Gerhart Hauptmann
Einsichten und Ausblicke
Gerhart Hauptmann

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Dramaturgie

Fast in allen Punkten mögen wir Lessing für uns sprechen lassen, auch allem Überflüssigen gegenüber, was von neuen Hamburger Dramaturgen über Schauspielkunst geäußert wird. »Dieses junge Frauenzimmer hat Gefühl und Stimme und Figur und Anstand; sie hat den falschen Ton des Theaters noch nicht angenommen . . .«

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»Denn nichts ist groß, was nicht wahr ist.«

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Sucht euch die Elemente der Dramaturgie in der menschlichen Psyche zusammen! Dort stecken sie.

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Du sollst nicht mit der Galle dichten!

Du sollst deine Gestalten lieben – keine unter ihnen hassen!

Soll Leben sein in deinen Gestalten, so mußt du ihnen dein Leben geben. Deine Gestalten sind deine Kinder.

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Das Drama ist doch wohl die größte Dichtungsform. Schließlich werden alle Gedanken dramatisch gedacht, wird alles Leben dramatisch gelebt.

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Ursprung des Dramas ist das zwei-, drei-, vier-, fünf- und mehrgespaltene Ich.

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Die früheste Bühne ist der Kopf des Menschen. Es wurde darin gespielt, lange bevor das erste Theater eröffnet wurde.

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Das primitivste nach außen zur Erscheinung gebrachte Drama war das erste Selbstgespräch mit lauter Selbstanrede und ‑antwort.

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Es gibt kein irgendwie geartetes menschliches Hirn, das nicht sein Drama in sich herumtrüge. Immer wieder werden Episoden aus dem großen Epos des eigenen Lebens vom Gegenwartsbewußtsein dramatisch geformt. Deshalb ist die dramatische Form, das dramatische Werk volle Gegenwart. Der zusammenfassende Geist wirtschaftet mit einem Residuum deutlicher und lebendiger Anschauung, worin seine Situation im Verhältnis zu Vater, Mutter, Geschwistern, Freunden, Vorgesetzten wie Untergebenen und vor allem zu seinen Feinden sprechend und agierend enthalten ist.

Das Genie benutzt diese innere Urform des dramatischen Bewußtseins, wie man es nennen kann, um aus seinen Grundelementen die dramatische Kunstform herauswachsen zu lassen.

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Das Schicksal stieg aus dem Meere, die Schicksalsidee ist meergeboren.

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Das göttliche Einherschreiten des großen Wahnsinns!

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Die stampfenden Pferdehufe der Antike!

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Die kosmische Kraft der alten Tragödie wiedererringen wäre eine Aufgabe.

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Wenn das dramatische Bewußtsein schöpferisch geworden ist, so beweist es den Dramatiker: und dieser, vermöge der Eigenart des täglich neue Gebiete umspannenden dramatischen Bewußtseins, wird außergewöhnlich fruchtbar sein.

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Harmonie ist das Produkt von Kämpfen: danach ist ihr ethischer Wert zu beurteilen. Auch Wert und Wesen des Dramas sind darin beschlossen.

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Drama ist Kampf. Das größte Epos wurzelt in dem Ehebruchsdrama: Helena, Menelaos, Paris und den Kämpfen um Troja. Es hat sich zum Teil dann wieder in Dramen aufgelöst.

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Ein Drama, das nicht vom ersten bis zum letzten Wort Exposition ist, besitzt nicht die letzte Lebendigkeit.

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Das Epos geht seine Straße, das Drama bleibt auf seinen Kampfplatz angewiesen. Das Epos entwickelt sich in der Zeit, das Drama vornehmlich im Raum.

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Die epische Kunst lebt von der historischen Fiktion. Sie setzt einen Erzähler voraus.

Die dramatische Kunst fingiert Gegenwart. Sie hat einen unsichtbaren Schöpfer, allerdings einen unsichtbar gegenwärtigen, der sich in seinen Geschöpfen dokumentiert.

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Zeit im Drama: gesetzmäßige Sukzession des Psychobiologischen. Ort im Drama: Stand und Bewegung des Menschen unter Menschen.

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Es gibt einen psychischen Akt. Auch der Dramatiker muß vor allem Akt zeichnen können. Viele sogenannte Dramatiker sind leider nur bestenfalls Kostümschneider.

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Man muß, um wahrhaft produktiv zu sein, den dramatischen Stoff, also Menschen und ihre inneren und äußeren Beziehungen und Kämpfe, ganz unabhängig davon sehen, daß die Menschen Menschen, Männer, Weiber, Aristokraten, Bürger, Arbeiter oder regierende Fürsten, daß sie alt, jung, arm oder reich sind. Man muß sie sehen, als wüßte man nicht, wie sie atmen, was sie essen, trinken, wie sie leben müssen, um zu leben, daß sie sprechen, singen, schreiben, wachen, schlafen und Notdürftiges verrichten – nicht, was sie tun noch in Künsten und Wissenschaften erreicht haben. Man muß sie sehen, als wüßte man gar nichts von ihnen und erführe alles zum erstenmal. Dieses vollkommen Fremde muß dem Beschauer in seiner kleinsten Funktion das ganze Mysterium in seiner vollen Wunderbarkeit und Unbegreiflichkeit ausdrücken.

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Das Drama ist nichts weiter als die natürliche Synthese zeitlich und räumlich weit auseinanderliegender dramatischer Einzelmomente im Menschengeist.

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Die Distanz, aus der man ein Drama sieht, darf sich während der Arbeit nicht verschieben.

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Ein Drama muß sich selbst bewegen, nicht vom Dichter bewegt werden. Der Ursprung seiner Bewegung muß, wie der Ursprung des Lebens, allen verborgen sein.

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Wer das Wesen des Dramatischen studieren will, vergesse nicht, Rembrandts Handzeichnungen zu betrachten.

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Es gibt im Drama außer dem Stofflichen und Formalen noch ein Drittes.

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Man darf auch in der Produktion niemals das unbewußt Wirkende aufstören: man könnte sonst leicht in die Lage kommen, Mechanik für Wachstum zu setzen.

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Der Maler, dem die Farbe in einer unlöslichen Mischung, die zugleich Licht, Schatten, Seele des Objekts, Plastik und subjektiven Ausdruck enthält, aus dem Pinsel fließt, hat den meisterlichen Ausdruck seiner inneren Figur erreicht. Er schafft sein Bild vermöge eines eingefleischten Prozesses unmittelbar, so zwar, daß selbst der Kunstverstand im Unbewußten verborgen ist. Ebenso der Dramatiker.

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Die wahren Synthesen des wahren Dramas sind viel verwickelter, obgleich nicht zutage tretend außer in volles Leben umgesetzt, als alle mechanisch errechneten Verwickelungen.

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Die Sprache des Augenblicks ist unartikuliert, sie entwickelt sich zur eigentlichen Sprache erst in der Zeit. Der Augenblick, der leben und sterben würde, überlebt sich durch Sprache. Immer und überall wurzelt dramatische Sprache im lebendigen Augenblick.

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Starke Schicksale sind starkes Leben: deshalb drängt sich das Volk zur Tragödie und zur Leidensgeschichte Jesu.

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Die Affekte verlaufen im Wesen immer gleichmäßig.

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Lust am Schauspiel: nur solange ich lebe, kann ich mich erinnern, und je tiefer ich lebe in Schmerz und Lust, um so tiefer und voller erinnere ich mich. Darum schreibe und sehe ich Schauspiele.

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Man muß unterscheiden: den Gedanken, welcher denkt, und den, der gedacht ist. Es ist ein Gedanke, daß gedachte Gedanken im Drama selten oder nie formuliert werden dürfen. Der denkende Gedanke soll laut werden. Höchstens der Gedanke in seiner Geburt, oder kaum erst geboren, ungebadet und mit noch unzerrissener Nabelschnur. Vielleicht auch ein blindgeborner Gedanke, der die Augen zum erstenmal hell aufschlägt. Solche Gedanken gibt es viele in meinen Dramen, aber sie werden nicht immer erkannt in ihrem Zustand, vielleicht auch ihrer Ungewöhnlichkeit wegen, und sind nicht zu gebrauchen für den Zitatenschatz.

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Immer mehr »Undramatisches« dramatisch zu begreifen ist der Fortschritt.

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Dichter und Darsteller: zwei Gestalter! Von beider Gnaden und Mark lebt die Gestalt. Mit dem Wachstum der wahrhaft schöpferischen Kräfte wird auch die Kraft zur Beschränkung in beiden wachsen, darin allein Meisterschaft sich vollendet. Denn Eitelkeit ist nicht Persönlichkeit, und Maßlosigkeit, die das zarte Rätsel der Form, ohne von ihm zu wissen, zertrümmert, ist nicht Kunst.

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Schauspielkunst: keine Nachahmung, eine gesteigerte Sprache; reichster Ausdruck des Persönlichen ist im Schauspieler mehr als in jedem andern Menschen bewußt geworden.

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Auch beim Schauspieler ist es die innere Figur, die hervortritt.

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Der Schauspieler beweist sein Leben durch den Laut seiner Stimme und durch äußerliche Bewegungen. Die Gestalt des dramatischen Dichters beweist ihre Lebensfähigkeit durch die Gesetzmäßigkeit jener immateriellen und doch fest umrissenen Innerlichkeit, welche die Festigkeit des Diamanten mit der Beweglichkeit der Luft verbindet. Aber der Diamant ist nicht hart, die Luft nicht beweglich genug! – Sie beweist ihre echte und lebendige Existenz durch die richtige Abhängigkeit von anderen Gestalten und durch die absolut gesetzliche Art, in der sie kollidiert.

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Das Verhältnis des Schauspielers zur Dichtung muß mehr sein als das des Pferdes zu Geschirr und Wagen.

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Margarete sagte: »Kainz holte Feuer vom Himmel, Rittner aus der Erde.« Man kann nichts Besseres über diese beiden großen Schauspieler sagen.

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Das Theater wird so lange nicht zu seiner vollen und tiefen Wirkungskraft gelangen, bis es bei uns wie in Griechenland die Sanktion eines Gottesdienstes hat. Es ist bei uns kräftig aus sich, aber nur geduldet, nicht kultiviert. Es steht unter dem Druck eines feindlichen Vorurteils, nicht unter dem Schutze der Heiligung.

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Die Athener allein errichteten dem Mitleid eine Statue. Das Mitleid hat eine Stimme in uns. Zu dieser Stimme formte der Grieche eine Gestalt, gleichsam ihre ausschließliche Wohnung. Stimmen wie Bildsäulen sind Glieder des großen Dramas, an dem wir alle dichten.

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In der alten Tragödie überwiegt das Sein, in der neuen das Werden.

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Aristoteles und Lessing wenden sich gegen die Wahl abstrakter und idealer Charaktere; dieser besonders gegen den makellosen Helden im christlichen Trauerspiel.

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Man hört Worte wie diese immer aufs neue: Niederungen des Lebens! Alltägliche Misere! Arme-Leute-Geruch! – Man trenne von einem Fürsten das, was des Titels ist, von dem, was des Menschen ist: was ist wichtiger? Nie und nirgends hat es die Kunst mit Titeln zu tun! auch nicht mit Kleidern! Ihr Gegenstand ist die nackte Seele, der nackte Mensch! Es braucht kein Lessing zu kommen, um uns wissen zu lassen, daß »die geheiligten Namen des Freundes, des Vaters, des Geliebten, des Gatten, des Sohnes, der Mutter, des Menschen überhaupt . . . pathetischer« sind als alle Titel, und so weiter.

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Armeleutekunst? Man sollte endlich damit aufhören, die Kunst der Klassiker durch einen solchen Ausdruck zur Reicheleutekunst zu degradieren. Volk und Kunst gehören zusammen wie Boden, Baum, Frucht und Gärtner.

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Wo du auch immer dem begegnest, was dramaturgische Schädlinge immer vermissen, immer suchen und niemals erkennen, wo es vorhanden ist, eben das, was sie auch mit dem Namen »Handlung« bezeichnen – nimm, was du findest, wenn dir die »Handlung« begegnen sollte, Axt, Knüppel oder den ersten besten Stein, der dir gerade zur Hand ist, und schlage sie tot.

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Ich habe noch in keiner Kritik zum Beispiel gelesen: dieses Gespräch hat einen schönen Rhythmus, jenes hat einen tiefen Unterstrom, jenes verrät eine leichte Hand, dieses besitzt eine eruptive Macht, und so weiter.

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Der Denkweise eines Menschen nachzugehen ist leicht. Seine Art zu empfinden, nachzuempfinden, worauf es allein mir ankommt, schwer.

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Man muß in der Arbeit zuweilen auch auf Meisterschaft zu verzichten wissen.

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Das Absolute hat im Drama keinen Ausdruck.

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Das Drama regiert die Welt, nicht das Theater.

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Die innere Bühne muß ihre Entwickelung nehmen, und zwar über das Natürliche in das Kunstmäßige hinein, wenn das Theater, die äußere Bühne, danach seine Entwickelung nehmen soll.

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Jedes Drama ist ein historisches, ein anderes gibt es nicht.

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Verbessere deine Arbeitsmethode, und du verbesserst dein Werk.

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Jede Familie trägt einen heimlichen Fluch oder Segen. Ihn finde! Ihn lege zugrunde!

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Tieck und andere Dramatiker kennen die vielfältigen Äußerungen der Affekte nicht, sondern nur einige konventionelle.

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Das Bereich dessen, was man gesund und normal nennt, wird im Affekt verlassen. Ein Drama ohne Affekt ist undenkbar, daher es immer einigermaßen ins Pathologische übergreifen muß.

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Sie verlangen den Helden: diejenigen am lautesten, die ihn am lautesten schmähen würden, wenn er erschiene. Reichtum der Seele, ein starkes, friedliches, großes Empfinden machen vielleicht Heldentum aus.

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Jedes Drama enthält einen Zug von Pedanterie, den das Leben nicht nötig hat.

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Vom Individuellen der Charakteristik muß in der Tragödie irgendwie abstrahiert werden.

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Episodenfiguren können geschaut, Gestalten des engeren Dramas müssen gelebt sein.

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Fanatiker sind im Drama nur episodisch zu verwerten: ihr unbewegliches Wahnsystem ist bald heraus und die Standhaftigkeit, mit der es behauptet wird, ebenfalls: darüber hinaus gibt es dann nichts, was dem Leben des Dramas noch förderlich sein könnte.

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Mechanische Szenen sind roh und nur mit aller Vorsicht künstlerisch zu verwerten: Totschlag, Duell, Schlachtszenen.

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Die Fabel muß einfach bleiben und die Personen nicht belasten, damit weniger Fasern und viele saftige Zellen in der Frucht der Dichtung entstehen mögen.

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Je zusammengesetzter die Fabel, um so weniger Charakter. Je einfacher die Fabel, um so reicher der Charakter.

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Was man der Handlung gibt, nimmt man den Charakteren.

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Eine stille Dramatik findet nicht einmal unter den Fischen im Meere statt.

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Das Leben schließt einen tragischen Konnex ebensowohl ab als der Tod.

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Ibsen sieht das Tragische meist nur in der sogenannten gescheiterten Existenz. Tragik bei voller Existenz ist die höhere.

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Ibsens Stücke enthalten eine gewisse unentschiedene »Moral«.

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Die Gestalten Hebbels sind wie Eisblumen, gefrorener Seelenhauch.

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In Fällen, wo wir das Leben der dramatischen Kunstform nicht anpassen können: – sollen wir nicht diese Kunstform dem Leben anpassen?

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Der Dichter, der zum Pathologischen seine Zuflucht nimmt, habe schlecht komponiert, sagt Paul Ernst. Darf der Dichter den Menschen universell betrachten? Muß er die medizinische Fachunterscheidung von krank und gesund machen und dann das krank ausschalten? Wieviel ärztliches Fachwissen würde aber allein dieser Prozeß voraussetzen, und, nach seiner Vollziehung, was bliebe übrig? Ein Restermensch? Würde dieser in seiner notwendigen Existenzunfähigkeit noch Objekt der Kunst sein können? Warum nicht ebenso gut der vollkommene Mensch? Das gleiche Unding und von Subalternen gesucht.

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Falstaff in »Die lustigen Weiber von Windsor« macht, seinem Dichter spitzbübisch zublinzelnd, gleichsam gute Miene zum bösen Spiel und läßt gutmütig alles mit sich geschehen, was den lustigen Weibern sowohl als etwa einer allerhöchsten Bestellerin Spaß macht. Aber diese sind die Gefoppten. Er stellt sich nur so, als ob er der Angeführte sei.

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»Sommernachtstraum«. Er ist, im bösen Sinne, die Komödie der Liebe. Die Menschen zu Marionetten herabgewürdigt und als solche genasführt. Zettel muß einen Eselskopf aufsetzen, um geliebt zu werden. Und es ist niemand Geringeres als Titania, die ihn liebt.

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Ich sah »Romeo und Julia«. Ich will keine künstlich gestachelte und auf die Spitze getriebene Handlung. Pater Lorenzo würde die Trauung, bei seinem Wunsch, beide Häuser zu versöhnen, nicht geheimhalten, sondern zur Versöhnung ausnützen. Romeo würde nicht von Julia, sondern mit ihr fliehen. Julia würde, als sie mit Paris vermählt werden soll, diesem bekennen, daß sie es bereits ist. Die Fläschchen-Geschichte ist für solche Leute fabuliert, denen es nicht abenteuerlich genug, nicht toll genug kommen kann; und nur Shakespeares Kunst bewahrt in den Konsequenzen vor dem Lächerlichen. Die plötzliche Trauungsidee, der Tod am Hochzeitstage, als gerade der Traugang stattfinden soll, sind eine Häufung grobschlächtiger Effekte, wodurch die Charaktere mißbraucht, die Schlußtragik völlig vernichtet wird. Was in der Wirkung übrigbleibt, ist allein die Leidenschaft junger Liebe: eine schnelle, großartig gestaute und dadurch furchtbar gemachte Leidenschaft.

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Ich habe mich von jeher besonders zum indischen Drama gezogen gefühlt: der Blumensaft, das Blütenarom, die weiche, brünstige Natur des indischen Dramas entspricht meiner Wesenheit. Es ist alles sinnlich in ihm und jeder Sinn darin ganz geheiligt. Sinnfein und sinnrein also und dabei üppig ist das indische Drama im Schoße einer natürlichen, tief sinnlichen Religion erzeugt. Es ist nicht lärmend und skandalsüchtig, sondern tief und still, und der Ohr und Seele zerreißende Knalleffekt hat in ihm keine Stätte.

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Vermögt ihr die Schönheit einer inneren Linie im Drama zu sehen?

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Man hat immer alle und jede Tragödie abgeschwächt, ja im wesentlichen abgelehnt, Keine Tragödie, die nicht gemildert, gezähmt und verdorben worden wäre. Das Haupt der Medusa ist nicht einmal auf dem Schreibtisch des Gelehrten, geschweige im Salon oder Boudoir erträglich gewesen.

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Die Satyrmaske, die hinter der Schlußfeuersbrunst der Tragödie aufgrinst im göttlichen Triumph des Lebens. Ironie ist der Grundzug des triumphierenden Lebens.

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Man spricht von blutiger Ironie: das ist die echte Tragödie.

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»Die Form ist ein Geheimnis den meisten.« – Die Form ist ein Geheimnis: allen!

 


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