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Zweiter Abschnitt

Ein paar Wochen später befand ich mich eines Abends draußen.

Ich war wieder in einem der Friedhöfe gewesen und hatte an einem Artikel für irgendeine Zeitung geschrieben. Während ich damit beschäftigt war, wurde es zehn Uhr, die Dunkelheit fiel ein und die Pforte sollte geschlossen werden. Ich war hungrig, sehr hungrig; die zehn Kronen waren leider nur allzubald verbraucht; nun waren es zwei, beinahe drei Tage und Nächte her, seit ich etwas gegessen hatte, und ich fühlte mich matt, ein wenig angegriffen vom Schreiben mit dem Bleistift. Ich hatte ein halbes Federmesser und einen Schlüsselbund in der Tasche, aber nicht einen Ör.

Als die Friedhofpforte geschlossen wurde, hätte ich ja geradeaus heimgehen sollen; aber aus einer instinktmäßigen Scheu vor meinem Zimmer, wo alles dunkel und leer war – einer verlassenen Klempnerwerkstatt, in der mich einstweilen aufzuhalten ich endlich Erlaubnis bekommen hatte – schwankte ich weiter, trieb aufs Geradewohl am Rathaus vorbei, bis hinunter zum Hafen und auf eine Bank auf dem Eisenbahnkai zu, wo ich mich hinsetzte.

Es fiel mir in diesem Augenblick kein trauriger Gedanke ein, ich vergaß meine Not und fühlte mich beruhigt bei dem Anblick des Hafens, der friedlich und schön im Halbdunkel dalag. Aus alter Gewohnheit wollte ich mich daran erfreuen, das Stück durchzulesen, das ich eben geschrieben hatte, und das meinem leidenden Gehirn als das beste vorkam, was ich je gemacht hatte. Ich zog mein Manuskript aus der Tasche, hielt es dicht vor die Augen, um besser zu sehen und durchlief eine Seite nach der anderen. Zuletzt wurde ich müde und steckte das Papier wieder in die Tasche. Alles war still; die See lag wie blaues Perlmutter da, und kleine Vögel flogen stumm an mir vorbei von Ort zu Ort. Ein Schutzmann patrouilliert etwas weiter weg, sonst ist kein Mensch zu sehen, und der ganze Hafen liegt schweigend da.

Ich zähle wieder mein Geld: ein halbes Federmesser, ein Schlüsselbund, aber nicht ein Ör. Plötzlich greife ich in meine Tasche und ziehe die Papiere wieder hervor. Es war ein mechanischer Akt, ein unbewußtes Nervenzucken. Ich suche mir ein weißes unbeschriebenes Blatt aus und – Gott weiß, woher ich die Idee bekam – ich machte eine Tüte, schloß sie sorgfältig, so daß sie wie voll aussah, und warf sie weit über das Pflaster weg; sie wurde vom Wind noch etwas weiter fortgeführt, dann blieb sie liegen.

Nun hatte der Hunger begonnen mich anzugreifen. Ich saß da und sah nach dieser weißen Tüte, die gleichsam von blanken Silbermünzen angeschwollen war, und hetzte mich selbst dazu auf, zu glauben, daß sie wirklich etwas enthalte. Ganz aufrecht saß ich da und verleitete mich dazu, die Summe zu erraten – wenn ich richtig riet, war sie mein! Ich stellte mir die kleinen, niedlichen Zehnörestücke zu unterst vor und die fetten, gerippten Kronen obendrauf – eine ganze Tüte voll Münzen! Ich saß da und sah sie mit aufgesperrten Augen an und führte mich selbst in Versuchung, hinzugehen und sie zu stehlen.

Dann höre ich den Schutzmann husten – und wie konnte ich darauf verfallen, genau das gleiche zu tun? Ich erhebe mich von der Bank und huste, und ich wiederhole dies dreimal, damit er es hören soll. Wie würde er sich auf die Tüte stürzen, wenn er käme! Ich freute mich über diesen Streich und rieb mir entzückt die Hände und fluchte großmächtig vor mich hin. Der sollte ein langes Gesicht machen, der Hund! In den heißesten Pfuhl der Hölle sollte er versinken über diesen Spitzbubenstreich! Ich war vor Hunger trunken geworden, mein Hunger hatte mich berauscht.

Ein paar Minuten später kommt der Schutzmann daher, mit seinen Eisenabsätzen auf dem Pflaster klappernd und nach allen Seiten spähend. Er läßt sich gut Zeit, er hat die ganze Nacht vor sich; er sieht die Tüte nicht – nicht bevor er ganz nahe bei ihr ist. Da bleibt er stehen und betrachtet sie. Es sieht so weiß und wertvoll aus, was dort liegt, vielleicht eine kleine Summe, was? eine kleine Summe Silbergeldes? ... Und er hebt sie auf. Hm! das ist leicht, das ist sehr leicht. Vielleicht eine kostbare Feder, ein Hutschmuck ... Und er öffnet sie behutsam mit seinen großen Händen und schaut hinein. Ich lachte, lachte und schlug mir auf das Knie, lachte wie ein Rasender. Und nicht ein Laut kam mir aus der Kehle, mein Lachen war stumm und hektisch, hatte die Inbrunst des Weinens ...

Dann klappert es wieder auf dem Pflaster und der Schutzmann macht eine Schwenkung zum Kai hinüber. Ich saß mit Tränen in den Augen da und rang nach Atem, ganz außer mir vor fiebriger Lustigkeit. Ich begann laut zu sprechen, erzählte mir selbst von der Tüte, ahmte die Bewegungen des armen Schutzmannes nach, schaute in meine hohle Hand und wiederholte wieder und wieder vor mich hin: Er hustete, als er sie wegwarf! Diesen Worten fügte ich neue hinzu, gab ihnen aufreizende Zusätze, stellte den ganzen Satz um und spitzte ihn zu: Er hustete einmal – khöhö!

Ich erschöpfte mich in Variationen über diese Worte, und es dauerte weit in den Abend hinein, bevor meine Lustigkeit aufhörte. Dann überkam mich eine schläfrige Ruhe, eine behagliche Mattheit, der ich keinen Widerstand entgegensetzte. Die Dunkelheit war ein wenig dicker geworden, eine kleine Prise furchte das Perlmutter der See. Die Schiffe, deren Masten sich gegen den Himmel abhoben, sahen mit ihren schwarzen Rümpfen wie lautlose Ungeheuer aus, die die Borsten sträubten und dalagen und auf mich warteten. Ich verspürte keinen Schmerz, mein Hunger hatte ihn abgestumpft; statt dessen fühlte ich mich angenehm leer, unberührt von allem um mich her und froh darüber, von keinem gesehen zu werden. Ich legte die Beine auf die Bank und lehnte mich zurück, auf diese Weise konnte ich am besten das ganze Wohlsein der Abgesondertheit fühlen. Keine Wolke war in meinem Gemüt, kein Gefühl des Unbehagens, keine unerfüllte Lust oder Begierde, so weit meine Gedanken reichten. Ich lag mit offenen Augen, in einem Zustand der Abwesenheit meiner selbst, ich fühlte mich herrlich entfernt.

Immer noch gab es keinen Laut, der mich störte; die milde Dunkelheit hatte die Allwelt vor meinen Augen verborgen und mich hier in eitel Ruhe begraben – nur das öde Rauschen der Stille schweigt mir monoton in die Ohren. Und die dunklen Ungeheuer da draußen würden mich an sich saugen, wenn die Nacht kommt, und sie würden mich weit über das Meer tragen und in fremde Länder, in denen keine Menschen wohnen. Und sie werden mich zum Schloß der Prinzessin Ylajali bringen, wo mich eine ungeahnte Herrlichkeit erwartet, die größer ist als die irgendeines Menschen. Und sie selbst wird in einem strahlenden Saal sitzen, in dem alles aus Amethyst ist, auf einem Thron von gelben Rosen und wird mir die Hand entgegenstrecken, wenn ich hereinkomme, mich begrüßen und Willkommen rufen, wenn ich mich nähere und niederkniee: Willkommen, Ritter, bei mir und in meinem Land! Ich habe dich seit zwanzig Sommern erwartet und in allen hellen Nächten dich gerufen, und wenn du traurig warst, habe ich hier geweint, und wenn du schliefst, habe ich dir herrliche Träume eingeatmet ... Und die Schöne nimmt meine Hand und folgt mir, leitet mich durch lange Gänge, in denen große Menschenscharen Hurra rufen, durch helle Gärten, in denen dreihundert junge Mädchen spielen und lachen, in einen anderen Saal hinein, in dem alles aus leuchtendem Smaragd besteht. Die Sonne flutet herein, durch Galerien und Gänge schreiten singende Chöre, Ströme von Duft schlagen mir entgegen. Ich halte ihre Hand in meiner, und ich fühle die wilde Köstlichkeit der Verzauberung in mein Blut dringen; ich lege meinen Arm um sie, und sie flüstert: Nicht hier, folge mir weiter! Und wir treten in den roten Saal, in dem alles Rubin und eine schwellende Herrlichkeit ist, in die ich versinke. Da fühle ich ihren Arm um mich, sie atmet in mein Antlitz, flüstert: Willkommen, Geliebter! Küß mich! Mehr ... mehr ...

Ich sehe von meiner Bank aus Sterne vor den Augen und meine Gedanken streichen in einen Orkan von Licht hinein ...

Ich war in Schlaf gefallen und wurde vom Schutzmann geweckt. Da saß ich, unbarmherzig zum Leben und zum Elend zurückgerufen. Mein erstes Gefühl war ein stupides Erstaunen darüber, mich selbst draußen unter offnem Himmel zu finden, aber bald wurde dieses von einem bitteren Mißmut abgelöst, und ich war nahe daran zu weinen, vor Trauer darüber, noch am Leben zu sein. Es hatte geregnet, während ich schlief. Meine Kleider waren ganz durchnäßt, und ich fühlte die rauhe Kälte in meinen Gliedern. Die Dunkelheit war noch dichter geworden, zur Not konnte ich die Gesichtszüge des Schutzmannes vor mir erkennen.

Soo, sagte er, stehen Sie nun auf!

Ich erhob mich sofort; hätte er mir befohlen, mich wieder hinzulegen, hätte ich auch gehorcht. Ich war sehr niedergestimmt und ganz ohne Kraft, dazu kam, daß ich den Hunger fast augenblicklich wieder zu fühlen begann.

Warten Sie doch ein wenig, Dummkopf! rief der Schutzmann mir nach, Sie gehen ja ohne Ihren Hut fort. Soo, gehen Sie jetzt!

Mir schien es auch so, als ob ich gleichsam – gleichsam etwas vergessen hatte, stammelte ich abwesend. Danke, gute Nacht.

Und ich schwankte weiter.

Wer nun ein wenig Brot hätte! Ein solch herrliches kleines Roggenbrot, von dem man herunterbeißen konnte, während man durch die Straßen ging. Und ich ging weiter und stellte mir eben diese besondere Sorte Roggenbrot vor, von der jetzt so herrlich zu essen gewesen wäre. Ich hungerte bitterlich, wünschte mich tot und fort, wurde sentimental und weinte. Mein Elend wollte kein Ende nehmen! Dann blieb ich mit einemmal auf der Straße stehen, stampfte auf das Pflaster und fluchte laut. Was hatte er mich doch geheißen? Dummkopf? Ich werde es diesem Schutzmann zeigen, was das sagen will, mich einen Dummkopf zu heißen! Damit kehrte ich um und lief zurück. Ich flammte vor Zorn heiß auf. Unten in der Straße stolperte ich und fiel, aber ich beachtete es nicht, sprang wieder auf und lief. Beim Bahnhofsplatz war ich jedoch so müde geworden, daß ich mich nicht dazu imstande fühlte, bis hinunter zum Hafen zu gehen; auch hatte mein Zorn während des Laufes abgenommen. Endlich hielt ich an und holte Atem. War es schließlich nicht ganz gleichgültig, was solch ein Schutzmann gesagt hatte? – Ja, aber alles ließ ich mir doch nicht gefallen! – Freilich! unterbrach ich mich selbst, schließlich verstand er es eben nicht besser! – Und diese Entschuldigung fand ich zufriedenstellend; ich wiederholte für mich selbst, daß er es eben nicht besser verstand. Damit kehrte ich wieder um.

Mein Gott, worauf du auch verfallen kannst! dachte ich zornig; wie ein Verrückter in solchen regennassen Straßen bei dunkler Nacht herumzulaufen! – Der Hunger nagte unerträglich und ließ mich nicht zur Ruhe kommen. Wieder und wieder schluckte ich Speichel, um mich auf diese Weise zu sättigen, und es schien, als wolle dies helfen. Es war nun viele Wochen allzu schmal mit dem Essen für mich gewesen, bevor es soweit gekommen war, und meine Kräfte hatten in letzter Zeit bedeutend abgenommen. War ich so glücklich gewesen, ein Fünfkronenstück durch das eine oder andere Manöver aufzutreiben, wollte dieses Geld nie so lange reichen, daß ich wieder ganz hergestellt war, ehe eine neue Hungerzeit über mich hereinbrach. Am schlimmsten war es meinem Rücken und meinen Schultern ergangen; das leise Bohren in der Brust konnte ich ja für einen Augenblick bekämpfen, wenn ich hart hustete, oder wenn ich ordentlich vornübergebeugt ging; aber für den Rücken und die Schultern wußte ich keinen Rat. Woher kam es nur, daß es gar nicht heller für mich werden wollte? War ich nicht ebenso berechtigt zu leben, wie irgendwelch anderer, wie der Antiquarbuchhändler Pascha und der Dampfschiffexpediteur Hennechen? Hatte ich nicht etwa Schultern wie ein Riese und zwei starke Arme zur Arbeit, und hatte ich nicht sogar einen Holzhackerplatz in der Möllerstraße gesucht, um mein tägliches Brot zu verdienen? War ich träge? Hatte ich mich nicht um Stellen bemüht und Vorlesungen gehört und Zeitungsartikel geschrieben und Nacht und Tag wie ein Verrückter studiert und gearbeitet? Und hatte ich nicht wie ein Geizhals gelebt, von Brot und Milch, wenn ich viel hatte, Brot, wenn ich wenig hatte, und gehungert, wenn ich nichts hatte? Wohnte ich im Hotel, hatte ich eine Flucht von Zimmern im ersten Stock? Auf einem Speicher wohnte ich, in einer Klempnerwerkstatt, aus der Gott und alle Welt im letzten Winter geflüchtet war, weil es hineinschneite. Ich konnte mich auf das Ganze durchaus nicht mehr verstehen.

Über all dieses dachte ich im Weitergehen nach, und es war kein Funken von Bosheit oder Mißgunst oder Bitterkeit in meinen Gedanken.

Bei einem Farbenladen blieb ich stehen und sah durch das Fenster hinein; ich versuchte die Aufschriften auf einigen hermetischen Büchsen zu lesen, aber es war dunkel. Ärgerlich auf mich selbst wegen dieses neuen Einfalles und heftig und zornig darüber, daß ich nicht herausfinden konnte, was diese Dosen enthielten, klopfte ich einmal ans Fenster und ging weiter. Oben in der Straße sah ich einen Polizisten, ich beschleunigte meinen Gang, ging dicht bis zu ihm hin und sagte ohne den geringsten Anlaß:

Es ist zehn Uhr.

Nein es ist zwei Uhr, antwortete er erstaunt.

Nein, es ist zehn, sagte ich. Es ist zehn Uhr. Und stöhnend vor Zorn trat ich noch ein paar Schritte vor, ballte meine Hand und sagte: Hören Sie, daß Sie es wissen – es ist zehn Uhr.

Er stand da und überlegte eine Weile, betrachtete meine Person, starrte mich verblüfft an. Endlich sagte er ganz still:

Auf jeden Fall ist es an der Zeit, daß Ihr heimgeht. Wollt Ihr, daß ich Euch begleite?

Durch diese Freundlichkeit wurde ich entwaffnet; ich fühlte, daß mir Tränen in die Augen traten, und ich beeilte mich zu antworten:

Nein, danke! Ich bin nur ein wenig zu lang aus gewesen, in einem Café. Ich danke Ihnen vielmals.

Er legte die Hand an den Helm, als ich ging. Seine Freundlichkeit hatte mich überwältigt, und ich weinte, weil ich keine fünf Kronen besaß, die ich ihm hätte geben können. Ich blieb stehen und sah ihm nach, während er langsam seinen Weg wandelte, schlug mich vor die Stirn und weinte heftiger, je weiter er sich entfernte. Ich schalt mich wegen meiner Armut aus, gab mir Schimpfnamen, erfand verletzende Benennungen, herrlich rohe Entdeckungen von Scheltworten, mit denen ich mich selbst überschüttete. Das setzte ich fort, bis ich beinahe ganz zu Hause war. Als ich an das Tor kam, entdeckte ich, daß ich meine Schlüssel verloren hatte.

Ja natürlich! sagte ich bitter zu mir selbst, warum sollte ich denn meine Schlüssel nicht verlieren? Hier wohne ich in einem Haus, in dem unten ein Stall ist und oben eine Klempnerwerkstatt; das Tor ist in der Nacht verschlossen und niemand, niemand kann es aufschließen – warum sollte ich nicht auch noch meine Schlüssel verlieren? Ich war naß wie ein Hund, ein bißchen hungrig, ein ganz klein wenig hungrig, und ein wenig lächerlich müde in den Knieen – warum sollte ich sie auch nicht verlieren? Warum war denn nicht gleich das ganze Haus nach Aker verzogen, wenn ich kam und hinein wollte? ... Und ich lachte in mich hinein, verstockt vor Hunger und Verkommenheit.

Ich hörte die Pferde drinnen im Stall stampfen und konnte meine Fenster oben sehen; aber das Tor konnte ich nicht öffnen und konnte nicht hineinschlüpfen. Müde und verbittert beschloß ich daher, zum Hafen zurückzugehen und nach meinen Schlüsseln zu suchen.

Es hatte wieder angefangen zu regnen, und ich fühlte bereits das Wasser auf meine Schultern durchdringen. Am Rathaus kam mir mit einemmal ein guter Gedanke: ich wollte die Polizei ersuchen, mir das Tor zu öffnen. Ich wandte mich sofort an einen Schutzmann und bat ihn inständig, mitzukommen und mir aufzuschließen, wenn er könne.

Hja, wenn er könne, ja! Aber er könne nicht. Er habe keinen Schlüssel. Die Schlüssel der Polizei seien nicht hier, die seien in der Detektivabteilung.

Was ich da tun solle?

Hja, ich solle in ein Hotel gehen und dort schlafen.

Aber ich könne wirklich nicht gut ins Hotel gehen; ich hätte kein Geld. Ich sei aus gewesen, in einem Café, er verstünde doch wohl ...

Wir standen eine kleine Weile auf der Treppe des Rathauses. Er überlegte und bedachte sich und betrachtete mich. Der Regen strömte draußen nieder.

Dann müssen Sie zum Wachthabenden hineingehen und sich als obdachlos melden, sagte er.

Als obdachlos? Daran hatte ich nicht gedacht. Ja, Tod und Teufel, das war eine gute Idee! Und ich dankte dem Schutzmann auf der Stelle für diesen vorzüglichen Rat. Ob ich ganz einfach hineingehen könne und sagen, daß ich obdachlos sei?

Ganz einfach! ...

Namen? fragte der Wachthabende.

Tangen – Andreas Tangen.

Ich weiß nicht, warum ich log. Meine Gedanken flatterten aufgelöst umher und gaben mir mehr Einfälle, als ich verwenden konnte; ich erfand diesen ferne liegenden Namen im Nu und schleuderte ihn ohne jede Berechnung heraus. Ich log ohne Notwendigkeit.

Beruf?

Dies hieß mir den Stuhl vor die Türe setzen. Hm. Ich dachte zuerst, mich zum Spengler zu machen, wagte es aber nicht; ich hatte mir einen Namen gegeben, den nicht jeder Spengler hat, außerdem trug ich eine Brille auf der Nase. Da fiel es mir ein, dummdreist zu sein, ich trat einen Schritt vor und sagte fest und feierlich: Journalist.

Der Wachthabende gab sich einen Ruck, ehe er schrieb, und großartig, wie ein obdachloser Staatsrat, stand ich vor der Schranke. Ich erregte kein Mißtrauen; der Wachthabende konnte es wohl verstehen, daß ich mit meiner Antwort gezögert hatte. Wie sah dies auch aus, ein Journalist auf dem Rathaus, ohne Dach über dem Kopf!

Bei welchem Blatt, Herr Tangen?

Beim »Morgenblatt«, sagte ich. Leider bin ich heute abend ein wenig zu lang aus gewesen ...

Ja, davon wollen wir nicht sprechen! unterbrach er mich, und er fügte mit einem Lächeln hinzu: Wenn die Jugend bummelt, dann ... Wir verstehen. Zu einem Schutzmann gewendet sagte er, indem er sich erhob und sich höflich vor mir verbeugte: Führen Sie den Herrn in die reservierte Abteilung hinauf. Gute Nacht.

Ich fühlte es bei meiner eigenen Dreistigkeit kalt über den Rücken hinunterlaufen, und um mir Mut zu machen, ballte ich im Gehen die Hände.

Das Gas brennt zehn Minuten lang, sagte der Schutzmann noch in der Türe.

Und dann wird es ausgelöscht?

Dann wird es ausgelöscht.

Ich setzte mich auf das Bett und hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde. Die helle Zelle sah freundlich aus; mir war gut und wohl zumute, heimisch, und ich lauschte dem Regen draußen mit Wohlbehagen. Ich konnte mir nichts Besseres wünschen, als solch eine behagliche Zelle! Meine Zufriedenheit stieg. Auf dem Bett sitzend, den Hut in der Hand und die Augen auf die Gasflamme an der Wand geheftet, fing ich an, über die Augenblicke meines ersten Zusammentreffens mit der Polizei nachzudenken. Dies war das erstemal gewesen, und wie hatte ich sie genarrt! Journalist Tangen, wie bitte? Und dann das »Morgenblatt«! Wie hatte ich den Mann grade ins Herz getroffen mit dem »Morgenblatt«. Darüber sprechen wir nicht, was? In Gala bis zwei Uhr im Stiftsgaard gesessen, den Torschlüssel vergessen und eine Brieftasche mit einigen Tausend daheim! Führen Sie den Herrn in die reservierte Abteilung hinauf ...

Da verlöscht plötzlich das Gas, ganz wunderbar plötzlich, ohne abzunehmen, ohne einzuschrumpfen. Ich sitze in einer tiefen Finsternis, kann meine Hand nicht sehen, nicht die weißen Wände rund um mich, nichts. Was war da anderes zu tun, als zu Bett zu gehen? Und ich kleidete mich aus.

Aber ich konnte nicht schlafen. Eine Zeitlang blieb ich liegen und sah in die Finsternis, in diese dicke Massenfinsternis, die keinen Boden hatte, die ich nicht begreifen konnte. Meine Gedanken konnten sie nicht erfassen. Sie schien mir über alle Maßen dunkel und ich fühlte mich durch ihre Nähe bedrückt. Ich schloß die Augen, begann halblaut zu singen und warf mich auf die Pritsche, um mich zu zerstreuen; aber ohne Erfolg. Die Dunkelheit hatte mein Denken ergriffen und ließ mich keinen Augenblick in Frieden. Wie, wenn ich selbst in Dunkelheit aufgelöst und eins mit ihr würde? Ich richte mich im Bett auf und schlage mit den Armen um mich.

Mein nervöser Zustand hatte sich verschlimmert und ich versuchte, mich aus allen Kräften zu wehren, aber es half nichts. Da saß ich, eine Beute der seltsamsten Phantasien, mich selbst beschwichtigend, Wiegenlieder summend und schwitzend vor der Anstrengung, mich zur Ruhe zu bringen. Ich starrte in die Dunkelheit hinaus, ich hatte niemals in meinem Leben eine solche Finsternis gesehen. Es war kein Zweifel darüber, daß ich mich hier einer eigenen Art von Finsternis gegenüber befand, einem desperaten Element, auf das niemand vorher geachtet hatte. Die lächerlichsten Gedanken beschäftigten mich und jedes Ding erschreckte mich. Ein kleines Loch in der Wand bei meinem Bett nahm mich sehr in Anspruch. Ein Loch von einem Nagel, das ich in der Wand finde, ein Zeichen in der Mauer. Ich fühle es an, blase hinein und versuche seine Tiefe zu erraten. Das war nicht irgendein unschuldiges Loch, durchaus nicht; es war ein ganz tückisches und geheimnisvolles Loch, vor dem ich mich hüten mußte. Und von dem Gedanken an dieses Loch besessen, ganz außer mir vor Neugierde und Furcht, mußte ich zuletzt vom Bett aufstehen und nach meinem halben Federmesser suchen, um die Tiefe zu messen und mich zu vergewissern, daß es nicht ganz in die Nebenzelle hinüberführte.

Ich legte mich zurück, um Schlaf zu finden, in Wirklichkeit aber nur, um wiederum mit der Dunkelheit zu kämpfen. Der Regen draußen hatte aufgehört, und ich vernahm keinen Laut. Eine Zeitlang fuhr ich fort, nach Fußtritten auf der Straße zu lauschen, und ich gönnte mir keinen Frieden, bevor ich nicht einen Fußgänger vorbeigehen gehört hatte, den Schritten nach zu urteilen ein Schutzmann. Plötzlich knipse ich mehrere Male mit dem Finger und lache. Zum Teufel auch! Ha! – Ich bildete mir ein, ein neues Wort gefunden zu haben. Ich richte mich im Bett auf und sage: Das gibt es in der Sprache noch nicht, ich habe es erfunden, Kuboaa. Es hat Buchstaben wie ein Wort, beim süßesten Gott, Mensch, du hast ein Wort erfunden ... Kuboaa ... von großer grammatikalischer Bedeutung.

Das Wort stand in der Dunkelheit ganz deutlich vor mir.

Mit offenen Augen sitze ich da, erstaunt über meinen Fund und lache vor Freude. Dann beginne ich zu flüstern; man konnte mich belauschen, und ich gedachte meine Erfindung geheimzuhalten. Ich war in den frohen Wahnwitz des Hungers verfallen, war leer und schmerzfrei und meine Gedanken waren ohne Zügel. Und still erwäge ich alles bei mir selbst. Mit den seltsamsten Gedankensprüngen suche ich die Bedeutung meines neuen Wortes zu erforschen. Es brauchte weder Gott noch Tivoli zu heißen, und wer hatte gesagt, daß es Tierschau bedeuten solle? Heftig ballte ich die Hand und wiederholte noch einmal: Wer hat behauptet, daß es Tierschau bedeuten soll? Wenn ich es recht bedachte, war es nicht einmal notwendig, daß es Anhängeschloß oder Sonnenaufgang bedeutete. Für ein solches Wort wie dieses war es nicht schwierig, einen Sinn zu finden. Ich wollte warten und mir Zeit lassen. Inzwischen konnte ich darüber schlafen.

Ich liege auf der Pritsche und lache leise, sage aber nichts, vermeide jede Entscheidung. Es vergehen einige Minuten, ich werde nervös, das neue Wort plagt mich ohne Unterlaß, kehrt stets zurück, bemächtigt sich zuletzt aller meiner Gedanken und macht mich ernst. Ich hatte mir wohl eine Meinung dafür gebildet, was es nicht bedeuten sollte, aber keine Bestimmung darüber gefaßt, was es bedeuten sollte. Das ist eine Nebenfrage! sage ich laut vor mich hin, packe mich am Arm und wiederhole, es sei eine Nebenfrage. Das Wort war Gott sei Lob gefunden, und das war die Hauptsache. Aber es plagt mich endlos und hindert mich daran, einzuschlafen; nichts war mir gut genug für dieses seltene Wort. Endlich erhebe ich mich wieder im Bett, greife mir mit beiden Händen an den Kopf und sage: Nein, gerade das ist ja unmöglich, Auswanderung oder Tabakfabrik darf es nicht bedeuten! Hätte es so etwas bedeuten können, würde ich mich längst dafür entschieden und die Folgen auf mich genommen haben. Nein, eigentlich war das Wort geeignet, etwas Seelisches zu bedeuten, ein Gefühl, einen Zustand – ob ich das nicht begreifen könne? Und ich besinne mich auf etwas Seelisches. Da ist es mir, als spräche jemand, mische sich in meine Auseinandersetzungen, und ich antworte zornig: Wie bitte? Nein, solch einen Idioten gibt es doch nicht wieder! Strickgarn? Fahr zur Hölle! Warum sollte ich dazu verpflichtet sein, es Strickgarn heißen zu lassen, wenn ich gerade dagegen etwas hatte, daß es Strickgarn bedeutete? Ich selbst hatte das Wort erfunden und war deshalb in meinem guten Recht, es bedeuten zu lassen, was ich nur wollte. Soviel ich wußte, hatte ich noch nichts darüber geäußert ...

Aber mein Gehirn kam immer mehr in Verwirrung. Zuletzt sprang ich aus dem Bett, um die Wasserleitung zu suchen. Ich war nicht durstig, doch mein Kopf fieberte, und ich fühlte einen instinktmäßigen Drang nach Wasser. Als ich getrunken hatte, legte ich mich wieder nieder und versuchte mit Gewalt und Macht, nun zu schlafen. Ich schloß die Augen und zwang mich, ruhig zu sein. So lag ich mehrere Minuten ohne eine Bewegung, kam in Schweiß und fühlte das Blut heftig durch die Adern stoßen. Nein, das war doch zu köstlich, daß er in dieser Tüte nach Geld suchen konnte! Er hustete auch nur einmal. Ob er wohl noch da unten umhergeht? Auf meiner Bank sitzt? ... Das blaue Perlmutter ... Die Schiffe ...

Ich öffnete die Augen. Wie sollte ich sie auch geschlossen halten, wenn ich nicht schlafen konnte! Und die gleiche Finsternis brütete um mich, die gleiche unergründliche schwarze Ewigkeit, an der meine Gedanken aufsteilten und die sie nicht fassen konnten. Womit war sie doch zu vergleichen? Ich machte die verzweifeltsten Anstrengungen, ein Wort zu finden, das schwarz genug wäre, diese Finsternis zu bezeichnen. Ein Wort, so grausam schwarz, daß es meinen Mund schwärzen mußte, wenn ich es aussprach. Herrgott, wie dunkel war es doch! Und wieder beginne ich an den Hafen zu denken, an die Schiffe, diese schwarzen Ungeheuer, die dort lagen und auf mich warteten. Sie wollten mich an sich saugen und mich festhalten und über Land und Meere mit mir segeln, durch dunkle Reiche, die noch kein Mensch erschaut hat. Ich fühle mich an Bord, vom Wasser angezogen, in den Wolken schwebend, sinkend, sinkend ... Ich stoße einen heiseren Angstschrei aus und klammere mich fest ans Bett; ich hatte eine gefährliche Reise gemacht, war wie ein Bündel durch die Luft herabgesaust. Wie erlöst ich mir nicht vorkam, als ich mit der Hand gegen die harte Pritsche schlug! So ist es, wenn man stirbt, sagte ich zu mir, nun mußt du sterben! Und ich lag eine kleine Weile da und dachte darüber nach, daß ich nun sterben sollte. Da richte ich mich im Bett auf und frage streng: Wer sagte, daß ich sterben soll? Habe ich das Wort erfunden? Dann ist es auch mein gutes Recht, selbst zu bestimmen, was es bedeuten soll ...

Ich hörte, daß ich phantasierte, hörte es noch, während ich sprach. Mein Wahnsinn war ein Delirium der Schwäche und der Erschöpfung, aber ich war nicht bewußtlos. Und der Gedanke, daß ich wahnsinnig geworden sei, fuhr mir mit einem Schlag durch das Gehirn. Von Schrecken ergriffen, fahre ich aus dem Bett. Ich taumle zur Türe hin, die ich zu öffnen versuche, werfe mich ein paarmal dagegen, um sie zu sprengen, stoße meinen Kopf gegen die Wand, jammere laut, beiße mich in die Finger, weine und fluche ...

Alles war ruhig; meine eigene Stimme nur wurde von den Mauern zurückgeworfen. Außerstande, länger in der Zelle umherzutoben, war ich zu Boden gefallen. Da erspähe ich hoch oben, mitten vor meinen Augen, ein graues Viereck in der Wand, einen Schimmer von Weiß, eine Ahnung – es war das Tageslicht. Oh, wie köstlich atmete ich auf! Ich warf mich flach auf den Boden und weinte vor Freude über diesen gesegneten Schimmer des Lichts, schluchzte vor Dankbarkeit, küßte in die Luft gegen das Fenster hin und betrug mich wie ein Verrückter. Und auch in diesem Augenblick war ich mir bewußt, was ich tat. Aller Mißmut war mit einemmal fort, alle Verzweiflung und aller Schmerz hatten aufgehört, ich hatte in diesem Augenblick keinen unerfüllten Wunsch, so weit meine Gedanken reichten. Ich setzte mich aufrecht auf den Boden, faltete die Hände und wartete geduldig auf den Anbruch des Tages.

Welch eine Nacht war dies gewesen! Daß man den Lärm nicht gehört hatte! dachte ich verwundert. Aber ich war ja auch in der reservierten Abteilung, hoch über allen Gefangenen. Ein obdachloser Staatsrat, wenn ich so sagen durfte. Beständig in der besten Stimmung, die Augen der immer helleren und helleren Scheibe in der Mauer zugewandt, belustigte ich mich damit, den Staatsrat zu agieren, nannte mich von Tangen und gab meiner Rede Departementsstil. Meine Phantasien hatten nicht aufgehört, nur war ich nun viel weniger nervös. Wenn ich doch nur nicht die bedauerliche Gedankenlosigkeit gehabt hätte, meine Brieftasche daheim zu lassen! Ob ich nicht die Ehre haben dürfe, den Herrn Staatsrat ins Bett zu bringen? Und mit äußerstem Ernst, mit vielen Zeremonien ging ich zur Pritsche hin und legte mich nieder.

Nun war es so hell geworden, daß ich den Umriß der Zelle einigermaßen erkennen konnte, und bald darauf konnte ich den schweren Handgriff an der Türe sehen. Dies zerstreute mich. Die einförmige Dunkelheit, so aufreizend dicht, daß sie mich daran hinderte, mich selbst zu sehen, war gebrochen; mein Blut wurde ruhiger und bald fühlte ich, wie meine Augen sich schlossen.

 

Durch ein paar Schläge an meiner Türe wurde ich geweckt. In aller Hast sprang ich auf und zog mich eiligst an; meine Kleider waren noch von gestern abend durchnäßt.

Ihr müßt Euch unten beim Jourhabenden melden, sagte der Schutzmann.

So sind also wieder Formalitäten zu überstehen! dachte ich erschrocken.

Ich kam unten in einen großen Raum, in dem dreißig oder vierzig Menschen saßen, alle obdachlos. Und einer nach dem anderen wurden sie aus dem Protokoll aufgerufen, einer nach dem anderen bekamen sie eine Karte auf ein Essen. Der Jourhabende sagte in einem fort zu dem Schutzmann an seiner Seite:

Bekam er eine Karte? Ja, vergessen Sie nicht, ihnen die Karten zu geben. Sie sehen aus, als könnten sie eine Mahlzeit brauchen.

Und ich stand da und sah diese Karten an und wünschte mir eine.

Andreas Tangen, Journalist!

Ich trat vor und verbeugte mich.

Aber Bester, wie sind denn Sie hierhergekommen?

Ich erklärte den ganzen Zusammenhang, gab die gleiche Geschichte wie gestern wieder zum besten, log mit offenen Augen und ohne zu zwinkern, log mit Aufrichtigkeit! Leider ein wenig zu lang aus gewesen, in einem Café, den Torschlüssel verloren ...

Ja, sagte er und lächelte, so geht es! Haben Sie denn gut geschlafen?

Wie ein Staatsrat! antwortete ich. Wie ein Staatsrat!

Das freut mich, sagte er und erhob sich. Guten Morgen!

Und ich ging.

Eine Karte, eine Karte auch für mich! Seit drei langen Tagen und Nächten habe ich nichts gegessen! Ein Brot! Aber niemand bot mir eine Karte an, und ich wagte nicht, eine zu verlangen. Das hätte augenblicklich Mißtrauen erregt. Man hätte angefangen, in meine privaten Verhältnisse zu stieren und herausgefunden, wer ich wirklich war; man würde mich wegen falscher Angaben verhaften. – Erhobenen Hauptes mit der Haltung eines Millionärs, die Hände in meine Rockaufschläge gesteckt, schritt ich aus dem Rathaus.

Die Sonne schien bereits warm, es war zehn Uhr, und der Verkehr auf dem Youngsplatz war in vollem Gange. Wohin sollte ich gehen? Ich klopfe auf die Tasche und fühle nach meinem Manuskript; um elf Uhr wollte ich versuchen, den Redakteur zu treffen. Ich stehe eine Weile auf der Balustrade und beobachte das Leben unter mir; unterdessen fingen meine Kleider zu dampfen an. Der Hunger fand sich wieder ein, nagte in der Brust, ruckte, gab mir kleine feine Stiche, die mich schmerzten. Hatte ich wirklich keinen einzigen Freund, keinen Bekannten, an den ich mich wenden konnte? Ich versuche in meinem Gedächtnis einen Mann zu finden, der mir zehn Öre leihen könnte und finde ihn nicht. Es war ein herrlicher Tag. Viel Sonne und viel Licht war um mich; der Himmel strömte wie ein zartes Meer über den Bergen hin ...

Ohne es zu wissen, war ich auf dem Weg nach Hause.

Mich hungerte stark und ich fand auf der Straße einen Holzspan, auf dem ich kauen konnte. Das half. Daß ich daran nicht früher gedacht hatte!

Das Tor war offen, der Stallknecht wünschte mir wie gewöhnlich guten Morgen.

Feines Wetter! sagte er.

Ja, antwortete ich. Das war alles, was ich zu sagen wußte. Konnte ich ihn wohl bitten, mir eine Krone zu leihen? Er tat es gewiß gerne, wenn es ihm möglich war. Ich hatte außerdem einmal einen Brief für ihn geschrieben.

Er stand da und schluckte an etwas, das er sagen wollte.

Feines Wetter, ja. Hm. Ich soll heute meine Wirtin bezahlen. Sie könnten wohl nicht so freundlich sein und mir fünf Kronen leihen, wie? Nur für einige Tage. Sie haben mir schon früher einen Gefallen getan.

Nein, das kann ich wirklich nicht, Jens Olai, antworte ich. Nicht jetzt. Vielleicht später, heute nachmittag vielleicht. Und ich schwankte die Treppe zu meinem Zimmer hinauf.

Hier warf ich mich auf mein Bett und lachte. Welches Schweineglück, daß er mir zuvorgekommen war! Meine Ehre war gerettet. Fünf Kronen – Gott bewahre dich, Mensch! Du hättest mich ebenso gerne um fünf Aktien der Dampfküche oder um einen Herrenhof in Aker bitten können.

Und der Gedanke an diese fünf Kronen machte mich immer lauter und lauter lachen. War ich nicht ein Teufelskerl, was? Fünf Kronen! Ja, dazu war ich der rechte Mann! Meine Lustigkeit stieg, und ich gab mich ihr hin: Pfui Teufel, was ist das hier für ein Geruch nach Speisen! Richtiger, frischer Karbonadengeruch vom Mittag her, pfui! Und ich stoße das Fenster auf, um den abscheulichen Geruch hinauszulassen. Kellner, ein halbes Beefsteak! Zum Tisch gewandt, diesem gebrechlichen Tisch, den ich mit den Knieen stützen mußte, wenn ich schrieb, verbeugte ich mich tief und fragte: Befehlen Sie vielleicht ein Glas Wein? Nicht? Mein Name ist Tangen, Staatsrat Tangen. Leider bin ich ein wenig zu lang aus gewesen ... Der Torschlüssel ... Und zügellos laufen meine Gedanken wieder auf allen Wegen davon. Ich war mir ständig bewußt, daß ich unzusammenhängend redete und ich sagte kein Wort, ohne daß ich es hörte und verstand. Ich sagte zu mir selbst: Nun redest du wieder unzusammenhängend! Und ich konnte doch nichts dagegen machen. Es war, als läge ich wach und spräche im Schlaf. Mein Kopf war leicht, ohne Schmerz und ohne einen Druck, und mein Gemüt war ohne Wolken. Ich segelte dahin und leistete keinen Widerstand.

Herein! Ja, nur herein! Wie Sie sehen, alles von Rubin. Ylajali, Ylajali! Der rote, schwellende Seidendivan! Wie heftig sie atmet! Küß mich, Geliebte, mehr, mehr. Deine Arme sind wie Bernstein, dein Mund flammt ... Kellner, ich habe ein Beefsteak bestellt ...

Die Sonne schien durch mein Fenster herein, und unten hörte ich die Pferde Hafer kauen. Ich saß da und sog an meinem Holzspan, aufgeräumt, froh wie ein Kind. Ständig hatte ich nach dem Manuskript gefühlt; ohne daß ich auch nur ein einziges Mal daran dachte, sagte mir der Instinkt, daß es da war, mein Blut erinnerte mich daran. Und ich zog es hervor.

Es war naß geworden, ich breitete es aus und legte es in die Sonne. Darauf begann ich in meinem Zimmer auf und ab zu wandern. Wie bedrückend alles aussah! Rings auf dem Boden kleine abgeschnittene Streifen von Blechplatten. Aber kein Stuhl zum Sitzen, nicht einmal ein Nagel in den nackten Wänden. Alles war in »Onkels Keller« gebracht und war verzehrt worden. Ein paar Bogen Papier auf dem Tisch, dick mit Staub bedeckt, war all mein Besitz. Die alte grüne Decke auf dem Bett hatte mir Hans Pauli vor einigen Monaten geliehen ... Hans Pauli! Ich knipse mit den Fingern. Hans Pauli Pettersen muß mir helfen! Und ich besinne mich auf seine Adresse. Wie konnte ich auch Hans Pauli vergessen! Er wird sicher sehr gekränkt sein, weil ich mich nicht gleich an ihn gewandt hatte. Rasch setze ich meinen Hut auf, raffe das Manuskript zusammen und eile die Treppe hinunter.

Hör Jens Olai, rief ich in den Stall, ich glaube ganz bestimmt, daß ich dir heute nachmittag helfen kann!

Beim Rathaus angekommen, sehe ich, daß es elf Uhr vorbei ist, und ich beschließe, sofort in die Redaktion zu gehen. Vor der Bürotüre blieb ich stehen, um zu untersuchen, ob meine Papiere auch der Reihe nach lägen; ich glättete sie sorgfältig, steckte sie wieder in die Tasche und klopfte an. Mein Herz pochte hörbar, als ich eintrat.

Die Schere ist wie gewöhnlich da. Ich frage furchtsam nach dem Redakteur. Keine Antwort. Der Mann sitzt mit seiner langen Schere da und bohrt kleine Nachrichten aus den Provinzzeitungen heraus.

Ich wiederhole meine Frage und trete weiter vor.

Der Redakteur ist noch nicht gekommen, sagte die Schere endlich, ohne aufzusehen.

Und wann er käme?

Kann es nicht sagen, kann es durchaus nicht sagen, Sie.

Wie lange ist das Büro offen?

Hierauf bekam ich keine Antwort mehr und mußte gehen. Die Schere hatte während des Ganzen nicht einen Blick auf mich geworfen. Er hatte meine Stimme gehört und mich daran wiedererkannt. So schlecht bist du hier angesehen, dachte ich, man findet es nicht einmal der Mühe wert, dir zu antworten. Ob dies wohl eine Weisung des Redakteurs war. Ich hatte ihn allerdings auch, seit mein berühmtes Feuilleton für zehn Kronen angenommen worden war, mit Arbeiten überschwemmt, hatte beinahe jeden Tag seine Türe mit unbrauchbaren Sachen eingerannt, die er hatte durchlesen und mir zurückgeben müssen. Er wollte dem vielleicht ein Ende machen, seine Verhaltungsmaßregeln treffen ... Ich begab mich auf den Weg nach Homansby hinaus.

Hans Pauli Pettersen war ein Bauernstudent in der Mansarde eines vierstöckigen Hauses, also war Hans Pauli Pettersen ein armer Mann. Aber hatte er eine Krone, so würde er sie nicht schonen. Ich würde sie so gewiß bekommen, als hätte ich sie schon in der Hand. Und ich ging weiter und freute mich auf diese Krone und fühlte mich ihrer sicher. Als ich an die Haustüre kam, war sie verschlossen, und ich mußte läuten.

Ich wünsche den Studenten Pettersen zu sprechen, sagte ich und wollte hinein; – ich weiß sein Zimmer.

Student Pettersen? wiederholt das Mädchen. Der in der Dachstube gewohnt habe? Er sei ausgezogen. Ja, wohin, wüßte sie nicht, aber er hatte gebeten, seine Briefe zu Hermansen in der Toldbodstraße zu senden, und das Mädchen nannte die Nummer.

Voll Hoffnung und Glauben gehe ich die ganze Toldbodstraße hinunter, um Hans Paulis Adresse zu erfragen. Dies war mein letzter Ausweg, und ich mußte ihn ausnützen. Unterwegs kam ich an einem Neubau vorüber, vor dem einige Zimmerleute standen und hobelten. Ich nahm zwei saubere Späne aus dem Haufen, steckte den einen in den Mund und den anderen für später in die Tasche. Und ich setzte meinen Weg fort. Ich stöhnte vor Hunger. In einem Bäckerladen hatte ich ein wunderbar großes Zehnörebrot im Fenster gesehen, das größte Brot, das man für diesen Preis bekommen konnte ...

Ich komme, um nach der Adresse des Studenten Pettersen zu fragen.

Bernt Ankersstraße Nummer 10, Dachwohnung. – Ob ich hinausgehen wolle? So, dann wäre ich vielleicht so freundlich, ein paar Briefe mitzunehmen.

Wieder ging ich in die Stadt hinauf, den gleichen Weg, den ich gekommen war, ging wieder an den Zimmerleuten vorbei, die nun mit ihren Blechtöpfen zwischen den Knieen dasaßen und ihre gute, warme Mahlzeit aus der Dampfküche aßen, an dem Bäckerladen vorbei, in dem das Brot noch an seinem Platz lag, und erreichte endlich, halb tot vor Erschöpfung, die Bernt Ankersstraße. Die Türe ist offen, und ich begebe mich die vielen schweren Treppen zum Speicher hinauf. Ich hole die Briefe aus der Tasche, um Hans Pauli gleich beim Eintreten mit einem Schlag in gute Laune zu versetzen. Er würde mir diesen kleinen Gefallen gewiß nicht abschlagen, wenn ich ihm meine Lage erklärte, sicher nicht, Hans Pauli hatte ein so weites Herz, das hatte ich schon immer von ihm gesagt ...

An der Türe fand ich seine Karte: »H. P. Pettersen, stud. theol. – heimgereist.«

Ich setzte mich auf der Stelle nieder, setzte mich auf den blanken Boden, dumpfmüde, zerschlagen vor Erschöpfung. Ich wiederhole ein paarmal mechanisch: Heimgereist! Heimgereist! Dann schweige ich ganz still. Keine Träne war in meinen Augen, ich hatte keinen Gedanken und keine Empfindung. Mit aufgerissenen Augen saß ich da und starrte ohne mir etwas vorzunehmen auf die Briefe. Es vergingen zehn Minuten, vielleicht auch zwanzig oder mehr, ich saß immer auf dem gleichen Fleck und rührte keinen Finger. Diese dumpfe Betäubung war beinahe wie ein Schlummer. Dann höre ich jemand die Treppe heraufkommen, ich stehe auf und sage:

Für den Studenten Pettersen – ich habe zwei Briefe für ihn.

Er ist heimgereist, antwortete die Frau. Aber er kommt nach den Ferien zurück. Die Briefe kann ja ich an mich nehmen, wenn Sie wollen.

Ja danke, das wäre sehr gut, sagte ich, dann erhält er sie, wenn er zurückkommt. Es könnten wichtige Dinge darin sein. Guten Morgen.

Als ich hinausgekommen war, blieb ich stehen und sagte laut, mitten auf der Straße, indem ich die Hände ballte: Eines will ich dir sagen, mein lieber Herr und Gott: du bist ein – na kurz und gut! Und ich nicke wütend mit zusammengebissenen Zähnen zu den Wolken hinauf: Du bist, der Teufel hol' mich, ein –

Dann ging ich einige Schritte und blieb wieder stehen. Indem ich plötzlich die Haltung wechsle, falte ich die Hände, lege meinen Kopf schief und frage mit süßer frommklingender Stimme: Hast du dich auch an ihn gewandt, mein Kind?

Das klang nicht richtig.

Mit großem I, sage ich, mit einem I wie ein Dom! Noch einmal: Hast du Ihn denn auch angerufen, mein Kind? Und ich senke den Kopf und mache meine Stimme etwas traurig und antworte: Nein.

Das klang auch nicht richtig.

Du kannst doch nicht heucheln, du Narr! Ja, mußt du sagen, ja ich habe meinen Gott und Vater angerufen! Und du mußt die jämmerlichste Melodie, die du je gehört hast, zu deinen Worten finden. Also noch einmal! Ja, das war schon besser. Aber du mußt seufzen, seufzen, wie ein krankes Pferd. So!

Da gehe ich und unterrichte mich selbst, stampfe ungeduldig auf die Straße, wenn es mir nicht gelingen will und schelte mich einen Holzklotz, während die erstaunten Vorübergehenden sich nach mir umwenden und mich betrachten.

Ich kaute ununterbrochen auf meinem Hobelspan und schwankte, so schnell ich konnte, durch die Straßen. Bevor ich es selbst wußte, war ich ganz unten am Bahnhofsplatz. Die Uhr an der Erlöserkirche zeigte halb zwei. Ich stand eine Weile still und überlegte. Ein matter Schweiß trat mir auf die Stirne und sickerte mir in die Augen. Komm ein wenig mit zum Hafen! sagte ich zu mir. Das heißt, wenn du Zeit hast? Und ich verbeugte mich vor mir selbst und ging zum Eisenbahnkai hinunter. Die Schiffe lagen draußen, die See wiegte sich im Sonnenschein. Überall war geschäftige Bewegung, waren heulende Dampfpfeifen, Träger mit Kisten auf den Schultern, muntere Aufgesänge klangen von den Prahmen herüber. Eine Kuchenfrau sitzt in meiner Nähe und beugt sich mit ihrer braunen Nase über ihre Waren; der kleine Tisch vor ihr ist sündhaft voll von Leckereien, und ich wende mich mit Unwillen ab. Sie erfüllt den ganzen Kai mit ihrem Speisengeruch! Pfui! Auf mit den Fenstern! Ich wende mich an einen Herrn, der mir zur Seite sitzt, und stelle ihm eindringlich diesen Mißstand vor, Kuchenfrauen hier und Kuchenfrauen dort ... Nicht? Ja, aber er müsse doch wohl einräumen, daß ... Doch der gute Mann ahnte Unrat und ließ mich nicht einmal zu Ende sprechen, er erhob sich und ging. Auch ich erhob mich und ging ihm nach, fest entschlossen, diesen Mann von seinem Irrtum zu überzeugen.

Sogar aus Rücksicht für die sanitären Verhältnisse, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter ...

Entschuldigen Sie, ich bin fremd hier und weiß nichts von den sanitären Verhältnissen, sagte er und starrte mich voll Entsetzen an.

Na, das veränderte die Sache, wenn er fremd war ... Ob ich ihm nicht irgendeinen Dienst erweisen könnte? Ihn umherführen? Denn es würde mir ein Vergnügen sein, und es sollte ihn ja nichts kosten ...

Aber der Mann wollte mich absolut loswerden und kreuzte schnell über die Straße zum anderen Gehsteig hinüber.

Ich ging wieder zu meiner Bank zurück und setzte mich. Ich war sehr unruhig, und der große Leierkasten, der ein wenig weiter weg zu spielen begonnen hatte, machte es noch schlimmer. Eine feste, metallische Musik, ein Brocken von Weber, zu dem ein kleines Mädchen eine traurige Weise singt. Das Flötenartige, Leidensvolle des Leierkastens rieselt mir durchs Blut, meine Nerven fangen zu zittern an, als gäben sie Widerhall, und einen Augenblick später sinke ich auf die Bank zurück, winsele und summe mit. Worauf verfallen unsere Empfindungen nicht, wenn man hungert! Ich fühle mich in diese Töne aufgenommen, aufgelöst in Töne, ich ströme aus, und ich merke ganz deutlich, wie ich ströme, hoch über den Bergen schwebend, in lichte Zonen hineintanzend ...

Einen Ör! sagt das kleine Leierkastenmädchen und streckt seinen Blechteller vor. Nur einen Ör!

Ja, antwortete ich unbewußt und sprang auf und durchsuchte meine Taschen. Aber das Kind glaubt, daß ich es nur zum besten halten will und entfernt sich sofort, ohne ein Wort zu sagen. Diese stumme Duldsamkeit war zuviel für mich; hätte es mich ausgescholten, wäre es mir lieber gewesen. Der Schmerz ergriff mich, und ich rief sie zurück. Ich habe keinen Ör, sagte ich, aber ich werde an dich denken, vielleicht morgen. Wie heißt du? Ja, das ist ein schöner Name, ich werde ihn nicht vergessen. Also morgen ...

Aber ich fühlte gut, daß sie mir nicht glaubte, obwohl sie kein Wort sagte, und ich weinte vor Verzweiflung darüber, daß diese kleine Straßendirne mir nicht glauben wollte. Noch einmal rief ich sie zurück, riß schnell meinen Rock auf und wollte ihr meine Weste geben. Ich will dich schadlos halten, sagte ich, wart einen Augenblick ...

Und ich hatte keine Weste.

Wie konnte ich auch nach ihr suchen! Es waren Wochen vergangen, seit sie in meinem Besitz gewesen. Was fiel mir auch ein? Das erstaunte Mädchen wartete nicht länger, sondern zog sich eilig zurück. Und ich mußte es gehen lassen. Leute scharten sich um mich und lachten laut, ein Polizeibeamter drängt sich bis zu mir durch und will wissen, was los ist.

Nichts, antwortete ich, gar nichts! Ich wollte nur dem kleinen Mädchen dort meine Weste geben ... für seinen Vater ... Deswegen brauchen Sie nicht dazustehen und zu lachen. Ich könnte ja nach Hause gehen und eine andere anziehen.

Keinen Unfug auf der Straße! sagt der Schutzmann. Soo, marsch! Und er pufft mich vorwärts. Sind das Ihre Papiere? ruft er mir nach.

Ja, Tod und Teufel, mein Zeitungsartikel, viele wichtige Schriften! Wie konnte ich auch so unvorsichtig sein ...

Ich packe mein Manuskript zusammen, vergewissere mich, daß es in Ordnung liegt und gehe, ohne einen Augenblick anzuhalten oder mich umzusehen, zur Redaktion hinauf. An der Erlöserkirche war es nun vier Uhr.

Das Büro ist geschlossen. Ich schleiche über die Treppe hinunter, ängstlich wie ein Dieb, und bleibe ratlos vor dem Tore draußen stehen. Was soll ich tun? Ich lehne mich an die Mauer, starre auf die Steine hinab und denke nach. Eine Stecknadel liegt da und schimmert vor meinen Füßen, und ich beuge mich nieder und hebe sie auf. Wenn ich nun die Knöpfe von meinem Rock abtrennte, was würde ich für sie bekommen? Vielleicht wäre es zwecklos. Knöpfe waren eben Knöpfe; aber ich drehte und untersuchte sie nach allen Seiten und fand, daß sie so gut wie neu seien. Es war doch eine glückliche Idee, ich konnte sie mit meinem halben Federmesser abschneiden und sie zum Keller bringen. Die Hoffnung, ich könne diese fünf Knöpfe verkaufen, belebte mich sofort, ich sagte: Sieh, sieh, es macht sich! Meine Freude nahm überhand, und ich fing gleich an, die Knöpfe einen nach dem anderen abzutrennen. Dabei hielt ich folgendes stumme Gespräch:

Ja, sehen Sie, man ist ein bißchen arm geworden, eine augenblickliche Verlegenheit ... Abgenützt, sagen Sie? Sie dürfen sich nicht falsch ausdrücken. Den möchte ich sehen, der seine Knöpfe weniger abnützt als ich. Ich gehe immer mit offenem Rock, sage ich Ihnen; es ist bei mir zur Gewohnheit geworden, eine Eigenheit ... Nein, nein, wenn Sie nicht wollen, dann. Aber ich möchte meine zehn Öre dafür haben. Mindestens ... Nein, Herrgott, wer hat denn behauptet, daß Sie müssen? Halten Sie Ihren Mund und lassen Sie mich in Frieden ... Ja, ja, meinetwegen holen Sie die Polizei. Ich werde hier warten, während Sie den Schutzmann holen. Und ich werde Ihnen nichts stehlen ... Na, guten Tag, guten Tag! Mein Name ist also Tangen, ich bin ein wenig zu lang ausgewesen.

Da kommt jemand die Treppe herunter. Augenblicklich bin ich wieder in der Wirklichkeit, ich erkenne die Schere und stecke die Knöpfe eiligst in die Tasche. Er will vorbei, beantwortet nicht einmal meinen Gruß, hat es plötzlich so eifrig mit seinen Fingernägeln. Ich stelle ihn und frage nach dem Redakteur.

Ist nicht da, Sie.

Sie lügen! sagte ich. Und mit einer Frechheit, die mich selbst erstaunte, fuhr ich fort: Ich muß mit ihm sprechen; es ist eine notwendige Sache. Ich kann ihm etwas vom Stiftsgaard mitteilen.

Ja, können Sie es denn nicht mir sagen?

Ihnen? sagte ich und maß die Schere mit den Augen.

Dies half. Sofort ging er mit mir wieder hinauf und öffnete die Türe. Nun saß mir das Herz im Halse. Ich biß die Zähne heftig zusammen, um mir Mut zu machen, klopfte an und trat in das Privatkontor des Redakteurs.

Guten Tag! Sind Sie es? sagte er freundlich. Setzen Sie sich bitte.

Hätte er mir augenblicklich die Türe gewiesen, wäre es mir lieber gewesen; ich fühlte die Tränen und sagte: Ich bitte um Entschuldigung ...

Setzen Sie sich, wiederholte er.

Und ich setzte mich und erklärte, daß ich wieder einen Artikel habe, und daß es mir sehr am Herzen läge, ihn in seinem Blatt erscheinen zu lassen. Ich hätte mir solche Mühe damit gegeben, er habe mich so viel Anstrengung gekostet.

Ich werde ihn lesen, sagte er und nahm ihn. Anstrengung kostet sie gewiß alles, was Sie schreiben! aber Sie sind eben zu heftig. Wenn Sie nur ein wenig besonnener wären! Zuviel Fieber. Ich werde ihn aber lesen. Und er wandte sich wieder zum Tisch.

Da saß ich. Wagte ich, um eine Krone zu bitten? Ihm zu erklären, weshalb alles Fieber war? Dann würde er mir sicher helfen; es war nicht das erstemal.

Ich stand auf. Hm! Aber als ich das letztemal bei ihm gewesen war, hatte er über Geldknappheit geklagt, sogar den Kassenboten ausgeschickt, um Geld für mich zusammenzuscharren. Das würde nun vielleicht wieder der Fall sein. Nein, das sollte nicht geschehen. Sah ich denn gar nicht, daß er beschäftigt war?

War es sonst noch etwas? fragte er.

Nein, sagte ich und machte meine Stimme fest. Wann darf ich wieder vorsprechen?

Ach, wenn Sie einmal vorbeikommen, antwortete er, in ein paar Tagen oder so.

Ich konnte meine Bitte nicht über die Lippen bringen. Die Freundlichkeit dieses Mannes schien ohne Grenzen, und ich wollte sie zu achten wissen. Lieber zu Tode hungern. Und ich ging.

Nicht einmal, als ich draußen stand und wieder einen Hungeranfall fühlte, bereute ich es, das Büro verlassen zu haben, ohne um diese Krone zu bitten. Ich nahm den anderen Hobelspan aus der Tasche und steckte ihn in den Mund. Das half wieder. Warum hatte ich das nicht früher getan? Du müßtest dich schämen! sagte ich laut; konnte es dir wirklich einfallen, diesen Mann um eine Krone zu bitten und ihn wieder in Verlegenheit zu bringen? Und ich wurde richtig grob gegen mich selbst, wegen der Unverschämtheit, die mir da eingefallen war. Das ist bei Gott das Schofelste, das ich je gehört habe! sagte ich; zu einem Mann zu rennen und ihm beinahe die Augen auszukratzen, nur weil du eine Krone brauchst, du elender Hund! So, marsch! Schneller! Schneller, du Lümmel! Ich will dich lehren!

Ich begann zu laufen, um mich zu bestrafen, legte springend eine Straße nach der anderen zurück, trieb mich mit verbissenen Zurufen vorwärts und schrie mir innerlich stumm und wütend zu, wenn ich anhalten wollte. Auf diese Weise war ich weit hinauf in den Pilestraede gekommen. Als ich endlich stillstand, beinahe losheulend vor Zorn, weil ich nicht länger laufen konnte, bebte ich am ganzen Körper, und ich warf mich auf eine Treppe hin. Nein, halt! sagte ich. Und um mich richtig zu quälen, stand ich wieder auf und zwang mich stehenzubleiben, und lachte über mich selbst und ergötzte mich an meiner eigenen Verkommenheit. Endlich, nach Verlauf mehrerer Minuten, gab ich mir durch ein Nicken Erlaubnis, mich zu setzen; aber auch da wählte ich mir noch den unbequemsten Platz auf der Treppe.

Herrgott, war es prachtvoll, sich auszuruhen! Ich trocknete den Schweiß von meinem Gesicht und trank große frische Atemzüge. Wie war ich gelaufen! Aber ich bereute es nicht, es war wohlverdient. Warum hatte ich auch eine Krone verlangen wollen? Nun sah ich die Folgen! Und ich fing an, mir sanft zuzusprechen, Ermahnungen zu geben, wie es eine Mutter hätte tun können. Ich wurde immer rührseliger, müde und kraftlos begann ich zu weinen. Ein stilles und innerliches Weinen, ein inwendiges Schluchzen ohne eine Träne.

Eine Viertelstunde oder länger saß ich an der gleichen Stelle. Leute kamen und gingen und niemand belästigte mich. Kleine Kinder spielten ringsum da und dort, ein Vogel sang in einem Baum auf der anderen Seite der Straße.

Ein Schutzmann kam auf mich zu und sagte:

Warum sitzen Sie hier?

Warum ich hier sitze? fragte ich. Weil es mich freut.

Ich habe Euch in der letzten halben Stunde hier beobachtet, sagte er. Ihr habt eine halbe Stunde hier gesessen?

So ungefähr, antwortete ich. Sonst noch etwas? Ich erhob mich zornig und ging.

Am Marktplatz angekommen, blieb ich stehen und sah die Straße hinunter. Weil es mich freut! War das nun auch eine Antwort? Vor Müdigkeit, solltest du gesagt haben, und du solltest deine Stimme weinerlich gemacht haben – du bist ein Vieh, du lernst niemals zu heucheln! – Vor Erschöpfung! Und du solltest geseufzt haben wie ein Pferd.

Als ich zur Brandwache kam, blieb ich wieder stehen, von einem neuen Einfall ergriffen. Ich knipste mit den Fingern, schlug ein lautes Gelächter auf, das die Vorübergehenden erstaunte, und sagte: Nein, nun mußt du wirklich zum Pfarrer Levison hinausgehen. Das mußt du wahrhaftig tun. Doch, nur um es zu versuchen. Was hast du dabei zu versäumen? Es ist ja auch solch herrliches Wetter.

Ich ging in Paschas Buchladen, fand im Adreßbuch Pastor Levisons Wohnung und begab mich hinaus. Nun gilt es! sagte ich, mache nun keine Streiche! Gewissen, sagst du? Keinen Unsinn; du bist zu arm, um ein Gewissen zu haben. Du bist hungrig, das bist du, kommst mit einem wichtigen Anliegen, dem ersten, dringendsten. Aber du mußt den Kopf auf die Schulter legen und deinen Worten Melodie verleihen. Das willst du nicht? Dann gehe ich nicht einen Schritt weiter mit dir, das weißt du sehr gut. Ferner: du bist in einem Zustand der Anfechtung, kämpfst in der Nacht mit den Mächten der Finsternis, mit großen lautlosen Ungeheuern, daß es ein Grauen ist, hungerst und durstest nach Wein und Milch und bekommst nichts. So weit ist es mit dir gekommen. Nun stehst du da und hast keinen Tropfen Öl mehr auf deiner Lampe. Aber du glaubst an die Gnade, Gott sei Lob, du hast den Glauben noch nicht verloren! Und dann mußt du die Hände zusammenschlagen und aussehen wie ein reiner Satan vor lauter Glauben an die Gnade. Was den Mammon betrifft, so hassest du den Mammon in allen seinen Gestalten, eine andere Sache ist es mit dem Psalmenbuch, eine Erinnerung für ein paar Kronen ... An der Türe des Pfarrers hielt ich an und las: »Sprechstunde von 12 bis 4«.

Jetzt keinen Unsinn! sagte ich; nun machen wir Ernst damit! So, hinunter mit dem Kopf, noch ein wenig ... und ich läutete an der Privatwohnung.

Kann ich den Herrn Pastor sprechen? sagte ich zum Mädchen; aber es war mir unmöglich, Gottes Namen einzuflechten.

Er ist ausgegangen, antwortete sie.

Ausgegangen! Ausgegangen! Das zerstörte meinen ganzen Plan, verrückte vollständig alles, was ich zu sagen mir ausgedacht hatte. Welchen Nutzen hatte ich nun von diesem langen Weg? Jetzt stand ich wieder da. War es etwas Besonderes? fragte das Mädchen.

Durchaus nicht! antwortete ich, nein, gar nicht! Es war nur so ein gesegnetes Wetter des Herrn, und da wollte ich gerne herauskommen und den Herrn Pastor begrüßen.

Da stand ich und da stand sie. Mit Absicht streckte ich die Brust heraus, um sie auf die Stecknadel, die meinen Rock zusammenhielt, aufmerksam zu machen; ich bat sie mit den Augen, zu sehen, wozu ich gekommen war; aber die arme Haut verstand nichts.

Ein gesegnetes Wetter des Herrn, ja. Ob auch die gnädige Frau nicht zu Hause sei?

Doch, aber sie habe Gicht, liege ohne sich rühren zu können auf dem Sofa ...

Ob ich vielleicht eine Nachricht oder sonst etwas hinterlassen wolle?

Nein, durchaus nicht. Ich mache öfters solche Spaziergänge, um ein bißchen Bewegung zu haben. Das sei so gut nach dem Mittagessen.

Ich begab mich auf den Rückweg. Was konnte es nützen, noch länger zu schwätzen? Außerdem fühlte ich Schwindel; fast wäre ich allen Ernstes zusammengebrochen. Sprechstunde von 12 bis 4; ich hatte um eine Stunde zu spät angeklopft. Die Stunde der Gnade war vorbei.

Am Stortorv setzte ich mich auf eine der Bänke bei der Kirche. Herrgott, wie schwarz es nunmehr für mich aussah! Ich weinte nicht, ich war zu müde. Bis zum äußersten gepeinigt saß ich da, ohne mir irgend etwas vorzunehmen, saß unbeweglich und hungerte. Die Brust war gewiß entzündet, es brannte so merkwürdig arg da drinnen. Auch das Spänekauen wollte nichts mehr nützen; meine Kiefer waren der fruchtlosen Arbeit müde, und ich ließ sie rasten. Ich ergab mich. Obendrein hatte ein Stück brauner Apfelsinenschale, das ich auf der Straße gefunden und sofort zu benagen angefangen hatte, mir Würgen verursacht. Ich war krank; die Pulsadern meiner Handgelenke schwollen blau an.

Was hatte ich auch eigentlich erhofft? Den ganzen Tag war ich um einer Krone willen herumgelaufen, die mich doch nur um einige Stunden länger am Leben hätte erhalten können. War es im Grund nicht gleichgültig, ob das Unumgängliche einen Tag früher oder später geschah? Hätte ich mich wie ein ordentlicher Mensch betragen, so wäre ich längst heimgegangen, hätte mich zur Ruhe gelegt, mich ergeben. Meine Gedanken waren in diesem Augenblick klar. Nun sollte ich sterben; es war die Zeit des Herbstes, und alles war in Winterschlaf gefallen. Ich hatte jedes Mittel versucht, jede Hilfsquelle, die ich wußte, ausgenützt. Sentimental spielte ich mit diesem Gedanken und jedesmal, wenn ich wieder auf eine mögliche Rettung hoffte, flüsterte ich abweisend: Du Narr, du hast ja schon angefangen zu sterben! Ich sollte ein paar Briefe schreiben, alles fertig haben, mich bereit machen. Ich wollte mich sorgfältig waschen und mein Bett schön ordnen; meinen Kopf wollte ich auf die paar Bogen weißen Schreibpapiers legen, das sauberste Ding, das ich noch besaß, und die grüne Decke könnte ich ...

Die grüne Decke! Mit einemmal wurde ich hell wach, das Blut stieg mir zum Kopf, und ich bekam starkes Herzklopfen. Ich erhebe mich von der Bank und beginne zu gehen, das Leben rührt sich überall in mir von neuem, und ich wiederhole immer wieder die losgerissenen Worte: die grüne Decke! Die grüne Decke! Ich gehe schneller und schneller, als gelte es etwas einzuholen, und stehe nach kurzer Zeit wieder daheim in meiner Spenglerwerkstatt.

Ohne einen Augenblick anzuhalten oder in meinem Entschluß zu wanken, gehe ich zum Bett hin und rolle Hans Paulis Decke zusammen. Es müßte doch seltsam zugehen, wenn mich mein guter Einfall nicht retten könnte! Über die dummen Bedenken, die in mir wach wurden, war ich unendlich erhaben; ich gab ihnen allen den Laufpaß. Ich war kein Heiliger, kein Tugendbold, noch hatte ich meinen Verstand ... Und ich nahm die Decke unter den Arm und ging in die Stenerstraße Nummer 5.

Ich klopfte an und trat zum erstenmal in den großen fremden Saal; die Klingel an der Türe schlug eine ganze Menge desperater Schläge über meinem Kopf an. Ein Mann kommt von einem Nebenzimmer herein, kauend, den Mund voll Essen, und stellt sich vor den Ladentisch.

Ach leihen Sie mir eine halbe Krone auf meine Brille? sagte ich; ich werde sie in ein paar Tagen wieder einlösen, ganz bestimmt.

Was? Nein, das ist doch eine Stahlbrille?

Ja.

Nein, das kann ich nicht.

Ach nein, das können Sie ja wohl nicht. Es war auch nur so gesagt. Nein, ich habe eine Decke dabei, für die ich eigentlich keinen Gebrauch mehr habe, und es fiel mir ein, daß Sie mir diese am Ende abnehmen könnten.

Ich habe leider ein ganzes Lager von Bettzeug, erwiderte er. Und als ich sie aufgerollt hatte, warf er einen einzigen Blick darauf und rief: Nein, entschuldigen Sie, dafür habe ich wirklich keine Verwendung!

Ich wollte Ihnen die schlechteste Seite zuerst zeigen, sagte ich; auf der anderen Seite ist sie viel besser.

Ja, ja, das hilft nichts, ich will sie nicht haben. Sie werden nirgends zehn Öre dafür bekommen.

Nein, es ist klar, sie ist nichts wert, aber ich dachte, daß sie vielleicht mit irgendwelchen anderen alten Decken zusammen auf die Auktion kommen könnte.

Ja, nein, es nützt nichts.

Fünfundzwanzig Öre? sagte ich.

Nein, ich will sie überhaupt nicht haben, Mensch, ich will sie nicht einmal im Haus haben.

Da nahm ich die Decke wieder unter den Arm und ging heim.

Ich tat vor mir selbst, als sei nichts geschehen, breitete die Decke wieder über das Bett, strich sie schön glatt, wie ich es zu tun pflegte und versuchte jede Spur meiner letzten Handlung auszulöschen. Ich konnte unmöglich bei vollem Verstand gewesen sein in dem Augenblick, als ich den Entschluß faßte, diesen Spitzbubenstreich zu begehen; je mehr ich darüber nachdachte, desto unmöglicher kam es mir vor. Es mußte ein Anfall von Schwäche gewesen sein, oder irgendeine Schlappheit meines Inneren, die mich überrumpelt hatte. Ich war ja auch nicht endgültig in diese Falle gegangen. Ich hatte geahnt, daß es anfing, schief mit mir zu gehen, und ich hatte es ausdrücklich zuerst mit der Brille versucht. Und ich freute mich sehr, daß ich nicht Gelegenheit gefunden hatte, diese Sünde zu begehen, die die letzten Stunden meines Lebens befleckt haben würde.

Und wieder wanderte ich in die Stadt hinein.

Ich ließ mich abermals auf einer Bank bei der Erlöserkirche nieder, schlummerte, den Kopf auf der Brust, erschlafft nach der letzten Erregung, krank und verkommen vor Hunger. Und die Zeit ging. Ich wollte auch diese Stunde draußen sitzen bleiben; es war hier etwas heller als drinnen im Haus. Außerdem kam es mir so vor, als arbeite es in meiner Brust nicht ganz so heftig, wenn ich in der freien Luft war; ich kam ja auch zeitig genug heim.

Und ich kämpfte mit dem Schlaf und dachte und litt unsäglich. Ich hatte einen kleinen Stein gefunden, den ich abputzte und in den Mund steckte, um etwas auf der Zunge zu haben; sonst rührte ich mich nicht und bewegte nicht einmal die Augen. Menschen kamen und gingen, Wagengerassel, Pferdegetrampel und Stimmen erfüllten die Luft.

Aber ich könnte es doch mit den Knöpfen versuchen? Es nützte natürlich nichts, und außerdem war ich ziemlich krank. Doch wenn ich es recht überlegte, mußte ich auf dem Heimweg sowieso die Richtung zum »Onkel« – meinem eigentlichen »Onkel« – einschlagen.

Endlich erhob ich mich und schleppte mich langsam und taumelnd durch die Straßen. Ich fühlte einen brennenden Schmerz über meinen Augenbrauen, ein Fieber war im Anzug, und ich beeilte mich soviel ich konnte. Abermals kam ich an dem Bäckerladen vorbei, in dem das Brot lag. So, nun bleiben wir hier nicht stehen, sagte ich mit gemachter Bestimmtheit. Aber wenn ich nun hineinginge und um einen Bissen Brot bäte? Das war ein Gedankenblitz, ein Funken. Pfui! flüsterte ich und schüttelte den Kopf. Und ich ging weiter, voll Spott über mich selbst. Ich wußte doch gut, daß es nichts nützte, mit Bitten in diesen Laden zu kommen.

Im Repslagergang stand ein Paar in einem Tor und flüsterte; ein wenig weiter steckte ein Mädchen den Kopf aus dem Fenster. Ich ging ganz ruhig und bedachtsam, sah aus, als grüble ich über alles mögliche – und das Mädchen kam auf die Straße. Wie steht's mit dir, Alter? Wie? Bist du krank? Nein, Gott steh mir bei, welch ein Gesicht! Und das Mädchen zog sich eiligst zurück.

Plötzlich blieb ich stehen. Was war mit meinem Gesicht los? Hatte ich wirklich zu sterben begonnen? Ich fühlte mit der Hand über die Wangen: mager, natürlich war ich mager; die Wangen waren wie zwei Schalen mit dem Boden nach innen. Herrgott! Und ich schlich mich weiter.

Aber ich blieb wiederum stehen. Ich mußte ganz unbegreiflich mager sein. Und die Augen waren auf dem Weg in den Kopf hinein. Wie sah ich eigentlich aus? Es war ja nun auch, um zum Teufel zu fahren, daß man sich bei lebendigem Leib schon nur durch Hunger entstellen lassen mußte. Ich fühlte noch einmal die Raserei in mir, ihr letztes Aufflackern, ein Muskelzucken. Gott bewahr mich, welch ein Gesicht, was? Hier ging ich mit einem Kopf, der im Lande nicht seinesgleichen fand, mit einem Paar Fäusten, die, Gott steh mir bei, einen Dienstmann zu Mehl und Staub zermalmen konnten und hungerte bis zur Entstellung mitten in der Stadt Kristiania! War das eine Art und Weise? Ich hatte mich wie ein Roß abgeschunden, Tag und Nacht, hatte mir die Augen aus dem Schädel studiert und mir den Verstand aus dem Gehirn gehungert – was, zum Teufel, hatte ich nun davon? Sogar die Straßendirnen baten Gott, sie von diesem Anblick zu befreien. Aber nun soll Schluß sein – verstehst du! – Schluß soll es sein, hol mich der Satan! ... Mit ständig wachsender Wut, mit unter dem Gefühl meiner Mattheit knirschenden Zähnen, unter Weinen und Fluchen fuhr ich fort, loszupoltern, ohne der Leute zu achten, die an mir vorbeigingen. Ich fing wieder an, mich selbst zu martern, rannte mit Absicht meine Stirne gegen die Laternenpfähle, grub die Nägel tief in meine Handflächen, zerbiß im Wahnsinn meine Zunge, wenn sie nicht deutlich sprach, und ich lachte jedesmal rasend, wenn es weh tat.

Ja, aber was soll ich tun? antwortete ich mir zuletzt selbst. Und ich stampfe mehrere Male auf den Boden und wiederhole: Was soll ich tun? – Ein Herr geht gerade vorbei und bemerkt lächelnd:

Gehen Sie hin und lassen Sie sich einsperren.

Ich sah ihm nach. Es war einer unserer bekannten Frauenärzte, der »Herzog« genannt. Nicht einmal er verstand sich auf meinen Zustand, ein Mann, den ich kannte, dessen Hand ich gedrückt hatte. Ich wurde still. Einsperren? Ja, ich war verrückt; er hatte recht. Ich fühlte den Wahnsinn in meinem Blut, fühlte sein Jagen durch das Gehirn. So sollte es also mit mir enden! Ja, ja! Und wieder begann ich meinen langsamen traurigen Gang. Da also sollte ich landen!

Mit einemmal stand ich wieder still. Aber nicht einsperren! sage ich; nur das nicht! Und ich war beinahe heiser vor Angst. Ich bat, flehte ins Blaue hinein: nur nicht eingesperrt werden! Dann würde ich wieder aufs Rathaus kommen, in eine dunkle Zelle eingeschlossen werden, in der es nicht einen Funken Licht gab. Nur das nicht! Es gab ja noch andere Auswege, die mir offenstanden. Und ich wollte sie versuchen; ich wollte fleißiger sein, mir gut Zeit dazu nehmen und unverdrossen von Haus zu Haus umhergehen. Da war nun zum Beispiel der Musikalienhändler Cisler, bei ihm war ich noch gar nicht gewesen. Es gab schon noch Rat ... So ging ich und sprach, bis ich wieder vor Rührung weinen mußte. Nur nicht eingesperrt werden!

Cisler! War dies vielleicht ein höherer Fingerzeig? Sein Name war mir ohne Grund eingefallen, und er wohnte so weit weg; aber ich wollte ihn dennoch aufsuchen, wollte langsam gehen und dazwischen ausruhen. Ich kannte den Laden, ich war oft dort gewesen, hatte in guten Tagen dort ein paar Noten gekauft. Durfte ich ihn um eine halbe Krone bitten? Das würde ihn vielleicht genieren; ich mußte um eine ganze bitten.

Ich kam in den Laden und fragte nach dem Chef; man führte mich in sein Büro. Da saß der Mann, hübsch, modisch gekleidet, und sah Papiere durch.

Ich stammelte eine Entschuldigung und brachte mein Anliegen vor. Von dem Drang gezwungen, mich an ihn zu wenden ... Es sollte nicht sehr lange dauern, bis ich es zurückbezahlen würde ... Wenn ich das Honorar für meinen Zeitungsartikel bekäme ... Er würde mir eine so große Wohltat erweisen.

Noch während ich sprach, wandte er sich wieder zum Pult und setzte seine Arbeit fort. Als ich fertig war, sah er schräg zu mir herüber, schüttelte seinen hübschen Kopf und sagte: Nein! Nur nein. Keine Erklärung. Kein Wort.

Meine Kniee bebten heftig und ich stützte mich gegen die kleine polierte Schranke. Ich mußte es noch einmal versuchen. Warum sollte mir gerade sein Name eingefallen sein, als ich weit unten im »Vaterland« gestanden? Es riß ein paarmal in meiner linken Seite, und ich begann zu schwitzen. Hm. Ich sei wirklich höchst heruntergekommen, sagte ich, leider ziemlich krank; es würden sicher nicht mehr als ein paar Tage vergehen, bis ich es zurückzahlen könne. Ob er nicht so freundlich sein wolle?

Lieber Mann, warum kommen Sie ausgerechnet zu mir? sagte er. Sie sind mir ein vollständiges X, von der Straße hereingelaufen. Gehen Sie zu der Zeitung, bei der man Sie kennt.

Aber nur für heute abend! sagte ich. Die Redaktion ist schon geschlossen und ich bin jetzt sehr hungrig.

Er schüttelte andauernd den Kopf, schüttelte ihn sogar immer noch, als ich schon die Klinke erfaßt hatte.

Leben Sie wohl! sagte ich.

Dies war kein höherer Fingerzeig gewesen, dachte ich und lächelte bitter; so hoch könnte ich auch zeigen, wenn es darauf ankäme. Ich schleppte mich durch ein Viertel nach dem anderen, hie und da rastete ich auf einer Treppe. Wenn ich nur nicht eingesperrt wurde! Das Entsetzen vor der Zelle verfolgte mich die ganze Zeit, ließ mich nicht in Frieden; so oft ich einen Schutzmann auf meinem Weg sah, huschte ich in eine Seitenstraße, um die Begegnung zu vermeiden. Jetzt zählen wir hundert Schritte, sagte ich, und dann versuchen wir wieder unser Glück! Einmal wird doch wohl Rat werden ... Es war ein kleiner Weißwarenladen, ein Geschäft, das ich nie vorher betreten hatte. Ein einzelner Mann hinter dem Ladentisch, im Hintergrund das Kontor mit dem Porzellanschild an der Türe, beladene Regale und Borde in langer Reihe. Ich wartete, bis der letzte Kunde, eine junge Dame mit Lachgrübchen, den Laden verlassen hatte. Wie glücklich sie aussah! Ich, mit meiner Stecknadel im Rock, versuchte nicht, Eindruck auf sie zu machen, sondern wandte mich ab.

Wünschen Sie etwas? fragte der Gehilfe.

Ist der Chef da? sagte ich.

Er ist auf einer Gebirgstour in Jotunheimen, antwortete er. War es etwas Besonderes?

Nur ein paar Öre zum Essen, sagte ich und versuchte zu lächeln; ich bin hungrig und habe nicht einen Ör.

Dann sind Sie ebenso reich wie ich, sagte er und fing an, Garnpakete zu ordnen.

Ach, weisen Sie mich nicht fort – nicht jetzt! sagte ich, auf einmal kalt über den ganzen Körper hinab. Ich bin wirklich beinahe tot vor Hunger. Seit vielen Tagen habe ich nichts mehr gegessen.

Im tiefsten Ernst, ohne etwas zu sagen, begann er seine Taschen umzudrehen, eine nach der anderen. Ob ich seinen Worten nicht glauben wolle?

Nur fünf Öre, sagte ich. Dann werden Sie in ein paar Tagen zehn wiederbekommen.

Lieber Mann, wollen Sie denn, daß ich sie aus der Kasse stehle? fragte er ungeduldig.

Ja, sagte ich, ja, nehmen Sie fünf Öre aus der Kasse.

Könnte mir einfallen! Und er fügte hinzu: Und lassen Sie es sich nur gleich gesagt sein: jetzt ist's genug.

Ich schob mich hinaus, krank vor Hunger und heiß vor Scham. Nein, nun sollte es ein Ende haben! Es war wirklich zu weit mit mir gekommen. Ich hatte mich so viele Jahre oben gehalten, war in so harten Stunden aufrecht gestanden, und nun war ich mit einemmal bis zur brutalen Bettelei herabgesunken. Dieser eine Tag hatte mein ganzes Denken verroht, mein Gemüt mit Schamlosigkeit beschmutzt. Ich hatte mich nicht entblödet, mich vor den kleinsten Krämern zu demütigen und mich vor sie hinzustellen und zu weinen. Und was hatte es genützt? War ich nicht vielleicht immer noch ohne einen Bissen Brot, den ich in den Mund stecken könnte? Ich hatte nur erreicht, daß es mich vor mir selbst ekelte. Ja ja, nun mußte es ein Ende haben! Gleich würde man das Tor daheim schließen, ich mußte mich beeilen, wenn ich nicht heute nacht wieder auf dem Rathaus schlafen wollte ...

Dies gab mir Kräfte; im Rathaus wollte ich nicht übernachten. Mit vorgebeugtem Körper, die Hand an die linken Rippen gestemmt, um die Stiche ein wenig abzuschwächen, tappte ich vorwärts, hielt die Augen aufs Pflaster geheftet, um nicht etwaige Bekannte zum Grüßen zu zwingen, und hastete zur Brandwache. Gott sei Dank, es war erst sieben Uhr an der Erlöserkirche, ich hatte noch drei Stunden, bis das Tor geschlossen wurde. Wie hatte ich mich geängstigt.

So war also kein Ding unversucht geblieben, ich hatte alles getan, was ich konnte. Daß es wirklich einen ganzen Tag lang nicht ein einziges Mal glücken wollte! dachte ich. Wenn ich das jemand erzählte, so würde es keiner glauben, und wenn ich es niederschriebe, würde man sagen, daß es erfunden sei. An keiner einzigen Stelle! Ja ja, es gab keinen Rat mehr; vor allem nicht mehr rührselig sein. Pfui, das war ekelhaft, ich versichere dir, daß es mich vor dir ekelt! Wenn alle Hoffnung verloren war, so war es aus. Konnte ich mir übrigens im Stall nicht eine Handvoll Hafer stehlen? Ein Lichtstrahl, ein Streifen – ich wußte, daß der Stall verschlossen war.

Ich ertrug es mit Ruhe und kroch in langsamem Schneckengang heimzu. Ich fühlte Durst, erfreulicherweise zum erstenmal am ganzen Tag, und sah mich nach einer Stelle um, wo ich trinken konnte. Ich war schon zu weit von den Basaren entfernt, und in ein Privathaus wollte ich nicht gehen; ich konnte vielleicht auch warten, bis ich heimkam; das würde eine Viertelstunde dauern. Es war auch gar nicht gesagt, daß ich einen Schluck Wasser bei mir behalten konnte; mein Magen vertrug überhaupt nichts mehr, ich fühlte sogar von dem Speichel, den ich hinunterschluckte, ein Würgen.

Aber die Knöpfe! Mit den Knöpfen hatte ich es noch gar nicht versucht! Da stand ich sofort still und begann zu lächeln. Vielleicht gab es doch noch Hilfe! Ich war nicht ganz verurteilt! Zehn Öre würde ich ganz bestimmt dafür bekommen, morgen bekam ich dann sonst irgendwo zehn dazu, und am Donnerstag könnte ich vielleicht das Geld für meinen Zeitungsartikel erhalten. Ich würde es schon noch erleben, es machte sich! Daß ich wirklich die Knöpfe vergessen konnte! Ich holte sie aus der Tasche und betrachtete sie, während ich wiederum weiterging; meine Augen wurden dunkel vor Freude, ich sah die Straße nicht mehr vor mir.

Wie genau ich den großen Keller kannte, meine Zuflucht an den dunklen Abenden, mein blutsaugender Freund! Meine Besitztümer waren eins nach dem anderen da unten verschwunden, meine Kleinigkeiten von daheim, mein letztes Buch. An den Auktionstagen ging ich gerne hin, um zuzusehen, und ich freute mich, wenn meine Bücher in gute Hände zu kommen schienen. Der Schauspieler Magelsen hatte meine Uhr, und darauf war ich beinahe stolz; einen Jahreskalender, in dem mein erster kleiner poetischer Versuch stand, hatte ein Bekannter gekauft, und mein Überrock landete bei einem Photographen zum Ausleihen im Atelier. Also daran war weiter nichts auszusetzen. Ich hielt meine Knöpfe in der Hand bereit und trat ein. Der »Onkel« sitzt an seinem Pult und schreibt.

Ich habe keine Eile, sage ich, ängstlich, ihn zu stören und ungeduldig zu machen. Meine Stimme klang so seltsam hohl, ich kannte sie beinahe nicht wieder, und mein Herz schlug wie ein Hammer.

Er kam mir wie immer lächelnd entgegen, legte seine Hände flach auf den Ladentisch und sah mir ins Gesicht ohne etwas zu sagen.

Ja, ich hätte etwas dabei und wollte ihn nur fragen, ob er keine Verwendung dafür habe ... etwas, das mir daheim nur im Weg lag, ich versichere, nur zur Plage, einige Knöpfe.

Na, was ist es denn, was ist es denn mit den Knöpfen? Und er senkt seine Augen ganz auf meine Hand hinunter.

Ob er mir nicht einige Öre dafür geben könne? Soviel ihm selbst gut dünke ... Ganz nach seinem eigenen Ermessen ...

Für die Knöpfe? Und »Onkel« starrt mich verwundert an. Für diese Knöpfe?

Nur zu einer Zigarre oder dergleichen. Ich ging eben vorbei und da wollte ich hereinschauen.

Da lachte der alte Pfandleiher und drehte sich zu seinem Pult zurück ohne ein Wort zu sagen. Nun stand ich wieder da. Ich hatte eigentlich nicht viel erhofft, und trotzdem hatte ich es für möglich gehalten, daß mir geholfen würde. Dieses Lachen war mein Todesurteil. Nun konnte wohl auch ein Versuch mit der Brille nichts mehr nützen?

Ich würde natürlich meine Brille mit dreingeben, das ist selbstverständlich, sagte ich und nahm sie ab. Nur zehn Öre, oder wenn er wolle, fünf Öre.

Sie wissen doch, daß ich Ihnen auf Ihre Brille nichts leihen kann, sagte »Onkel«; ich habe Ihnen das schon früher gesagt.

Aber ich brauche eine Briefmarke, erwiderte ich dumpf; ich könne nicht einmal die Briefe abschicken, die ich schreiben müsse. Eine Briefmarke für fünf oder zehn Öre, ganz wie Sie es selbst für gut finden.

Nun machen Sie um Gottes willen, daß Sie fortkommen! antwortete er mit einer abwehrenden Handbewegung.

Ja ja, dann muß ich es wohl sein lassen, sagte ich zu mir selbst. Mechanisch setzte ich die Brille wieder auf, nahm die Knöpfe in die Hand und ging. Ich sagte Gute Nacht und schloß die Türe wie gewöhnlich hinter mir. Hieran war also nichts mehr zu ändern! Draußen vor dem Treppenschacht blieb ich stehen und sah die Knöpfe noch einmal an. Daß er sie durchaus nicht haben wollte! sagte ich; es sind doch fast neue Knöpfe. Das kann ich nicht verstehen!

Während ich in diese Betrachtungen vertieft dastand, kam ein Mann vorbei und ging in den Keller hinunter. Er hatte mir in der Eile einen kleinen Stoß versetzt, wir baten beide um Entschuldigung, und ich drehte mich um und sah ihm nach.

Nein bist du es? sagte er plötzlich unten auf der Treppe. Er kam herauf, und ich erkannte ihn. Gott behüte dich, wie siehst du aus! sagte er. Was hast du da unten getan?

Ach – Geschäfte. Du willst hinunter, wie ich sehe?

Ja. Was hast denn du hingebracht?

Meine Knie bebten, ich stützte mich an die Wand und streckte meine Hand mit den Knöpfen aus.

Was, zum Teufel? rief er. Nein, das geht aber doch zu weit!

Gute Nacht! sagte ich und wollte gehen; ich fühlte das Weinen in der Brust.

Nein, warte einen Augenblick! sagte er.

Worauf sollte ich warten? Er war doch selbst auf dem Weg zum »Onkel«, brachte vielleicht seinen Verlobungsring hin, hatte mehrere Tage gehungert, war seiner Wirtin Geld schuldig.

Ja, antwortete ich, wenn du bald ...

Natürlich, sagte er und ergriff mich beim Arm; aber ich will dir sagen, ich trau dir nicht, du bist ein Idiot; es ist am besten, du gehst mit hinunter.

Ich begriff, was er wollte, verspürte plötzlich wieder ein Gefühl von Ehre aufsteigen und antwortete:

Kann nicht! Ich habe versprochen, um halb acht Uhr in der Bernt-Ankers-Straße zu sein, und ...

Halb acht, ganz richtig, ja! Aber jetzt ist es acht Uhr. Hier habe ich die Uhr in der Hand, die da hinunter soll. So, hinein mit dir, du hungriger Sünder! Ich bekomme mindestens fünf Kronen für dich.

Und er puffte mich hinein.


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