Heinrich Heine
William Ratcliff
Heinrich Heine

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Vorigen ohne Ratcliff und Lesley.

Robin:
God damn! der ist besoffen oder toll.

Dick:
So war er immer, denn ich kenn ihn noch
Von London her. In Rascal-Tavern hab ich
Ihn oft gesehn. Er pflegte stundenlang
Mit krauser Stirn zu sitzen in der Ecke,
Und immer still und stumm ins Licht zu starrn.
Oft saß er zwischen uns vergnügt und lachend –
Nur lacht' er gar zu hell – erzählte Späße –
Nur gar zu wilde Späße – und er war
Vergnügt und lachte – O da zuckte plötzlich
Und gräßlich spöttisch seine Oberlippe,
Ein Ton des Schmerzes pfiff aus seiner Brust,
Und wütend sprang er auf: »Johann, mein Pferd« –
Und ritt zum Teufel, und er kam nach ein'gen
Monaten erst zurück. Nach Schottland, sagt man,
Pflegt' er alsdann zu reiten, Tag und Nacht.

Robin:
Oh, der ist krank.

Dick:
Was kümmert's mich? Lebt wohl.

Geht ab.

Bill:
Es ist schon Zeit daß man zur Arbeit geht.

Betend vor dem Heiligenbilde:

Beschütz mich in Gefahr und gib mir Segen!

Er und mehrere gehn ab.

Robin hält sich seine Faust vorm Gesicht:
Mein Schutzpatron, beschütz mich in Gefahr. Geht ab.

Zwei Gauner bleiben schlafend liegen. Tom, der Wirt, schleicht herein und stiehlt ihnen das Geld aus der Tasche.

Tom mit schlauer Miene:
Sie dürfen mich nicht vor Gericht verklagen. Er geht ab.

John und Taddie wachen auf.

John gähnend:
Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!

Taddie gähnend.
Komm, John, zum Frühstück.

John:
Frühstück! Was gibt's Neues?

Taddie:
Gewiß hat man Freund Riffel heut gehängt.

John:
Das Hängen ist die schlechteste Erfindung.

Trollen beide fort.

Wilde Gegend am Schwarzenstein. Nacht. Links abenteuerliche Felsenmassen und Baumstämme. Rechts ein Denkmal in der Form eines Kreuzes. Der Wind braust. Man sieht zwei weiße Nebelgestalten, die sehnsüchtig die Arme gegeneinander ausstrecken, sich nahen, immer wieder auseinanderfahren, und endlich verschwinden. Ratcliff tritt auf.

Ratcliff allein:
Hui, wie das pfeift! Die Hölle hat all ihre
Querpfeifer ausgesandt. Die spielen auf.
Der Mond hüllt sich in seinen weiten Plaid,
Und schüttelt nur ein sparsam Licht herab.

Hat ha! meinthalb kann er sich ganz verhüllen.
Denn wie's auch dunkel sei, die Schneelawine
Bedarf nicht der Laterne um zu schaun
Wohin sie rollen soll; es wird das Eisen
Den Weg zu dem Magnet von selber finden;
Und ohne Meilenzeiger findet Ratcliffs
Erprobtes Schwert den Weg zu Douglas' Brust.
Ob auch das Gräflein kömmt? Ob nicht der Sturm,
Die Furcht vor Schnupfen, Husten und Erkältung
Es gar zurückhält? Und es denkt vielleicht:
Ich will's auf morgen nacht verschieben.
Ha! ha!
Und just um diese Nacht ist's mir zu tun.
Kömmt er nicht her, so komme ich zu ihm
Ins Schloß. An sein Schwert schlagend. Der Schlüssel paßt für alle Zimmer;
Und diese Freunde Legt die Hand an die Pistolen im Gürtel. decken mir den Rücken.

Nimmt eine Pistole heraus und betrachtet sie.

Der sieht mich an so ehrlich; gerne möcht ich
Auf seinen Mund festdrücken meinen Mund,
Und drücken –
Ach, nach solchem Feuerkusse
Da wär mir wohl, und wich' mein wildes Weh! Sinnend.
Vielleicht im selben Augenblick drückt Douglas
Gleichfalls den Mund fest auf Mariens Mund –

Ha! ha! das ist's. Deshalb darf ich nicht sterben.
Ich müßt allnächtlich aus dem Grabe steigen,
Und als ohnmächt'ger Schatten knirschend zusehn:
Wie 'n Gimpel, mit dem lüstern' Mopsgesicht,
Beschnüffelt und begafft Mariens Reize.
Ich darf nicht sterben. Käm ich in den Himmel
Und schaute, durch den Ritz der Himmelsdecke,
Zufällig in Graf Douglas' Schlafgemach –
Ich würde fluchen, daß den frommen Englein
Erblassen würden ihre roten Backen,
Und ängstlich in der Kehle steckenbliebe
Das lange, wäßrige Halleluja.
Und bin ich mal verdammt zur ew'gen Hölle,
Wohlan, so will ich auch ein Teufel sein,
Und nicht ein jämmerlicher, armer Sünder.

Ratcliff. Douglas.

Ratcliff:
Horch, horch, ich höre Tritte!
Ruft laut: Holla! holla! –
Wer bist du, der sich dorten naht? Gib Antwort!

Douglas:
Die Stimm ist mir bekannt. Es ist die Stimme
Des edlen Reiters, der mich jüngst gerettet
Aus Räuberklaun, im Wald bei Invernes. Nähert sich ihm.
Ja, ja, Ihr seid's, jetzt könnt Ihr nicht entrinnen.
Ich muß Euch danken für die edle Tat.

Ratcliff:
Oh, spart den Dank. Es war nur eine Grille
Daß ich Euch half. Drei lagen über Euch.
Das war zu viel. Wär's einer nur gewesen,
Bei Gott! ich wäre still vorbeigeritten.

Douglas:
Seid nicht so grämlich. Laßt uns Freunde werden.

Ratcliff:
Wohlan es sei. Doch als Beweis der Freundschaft,
Müßt Ihr mir eine Bitte leicht gewähren.

Douglas:
Sprecht nur. Mit Leib und Seel gehör ich Euch.

Ratcliff:
Mein neuer Freund, verlaßt jetzt diesen Platz;

Lachend.

Es seie denn daß Ihr Graf Douglas hießet.

Douglas befremdet:
Bei Gott, so heiß ich.

Ratcliff:
Was? Ihr heißt Graf Douglas?

Lachend.

Oh, das ist schlimm, so ist es ja schon aus
Mit unsrer hübschen, neugebacknen Freundschaft;
Denn wißt, Herr Graf, ich heiße – William Ratcliff.

Douglas wild und das Schwert ziehend:
Du bist der Mörder Macdonalds und Duncans?

Ratcliff zieht sein Schwert:
Ich bin's, und um das Kleeblatt vollzumachen
Hab ich auch Euch, Herr Graf, hierherbeschieden.

Douglas stürzt auf ihn ein:
Verruchter Mörder, wehr dich deiner Haut.

Gefecht.

Ratcliff:
Ha! ha! ich schlag so gut ich kann. Ha! ha!

Douglas:
Lach nicht so gräßlich auf.

Ratcliff lachend:
Ich lache nicht,
Das tun die bleichen Nebelmenschen dort –

Douglas:
Lach wie du willst. Ihr Schatten Macdonalds
Und Duncans, steht mir bei!

Ratcliff.
Teufel und Hölle!
Der tote Duncan fängt die Quarten auf.
Misch dich nicht ein, verfluchter, toter Fechter!

Douglas:
Ha! ha! der Hieb der saß!

Ratcliff:
Tod und Verrat!
Jetzt kommt der Macdonald noch obendrein –
Das ist zuviel – Drei gegen einen –

Er weicht zurück, und stolpert über das Piedestal des Monuments.

Ha!
Fluch und Verdammnis! Ratcliff liegt am Boden –
Stoßt zu, stoßt zu! ich bin Eur größter Feind.

Douglas kalt:
Ihr habt jetzund des Douglas Schwert erprobt.
Vielleicht verdankte ich Euch jüngst das Leben.
Jetzt sollt Ihr's mir verdanken. Wir sind quitt.
Ich denk Ihr kennt mich jetzt, und die Lektion
Hat Euch vielleicht das böse Herz gebessert.

Er geht stolz ab.

Ratcliff liegt regungslos am Fuße des Monuments. Der Wind heult wilder. Die zwei Nebelgestalten erscheinen, nahen sich mit ausgestreckten Armen, fahren wieder auseinander, und verschwinden.

Ratcliff Er steht langsam und betäubt auf:
War's eine Menschenstimme? War's der Wind?
Ein wahnsinnschwangres Wort summt mir im Ohr.
War es ein toller Traum? Wo bin ich denn?
Was ist das für ein Kreuz, und was steht drauf?

Er liest die Inschrift des Monuments.

»Graf Duncan und Lord Macdonald sind hier
Von gottverfluchter Hand ermordet worden.«

Auffahrend.

Es ist kein Traum. Ich bin am Schwarzenstein,
Und bin besiegt, verspottet und verachtet!
Boshafte Winde kichern mir ins Ohr:
Hier steht der Mann, der starke Riesengeist,
Der Großbritanniens Menschen und Gesetze
Verhöhnt, der trotzig mit dem Himmel rechtet –
Nun kann er's nicht verhindern, daß Graf Douglas
Heut nacht in seines Liebchens Armen liegt,
Und lachend ihr erzählet, wie der Wurm,
Der William Ratcliff heißt, am Schwarzenstein
Sich krümmte, jämmerlich am Boden krümmte,
Und wie des Douglas Fuß ihn nicht zertreten,
Um sich nicht zu besudeln – In Wut ausbrechend. Oh, verfluchte,
Verdammte Hexen, lacht nicht so entsetzlich,
Reibt nicht verhöhnend eure Zeigefinger!
Ich werfe Felsen auf eur scheußlich Haupt,
Ich reiße Schottlands Tannenwälder aus,
Und geißle euch damit den gelben Rücken,
Und mit dem Fuß stampf ich das schwarze Gift
Aus euren dürren, gottverhaßten Leibern!
Nordwind, zerzause und zerreiß die Welt!
Brich, Himmelsdecke, und zermalme mich!
Erde, vernachte und verschlinge mich!

Halb wild, halb ängstlich, und in einen geheimnisvollen Ton übergehend:

Verdammter Doppelgänger, Nebelmensch,
Anglotze mich nicht mit den stieren Augen –
Mit deinen Augen saugst du aus mein Blut,
Erstarren machst du mich, Eiswasser gießt du
In meine glühnden Adern, machst mich selbst
Zum toten Nachtgespenst – du zeigst dorthin?
Mit langem Nebelarm zeigst du dorthin?
Soll ich? Marie? Die weiße Taube? Blut?
Soll ich? Holla, wer spricht? Das war kein Wind.
Maria soll ich mit mir nehmen? Nickst du?
Es sei, es sei, mein Wille ist von Eisen,
Und ist allmächt'ger noch als Gott und Teufel.

Er stürzt fort.

MacGregors Schloß. Erleuchtetes Zimmer mit einem verhängten Kabinette in der Mitte. Man hört verhallende Tanzmusik und Mädchengekicher.

Maria, festlich geschmückt, und Margarethe treten eben herein.

Maria:
Ach Gott! mir ist so ängstlich –

Margarethe:
's tut der Schnürleib.
Komm her, ich will dich ausziehn, liebes Püppchen.

Sie hilft Marien beim Auskleiden.

Maria:
Das Herz ist mir beklommen.

Margarethe:
Ei, mein Püppchen,
Graf Douglas ist ein hübscher Mann.

Maria heiter lachend:
Das ist er!
Und lustig, und verträglich, und ein Mann!

Margarethe:
Ist Püppchen auch verliebt?

Maria:
Verliebt? Verliebt?
Oh, das ist dumm. Man muß sich leiden können.

Margarethe:
Man sprach nicht immer so. Als William Ratcliff –

Maria hält ihr ängstlich den Mund zu:
Oh, bitte, bitte, bitte, sprich nicht aus
Den bösen Namen, es ist Nacht und spät –

Margarethe:
Mein Püppchen war verliebt.

Maria:
Ach nein! Im Anfang
Da schien er lämmchensanft, und sein Gesicht
Das schien mir so bekannt, und seine Stimme
Klang mir so weich, und auch sein Odem
Tat meiner Wange heimlich wohl, sein Auge,
Das schaute gar zu spaßhaft lieb und fromm

Zusammenschauernd.

Doch plötzlich sah er aus wie ein Gespenst,
So blaß, so starr und wild verzerrt und blutig,
Und drohend grimm, als wollt er mich ermorden –
Er sah fast ähnlich jenem Nebelmann,
Der oft im Traum die Arme nach mir ausstreckt,
Und mich so lang entsetzlich zärtlich anschaut,
Bis daß ich selbst ein luft'ges Bildnis werde,
Und neblicht selbst ausbreite meine Arme.

Margarethe:
Du bist doch just wie deine sel'ge Mutter;
Sie tat so bös, und doch wie eine Katz
War sie verliebt in Ratcliff –

Maria:
Wie, in Ratcliff?


 << zurück weiter >>