß er soeben erst in der Stadt eingetroffen wäre. Da überreichte der Schneider allein die Kleider, und als die Schwestern sie sahen, entnahmen sie aus ihnen eine gute Vorbedeutung.

Als nun der Hochzeitstag kam, turnierte man mit Speeren, und es ward ein großes Fest gefeiert, an dem alle Läden geschlossen wurden. Der Schneider wollte den Prinzen mitnehmen, um ihm das Schauspiel zu zeigen, jedoch entschuldigte er sich. Hernach aber begab er sich in eine abgelegene Gegend wo er Feuer schlug und ein wenig vom Haar des Pferdes verbrannte. Gleich darauf kam das Pferd herangetrabt, und er befahl ihm, ihm einen völlig roten Anzug zu bringen und selber in derselben Farbe, mit rotem Geschirr, besetzt mit roten Edelsteinen und einem rotfarbenen Speer zu kommen. Das Pferd verschwand für eine kurze Weile und führte den Befehl des Prinzen ans, worauf der 147 Prinz es bestieg und, von allen angestaunt auf dem Plan erschien. Zum Schluß der Spiele hieb er dem Prinzen Rostem das Haupt ab und floh, von Reitern verfolgt; doch verloren sie ihn aus dem Gesicht, und er saß in seiner alten Kleidung noch vor der Ankunft des Schneiders wieder im Laden, der ihm das Vorgefallene erzählte, während der Prinz sich stellte, als ob er von nichts wüßte.

Am Hofe trauerte man tief, doch wurden nach Verlauf von drei Monaten neue Kleider für die Hochzeit des zweiten Prinzen bestellt. Als dieselben abgeliefert wurden und die drei Schwestern sie sahen, gewannen sie völlige Gewißheit. Am Hochzeitstage fanden wiederum Speerspiele statt, und diesmal erschien der Prinz Badîalzamân auf einem weißen Roß, mit weißen Perlen und Edelsteinen und ganz in Weiß gekleidet. Er ließ sich zunächst wie das erste Mal von allen anstaunen, dann aber drang er mitten in eine Reiterschar von achthundert Mann und tötete Ghajâth ed-Dîn. Sie überfielen ihn, doch ließ er sich ruhig festnehmen und vor den Sultan führen, worauf er sich ihm zu erkennen gab und ihm erzählte, weshalb er seine Brüder erschlagen hätte; und der Sultan erklärte: »Ein Bruder, der von seinen Brüdern dem Tode überlassen ward, hat ein Recht sie zu töten.« Hierauf heiratete der Prinz Badîalzamân die jüngste der drei Töchter des Dschinnīs Morhagian, während ihre beiden ältern Schwestern mit zwei dem Sultan verwandten Prinzen vermählt wurden.

 


 


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