Gerhart Hauptmann
Florian Geyer
Gerhart Hauptmann

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Vierter Akt

In Kratzers Herberge am Markte zu Rothenburg. Zeit nach Mitternacht. Am geöffneten Fenster stehen Markart Töppelin genannt Bohnlein, Engelhart Goppolt, Leinenweber, Hans Kunrat, Hans Beheim, ein Maurer, und Christheinz, den Widerschein einer Feuersbrunst, davon der ganze Himmel gerötet ist, beobachtend. Um einen Tisch sitzen Jos Frankenheim, deutscher Schulmeister, Oswald Barchart, Ochsenhans und Kilian, der Harnischweber, sowie zwei Bürger. Kratzer, in der Nähe der Schenkstatt auf einem Fasse sitzend, hat eine Bibel auf den Knien und starrt nachdenklich darüber hinaus. Neben ihm brennt ein Licht. Am Ofen sitzt, eifrig Brot essend, ein altes, ärmliches Ehepaar. Kläuslin, der Mann, ist ein Stelzfuß, er hat die Quintern neben sich liegen. Das Weib hält eine alte Harfe zwischen den Knien. Marei liegt schlafend unter der Bank.

Christheinz. Es ist uf Brettheim zu.

Ein Bürger. Es heißt ja, daß der Florian Geyer wiederum mustert zu Brettheim. Fahet leicht an mit Plündern und Brandschatzung. Feinds Land und Freunds Land ist all ein Ding bei den Bäurischen.

Kilian. Das tuet der Geyer nit.

Kratzer. Was teidingt ihr da? Der Geyer ist uf den Schweinfurter Tag geritten.

Jos Frankenheim. Wird Wunders viel rauskommen uf dem Schweinfurter Tag.

Goppolt, am Fenster. Luget die blutrote Brunst! Ist größer worden statt kleiner.

Töppelin. Sehet die rote Lohe, eitel Flammen und Rauch!

Jos Frankenheim, eine Schrift hervorziehend. Dabei kann einer lesen, ihr Herrn.

Ochsenhans. Habt Ihr viel Unterschriften zusammenbracht?

Jos Frankenheim. Zweenhundert und meh.

Ochsenhans. Potz Küren Marter!

Jos Frankenheim. Wieviel habt Ihr?

Ochsenhans. Eine tapfere Zahl, obschon nit so viel als Ihr.

Jos Frankenheim. Bin von Haus zu Haus gangen. Überall willig ufgetan, eh und ich kunnte mit dem Klopfer zwier wider die Porten schlagen: Ist allen daran gelegen, daß die heilige Meß wieder ufgericht werd zu Rothenburg.

Barchart. Es nimmt ein End mit der Ketzerei.

Jos Frankenheim. Soll ich wohl deinen Namen hie auch untersetzen, Kilian Harnischweber?

Kilian. Was für eine Schrift ist es?

Jos Frankenheim. Eine Supplikation an den Rat zur Wiederufrichtung der Meß.

Christheinz. Dieweil itzt der Bruder Andreas nit in der Stadt ist, will der Teufel wiederum sein Gespenst machen bei uns; aber der Karlstatt wird widerfahren und allen höllischen Lügengeistern das Handwerk legen.

Jos Frankenheim. Schwerlich wohl wird er herwiderfahren. Haben ihn zu Würzburg übel empfangen. Leicht, daß er schon gar auf dem Rücken lieget. – Ihr seid doch je und immer des Karlstatts Freund gewest, Meister Kratzer. –

Kratzer. Ein Wirt ist allweg ein Freund seiner Gäste. So bin ich des Karlstatt Freund geweset.

Ein Bürger. Kann mancher den Wein wohl waschen. Sich selber reinwaschen von Schuld, die man uf sich geladen vor aller Welt, ist ein übler Ding.

Jos Frankenheim. Grübelt Ihr in der Nasen, Meister? Wollen Euch die Grillen nit steigen? Potz Leichnam Angst, Meister, was tut's, wenn ein Wirt zur Hölle fährt? Angepichtes Bier und schweflichten Wein gewohnet er, so wird ihm hernach Pech, Schwefel und Feuer nichts nit anhaben.

Christheinz, an einem andern Tisch Platz nehmend. Kommt, liebe Brüder! Er hebt die Kanne zum Trunk. Uf daß den Schwäbischen Bund mitsamt seinem Georgen Truchseß vollends der Teufel hole! Gelächter an Frankenheims Tisch.

Beheim, brüsk. Der Schwäbische Bund hängt verstrickt an eim Nagel an der Wand. Gelächter an Frankenheims Tisch.

Christheinz. Daß dir's blau Feuer, Kilian! Hältst du es itzt mit andern Leuten?

Kilian. Ihr Brüder, ich bin ein Harnischmacher. Wo die Bäurischen recht behalten, was soll aus meinem Gewerbe werden? Und was das Papsttum angehet, so hab ich je und immer gesaget: unter dem Krummstab ist gut wohnen.

Kunrat. Lasset die Götzenfleischfresser getrost maulen! Sie werden des Teufels Kirchen je nit wieder ufrichten zu Rothenburg.

Jos Frankenheim. Mancher, der itzt noch seine Zunge hat, damit er wütet wider Gott und Christum und die heilige Kirche, mag des Georgen Truchseß gedenken; hat manch einem Lügenpropheten die Zung aus dem Hals lassen schneiden. Leicht ist er näher, als sie vermeinen.

Christheinz. Wo der Götz nit wär, mit dreißigtausend bäurischen Brüdern, der wider den Truchsessen im Felde liegt, so wollt ich mir etwan ein'n Hasenkopf ufsetzen. Er lacht.

Goppolt. Spiel auf, Kläuslin, und singe eins!

Christheinz. Der Berlinger wird ihm die Feigen zeigen! Er ballt die Faust, so daß der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger vorragt.

Barchart. Meister Kratzer, wie steht's? Soll einer dürfen meh dann zween Weiber haben oder nit? Wie viele erlaubt Euch der Karlstatt?

Kratzer. Ihr Herren, warum gehet ihr nit und trinket beim Gabriel Langenberger euren Wein? Der ist euer Mann.

Jos Frankenheim, auf Marei anspielend. Eine Spindel im Sack, das Maidlin im Haus, das Stroh in den Bottschuhen mögen sich nit verbergen.

Christheinz und die andern trommeln auf den Tisch und rufen. Sing, Kläuslin, sing!

Christheinz. Sing uns das neue Lied vom Götzen von Berlichingen und vom Florian Geyer!

Kläuslin singt.
    Götz von Berlingen und auch sein Heer
    lag in der Stadt, als ich versteh,
    waren eitel Bauersknaben.
    Florian Geyer zu Heidingsfeld lag,
    über achtzehntausend Hauptmann was,
    waren eitel fränkische Knaben.

Jos Frankenheim und Genossen singen gleichzeitig.
    Den Münzer hat sein Geist betrogen,
    der ist nun hin und aufgeflogen,
    sie haben beid gut Ding gelogen,
    Thomas, der Herr der Höllengeister,
    und Luther, aller Lügen Meister.

Kratzer, beschwichtigend. Ihr Herren, Mitternacht ist vorbei! Haltet Frieden, Christheinz, he, Goppolt! Kläuslin, hör uf, es ist nit Singens Zeit!

Barchart. Itzt nehmet Ihr es auf einmal fast genau, Meister! Sust haben die Herren vom Ausschuß ganze Nächte durch hie geschlemmet.

Kratzer. Sitzt immerzu, ihr Herren, wo euch der Wein beim Gabriel Langenberger nit mundet. Nur daß ihr kein allzu wild Wesens anfahet.

Jos Frankenheim, höhnisch. Ihr habt die Schlüssel zu den Stadttoren, Meister?

Kratzer. Freilich wohl, solange der Ausschuß ganzer Gemeine sie mir nit abfodert.

Jos Frankenheim. Wie lange, meinet Ihr wohl, daß der Ausschuß den Gewalt noch zu Händen behält hie zu Rothenburg?

Kratzer. Just so lange, ihr Herren, als es Gott gefällt.

Jos Frankenheim steht auf und bezahlt. Der Kratzer ist sein Lebtag ein geduldig Schäflein und ein rechter Lämmermatz gewest.

Barchart. Ingleichen der Christheinz. Lachen.

Ochsenhans. Da wollten sie ein Jubeljahr anrichten, sollten die Witwen und Waisen getrost, die Kranken gesund, die Lahmen gehend werden gemacht.

Kilian. Ist eine hohle Hoffnung gewest.

Beheim. Als wann er nit auch ein evangelischer Bruder wär.

Kilian. Die Bruderschaft nimmt ein End, eh Kirchweih herankummt.

Beheim. Gedenk deines Schwurs, und daß du dich hundertundein Jahr der Bruderschaft zugelobt.

Jos Frankenheim. Gute Nacht, ihr Herren evangelischen Brüder, wo ihr itzt schlafen könnet.

Kilian. Holla, so Ihr meinet, ich hätte ein Finger gehoben damalen, als der Geyer uns den Eid abgenommen . . . Potz! davor hat mich der Himmel behütet. Und wär's nit so: gezwungener Eid ist Gott leid.

Kratzer, die Gäste hinausgeleitend. Gute Nacht, ihr Herren, gute Nacht, gute Nacht.

Frankenheim, Barchart, Ochsenhans und Kilian ab. Pause.

Beheim. Bruder, was haben die hier gewollt?

Kratzer. Nichts Gutes sicherlich nit.

Goppolt. Es heißt, gerüchtweis, der alte Rat sei zu heimlicher Sitzung zusammengetreten.

Töppelin. Ist eine Murmelung unter den Leuten; hab's auch zu Ohren bekommen.

Goppolt. Sie wollen, als die Red geht; durch Botschaften im bündischen Lager bittlich handeln lassen, daß man ihrer um Gottes willen schone.

Christheinz. Eh sollt man mich in den tiefsten Turm legen und den ober mir einwerfen, eh ich um Gnade tät bitten.

Kratzer. Ich wollte, der Menzingen wäre von Schweinfurt zurück.

Christheinz. Er ist hier vor der Kühle. Gebet acht, wie er die Mäuslein im alten Rat wird granten machen.

Goppolt. Der Kilian will sich aus der Sache schleifen.

Kunrat. Ist eine schwüle Nacht heut.

Kratzer, am Fenster, sich halb hinauslehnend. Es wird Regen geben. Am Ende gar ein Gewitter. – Gehet heim, Brüder, sust werdet ihr naß.

Töppelin. Rote Brunst, soweit einer siehet. Ist wahrlich mitnichten eine kleine Brandstatt.

Kratzer. Leer ist der Markt; ist lange nit so leer und ausgestorben gewest.

Goppolt. Ist noch dazu Pfingstabend.

Christheinz. Seid Ihr verdrießlich, Meister?

Kratzer. Ich weiß nit, Bruder. Am Ende, daß uns des Teufels tausendfündige List doch noch überfeiget.

Christheinz. Wollt Ihr Euch lassen in das Mauseloch bringen durch eitel Mißreden und ungeschickte Worte? Wann einer fliehet, so jagt man ihn.

Kratzer. Ei, Heinz, ich fliehe mitnichten, aber wenn ich's bedenke, wie der Karlstatt gered't hat: man müsse Gott zwingen und es ihm abtrotzen im Gebet, daß er uns erlöset, und hernacher siehet man, daß Gott dannoch den Teufel frei lasset wieder gewähren. Oder wenn man des Thomas Münzers gedenkt und seins gläubigen Muts und wie er gerufen hat: »Schmiedet pinke pank auf dem Amboß Nimrot, lasset eure Schwerter nit kalt werden, Gott gehet uns für.« Wie lasset es Gott dann zu, daß die Fürsten unter die armen gläubigen Leut mit Mord und Blut fallen, sie würgen und erstechen, daß kaum einer sein Leben davonbringt?! So ist es bei Frankenhausen beschehen. Haben die armen Leute gesungen: »Nun bitten wir den Heiligen Geist«, und also singende hat man sie lassen treten unter die Hufe der Gäule, sie darniedergestochen, geschlagen und keinen geschonet.

Goppolt. Und dannoch wird Gott festhalten über seinem Wort.

Man hört jäh ein Geräusch, wie wenn ein Balken oder Baum umfällt. Unmittelbar danach ein kurzes Triumphgeschrei. Alle erschrecken.

Christheinz. Potz Leichnam Angst, was ist das?

Goppolt. Laßt uns mitsammen gehn und der Sachen nachforschen.

Kunrat. Es ist uf'n Markt gewest.

Beheim. Es muß nit fern sein gewest, wo der neue Galgen steht, den die Bäurischen haben lassen ufrichten.

Feistle, schlüsselbundklirrend durchs Fenster hereintretend. Meister!

Kratzer. Was gibt's?

Feistle. Habt Ihr den Fall gehört?

Kratzer. Sollt's meinen. – Ja.

Feistle. Der neue Galgen ist abgebrochen, hie uf'm Markt.

Kratzer. Dacht ich's doch. Komm herein, Feistle.

Christheinz. Das sind welche von der alten Partei gewest. Gute Nacht, Kratzer. Kommt, lasset uns zuschaun! Leicht, daß wir noch einen von den Leuten greifen und ihm mit den Bengeln den bäurischen Schön Dank sagen.

Goppolt. Gute Nacht.

Kunrat. Gute Nacht.

Beheim. Gute Nacht.

Töppelin. Gute Nacht.

Kratzer. Ich wünsch euch allen gute Ruh, ihr Brüder!

Christheinz, Goppolt, Kunrat, Beheim, Töppelin ab.

Kratzer, zu den Spielleuten, die ihr Geld zählen. Geht schlafen! Im Stall ist eine Streu geschüttet. Dies und das in Ordnung legend. Ihr werdet das Lied vom Geyer am längsten gesungen haben. Lasset euch von ein'm bündischen Reiter ein neues machen. Feistle tritt ein und hängt ein Schlüsselbund auf. Von welchem Tor sind sie?

Feistle. Vom Klingentor. – Soll die Dirne hie bleiben?

Marei, im Traum plappernd. Hallo! was gibt's? Hallo! was gibt's? Hörst nit hoch in der Luft? Bist ein Heid, Tellermann? Weißt nit, daß sie ewiglich tanzen muß, die Herodias? Hier, Kapitän. – Ja, Kapitän. –

Feistle. Sie sagen, sie sei von der Teufelsgilde, verstund sich auf Hagelsieden und uf gesalbten Stecken fahren. Glaub's aber nit.

Kratzer. Ei, laß sie schlafen.

Feistle. Gute Nacht. Er und die Spielleute ab.

Kratzer schließt die Fensterläden; plötzlich erschrickt er und wendet sich um. Wer ist hie? – Ist indertwer hie?

Stimme. Ich.

Kratzer. Loset! Was ist das für ein Wesen?

Stimme. Wir mögen von den Pfaffen nit genesen. Kennt Ihr den Bruder Andreas nit mehr?

Kratzer, doppelt erschrocken. Der Karlstatt? Um Gottes willen, wo kommst du her, Bruder?

Karlstatt. Von Würzburg. Er tritt aus dem Dunkel heraus, abgerissen, bestaubt, entstellt bis zur Unkenntlichkeit.

Kratzer, ungläubig. Bruder, wer bist du?

Karlstatt. Bist du so gar angebrannten Herzens, daß du mich nit mehr kennst?

Kratzer. Wahrlich, ich habe Euch nit mehr kennt, Bruder Andreas.

Karlstatt. Itzt aber kennest du mich?

Kratzer. Kommst du von Würzburg?

Karlstatt. Ja, Bruder! Mit knapper Not mein arm Leben von ihnen gebracht.

Kratzer. Heiliger Gott! Heiliger Gott! Habt Ihr so schlechte Seiden gesponnen im bäurischen Läger?

Karlstatt, immer ächzend und schwer atmend. Die Hölle ist zu Würzburg. Gott! Gott! Ich bin ein treuer Diener am Wort und acht mein's elenden Lebens fast gering, aber ich hab müssen Dinge sehen . . .

Kratzer. Bruder, was willst du hie?

Karlstatt. Ein wenig Wasser. Ich hab eine Wunde am Bein. Einen Trunk, einen Bissen Brot.

Kratzer. Bruder, Gott sei mein Zeuge, ich kann dich nit fer meh hausen und hofen.

Karlstatt. Ist auch unvonnöten.

Kratzer. Die Ehrbarkeit recket die Köpfe herfür, achten mir uf das Gewerb, und wo nit des Truchsessen Glück wendig wird, so hab ich Galgen und Rad zu befahren.

Karlstatt. Schwerlich wohl, daß es wird wendig werden.

Kratzer. So ist deines Bleibens nit meh hie zu Rothenburg.

Karlstatt. Bruder! – Da sorge dich nit! Gib mir ein heil Gewand, ein Stück Brot, einen Trunk Wassers oder Weins, Gott wird's dir lohnen. Alsdann will ich den Staub dieses armen gottverfluchten Landes von meinen Füßen schütteln und mich in die Fremde tun. Ich hab keine Vertröstung dann allein, daß ich meiner Sachen gerecht bin gewesen. Hat ein Aussehn gehabt, als sollte der Frühling hervorkeimen allenthalben, ist aber alles wiederum verfaulet in Finsternis.

Kratzer. O lieber Bruder, wie mancher wird itzt nach der Sonne frieren, wo Schatten und Nacht wiederkehret.

Karlstatt. Itzt werden sie wieder daherfahren mit ihren falschen kirchlichen Bräuchen: Fegfeuer, Seelbad, Ablaß, Heiligendienst, Ölgötzenweihen, Glockentaufen, Fastenhalten, Beichtmarter.

Kratzer bringt Essen und Trinken. Da iß, trink und stärk dich, Bruder Andreas.

Karlstatt. Bruder, in dieser schweren Zeit hat Gott mir Dinge gezeiget . . .! Die Menschen sind ein verfluchtes, verruchtes Geschlecht. Die Speise verstehet mir, so ich der Greul gedenke. Vor meinen sehenden Augen haben sie einen in Stücke gehauen und einander geworfen mit dem blutigen Fleisch. Sie haben ihn geschlachtet, wie man ein Kalb metzget, und er hat laut schreiende sich gewehret, daß ich mir hab beede Ohren verstopfet und dannoch Grausens bin worden und mir der Angstschweiß ist ausbrochen. Da hab ich bei mir gedacht, es ist Gottes Wille, daß diese zur Hölle fahren, und bin von ihnen geflohen.

Es wird stark an die Haustür geschlagen.

Marei, aus dem Schlaf aufschreckend und aufspringend, ruft. Kapitän! Sie stürzt hinaus.

Kratzer. Verbergt Euch, Bruder! Bei allen Gliedern Gottes, wo man Euch bei mir findet, der Meister Veit Mehder ziehet uns beede am nämlichen Galgen zu. Heb dich hinaus, Bruder!

Karlstatt. Heilige Anna, hilf! Er wird von Kratzer ins Hinterstübchen gedrückt. Erneutes Klopfen.

Kratzer. Holla, was gibt's? Potz Rehmschend! Es ist nachtschlafende Zeit. Ab in den Hausflur. Ein Schlüssel wird umgedreht, eine Tür geht, Schritte von Gewappneten und Stimmen werden hörbar. Rektor Besenmeyer tritt ein, sehr erschöpft. Er vertritt sich die Beine.

Rektor Besenmeyer. Mere, ein saurer Ritt!

Menzingen, eintretend. Habt Euch brav gehalten, Bruder, als wäret Ihr reisig gewest von knabenweis!

Rektor Besenmeyer. Sie! Sie! Sie!

Menzingen, zu Kratzer, der hereinkommt. Bruder, wie stehet es noch bei uns in der Stadt, seither sie mein Angesicht nit haben gesehen?

Kratzer. Übel. Die Wahrheit zu sagen, Bruder, übel genug. Die alte Partei fängt an und reget sich, Der Thomas Zweifel und die Herren von der Ehrbarkeit zeigen sich uf'm Markt. Die Bürgerschaft ist kleines Lauts, treten aus dem Weg, machen Reverenzen und grüßen demütiglich. Der Jos Frankenheim von der alten Partei hat sich mit seinen Gesellen des Dings unterstanden und ist bei mir eingekehret, wollen die alte Meß wieder ufgericht't haben. Spitze Reden geführet, ungeschickte Worte, hab einen Höllenschweiß müssen aushalten.

Rektor Besenmeyer. O cordolio, o cordolio! Die Spule ist leergelaufen, neues Garn nit zu finden. Was suster noch Schlimmes?

Kratzer. Der Bruder Andreas ist wieder hie.

Rektor Besenmeyer. Wo?

Kratzer, zurechtweisend. Dort hinter der Tür.

Rektor Besenmeyer, im Abgehen gedämpft rufend. Bruder Andreas!

Menzingen. Ist ihm der graue Wolf gehetzt und das Fell genugsam zerzogen. Wo wir ihn warneten, hat er uns nicht geglaubet.

Geyer erscheint in der Tür, zurücksprechend. Hab Urlaub. Schütt dem Gaul Habern in die Krippe. Mach flugs, es wird nit lang Sattelhenkens sein.

Marei, unsichtbar. Ja, Kapitän.

Geyer. Marei!

Marei. Ja, Kapitän!

Geyer. Du mußt mir einen Botendienst tun.

Marei. Ja, Kapitän.

Geyer. Tritt her, schau mir ins Gesicht. Was hast in den Augen?

Marei, sichtbar vor ihm. Weiß nit.

Geyer. Ein Fünklein höllisches Feuer. Mein Weib hat mir ein'n Brief überschicket, lieget mir hart an, schmieret mir das Maul mit guten Worten, ob ich nit wollt mit dem Truchsessen vertragen sein. Reiset herum bei Fürsten und Pfaffen, Fürsprach zu erlangen. Du sollst ihr gen Rimpar meine Antwort bringen.

Marei. Ja, Kapitän.

Menzingen. Ist deine eheliche Hausfrau zu Rimpar, Bruder?

Geyer. Ja, Bruder. Sie meinet, ich soll heimkommen, das Schlötterlein drehen und dem Kind in der Wiege das Jüdel scheuchen. Da schütze mich Gott vor. Bin nie kein Windelwäscher gewest. Gott zum Gruß, Meister!

Kratzer. Gottes Dank. Was bringt Ihr von Schweinfurt Guts?

Geyer. Hunger und Durst. Laß auftragen!

Menzingen. Von einem markgräfischen Geleit nichts zu verspüren?

Kratzer, im Abgehen stehenbleibend. Geleit? Da sehet doch zu! Der Himmel ist rot. Der Markgraf senget und brennet in unserer Landwehr. Die Dörfer krachen vom Feuer. Schreibet den Geleitbrief mit Feuer und Blut. – Wie steht es zu Brettheim?

Geyer. Sie schmecken den bündischen Rauch. Hab mit Bewilligung eines Rats umschlagen lassen in allen Dörfern, ein klein Häuflein Gesindels gemustert, alles wieder zerlaufen.

Karlstatt und Besenmeyer kommen, Kratzer ab.

Karlstatt, in nervöser Schwäche weinend. Gott zum Gruß, Brüder!

Geyer. Der Teufel den Schneider! Wie hat er Euer Kleid verderbt!

Karlstatt. Oh, Bruder, ach, Bruder!

Geyer. Seid Ihr so fast von Färb kommen wie ein Jud? Er hat sich am Tisch niedergelassen. Setzet Euch zu uns! Wie sieht es zu Würzburg aus?

Karlstatt, in weinender Wut. Morden, Stehlen, Buben, Katzbalgen, Huren, Saufen, Gott verlästern, dem Teufel Tag und Nacht dienen, Gottes Zorn herbeirufen, Bruder, was red ich, was sag ich? Junge Kinder und zitternde Greise, Unzucht, Schande und Laster, Sodom und Gomorrha!

Geyer. Meintet Ihr, englische Kinder und sanftlebende Brüder zu finden? – Es ist schwül überaus, tuet die Fenster auf.

Kratzer. Bruder, ich wag es nit. In der Ratstrinkstube sitzen noch Leute, und wo sie hier Licht sehen . . .

Geyer, mit Kreide auf dem Tische zeichnend.

Rektor Besenmeyer. St. Urban und seine Plag haben vor diesmal den Frühling um den Sommer betrogen. Mit den übrigen am Tisch sitzend, tief seufzend. Suspicatur animus nescio quid mali.

Geyer. Was soviel heißen will als: dein Herz ahnet Schlimmes. Meines auch, Bruder. Ich hab Sterne fallen sehen. Wie ich vorhin uf'm Gaul hing, halb schlief und halb wachete, da wüßt ich, was es bedeutet: neuen Mord und daß Pfaffen, Mönch und Nonnen werden. – Zeichnend. Es reuet mich fast, es reuet mich fast. – Habt Ihr sust Posten für mich?

Karlstatt. Nein, Bruder. – Aber wo ein Verständiger zu Würzburg noch etwas hoffet, so wartet er des Stündleins, wo Ihr wiederkehret. Pause.

Geyer, zeichnend. Der nagende Hund liegt mir unterm Herzen, dieweil ich zu leben hab. Pause.

Rektor Besenmeyer. Wir halten ein richtiges Klostersilentium.

Geyer. Der heimliche Kaiser muß weiterschlafen. Die Raben sammeln sich wieder zu Haufen. Plötzlich verändert. Wein! Wein! – Der Götz ist dem Truchsessen entgegen? Wieviel Bäurische schätzet Ihr noch in den Lägern?

Karlstatt. Ob zwanzigtausend.

Geyer. Wein! Wein! Laßt uns die Letze miteinander trinken. Zu Marei, die erscheint. Marei, steig hinab in den Keller. Der Meister Kratzer wird dir den Wein geben, den der Rat uns letzthin verehret hat.

Kratzer, mit den Kellerschlüsseln im Begriff abzugehen, steht er still. Was mache ich doch mit der Truhe, ihr Herrn?

Geyer. Habt Ihr Kostbarkeiten darin?

Menzingen. Die Papiere des Ausschusses, Bruder! Hie kann einer ufs Haar sehen, wer im Ausschuß gered't hat und was einer gered't hat.

Kratzer, im Abgehen. Schick dich, Marei. Er und Marei ab.

Rektor Besenmeyer, nach einer Pause zu Geyer, der noch immer mit Kreide auf der Tischplatte zeichnet. Bruder, was habt Ihr doch vor Euch hingered't vom heimlichen Kaiser? Einige sind, die sagen, der Handel hätte darauf gestanden, das Haus Habsburg zu stürzen. Dieselbigen sagen dann, Ihr hättet französische Bestallung. Ihr wolltet den vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg zu einem deutschen, evangelischen Kaiser machen.

Geyer. Bruder, es ist ein Hahnensteigen gewest nach der deutschen Kron.

Rektor Besenmeyer. Bruder Geyer, Euch trau ich, wie ich mir selber nit traue, aber saget mir doch: war der Lärmen im Reich angefacht dem König Franziskus zulieb, der itzund vom Kaiser gefangen ist, und haben die Leute recht, weil sie sagen: französische Stüber und Sonnenkronen hätten das Beste getan bei dem bäurischen Handel?

Geyer. Bruder, es sind niemalen subtilere Praktiken im Gange gewest, und wahr ist's, der Wind wehete stark von West. Sollen wir aber nit unsere Segel spannen, wo wir gen Osten wollen schiffen, allein weil der Wind von Frankreich wehet?

Rektor Besenmeyer. Wenn der Schiffer gen Osten segeln will, sagst du, Bruder . . .?

Geyer. Wer nach den neuentdeckten Inseln fahren will, nutzet die Winde, wo sie wehen. Er kann mitnichten immer gradaus schiffen, nur daß er sich selbst Glauben hält und dem Ziele treu bleibe. – Marei erscheint mit zwei großen Weinkrügen. Wein! – Wein! – Wein von dem Rhein! Ich will das Rädlein noch einmal treiben.

Karlstatt. Ich fürcht, es wird mit all unserm Schweiß und Blut nit meh zu gewinnen sein.

Geyer. Schenk ein, Marei. – Wenn ich über acht Tage noch das Leben habe, so sollst du zehn Paar kordowanische Schuh bekommen, dazu drei Mäntel: einen rosenfarbenen aus Mecheln, einen lombardischen, einen rauchfarbenen aus Brügge. Er faßt ihre langen Haare in zwei Strähnen wie Zügel. Du sollst dich in gelber Seide tragen, als wenn du einen safrangelben Nürnberger zum Vater hättest. Tut die Fenster auf, Brüder!

Marei. Ich brauch keine Mäntel und keine kordowanischen Schuh.

Geyer. Trink, Marei! . . . Trink, du Schleck! Während Marei trinkt. Dein Haar ist mir lieber wie das der allerseligsten Jungfrauen. Pause.

Rektor Besenmeyer, indem er die Kanne nimmt. O Gramschaft, Gramschaft. Er trinkt. – Zu Karlstatt. Was wißt Ihr von Thomas Münzer, Bruder?

Karlstatt, der bisher gierig gegessen hat, spricht mit hohler, zitternder Stimme. Sie sagen, er sei gefangen, uf die Folter gespannt, darnach aber uf ein'n Wagen geschmiedet, dem Grafen von Mansfeld überschickt für einen Beutpfennig.

Rektor Besenmeyer. Wie fing sich der Handel so glücklich an und wie fast gewaltig, und wie gehet er gar so kläglich aus!

Geyer. Trinkt, ihr Brüder. Traurigkeit vertrocknet die Gebeine. Glück ist ein Haus, darin einer zu Gast darf weilen eine Stund oder zwei. – Ich bin ein freier Franke!

Rektor Besenmeyer. Itzt werden sie alle Brunnen wieder verschütten.

Karlstatt. Bruder, sie waren's nit wert, aus den Lauterquellen zu trinken.

Rektor Besenmeyer. Und dennoch rufe ich: Es lebe die ungemeisterte, unüberwindliche Wahrheit, wie ich sie verstehe!

Karlstatt. Wie verstehet Ihr sie?

Rektor Besenmeyer. Die Vernunft ist aller Wahrheit Urquell, nit aber eine verfluchte Hur, wie sie der Luther genennet. Sie ist alles Glückes Urquell und aller Rechte Urquell.

Karlstatt. Der Meinung kann ich nit sein. Das ist ein heidnischer Glaub, Bruder. Mag sein: die Heiden lehren, dies irdische Leben wohl und glücklich hinzubringen . . . aber jenes Leben –?! Rektor Besenmeyer zuckt die Achseln.

Geyer, seufzend.
    Im Himmel, im Himmel sind Freuden gar viel,
    da tanzen die Engel und haben ihr Spiel.

Rektor Besenmeyer. Ich habe gelebt und gewirket in der tröstlichen Meinung, uf die einst Graf Eberhart von Württemberg die Hohe Schule zu Tübingen gegründet hat: graben zu helfen den Brunnen des Lebens, daraus von allen Enden der Welt unversieglich möge geschöpft werden tröstliche und heilsame Weisheit zur Erlöschung des verderblichen Feuers menschlicher Unvernunft und Blindheit.

Menzingen. Sie verschütten die Brunnen; das schädliche Feuer brennt hellichterloh!

Geyer. Marei, Musik!

Kratzer, wieder eingetreten. Bruder, wollt Ihr Musik?

Geyer. Musik will ich haben!

Kratzer, ängstlich. Sie schleichen mir um das Haus. Es ist tief in der Nacht. Besorg, wir sind nit meh sicher, Brüder.

Menzingen. Ei Kotz! So lasset sie doch getrost hereinkehren. Ich will ihnen bei meinem Eid –

Kratzer, hastig. Still, still, Bruder! – Still! – Ich hab Schritte gehört.

Es wird mit einem eisernen Gegenstand laut gegen die Tür geschlagen. Alle erschrecken, bleiben stumm und fassen nach den Wehren.

Menzingen, heftig, aber leise. Geht! öffnet! – Kotz, geht und öffnet!

Kratzer tut es, laut sprechend. He, ho, holla! Geduld! 's ist nachtschlafende Zeit. Erneutes Pochen. Hie pochet ja einer, als ob er Geld brächte. Kratzer ab.

Man hört, wie die Haustür geöffnet wird und ein Gewappneter förmlich hereinfällt. Kurze, heisere und atemlose Schreie.

Kratzers Stimme. Wer seid Ihr? Was wollt Ihr? Wen suchet Ihr?

Tellermanns Stimme. Mort de ma vie! Hand weg! Traître! Faquin! Bourreau! Schurk!

Geyer springt auf. Der Tellermann! – Bruder, Bruder! Hie bin ich!

Tellermann stürzt mit letzter Kraft herein, bis in die Mitte des Zimmers; er ist in einem verzweifelten Zustand, zerlumpt, verwundet, blutend, und trägt den Stumpf einer schwarzen Fahne; er glotzt wild und forschend um sich und schreit nach falscher Richtung. Kapitän! Kapitän!

Geyer. Hie bin ich, hie!

Tellermann. Bruder Geyer! Bruder Geyer! – – Götz – – verfluchter Verrat – – alles verloren – – Königshofen –

Geyer, außer sich. Tellermann, Bruder, Blutsbruder, komm zu dir! Marei, Wein! – Tellermann! – Wein! Hier, Marei, wir wollen's ihm eingießen. Komm zu dir, Bruder!

Tellermann lallt. K–önigshofen.

Geyer. Was sagst du, Bruder?

Tellermann, bewußtlos. Königshofen.

Rektor Besenmeyer. Er stirbt!

Menzingen. Hie ist keine Rettung meh.

Kratzer, hereinkommend. Ist alles voll Bluts. Uf der Schwelle und uf der Dielen. Er schweißet freislich.

Geyer, rasend. Er stirbt! Bei St. Annen! So holt doch den Wundarzt! Was stehet ihr hier?

Tellermann, phantasierend. Her! Her! Wohl her! Schurk! Steh, Schuft, steh! – Die Reiter, die Reiter! Das Geschütz, das Geschütz in sie arbeiten lassen! – Pfui, schwarzer Tod! Mort de ma vie! Fürchtet euch nit, liebe fromme Gesellen! Fürchtet euch nit! Schreiend. Fürch – – tet – – euch – – nit, – sag ich. – Löset die Büchsen! Stecht nach den Gäulen! Stecht nach den Kleppern!

Geyer. Bruder Tellermann, komm zu dir!

Tellermann. Ah! Ah! Der Berlinger! Wo ist der Berlinger? Aus dem Staube gemacht. – Das Pulver ist naß. – Verfluchtes Gesindel! Die Pferde nit von dem Geschütz nehmen! Laßt sie nit fliehen! – Kerls, fürchtet euch nit, stecht nach den Pferden! – Himmel und Hölle! Hund, komm an! Der Bewußtlose ist von Geyer und Menzingen auf eine Bank gelegt worden. Er wird stille. Draußen dumpfes Volksgemurmel. Kratzer hat sich über die Truhe hergemacht und stopft die Papiere daraus in den Ofen, so schnell er kann. Karlstatt hat sich erhoben, ist zu Kratzer getreten und hat sich mit ihm stumm verständigt. Darauf ist er hinausgegangen. Die beiden alten Spielleute sind unbemerkt eingetreten und haben sich an ihrem alten Platz zurechtgesetzt.

Geyer, über den immer schwächer Atmenden gebeugt. Braver Tellermann! Alter braver Tellermann!

Karlstatt tritt wieder ein mit einem großen Linnen, das er feierlich auf der Erde ausbreitet. Er, Menzingen und Besenmeyer nehmen darauf, Geyer sanft bedeutend, den Sterbenden von der Bank.

Karlstatt, feierlich. Hie stirbt ein Christ! So erscheine er denn vor Gott wie ein Christ in tiefer Demut zur Erde erniedrigt.

Tellermann wird feierlich auf das unten ausgebreitete Linnen gelegt. Pause.

Rektor Besenmeyer, leise. Was hat er gelallt, Bruder?

Geyer, leise. Königshofen.

Karlstatt. Es sind die dreißigtausend des Götz.

Menzingen, laut. So bin ich am Ende mit allem Meinen und kann gen Straßburg auf die Hochzeit ziehn.

Geyer bei Tellermann kniend.

Karlstatt, in Beterstellung. Es geht zu Ende mit ihm.

Geyer. Er schläft. Gute Nacht! Er drückt ihm die Augen zu. Pause.

Karlstatt. Der Morgen beginnt zu grauen, ich muß fort.

Rektor Besenmeyer. Wohin?

Karlstatt. Hab gute Kunden, fromme Evangelische, da und dort im Land. Wo Gott mir weiter hilft, gedenk ich mich durchzuschleifen in die Schweiz.

Menzingen, zu Geyer. Was wirst du tun, Bruder? –

Geyer erhebt sich. – – Ich hab den Marco Polo gelesen . . . von dem edlen Ritter und Landfahrer. Was meinst du? Soll ich uf ein Schiff gehen und übers Meer reisen?

Menzingen. Willst du nit suchen gen Frankreich entkommen?

Geyer. Der Langenmantel schreibt mir, und ich trage den Brief zween Wochen im Sack, ich soll mich wieder in französische Dienste tun. Zu Pavia ist es gewest; haben wir fest gestanden, der Tellermann und ich und ein Dutzend freier, mannfester Knecht. Wollten die schwarze Fahne mitnichten verlassen; der Überzahl uns erwehrt bis Sonnenuntergang und hernacher wir das Panner doch von ihnen gebracht. Ist dem König Franziskus von Frankreich zu Ohren gekommen, wie wir allda unsres Eides so treulich gewartet, und ihm fast Wohlgefallen.

Karlstatt. So kommt, Bruder, lasset uns miteinander pilgern.

Geyer, sich reckend. Gefehlt! Itzt hab ich einer göttlichen Sache gedient. Itzt dien ich keinem König mehr. Marei, bring mir den Brustharnisch! Er dehnt sich. Ich wünscht, ich wär der heilige Fortunat mit seinem Wünschhütlein und immer vollem Säckel. Aber ich bin es nit. – Schlaf, alter Tellermann! – Holla, spielet auf! Es wird mir leicht ums Herz. Zu Marei, die ihm den Brustharnisch bringt. Dank dir, Marei. Während ihm der Harnisch angelegt wird. Wo ist man die erste Nacht nach dem Tode?

Marei. Bei St. Gertrauden.

Geyer. Wo ist man die zweite Nacht nach dem Tode?

Marei. Bei St. Michel.

Geyer. So will ich übermorgen St. Gertrauden und über drei Tage St. Michel von euch grüßen. – Fürchtet euch nit, singt! Den Toten weckt ihr nit auf.

Kläuslin singt mit einer alten, zitternden Stimme. Der Florian Geyer zu Weinsberg was . . .

Geyer. Sieh zu, ob der Gaul gefressen hat; es wird ein scharfer Ritt werden. Marei ab.

Kläuslin singt. Ergriff er die schwarze Fahne und sprach: Auf, liebe Gesellen mein, jetzt wollen wir das Schloß gewinnen. Die Rührung übermannt Geyer, er hat sich niedergelassen und weint. Pause.

Geyer. – – – Ihr Herren, ich schäme mich nit vor euch. Ich hab nit um mich geweinet.

Marei, wiedergekehrt. Der Gaul ist gericht't.

Geyer. Schnall fester, Marei, ich muß das Eisen fühlen. – Deutschland ist ein gut Land, ist aller Länder Krone, hat Gold, Silber, Brot und Wein genung, zu erhalten dies Leben reichlich. Aber es ist der Zwietracht kein End. Die Pfaffen binden es, die Fürsten zerstückeln es. Aber Pfaffen, Fürsten und Fugger und Welser zehren von seinem Mark. Ich hab gedacht, ich wollt Wandel schaffen. Wer bin ich, daß ich's gewagt? Sei's drum: »Von Wahrheit ich will nimmer lan« . . . Den Helm, Marei! – »Das soll mir bitten ab kein Mann, auch schafft zu schrecken mich kein Wehr, kein Bann, kein Acht« . . . Die Armschienen fest, ich will mich damit begraben lassen . . . »Obwohl mein treue Mutter weint, daß ich die Sach hab fangen an, Gott woll sie trösten . . . Das Schwert umgürtend. Es muß gahn.« – So, itzt bin ich gefaßt. Lebt wohl, liebe Brüder, es müßte Wunders zugehen, wann wir uns sollten wieder begegnen. Tut mir Bescheid: Ulrich von Huttens Gedächtnis! Des Sickingen Gedächtnis! Sein Sohn ist ein Hundsfott, hat sich zu den Bündischen getan.

Karlstatt, in seltsamer Gehobenheit. Bruder Geyer, das große Feuer lieget darnieder, ich glaub, auf lange. Aber im Evangelium steht: das schwankende Rohr wird er nit zerbrechen und das glimmende Docht wird er nit auslöschen.

Menzingen. Und über das: »Will's Gott, so mag's noch werden gewend't«.

Geyer. Lustig, Brüder! Warum sollen wir nit lustig sein? Die heilige Agathe ging zum Märtyrertod als wie zum Tanz. Das heilige Mädchen Anastasia verachtete den Tod, und wir sind Mannskerle. Zu Tellermann. Ade, Kamerad, Ade! Er kniet neben ihm nieder. Hast brav ausgehalten, Landsmann, hast tapfer gewerket, Landsmann, und Frieden und Schlacht ehrlich erarnet. Laß itzt. Er bemüht sich, den Fahnenstumpf aus Tellermanns fest umklammernden Händen zu winden. Willst sie nit hergeben? Ei, Bruder, gib dich zufrieden. Auf Bauernehr, Bruder! ich will ihr so treu sein wie du. Aufgestanden. Leb wohl! Wenn's glückt, so soll sie der Truchsessen von Waldburg noch einmal sehen flattern.

Geyer, Kratzer, Menzingen und Karlstatt ab.

Rektor Besenmeyer, allein. Blutige Pfingsten.

Kratzer kommt, hat es gehört. Die Läufte stellen sich uf den Kopf. Zu Ostern entstieg der Heiland dem Grabe. Zu Pfingsten schlägt man ihn wieder ans Kreuz. – Am Ofen. Das Feuer ist aus.

Menzingen kommt. Der Geyer ist fort. Was wird aus uns?

Rektor Besenmeyer, die Leiche berührend. Das Feuer ist aus.

Menzingen. Wo unsre toten bäurischen Brüder im Himmel einziehen, wird es ein langer Zug werden.

Kratzer. Werden wir mit im Zug sein?

Menzingen. Man wird uns in den Hundsgraben verscharren.

Rektor Besenmeyer. Was liegt an mir? – Ich bin ein alter Mann.

 


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