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Widmung

Du, die so klein und gelben Angesichtes
auf weißem Sterbekissen lag in Ruhe,
du stumme Künderin eines fremden Lichtes,

du, Mutter, die du schrittest ohne Schuhe
die kantige Straße deiner irdischen Reise:
o segne nun in Gnaden, was ich tue!

Denn ich beginne eine neue Weise
von meines Daseins Wandel anzuschlagen,
selbst ferner wandelnd und auf neuem Gleise,

dich weiter tragend, die mich einst getragen,
und deines Leidens Bürde neu gebärend
in heitrem Gram, in klagelosen Klagen.

So segne mich, der ich so hochverehrend,
zuschauen durfte, wie du wardst empfangen,
zum Thron des Allerhöchsten wiederkehrend,

als vor dem gelben Weibchen donnernd sprangen
die goldnen Riegel aller sieben Himmel
und alle Paradiese widerklangen.

Und wie du tratest in das Glanzgetümmel
noch mit dem Tuch ums tote Kinn gebunden,
da schwieg miteins das brausende Gewimmel

der Engel, die in Gottes Anblick stunden,
und eine Macht entströmte deinem Schweigen,
die Gott und alle Seligen hielt gebunden.

Und alles mußte solcher Macht sich neigen,
die sich auf einmal fürchterlich erweckte
und schütternd ihre Kraft begann zu zeigen.

Wer sagt, woher sich diese Kraft erstreckte?
warum Gott selbst auf seinem Sitz erbleichte
und seine Augen mit den Händen deckte?

Weil sie von Satans Thron zu seinem reichte,
vom Grund der Schöpfung bis zu jedem Sterne
durch alles Tiefe und durch alles Seichte,

und ferner reichte noch als jede Ferne
und näher noch als alles nächster Nähe:
der Schale Schale und der Kern im Kerne.

So segne mich und was ich farbig säe,
o Mutter, in den Acker schwerer Zeiten,
auf daß die Zukunft goldne Früchte mähe!

Gebärerin von Zeit und Ewigkeiten!

 


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