Gerhart Hauptmann
Florian Geyer
Gerhart Hauptmann

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Dritter Akt

In einem mittleren Zimmer des Rathauses zu Schweinfurt. Rechts Eingang in die große Ratsstube. Löffelholz, ein nasses Tuch um den Kopf gewunden, sehr blaß und kränklich, sitzt an einem Tische über Schriften. Sartorius ihm gegenüber. Einige Boten warten auf Bänken. Unter ihnen der alte Jude Jöslein.

Sartorius. Möchte doch etwas Fruchtbarliches auf dem Landtag gehandelt werden.

Löffelholz. Wenn nur der Markgraf nit losschlägt! – Jud!

Jöslein. Euer Gnaden.

Löffelholz. Wie lange bist du hinter dem Truchsessen und den Bündischen dreingezogen?

Jöslein. Ein armer Jud muß reisen auf seiner Mutter Fell, darf sich keine Ruh nit vergönnen. Bin ich dreingezogen hinter dem bündischen Schlaghaufen ob vier Wochen. Gott du gerechter! Was ein grausamer Herr ist der Truchseß. Behenket die Bäume mit Bauernleichen. Meh dann sechstausend Mann hätt er bis diese Stund richten lassen von des Schwäbischen Bundes Profoß. Mein! – Mein! –

Sartorius. Wer hat dich herbestellt, Jud?

Jöslein. Seiner Gestrengen, der Herr Junker Wilhelm von Grumbach.

Sartorius. Wo hast du Seiner Gnaden zuletzt gesehen?

Löffelholz. Gott hat Gnaden zu vergeben, aber kein elender Madensack als der Bruder Grumbach.

Jöslein. Bei Seiner Liebden, dem Herrn Markgrafen zu Ansbach, mit Verlaub, im Feldlager nit fern von Kitzingen.

Sartorius. Stehet der Markgraf schon vor Kitzingen?

Jöslein. Ich will nit ehrlich sein. Ich will niederknien, und ihr sollt mir Wasser ins Maul schütten: ich will darauf sterben, wenn der Markgraf nit vor Kitzingen liegt.

Sartorius. So helfe Gott meinem Junker den Markgrafen persuadieren, daß er dareinwillige, den Geyer zu ihm vergleiten zu lassen und uf Anstand und Vertrag mit ihme zu handeln.

Löffelholz. Ich traue dem Wilhelm von Grumbach wie einem Fuchs.

Jöslein. Der Junker von Grumbach ist ein Maschgeh.

Sartorius. Was heißt »Maschgeh«?

Jöslein. Er ist'n Maschgeh, sein Chafol und sein Chuf ist nicht tuw.

Sartorius. Ist das ebräisch?

Jöslein. Jawohl, Euer Hochgelahrt. Ebräisch, Euer Hochgelahrt. Die Sprache, die Gott geredet hat mit den Menschen, Euer Hochgelahrt.

Link, eintretend. Habt ihr gehört: hie in der Stadt ist das Gerücht verbreitet, die Bündischen hätten Weinsberg in Grund verbrannt mit allem Gut, das darin ist gewesen?

Löffelholz. Woher habt Ihr die Post?

Jöslein. Es ist richtig, ihr Herren, es ist alles wahr. Weinsberg in Grund verbrunnen.

Link, grob. Bist du dabeigewest, Jud?

Jöslein. Ich bin so gewiß dabeigewest und hab Weinsberg so gewiß brennen sehn, als Ihr mir hundert Gülden schuldet, Meister Bermetter. Mein! – Mein! – Ich werd's nit vergessen, und sollt ich flugs meh Jahre leben als Abraham, Isaak und Jakob! Weib und Kinder herausgeführet, wehrhafte Leut sind nit innen gewest, haben gejammert, geschrien und die Haare gerauft. Hätten sich dannoch viel eher die Steine erbarmt, dann sich Herr Georg Truchseß über sie erbarmet hätt, hie zu Schweinfurt.

Link. Einen Kerb meh ins Spießlein gemacht. Je größer die Schuld, um so blutiger wird die Strafe sein. Mort de ma vie! Ich will den Truchsessen mit der Glefe kitzeln, daß der rote Saft hernachgehet.

Löffelholz. Oha! Läßt ein Räupsen, daß es kracht. Gemach, Bruder Link! Eure hochpochenden Worte schlagen den Feind nit.

Link lacht stark und verlegen. Mort de ma vie! Welche Hexe hat Wetter in Euch gemacht, daß Ihr sogar das Maul krümmet und sauer sehet?! Ab.

Jöslein. Ist immer beschöchert. Ich hab ihm müssen schilen hundert Gulden und fünfzig Gulden Schätzung zahlen, daß er mir nit zu Würzburg mit seinen Zechgesellen durchs Haus geloffen. Flammenbecker tritt ein.

Löffelholz. Habt Ihr von einer markgräfischen Botschaft ichtwas gesehn in der Stadt?

Flammenbecker. Nein, Bruder.

Sartorius. Ist Euch der Junker von Grumbach nit ufgestoßen?

Flammenbecker. Der hochpochende Leutefresser und Bauernschinder, der alleweil mit Gold und Silber behenket einhertritt? Was gehet mich der an! Er setzt sich gähnend auf eine Bank.

Bubenleben kommt. Guten Morgen, liebe Brüder. Wie steht's, liebe Brüder?

Sartorius. Ich fürchte, es wird ein trauriger Landtag werden. – Briefe! Papier! Papierne Boten! Ausflüchte! Die Nürnberger Pfeffersäcke haben abgeschrieben. Windsheim hat abgeschrieben . . .

Rektor Besenmeyer tritt ein. Bona dies.

Löffelholz. Bene veneritis nobis.

Rektor Besenmeyer. Bist du krank, Bruder?

Löffelholz. Ich denke wohl. Es steht sehr übel um mich, hat mich ein elender Gaul vor die Brust geschlagen.

Rektor Besenmeyer. Bruder, tritt ab, leg dich nieder.

Löffelholz. Ich? Bewahr mich Gott. Soll mich der Henker im Bette finden?

Rektor Besenmeyer. Sieht es so übel aus um den Handel, Bruder?

Löffelholz. Es wird ein kläglicher Landtag werden.

Rektor Besenmeyer. Sursum corda!

Löffelholz. Sursum corda – facht Essen an.

Rektor Besenmeyer ist näher hinzugetreten. Mich will bedünken, liebe Brüder, als sei die Tagsatzung ein klein zu spät beschehen.

Bubenleben. Wie hätten wir doch sollen landtagen in letztverwichener Zeit?

Rektor Besenmeyer, zu Löffelholz. Damalen als die Gewalthaufen der Brüder um Würzburg zusammengezogen. Die Herren vom Adel waren alte Weiber und schier tot. Die Grafen von Hohenlohe hatten wir in der Hand. Henneberg und Wertheim waren in der Bruderschaft. Der Markgraf stund im Gedränge: seine eigenen Untertanen verwägerten den Gehorsam. Die Franken bedrohten ihn von Lauda und Aub. Unser Rothenburg verschloß ihm die Tore. In der Oberpfalz drohete damalen der Aufstand. Der Bischof zu Würzburg, ingleichen der Bamberger waren so hoch bedränget, daß sie nichts hätten mögen verweigern. Mainz, Straßburg und der badische Markgraf ingleichen nicht. Der Kurfürst von der Pfalz hätte nit anders gekunnt, dann den Landtag beschicken . . .

Bubenleben. Damalen hat keiner von einem Landtag gered't.

Löffelholz, mit Anstrengung redend. Der Geyer hat von einem Landtag gered't. Sein Ceterum censeo ist es gewest. Daß dich Potz Marter schänd. Hat euer keiner wollen hören. Damalen hatte der Truchseß noch kein Böblingen gewonnen, stunden ihm die Württemberger Schlaghaufen der Bauernschaft noch unbesiegt genüber . . . Potz, damals sollten sie wohl gekommen sein: Fürsten, Herren und Städte zumal, als die gehorsamen Hündlein; heut bleiben sie dahinten. – Setzet Euch zu mir, Bruder Rektor. Rektor Besenmeyer setzt sich zu Löffelholz und vertieft sich mit ihm in eine Schrift.

Sartorius. Habt Ihr nichts nit von meinem Junker bemerkt, Bruder Bubenleben? –

Rektor Besenmeyer. Was ist es für eine Schrift?

Löffelholz. Der Verfassungsentwurf. Ihr wisset, Bruder Rektor, von dem Ausschuß, den sie erwählt haben aus gemeiner Bauernschaft deutscher Nation, die neue Reichsreformation und Verfassung zu beratschlagen; haben zu Heilbronn getagt, mit Wendel Hipplern an der Spitze, bis der Truchseß heranzog; waren sie fliehen, daß sie die Sättel haben dahinten gelassen. Ist eine gute Schrift, hab niemalen eine so gute in Händen gehabt. – Die hundert und aber hundert Münzherren wollten sie abtun und dafür eine einige Reichsmünze schlagen lassen. Die Gesellschaften wollten sie abtun, die verfluchten Fugger, Welser und Hochstädter, die da Arm und Reich nach ihrem Gefallen schätzen. Die Zölle wollten sie niederlegen.

Jöslein hat den beiden über die Schulter gesehen. Mein! – Mein! – Bin ich gewest im Gewölb, was haben die Welser und Fugger von Augsburg in Frankfurt. Haben se mir stinkiger Jud geheißen und Wucherer angeschrien, und rennen doch selber mit dem Judenspieß. Aber nit im kleinen. Mein! – Mein! – Betrügen hunderte und tausende arme Einleger um ihr saures Geld, fallieren und sind viel reicher dann zuvor. Aber ein armer Jud muß es ausbaden. Ich hab niemalen unter Safran Rindfleisch gehackt, Gaiskot in den Lorbeer getan, Lindenlaub in den Pfeffer, noch hab ich Fichtenspäne vor Zimmet verkauft. Aber ein armer Jud muß es ausbaden. Hat der Mainzer Kurfürst Albrecht von Brandenburg wollen machen ein Bündnis zur ewigen Vertreibung von uns Juden, ist aber meh uf Gold bedacht dann der größte Jüd. Ich wollt ihn mir kaufen mit Haut und Haar, wo ich genung Goldgulden im Säckel hätt.

Menzingen ist geharnischt hereingetreten, Jöslein auf die Schulter schlagend. Was mauschelt das Jöslein? Wieviel verarmte Edelleut hast wieder gebraten an deinem Spieß jüngst verwichene Zeit?

Jöslein. Ei wei, Herr. Treibet doch keinen Schimpf, gestrenger Herr. Warum verarmt der Adel, Euer Ehrenfest? Ich hab eines Edelmanns Wittib gekennt, die hat mir ein Dorf verkauft um ein blau Sammetkleid, das sie hat müssen anziehen zum Turnier.

Löffelholz. Der Markgraf stehet vor Kitzingen, sagt der Jud.

Menzingen. Es gehet ein Brief unten in der Trinkstuben von Hand zu Hand, vom Jörg Kumpf, der itzunder zu Würzburg im Läger weilt. Zeiget an, er sei glaublich bericht, daß der Markgraf den Tag beschicken werde.

Jöslein. Glaubt's nit, Euer Gestrengen.

Menzingen. Ist der Wilhelm von Grumbach noch nit hie?

Sartorius. Das hab ich Euch fragen wollen, Bruder Menzingen.

Menzingen. Ich bin alle Herbergen durchlaufen, überall Umfrag gehalten, nirgend etwas verspürt von ein'm Wilhelm von Grumbach.

Jöslein. Ho! Ho! der Junker von Grumbach wird schwerlich kommen.

Menzingen. Warum nit, Jud?

Jöslein. Er trägt hoche Federn am Hut, so weiß er, woher der Wind wehet.

Sartorius. Hat dir der Junker sunst nichts nit ufgetragen für uns?

Jöslein. Ich sollt mich hierhertun und seines Schwagers gewarten, des Florian Geyer, der ein Geschäft für mich hätt.

Menzingen. Geld, Jud! viel Geld! – Mach dich gefaßt. Der Geyer mustert an zween Plätzen.

Jöslein. Gott du gerechter! Wo soll ich hernehmen das viele Geld? Ein armer Landsknecht kommt, bringt ein alt Meßgewand, das er gebeutet – Geld! Alte Schwerter, kupferne Kleinoder, Ketten, Sporen, keinnützigen Plunder – Geld! Hab ich die Bergwerke zu Schwaz im Versatz? Bin ich ein Goldmacher? Sind nit genug französische Stuber und Sonnenkronen im Umlauf?! Mein! – Mein! –

Löffelholz. Will der Geyer hieher gen Schweinfurt kommen?

Menzingen. Ist längst in der Herberge, wißt Ihr das nit?

Löffelholz. Heilige Maria! nein, wahrlich nit.

Jacob Kohl tritt auf, blaß und kleinlaut. Guten Morgen, ihr Herren.

Menzingen. Schön Dank, Bruder Kohl. Ist kein markgräfische Botschaft nit herein?

Kohl. Weiß nit, ist mir der Kopf heut ungeschickt. Hab müssen im Stall schlafen bei den Gäulen. Kamen welche herein nach Mitternacht, ein alt Weib und ein Mannskerl. Haben gewimmert und geweint miteinander bis an den nüchternen Morgen. Kunnte kein Auge zutun.

Löffelholz, frostgeschüttelt. Ei, Lieber, itzt schlafe der Teufel ruhig! Seither ihr den Sturm anliefet wider Beschluß und Abred gen Unserer Frauen Berg, bin ich in kein Bett meh kommen.

Kohl. Da mögt Ihr dem Bubenleben schön Dank sagen.

Bubenleben. Was maulest du wider mich?

Kohl. Ich red, was wahr ist, sust nichts. Potz, gar nichts!

Martin, mit Schriften herein, laut. Der Florian Geyer ist in der Stadt. Sensation.

Bubenleben. Was dürfen wir seiner hie? Wo wir seiner bedurften, wollt er nit kommen.

Löffelholz. Daß dich der Donner erschmeiß, Pfaff, bist du bis diese Stund nit zu Besinnung kommen? Will deine Hochfahrt kein Ende finden? Gelt wohl. Erst habt ihr den Geyer ausgetragen, als sei er der evangelischen Freiheit im Herzen fremd; hernacher habt ihr untereinander verfluchte Praktiken getrieben, ihr und die Herren von Adel, der Götz und der Henneberger, und wolltet doch ehmals nichts mit ihnen gemein haben. So habt ihr den Geyer zum Postenreiter gemacht, ihn gen Rothenburg verschickt, den Rittern und Herren, den Strötern und Heckenschindern im Läger zu Lieb und Wohlgefallen. Da kunnten sie fortan ungestört Verstand suchen mit der Besatzung und jeder allein sein'm Vorteil nachgehen. War keiner meh da, der's ihnen hätte versalzen. Alsdann habt ihr zum Sturm lassen ufbieten, obschon ihr im Kriegsrat dem Geyer zugelobt, es sollt kein evangelischer Bruder eine Leiter anlegen, er sei denn zurück im Läger und war Bresche gemacht mit dem Rothenburger Geschütz, den Tellermann turnen und blocken lassen . . .

Bubenleben. Das haben die Schwarzen getan und nit wir.

Löffelholz. Wer hat sie ufgehetzt, die Mannszucht zerstöret? Ehrliche, fromme, mannhafte Knecht zu Meuterern gemacht? Euch mag der Teufel weißbrennen, Bruder Bubenleben. Den Rhein heißet man gemeiniglich die Pfaffengasse. Wo aber Pfaffen uf ein Schiff treten, da fluchen und bekreuzen sich die Schiffsleut, weil Sag ist: Pfaffen bringen dem Schiff Unheil und Verderben. Ihr habt unserm Schiff Unheil, Schrecken und Not gebracht. Der Geyer und seine Schwarzen – Gott hat sie zusammengeschmiedet wie die Faust und den Schwertgriff. Ihr habt sie voneinandergerissen. Die Faust allein ist kein'm nütz. Das Schwert allein ist kein'm nütz. So habt ihr denn tausende bäurische Brüder wider das Schloß in Tod und Verderben geführet und uf die Schlachtbank geben. Hernacher freilich, als der mehre Teil darniederlag und nichts meh sprach, der andere Teil uf den Tod verwund't, von Pech und Schwefel verbrannt, blutig und vom Pulver geblendet, mit Ächzen und Schreien umkroche in den Gräben von Unserer Frauen Berg, bis sie elend verziefen, da riefet ihr nach dem Florian Geyer. Da war er uf einmal kein Franzos mehr. Da habt ihr Boten uf Boten geschickt. Wer aber nit kam, das war der Geyer. Und weshalb sollt er wohl kommen sein? Wann man ein'm Toten auch noch so lang Brot ins Maul stopfet, so wird er dannoch nit meh lebendig.

Kohl. Ich wasche meine Hände in Unschuld.

Bubenleben. Da höret doch zu: itzt will der Kohl vor dem Garne abziehen, als wär er nit hoch stolzieret, wie wenn er eine Glenne geschluckt hätt. Hast du nit dem Pövel gepredigt und gesprochen, was ein überschwenglich groß Gut läge uf 'm Schloß? Hast du ihnen nit zugesagt, sie sollten das güldene und silberne Gerät müssen uf Gäulen davonführen und die samtnen Stücke mit den langen Spießen messen? Hast du dich nit vermessen, du wolltest nit nachlassen, du habest denn in des Bischofs seidenen Betten geruht und aus seinen güldnen Bechern den ältesten Steinwein getrunken, den er im Keller hat? Den sollten dir seine Domherren kredenzen, und wenn du voll wärest, so sollte dir müssen der Oberste Hauptmann uf Unserer Frauen Berg die silberne Schüssel vorhalten: darein wolltest du kotzen.

Kohl. Itzt nimm dich in acht, du lügnerischer, schurkischer, diebischer, meineidischer Pfaff!

Menzingen. Ei! Leid't euch, Brüder! Wollt ihr wiederum aneinandergeraten als die Haderkatzen? Wo es damit beschehen wäre . . .

Löffelholz. Wir hätten einen Kaiser, ein kaiserliches Gericht, Reichsheer, Reichssteuer und den Ewigen Landfrieden.

Menzingen. Hättet ihr damalen lieber den Götz verschickt und den Florian Geyer bei euch behalten!

Bubenleben. Wenn die Sach uf zween Augen gestanden hätt, so wär es um das Evangelium übel bestellt. Uf Gott hat sie gestanden, und wenn Gott will, so kann er unsre Feinde zerstreuen mit einem Gedanken seines Herzens, und wären sie zahlreicher denn der Staub uf der Landstraße. Hat Gott den Geyer in unser Läger gestellt: ich hab ihn nit heißen seinen Posten verlassen.

Kohl. Was redet der Pfaff? Durch wieviel Brett lügt der Pfaff? Hast du den Geyer nit helfen verjagen? Hast du nit täglich geschrien, daß man sollt stürmen? Hast du nit gerufen: »Dran! dran! weil das Feuer heiß ist«, und alleweil den Luther zitieret, der gesagt hat, wer dazu tue, daß die Bistum verstöret und die Bischöfe, ungelehrte Pötzen und Götzen, abgetan seien, das wären rechte Kinder Gottes und gute Christen? Ich weiß auch wohl deinen alten Haß, Pfäfflein, und daß du dem Fiscal an die Drossel gewollt, der hiebevor dich in Bann getan; hast du mir nit in den Ohren gelegen: der Geyer wär gottlos, ein Heid und Türk? Hast du nit Träumen und Gesichte gehabt, der Geyer müßte davon, oder Gott wäre nit bei der Sache?

Link, hämisch zu Bubenleben. Wie ist es mit Eurem Segen, Bruder, damit Ihr die Haufen wolltet festmachen? Habt Ihr nit wollen die Büchsensteine im Ärmel uffangen, daß keiner, der wider das Schloß rennete, sollt eine Schramme davontragen? Als aber die Mörser und Stücke uf'm Schloß zu arbeiten begunnten und das Dundern und Summen sich anhub, auch die Kugeln mitnichten wie die gehorsamen Mäuslein wollten in Euren Ärmel springen, sondern Blut und Hirn um Euch spritzte – ei! Pfäfflein, was hast du doch da gemacht?

Kohl. Er hat den Ars in die Schanze geschlagen.

Flammenbecker. In ein'm Keller hat er gelegen, halbtot vor Angst.

Bubenleben. Ich? Mensch! Was hab ich mit dir zu schaffen? Mordbube und Landschelm, der du bist! Hast du dich nicht in allen Schänken hoch berühmt: du habest den Spieß ufgehalten, darein sie den Dittrich von Weiler vom Kirchturm zu Weinsberg herabgestürzt? Hast du nit seinen Kopf uf deim Schäftlin herumgetragen und mit dem Fett und Blut, das aus seinem Leichnam geschweißet, deine Schuhe geschmiert?

Flammenbecker. Hast du nit ufgereizet zu Mord und Brand? Hast du nit laut gerufen: »Der Schlachttag geht an«?

Verschiedene Stimmen. Der Geyer, der Geyer! – Florian Geyer, geharnischt, tritt ein. Er ist blaß und sehr ernst. Löffelholz, Besenmeyer und Sartorius treten ihm entgegen. Er reicht ihnen und anderen die Hand.

Geyer. Gott zum Gruß, Brüder! Zu Löffelholz. Grüß dich Gott, lieber Schicksalsgenoß! Löffelholz und er umarmen sich. Löffelholz kann vor Rührung nicht sprechen. Alle übrigen sind stumm und betreten. Löffelholz drückt Geyer neben sich auf einen Stuhl. Ist markgräfisches Geleite herein? Er hat mir's neulich lassen zusagen durch mein Geschwey.

Sartorius. Bis diese Stunde weder Geleit noch sust Botschaft. Der Markgraf stehet vor Kitzingen!?

Geyer. Es geht ein viel schlimmer Gerücht um in der Stadt: der Markgraf hätt Kitzingen allbereits wiederum eingenommen.

Löffelholz. Heilige Mutter Maria, verhüt's Gott.

Geyer. Wie sieht es zu Würzburg aus?

Löffelholz. Es heißt, der Truchseß und viel Fürsten und Herren rücketen stracks uf Würzburg. Ist der Berlinger auf Krautheim zu, ihm entgegen an dreißigtausend stark. Sind um Mitternacht ausgerückt.

Geyer. Glaub's schon, daß der Götz bei der Nacht noch den Mann machen kann. Der Markgraf, wie ich berichtet bin, raubt und plündert, viel schlimmer, als wir Bäurischen jemalen getan haben, nimmt Geld und Kleinoder aus den Klöstern seiner Schutzherrschaft, so viel er gehaben mag, und bezahlt seine Söldner damit.

Jöslein. Gestrenger Junker! Mit Verlaub, Euer Gnaden! Bleiben die Herren oben liegen, so ist's gewesen der allerbeste Handel. Hab ich dabeigestanden im Läger des Georgen Truchseß, wo sie itzt heißen den Bauernjörg. Haben sie unter sich gered't und gesprochen, daß sie wollten kugeln mit Bauernköpfen als die Knaben mit Schißkernen. Sind hochen Muts und machen hoche Spiele. Haben viel Gold, eine merklich große Beut und Plunder. Ist ein gut Geschäft für die Herren, oder ich will ungrische Gulden fortan nit meh zweimal zählen. Hiebevor haben die Bäurischen das Evangelium fürgewandt, itzt wenden es Fürsten und Herren für. Ist kein beßrer Schild, darunter sie mögen zu Gericht sitzen. Haben sie hiebevor den Mantel genommen, itzt nehmen sie dem Bauern das Haberstroh. Mußte der arme Mann hiebevor fronen mit Karre, Karst, Haue und Pferden, itzt müssen seine Kinder die Egge ziehen.

Geyer. Füg dich hernacher in mein Quartier, Bruder! Ich hab ein Geschäft für dich.

Jöslein. Mein! – Mein! – Junker von Geyer! Ich bin nit meh als ein armer Jud, Euer Gestrengen. Ist ein mühselig Geschäft: darleihen, darleihen und schlechte Pfänder nehmen, Not, Mangel und Mühsal erleiden, sich treten und anspeien lassen und krummer Hund heißen. Hat mir der Junker von Grumbach gesagt, wär ein Geschäft zu machen mit Euer Gnaden. Hab ich bei mir gedacht: ich will das Geschäft nicht machen. Es ist ein gefährlicher Handel und kann dir kosten den besten Hals. Hab ich weiter bei mir gedrauscht und hab mir gedacht: der Florian Geyer hat gemacht eine große Einung, sollte werden für alle im Heiligen Reich gleiche Münze, gleiches Gewicht und gleiches Recht. Gleiches Recht vor uns alle, auch vor uns Juden. Bin ich von Stund an aufgewest, mich gen Schweinfurt getan. Bin ich bereit, Euer Gnaden, zu machen mit Euch das Geschäft.

Sartorius, ängstlich. Der Markgraf hätt Kitzingen eingenommen.

Der Schultheiß von Ochsenfurt wird im Türrahmen sichtbar, auf eine weinende alte Frau einredend, die einen Menschen mit verbundenen Augen, ihren Sohn, an der Hand führt.

Kohl, verlegen auf Geyer zu. Gute Zeit, Bruder!

Sartorius. Bruder Geyer, was soll ich itzt tun? Es ist nit leicht, sich wissen zu halten in diesen geschwinden Läuften.

Löffelholz. Hast du Kohle gefressen, Kreide oder Wachs, daß du so bist von Farbe kommen?

Sartorius. Sie sagen, der Junker von Grumbach wär abgefallen, sengete und brennte in der Rothenburger Landwehr, mit markgräfischen Reitern und Fußknechten.

Geyer. So haben wir einen Schelmen weniger, die Bündischen einen mehr. Hole der Teufel die ausgeputzte Kanaille.

Sartorius. Ich bin des Junkers von Grumbach Diener, ihr Herren.

Menzingen. Das soll dir lützel genung helfen, Schreiber! Ist dem Truchsessen von Waldburg der grüne Baum recht, um deinen Junkherrn daran zu henken, dich henket er an dem dürren auf.

Sartorius. Ei! – Seid ihr zum Scherzen ufgelegt, liebe Herren? Zu losen Bossen bin ich mitnichten ufgelegt. Ich bin in euren Handel geraten wider Willen und Wunsch, allein uf Befehl meines gnädigen Herrn. Meint ihr, ich wollte darin ersaufen?

Löffelholz. Gib acht – er fähret vor Furcht aus den Hosen.

Sartorius. Beliebet Ihr Schimpf mit mir zu treiben? Hab mich von Euch eines Bessern versehen. Hab Euch seither nit so für einen Phantasten und Schwarmgeist genommen, der das Evangelium so verstehet, daß alles Unterst zuoberst gekehret mußte werden im Heiligen Römischen Reich. Dem Adel hab ich gedienet in dieser Sachen, dem gemeinen Gesindel und Pövel diene ich nit. Und wenn mich der Adel itzund nit schützet . . .

Kohl. Ich wünsch dir viel guter Zeit, Bruder Geyer.

Geyer tut, als ob er ihn erst bemerke. Kotz blau! Der Kohl! Tüchtig gebürstet die Nacht? Tapfer die Sauglock geläutet?

Kohl. Verweigerst du mir deine Hand, Bruder Geyer?

Geyer, ohne Kohl die Hand zu geben. Warum sollt ihr Bäurischen nit auch sitzen, Kotzberger und Rheinfalls trinken und frisch drauflos bechern? Zu Rottweil sitzet ein Nest geflüchteter Herren, Freiherren und Äbte, die haben, dieweil unser Herrgott Feuer und Schwert hat ausgeschüttet über die deutsche Nation, fröhliche Gelage gehalten und das Maislen getrieben.

Löffelholz. Das Maislen? Ei potz!

Geyer. Ein neu à la mode Spiel. Man schmeißt den Hausrat hin und her, wirft einander mit Kuchenfetzen und beschüttet sich mit unsauberem Wasser.

Jöslein. Auch die Bündischen treiben das schöne Spiel, Euer Gestrengen. Ich hab's gesehn im Läger des Truchsessen, wenn die Ritter und Hauptleut bei Tafel saßen . . .

Geyer. Ist ein schön Spiel und herrliche Kurzweil für einen von Adel, verlohnet des Blutvergießens, wo sie es dadurch hinfüro in alle Zukunft ungestört dürfen treiben.

Der Schultheiß, die alte Frau und der zerlumpte Mensch sind vorgetreten.

Der Schultheiß. Sie stund uf der Gasse, machete ein groß Geschrei. Hab ich sie ufgreifen lassen und hergeführt.

Die alte Frau, stumpfsinnig vor sich hinplärrend. Der liebe Gott bewahre euch! Das sagen die sieben Siegel, daß alle Fische werden brüllen, die Engel werden weinen und werfen sich mit Steinen. Die Wege werden schwimmen, die Wasser werden glimmen.

Löffelholz kommt klappernd. Was soll uns das Weib hie, Bruder Schultheiß?

Der Schultheiß. Bruder, wo ich sie weiter hätte lassen gewähren, so machet sie, daß kein Bäurischer seines Lebens meh sicher ist, hie zu Schweinfurt. Stund alles um sie herum, hörete ihr zu. Will von Kitzingen kommen. Verschwöret sich hoch und teuer, der Markgraf hätt Kitzingen eingenommen.

Die alte Frau, mit klappernden Zähnen. Die heilige St. Margrithe, die bitt ich, daß sie mich behüte vor Püffen, Fallen und vor Schlägen, auf allen meinen Wegen.

Menzingen. Was lügst du von Kitzingen, Weib?

Die alte Frau. Ei, du ungehangener Dieb, pack dich! Du gottloser Schelm und Bösewicht, bist selber dabeigewest! Bist selber ein schwarzer Bauer gewest! Hast meinen Sohn beschwatzt mit deinen höllischen, boshaften, teuflischen Lügen, mit deiner verdammten, falschen, bübischen evangelischen Freiheit.

Der zerlumpte Mensch, ihr Sohn. Heilige Maria!

Die alte Frau. Bitte für uns!

Der zerlumpte Mensch. Heilige Gottesgebärerin, heilige Jungfrau aller Jungfrauen!

Die alte Frau. Bitte für uns!

Der zerlumpte Mensch. Du Morgenstern! O du Lamm Gottes, das du hinwegnimmst die Sünden der Welt!

Die alte Frau. Verschone uns, o Herr!

Der zerlumpte Mensch. Heilige Jungfrau Maria –

Die alte Frau. Bitte für uns!

Geyer. Ist das dein Sohn, Weib?

Die alte Frau. Ja, lieber, mein Herr, zu dienen, lieber, mein Herr. Ein weidlich entstandener Gesell, fast geschickt mit der Armbrust. Trifft Euch den Sperling im Flug, lieber Herr. Tat ihm aber alleweil leid hernacher, so fromm war der Bub, so gut war der Bub, und so ein weich Herze hatte der Bub.

Der zerlumpte Mensch. Heilige Maria –

Die alte Frau. Bitte für uns – hodie tibi, cras sibi. St. Paulus, St. Bartholomäus, die zween Söhne Zebedäus, der heilige St. Wenzel und der selige Stenzel, die sein gut vors kalte Weh und behüten vor Donner und Schnee.

Geyer. He! Mütterchen. Was fehlt deinem Sohn? Bist du krank, Bursch, he, was?

Die alte Frau. Nit fast, Euer Gnaden. Ein wenig wohl. Euer Gnaden. Wo Gott will, so wird es vorübergehen, Euer Gnaden. Luget, gestrenger Herr, ein Fürstenwort bleibet ein Fürstenwort. Hat der Markgraf lassen ausschreien vor Kitzingen –: so man ihm wollte die Tore öffnen, wollt er keinen lassen am Leben strafen, der bäurisch gewest. Ist er mit allem Kriegsvolk hereingezogen. Hab ich das Fensterlein ufgemacht und hinausgeschaut, hab der Veronika geruft, mich gefreut und gesagt, was ein prächtiger Zeug! Was schöne, grade, mannfeste Knecht hat doch der Markgraf! Sind sie vorübergewest und alles still worden uf der Gasse. Hab ich bei mir gedacht: der Markgraf Kasimir ist uns alleweil ein guter und gnädiger Fürst gewest. Mit dem bäurischen Handel hat es keine Art. Der Luther ist ein Ketzer, der Florian Geyer ist ein Bösewicht.

Der zerlumpte Mensch. Heilige Jungfrau Maria –

Die alte Frau. Bitte für uns!

Geyer. Sprecht weiter, Mütterchen! sprechet getrost!

Die alte Frau. Hab ich das Nachtessen darnach gericht't, Milch uf'n Tisch gestellt, Brot und Zumus, meines Sohns gewartet, gedacht, daß er mir sollt viel neuer Zeitung heimtragen, denn er was auch uf den Markt gelaufen. Poltert es über die Stiegen herauf. Ich weiß nit, wie mir ist. Der Markgraf hat meh dann fünfzig Bürgern von Kitzingen die Augen aus dem Kopf lassen brennen, mit glühenden Eisen . . . Da hab ich mir meinen Sohn genommen, gestrenger Junker, das hab ich getan, Euer Gnaden, und bin aus Kitzingen gezogen bei der Nacht. Wo wir uf einen Geblendeten sind gestoßen, hab ich gesagt: »Itzt weißt du nit, wo aus. Itzt stößt du den Kopf wider die Mauer. Als du noch Augen hattest, hat dich der Teufel geritten, daß du bist ufsässig gewest wider Gott und seine Obrigkeit. Itzt mußt du Straf leiden, aber mein Kind ist fromm und gehet frei, sicher und ungeschänd't seine Straßen«.

Der zerlumpte Mensch. Heilige Jungfrau Maria –

Die alte Frau. Bitte für uns!

Menzingen, dem Burschen unter das Tuch blickend. Gott helfe dem Armen, er ist geblendet.

Geyer zieht einen Ring vom Finger und gibt ihn hin. Dahier, Weib, nimm's getrost, hätte suster doch müssen ebräisch lernen. Unter Ableierung der Litanei begeben sich Mutter und Sohn, von vielen beschenkt, rechts hinaus. Es ist eine Pause der Ergriffenheit entstanden, bedrückt flüstern die Anwesenden untereinander.

Löffelholz. Wann sollen wir die Sitzung anfahen, Brüder?

Menzingen. Nach dem Ausschlagen.

Der Schultheiß. Es gehet einem hart ein, aber ist dannoch wahr: es ist aus und hin.

Menzingen. Was hab ich Euch damalen in der Herberge zu Rothenburg zu bedenken geben? Achtet des Markgrafen nit zu gering; gehret Ihr nit seiner Freundschaft, so fürchtet ihn desto meh als Feind.

Löffelholz. Es war ein Tag, Bruder Jacob Kohl, als du mit deinen Franken zu Lauda und Aub lagest, da hättest du leichtlich mögen den Markgrafen unter den Bundschuh treten. Da hab ich dir lassen Botschaft zugehen, mit merklicher Kost und Fahr, aber du wolltest nit schlagen. Du zogest uf Würzburg, dieweil dir die Tore dort offen stunden.

Geyer. Peser le feu, mesurer le vent, faire revenir le jour passé, c'est chose impossible. Ängstliches und ratloses Geflüster unter den Anwesenden. Furcht und Unruhe. Was soll itzt geschehen, ihr Herren? Wollen wir maislen?

Bubenleben, kleinlaut. Ich hab's eh gesagt: es ist itzt nit Zeit, Landtage zu halten.

Geyer. Ei! – Wie? – Will dann niemand kommen, da ihr doch so viele Städte, geistliche und weltliche Herren so fast demütig, untertänig und bittlich angangen seid? Wollen sie uf den Speck nit meh beißen? Liegt ihnen nichts meh an eurem Frieden und daß sie den Handel hinlegen und zu Vertrag bringen?

Link. Dem Markgrafen muß man entgegen und nit Landtage halten.

Geyer. Wie steht's, Jacob Kohl? Wo sind meine Dunkelknaben geblieben? Meine schwarzen Fähnlein, die ich mir gemustert zu Brettheim und Ohrenbach, eh sich das große Spiel anfing? Die ich mir hab im Kriegshandwerk geschulet, geschickt gemacht zu Schlagen und Treffen trutz allen Schweizern? Sind sie keck, willig und fröhlich wie sunst? Kann man mit ihnen einem großtätigen Leutfresser und blutwütigen Markgrafen, einem Truchsessen und Teufel genüber treten?

Kohl. Willst mich nit anhören, Bruder? Bruder Geyer! Ist doch Adam im Paradiese gehört worden. Bruder Geyer! Es ist nit allein meine Schuld. Ich hab's müssen zulassen, daß sie zum Sturm uf ließen bieten, gedrungen und gezwungen, von ganzem hellen Haufen, mit Bedrohung Leibes und Lebens. Jedennoch, es reut mich fast.

Geyer springt auf. Blitz und Donner, was liegt itzt daran! Reue oder nit, gezwungen oder nit. Wißt ihr dann, was ihr getan habt? Den besten Handel, die edelste Sache, die heiligste Sache . . . eine Sache, die Gott einmal in eure Hand geben hat und vielleicht nimmer – in euren Händen ist sie gewest wie ein Kleinod im Saustall. Ihr habt das Maislen damit gespielt. Das Allerheiligste habt ihr herumgezerrt uf euren Gelagen, darüber gerülpset und gekotzet mit euren Zechgesellen, es durch eure Lotterbetten gezogen, mit euren Huren und Buben zertreten und beschissen. Ein jeder von euch hat gedacht wie der Narr in der Komödie: »Ich sollt billig König sein.« Hanswurste seid ihr gewesen und Pöveldiener. Mit Wehren habt ihr euch ausstaffieret, mit Harnischstücken behenkt, wie die Buben tun hinter des Vaters Rücken. Getraut ihm doch euer keiner, so hoch ihr den Hals recket, einem alten Weibe eine teige Birne zu nehmen. Wer am tapfersten hinter der Weinkanne saß und brav aufgrolzte hinter dem Krug, Papst, Kaiser und römischen König in die Pfanne hieb mit dem Maul, kurz, wer ein rechter Job was, der was euch der rechte Mann.

Link. Ei, liebe Brüder, müssen wir uns hie lassen ausschelten, gleich als wir Schulbuben wären?

Geyer. Ob du dich mußt lassen ausschelten, elender, hasenherziger Storger, Spitzknecht, Bettdrucker, Schmalzbettler, Kuppler und Lump, der du bist! Aufhenken wirst du dich lassen müssen, ufziehen zwischen Himmel und Erde, und wenn dich der Teufel bis diesen Tag zehnmal vom Galgen geschnitten hätt.

Flammenbecker. Der Junker von Geyer lebet in einer anderen Welt, meinet, wir seien arme, maultote Leut.

Geyer. Kehricht seid ihr. Kot von der Landstraße, elendes Gerümpel, das Gott besser hätt hinterm Ofen lassen liegen, nit das Seil wert, daran euch der Henker müßt ufziehen. Memmen, die den Feind mit den Hacken bekriegen und denen die Hosen naß werden vor Himmelangst, wann die Landsknechte nur ein wenig den Staub aufwühlen.

Flammenbecker. Sollen wir das ungerächt lassen, Brüder?

Geyer, Schwert heraus. Ei! So seid mir doch tausendmal gottwillkommen; vom Leder gezuckt, wo ihr nit gar alte Weiber seid worden! Heraus, wer noch ein Schwert hat! Ich hab noch ein Schwert und einen Knopf daran, und darein sollt ihr mir beißen. Aber ihr wagt es nit. Ihr bebet und schlottert vor Angst und erbärmlicher Furcht. Wo ist itzt das Evangelium blieben? Ist keiner unter euch, der es nit hat im Herzen verflucht und verraten.

Unten auf der Straße entsteht Geschrei und Schießen. Verschiedene Stimmen, darunter Sartorius: Lerman!! Lerman!!! Feindsgeschrei. Eine Panik entsteht. Alle außer Geyer, Menzingen, Schultheiß, Löffelholz und Jacob Kohl fliehen.

Geyer. Potz Leichnam Angst. Er bricht in ein endloses, grimmiges Gelächter aus. Stellet ihr euch so meisterlich!? Er lacht weiter. Just wie der Has beim Pauker saß – – wohlan! Itzt gilt's nimmer Lachens und mit halbem Wind fahren. Finkenmäuslin, bestaubt, ist gekommen. Was bringst du, Finkenmäuslin?

Finkenmäuslin. Botschaft aus Würzburg vom Pater Ambrosius. Ihr sollt uf sein, wo Ihr noch etwas erhoffet. Die Brüder zu Würzburg sind eine Herde ohne Haupt. Übergibt ein Schreiben.

Geyer. Wenngleich nit viel meh zu hoffen bleibt, so will ich mich dannoch gen Würzburg tun. Nit aber allein, sundern was ich gemustert zu Rothenburg, will ich mit mir nehmen.

Kohl. Bruder Geyer?

Geyer. Was wiltu?

Kohl. Ehrlich werden. Mit dir reiten, fechten und sterben.

Geyer. Uf und zaudert nit, gen Würzburg voran und erwartet mich! Kohl ab.

Der Schultheiß. So helf uns Gott aus der Stadt!

Menzingen. Was eitel blinder Lärm, ein Katzbalgerei.

Geyer. Wo ist der Sartorius?

Löffelholz. Er hat den Ring an der Hoftür lassen.

Geyer. So leg ihm der Teufel ein Schermesser unter das Kopfkissen, sooft er sich niederlegt. Bist du krank, Bruder?

Löffelholz. Ein wenig wohl. Ein Fieberschauer beutelt ihn. Ich kann nit mit Euch, aber der Tod wird mich finden, kann ich ihn gleich nit suchen.

Menzingen. Brüder! Vielleicht ist dannoch markgräfisch Geleit zu Rothenburg.

Löffelholz. Wir haben unnütz prokurieret beim Markgrafen. Gewalt ist der beste Prokurator. Lebt wohl!

Menzingen. Leb wohl, lieber Bruder!

Geyer. Sollen wir dich hie lassen? Komm mit uns, die Knechte mögen einen Wagen zurichten.

Löffelholz. Lasset mich hie! Lasset mich getrost. Ich sterbe den Knechten unter den Händen.

Geyer. Bist treu gewesen am Werk. Alde, alde, wir sehen uns wieder! Alle ab außer Löffelholz.

Löffelholz hat die Augen geschlossen, öffnet sie wieder. Schreck und Angst erfaßt ihn, er will sich erheben, vor etwas fliehen und schreit. Helft, helft, liebe Brüder! Verlasset mich nit, liebe Brüder! Nehmet mich mit euch. Er fällt betäubt zurück.

 


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