Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

 

Es war am 19. August des Jahres 1683. Die Abenddämmerung hatte sich mitleidig auf das unglückliche Wien niedergesenkt, das nun schon fünfunddreißig Tage lang durch das von Kara Mustafa, dem ehrgeizigen Großwesir und Oberfeldherrn Sultan Mohammeds des Vierten, zur Eroberung der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt herbeigeführte Riesenheer wie mit eisernem Ring von der Außenwelt abgeschlossen war.

Auf dem »Hof«, dem Sammelplatze der bewaffneten Bürgerschaft, lagerte vor deren Zeughaus in dieser Nacht die kleine Freikompagnie, die der Ratsherr Ambros Franck errichtet hatte und nun als Hauptmann befehligte. Allenthalben brannten Wachtfeuer, deren roter Flackerschein die Brandruinen des nahen Schottenklosters und der zugleich mit diesem in Asche gesunkenen Paläste der Familien Auersperg, Palffy und Traun mit erbarmungsloser Schärfe gegen den tiefblauen Himmel des Sommerabends abhob.

Die Mannschaften, meist ehrsame Gastwirte und friedliche Kaufleute, aus denen die Not der Zeit überraschend schnell stahlharte Kriegsmänner geschmiedet hatte, lagen oder saßen, zu Gruppen vereint, auf Strohschütten um die lodernden Flammen und unterhielten sich über die letzten Ereignisse. An Gesprächsstoff war heute freilich kein Mangel, denn am Tage zuvor hatte der Kürassieroberst Dupigny, um dem gegen das Außenwerk der Burgbastei anrückenden Feinde zuvorzukommen, mit einer Abteilung seines Regiments zu Fuß einen Ausfall gemacht, der völlig mißglückt war und dem alten Haudegen selbst das Leben gekostet hatte, und an demselben Abend hatte ein wütender Sturmangriff von dreitausend Janitscharen den Feind in den Besitz des Burgravelins gebracht, aus dem er nach heißem Kampf unter Zurücklassung von mehr als dreihundert Toten wieder vertrieben worden war. Daß sich trotz diesem unbestreitbaren Erfolge die Lage der Eingeschlossenen immer bedenklicher gestaltete, wagte niemand zu bestreiten, verfügte der Türke doch über genügend große Streitkräfte, um zu jeder Unternehmung frische Kämpfer heranführen zu können, während die durch die Kompagnien der Bürger und Studenten verstärkte kleine Garnison der belagerten Stadt länger als einen Monat ununterbrochen unter den Waffen stand und überdies täglich kaum weniger durch die Ruhr als durch den Feind gezehntet wurde.

Über die wackeren Männer, die da ihre müden Füße dem Feuer entgegenstreckten und des Alarmsignales harrten, das sie jeden Augenblick wieder auf die Mauern und Wälle rufen konnte, hielten sich nicht allzulange bei solchen trüben Betrachtungen auf. Das leichte Wiener Blut verleugnete sich auch in dieser Zeit der höchsten Not nicht, und so löste denn eine Nachricht, die soeben Michael Hafner, der Gastgeber zur güldenen Gans, von seinem Patrouillengange mitbrachte, hellen Jubel aus. »Ich sag' euch, Leutel, das is a Sach'!« berichtete er. »heut' auf den Abend haben die Mansfeldischen aus dem Stubentor einen Ausfall getan, gegen die Favorita hin, und was denkt's euch, das sie haben heimgebracht? Zweiunddreißig Ochsen! Zweiunddreißig fette Ochsen! Brauchen können wir's halt, mein' ich. Das Roßfleisch kriegt man satt, und ich muß sag'n: ich weiß kaum noch, wie a Rindernes tut schmeck'n.«

»Brauchst dich nit drauf zu spitzen, Ganswirt!« rief ihm sein Nachbar und schärfster Konkurrent, der Gastgeber zum grünen Hufeisen, zu. »Die Ochsen werden s' schon selber fressen, die Kaiserlichen, und so dir das Rosserne is z'wider worden, alsdann laß dir von deiner Alten a Katzl braten. Wird eh' nit das erstmal sein, daß sie so ein lieb's Tierl in die Pfannen tut legen.«

»Freilich, freilich! Ich will's nit abstreit'n, Franzl. Hat sich mein Weib doch schon vor Jahr und Tag von deinem das Rezept zum Katzenbrat'n lassen geb'n.« Damit hatte Michael Hafner die Lacher auf seiner Seite, aber es war ihm in Anbetracht des heiklen Themas doch lieb, daß sich die allgemeine Aufmerksamkeit einem jungen Kameraden zuwandte, der jetzt gemessenen Schrittes aus der im Zeughaus eingerichteten Wachtstube trat und sich nun einen bescheidenen Platz an einem der Feuer suchte.

Es war ein hochgewachsener, sehniger Mensch von etwa dreißig Jahren mit offenem, frischem Gesicht, dessen unverkennbar slavischer Schnitt hier in Wien, wo sich Angehörige so vieler Völkerschaften zusammenfanden, nicht weiter auffiel. Was ihn jedoch vor seinen Waffengefährten auszeichnete, war der nach türkischer Sitte kahlgeschorene Kopf und der über die Mundwinkel herabfallende Schnurrbart, Absonderlichkeiten, die ihm, wo er sich auch in der Stadt sehen ließ, überraschte und argwöhnische Blicke eintrugen. Aber der junge Mann – er hieß Georg Michaelowitz und war seines Zeichens Kaufmannsdiener – trug die ungewöhnliche Haar- und Barttracht nicht aus Laune: er hatte sich dazu bequemen müssen, um als Begleiter seines Brotherrn Kolschitzky, dem die gefährliche Aufgabe zugefallen war, einen Brief des Stadtkommandanten Ernst Rüdiger Grafen von Starhemberg an den Generalissimus der zum Entsatze Wiens heranrückenden Armee, den Herzog von Lothringen, zu befördern, unerkannt durch die türkischen Stellungen zu gelangen. Von dieser Wanderung waren beide, die sich auf jahrelangen Geschäftsreisen mit Sprache und Bräuchen des Erbfeindes auf das genaueste vertraut gemacht hatten, am Abend des 17. August wohlbehalten zurückgekehrt, und so war es kein Wunder, daß Michaelowitz bei seiner Kompagnie der Held des Tages war und von jedem, der ihm begegnete, nach seinen Erlebnissen ausgefragt wurde.

Auch jetzt wieder sammelte sich eine ganze Schar von Neugierigen um ihn. »Was meinst, Görgl, wird's denn der Lothringer auch schaff'n? Die Leut' reden alleweil, daß er nit mehr denn eine Handvoll Soldaten soll haben. Bist doch in des Herzogs sein Feldlager gewest und hast gewißlich die Aug'n nit zugetan. Mußt mir drum die Frag' verstatten, ob die kaiserliche Armada is in Wahrheit so klein und schwach,« erkundigte sich der Lebzelter Adam Posch, der immer darauf ausging, etwas Tröstliches zu erfahren.

»Handvoll Soldaten! wenn zu Wien ein' jede Lüg' wär' mit Hufeisen beschlagen, alsdann braucht' man das Pflaster auf den Gassen, so der Starhemberg der Bomben halber hat lass'n aufreißen, nit wieder herzurichten,« erwiderte Michaelowitz lachend. »Wenn Ihr die neun Kürassier- und fünf Dragonerregimenter, dazu die drei Regimenter Kroaten eine Handvoll wollet nennen, dann müsset Ihr ein gar große Bratz'n haben. Und was der König von Polen herbeiführt und der Kurfürst von Sachsen, wird auch nit zu verachten sein. Freilich, die Zahl anlangend, so können sich die Unsrigen mit den Türken schwerlich messen, aber vergeßt nit, Herr Posch, daß auf unsrer Seit'n der liebe Herrgott selber stehet, und der gilt mehr denn hunderttausend gewaffnete Mannerl.«

»Görgl, was ich dich schon immer hab' woll'n fragen: is das auch a Lüg', daß die Türken ein' Abscheu vor dem Wein haben?« wandte sich Hafner an den Kaufmannsdiener.

»Das is die lautre Wahrheit, Ganswirt, Wein bringen s' kein Tröpfl über die Lippen, und wenns Euer achtziger Gumpoltskircher wär'. Verbietet's ihnen doch der Koran, so sie für ihre Bibel tun halten.«

»Alsdann hat unser Herrgott sie für alle ihre Schandtaten schon abgestraft in diesem Leben, und was sie nach ihrem unseligen End' noch in der Höll' empfangen, is bloß noch a extraordinari Zugab',« meinte der Wirt mit Genugtuung. »Schau, es hat mich 'wurmt, als ich gestern hab' müssen seh'n, wie auf der Mölkerbastei ein Unteroffizierer von den Heisterschen zween gefangene Türken hat mit seinem Degen aus purer Wut geköpfet, ob sie schon mit Tränen um ihr Leben baten, aber jetzo, da ich für gewiß weiß, wie die ungläubigen Hunde den Wein veracht'n, is mir leid, daß ihrer ein jeder nur einen Kopf hat zu verlieren.«

Ein blutjunger Leutnant vom Starhembergschen Regiment, der dem Hauptmann Franck gemeldet zu werden wünschte, machte der Unterhaltung ein Ende. Man führte ihn in die Wachtstube und tauschte eifrig Vermutungen über den Zweck seiner Sendung aus. Noch größer wurde die Neugier der Männer, als der Hauptmann nach einer Weile in der Tür des Zeughauses erschien und Michaelowitz zu sich hereinrief. »Gebt's Obacht, Leutel, mit dem Görgl haben s' halt wieder a groß' Sach' vor,« meinte der Limonadenbereiter Veit Lindkogler, und damit schien er recht zu haben, denn wenige Minuten später sah man den vielbeneideten an der Seite des Leutnants den Lagerplatz verlassen und in die Strauchgasse einbiegen.

Michaelowitz mußte dem Offizier in die Hofburg folgen, wo der Stadtkommandant seit vierzehn Tagen das Logement der kaiserlichen Leibwache bewohnte. Es war das erstemal, daß der junge Kaufmannsdiener das weitläufige, aber äußerlich alles andre als prächtige Gebäude betrat. Seit Leopold der Erste mit Familie und Hofstaat die bedrohte Residenz verlassen hatte – nicht zur Freude seiner Wiener, die es dem Landesvater verdachten, daß er die Nöte und Gefahren der Belagerung nicht mit ihnen teilen wollte, – glich die Burg mehr einer Kaserne als einem Fürstensitz. In den Räumen des Erdgeschosses waren die vier Kompagnien der zum Kriegsdienst befohlenen Hofbediensteten untergebracht, in den oberen Stockwerken die der Fleischer und Bäcker, die mit ihren Hakenbüchsen und gezogenen Rohren aus den mit Balken und Sandsäcken verbarrikadierten Fenstern die feindlichen Approchen vor der Burgbastei bestrichen.

Fast alle Gemächer boten das Bild schlimmster Verwüstung. An den von Kugeln schwersten Kalibers durchlöcherten Wänden hingen die gewebten flandrischen Tapeten in Fetzen von der verräucherten Decke herab; infolge der häufigen Minenexplosionen war der Stuck abgefallen, hatte sich das Getäfel von der Mauer gelöst. An dem barocken Rahmenschnitzwerk der zertrümmerten Prunkspiegel waren Uniformstücke und Pulverflaschen aufgehängt; auf den marmornen Kaminsimsen standen jetzt statt der Stutzuhren und chinesischen Porzellanvasen verrußte Kochgeschirre und zerbeulte Zinnbecher. Auf den mit Stroh beschütteten Fliesen hatten sich's die gerade dienstfreien Mannschaften bequem gemacht, schliefen, saßen, aus ungarischen Tonköpfen Tabak rauchend, in Gruppen umher oder würfelten nach Soldatenbrauch auf einer Trommel.

Der Leutnant geleitete Michaelowitz durch endlose Korridore zur Tür eines Kabinetts, vor der er ihn warten hieß, während er selbst, nachdem er mit dem dort stehenden Wachtposten ein paar Worte gewechselt hatte, eintrat. Nach etlichen Minuten kehrte er zurück, rief seinen Begleiter herein und führte ihn durch mehrere kleine Gemächer in einen großen, ziemlich schmucklosen Saal, in dem zwölf vornehme Herren, von deren Scheitel gewaltige schwarze Lockenperücken niederwallten, auf steiflehnigen Stühlen um eine mit einem türkischen Teppich bedeckte Tafel saßen. (Es war Graf Starhemberg mit seinem Stab und den Vertretern des Geheimen Deputierten-Kollegiums, die hier beim Lichte einiger auf silbernen Armleuchtern brennenden Wachskerzen Kriegsrat hielten. An einem kleineren Tische beugten sich zwei Sekretäre eifrig über ihre Schreibarbeit, und an dem Pfeilerspiegel zwischen den dichtverhängten hohen Fenstern standen, der Befehle des Kommandanten gewärtig, drei von dessen Adjutanten.

Der Leutnant näherte sich der Tafel, salutierte und meldete, daß Georg Michaelowitz, Kaufmannsdiener und Bürger aus der Leopoldstadt, zur Stelle sei.

Der Verteidiger Wiens, ein beinahe zierlich gebauter Mann von fünfundvierzig Jahren, der eben erst von der Ruhr genesen war, und dessen strenges, durch eine spitze Hakennase und große, kluge Augen ausgezeichnetes Antlitz noch immer die Spuren der Krankheit trug und gegen das Weiß des Waffenrocks und das Rot der Feldbinde fahlgrau erschien, unterbrach die lebhafte Unterhaltung, die er mit dem Generalfeldwachtmeister Grafen Daun, dem Oberstwachtmeister der Stadtguardia, Marquis Obizzi, und dem Feldmarschall Grafen von Tappliers, Vizepräsidenten des Hofkriegsrats, gepflogen hatte, und winkte Michaelowitz zu sich heran. »Mein Sohn, getrauest du dich wohl, einen Brief an des Herzogs von Lothringen Hoheit zu überbringen?« redete er ihn an, sich in seinen Stuhl zurücklehnend und die Hände über dem goldenen Knopf seines spanischen Rohres faltend.

»Warum nit, Ihro Exzellenz? Müßt' freilich zuvörderst wissen, was man für den Botengang tut zahlen.«

»Soviel wie man deinem Herrn hat dargereichet. Will sagen hundert Dukaten.«

»Das läßt sich hören, Ihro Exzellenz, hundert Dukaten seind halt kein Mausdreck. Dafür kann ein rechtschaffner Mann schon Kopf und Kragen dransetz'n. Aber, mit günstigem Verlaub, weshalb will Ihro Exzellenz nit abermalen meinen Patron zum Kurier nehmen? Selbiger is doch der nächst' dazu, mein' ich.«

»Wir haben unsere Gründe, uns seiner nicht wieder zu bedienen. Es besteht der Soupçon, es möchte der Kolschitzky von den Türken erkannt worden sein.«

»Wenn sich die Sach' also verhält, alsdann darf ich 's Geschäft nit ausschlag'n.«

»Brav gesprochen, mein Sohn! Ich vertraue auf deine Klugheit. So es dir glücket, dich deiner Botschaft wohl zu entledigen und wiederum von dem Herrn Herzog Nachrichten in die Stadt zu bringen, werde ich nicht verfehlen, nach – will's Gott! – geschehener Entsetzung dich Kaiserlicher Majestät sonderlicher Gnade zu rekommandieren. Aber keine Zeit verlieren, Freundl! Mußt noch in dieser Stunde aufbrechen. Und daß du nicht drauf vergißt, nach glücklicher Passage türkischen Lagers auf dem Bisamberg ein Feuer anzuzünden!«

»Ihro Exzellenz kann sich auf mich verlass'n. Werd' halt mit Gottes hilf' schon durchkommen,« sagte der junge Kaufmannsdiener mit einer Verbeugung.

»Leutnant Feilbruck!« wandte sich der Kommandant an den Offizier, der Michaelowitz in die Burg geholt hatte, »laßt den Mann hierneben im Kabinettl das Janitscharengewand anlegen und führet ihn uns alsdann wieder vor!«

Als Michaelowitz nach einer Weile in seiner Verkleidung zurückkam, glitt über die bisher so ernsten Gesichter der Offiziere und Hofkammerräte ein vergnügtes Schmunzeln. Die Verwandlung war so vollkommen, daß der Bursch einem mit allen Wassern Stambuls gewaschenen Moslem zum verwechseln ähnlich sah.

Einer der Sekretäre händigte ihm Brief und Paß ein; in Starhembergs Küche erhielt er Brot und Rauchfleisch als Proviant; dann wurde er vom Leutnant durch die nächtlich stillen Gassen zum Schottentor und über die gedeckten Wege des Außenwerkes bis an das verborgene Ausfallpförtlein geleitet, durch das er die Stadt verließ.

*

Am andern Morgen, bald nach Sonnenaufgang, erschien Georgs junges Weib auf dem Hof, um ihrem Manne die Suppe zum Frühmahl zu bringen.

»Der is längst nit mehr hier, Frau,« berichtete einer seiner Kameraden. »Zur Nacht haben s' ihn zum Starhemberg g'holt, und was das will bedeuten, das könnet Ihr Euch selbst wohl leichtlich z'sammenreimen. Aber ich rat' Euch, so Ihr genau wollet wiss'n, wie's um den Görgl steht, alsdann gehet zum Franck auf die Wachtstub'n; der wird Euch können Bescheid geb'n.«

Das ließ sich Frau Threserl nicht zweimal sagen und ging, ohne sich um den Posten an der Tür zu kümmern, stracks ins Zeughaus.

Der Hauptmann maß die schmucke, junge Frau, die das reiche blonde Haar in schweren Zöpfen um den Hinterkopf gewunden trug, mit wohlgefälligen Blicken.

»Ich kann's nit ableugnen, Weiberl, Euer Mann is 'naus zum Herzog,« sagte er ein wenig verlegen. »Müsset die Supp'n diesmal schon selber essen.«

»Jesses, Jesses, das hätt' ich soll'n wissen! Wär' wohl noch schöner, wenn man bei so was das Eh'weib dürft' ungefragt lass'n!« schalt sie. »Wo der Görgl doch 's Einzig' is, so mir noch verblieben. Das Kind hab' ich müss'n hergeben, unser Häusel in der Leopoldstadt hat der Türk' verbrannt, und nun nehmen s' mir auch noch den Mann!«

»Seid g'scheit, Frau! Euer. Görgl, wie ich ihn kenn', wird schon wiss'n, seine haut zu salvieren. Der schickt sich in alle Sättel. Um den, wenn ich an Eurer Statt wär', tät' ich mir kein' Sorg'n machen. Überdem: hundert Dukaten kann heutz'tag' ein jeder brauchen; daran müsset Ihr auch denk'n.«

»Wohl, wohl! Aber nit amal Abschied hat er von mir g'nommen. Wie a Dieb hat er sich davong'schlichen.

»Wenn er klug is g'west, Frau! Das lange Abschiednehmen hilft doch z' nix, und was sein muß, muß halt sein. Je weniger drum wissen, desto g'ringer is die G'fahr, daß ihn könnt' einer verraten. Müsset Euch g'tröst'n. Der Görgl wird schon nit ewig fortbleiben, und ich will's Euch versprechen: sobald ich's erfahr', daß auf dem Bisamberg ein Feuer tut brennen, send' ich ein'n von der Kompagnie, daß er Euch's kündet.«

»Dank' Euch schon zuvor, Herr Hauptmann. Möcht' nur wiss'n, warum's grad' hat mein Eheherr sein müssen und nit der Kolschitzky. Wenn einer sollt' allein geh'n, wär's dem doch zukommen. Damalen, da sie z' zweit seind 'gangen, war's nit so gar arg, ob mir auch da schon die Angst hat 's Herz abdruckt. Und das weiß ich auch: vorg'drängt hat sich der Görgl nit. Das is ganz und gar nit sein Art.«

»Ihr redet daher, wie Ihr's versteht, Frau, will's Euch berichten: Den Kolschitzky haben s' erkannt im Türkenlager. 'S hat nit viel g'fehlt, so hätten s' ihn beim Bruck'n in der Brigittenau ang'halten. G'tröstet Euch drum und denkt, 's kann sein, der Görgl trägt jetzo unser aller Leben in seiner Tasch'n. Und wenn Euch dennoch die Sorg' um ihn tut quälen, so gehet zu den Augustinern in die Lorettokapell' und bringet der g'benebelten Gottesmutter Euer Anliegen vor. Das is mein Rat, weiberl, und ich mein', der schlechtst' wär's nimmer.«

Die junge Frau mußte sich mit dem erhaltenen Bescheid wohl oder übel zufrieden geben. Langsamer, als sie gekommen war, ging sie heim in die Weihburggasse, wo sie mit ihrem Manne seit der Räumung der Leopoldstadt im Hause ihres Vaters, des Sporermeisters Löffelholz, eine mit dem geretteten Hausrat des Paares vollgepfropfte bescheidene Kammer bewohnte. Seltsam: sie, die sich aus Furcht vor den einschlagenden Kugeln bisher kaum ins Freie getraut hatte, beachtete jetzt weder die runden Wölkchen, die über die größtenteils des Schindelbelages beraubten Dächer dahinfuhren, noch den Donner des schweren Geschützes, der sowohl von der Burg- und der Löwelbastei als auch von der Biberbastion her ununterbrochen über die Stadt rollte!

Da sie das Bedürfnis empfand, dem Vater ihr Herz auszuschütten, begab sie sich in die Werkstatt, wo der Alte, dem man in den letzten Monaten einen Gesellen nach dem andern genommen hatte, an diesem Morgen allein hantierte. Da die Pferde in der Stadt rar geworden waren, gab's in seinem Gewerbe nicht viel zu tun; er mußte froh fein, daß ihm ein alter Gönner, der nun als Hauptmann die Bürgerkompagnie des Stubenviertels kommandierte, ein paar Dutzend beschädigter Musketen zur Ausbesserung anvertraut hatte.

Als die junge Frau eintrat, legte er die Arbeit aus der Hand, stemmte die Arme in die Seiten und sah die Tochter prüfend an. »Wie schaust denn aus, Threserl? Schneidst ja ein gar finst'res G'sicht, daß man müßt' am hellen Tage ein Licht anzünd'n.«

»Hab' auch kein' Ursach', fröhlich dreinz'schau'n, Herr Vater. Denkt's Euch nur: Der Görgl is aus der Stadt!«

»Aus der Stadt? Tat sein' Kompagnie denn 'n Ausfall?« »Ausfall! Mutterseelenallein is er fort. Zum Lothringer. Bei Nacht haben s' ihn auf die Burg zum Kommandanten geholt, und dann hat er gleich müssen ein türkisch' Gewand anlegen und wiederum den weg durchs Lager nehmen.«

»Ohne seinen Patron?«

»Der Kolschitzky traut sich nimmer durch, wie mir der Franck hat kundgetan, soll er g'sagt haben, es hält' ihn der Türken einer erkannt, da er letzten Dienstag in der Früh' den Brucken in der Brigittenau passiert.«

Der Alte machte eine Geste der Geringschätzung. »Der kann viel red'n! Is eh' nit der Beherzteste. Mich wundert's nur, daß er's damalen hat gewagt. Nun, ich denk', der Görgl schafft's auch allein. Und die Belohnung braucht er mit keinem zu teil'n. Das wird ihm nit unlieb sein, denn hundert Dukaten sind ein schön Stückl Geld' damit kann er sein Häusel wieder aufbau'n, wenn erst der türkische Hund geschlagen is.«

»Ich glaub's nimmer, daß man seiner Herr sollt' werden, Herr Vater. Bedenkt's, es sind der Feinde zu viel. Und die Unsrigen haben 's Kämpfen und Hungern satt. Dazu die Seuch'! Jeder zweit' hat schon den Blutfluß. Die Leute! sterben aus der Gass', hab' vorhin mit meinen Augen g'sehn, wie sie unter den Tuchlaub'n haben die Leichen auf den Karr'n g'laden, und wie der Herr Bischof von Neustadt in eigener Person einem von der Stadtguardia die heilig' Ölung hat 'geben.«

»Ich weiß, ich weiß, Threserl! Bin eben selbst erst von einem Ausgang Heimkommen. Es stehet nit sonderlich gut um unsre Sach'. Seit Mitternacht fallen die Brandkugeln in die Stadt nit anderst, denn vor etlichen Jahren die Heuschreck'n in Niederösterreich. Aber warum sollt' der Herrgott im Himmel nit doch noch ein Wunder tun? Meinst etwan, er tät's mit dem Erbfeind des christlichen Namens halten? Darfst drum auch nimmer verzag'n, weil der Görgl hat zum Lothringer müssen. Kann sein, der Herrgott hat ihn dazu auserseh'n, die Wienerstadt zu retten, also daß er zu den hundert Dukaten noch einen himmlischen Lohn empfanget. Müss'n halt ausharren und hoffen; mehr können wir jetzo nit tun. Und wacker schaff'n, ein jeder an seinem Platz. Arbeit vertreibet die trüben G'danken. Kannst drum ein weniges den Blasbalg zieh'n, Threserl. Den Ferdi haben f mir heut' in der Früh' auch noch wegg'holt, ob er schon seiner blöden Aug'n halber zu einem Hakenschützen tauget wie ein Grobschmied zum Jubilierer.«

Bevor die junge Frau der Weisung des Alten nachkam, suchte sie die Mutter auf, um auch dieser ihr Leid zu Klagen, obwohl sie im voraus wußte, daß sie bei ihr noch weniger Verständnis für ihre Herzensnot finden würde als beim Vater. Die Löffelholzin war ein braves, arbeitsames Weib, ging aber völlig in ihrer häuslichen Tätigkeit auf und litt unter den mancherlei Entbehrungen, die die Belagerung der Einwohnerschaft auferlegte, weit mehr als unter der von Tag zu Tag wachsenden Furcht vor dem Kommenden, die alles Leben in der Stadt zu lähmen begann. Daß ihr Schwiegersohn den Gang durchs türkische Lager gewagt habe, vernahm sie nicht ohne Befriedigung; dachte sie doch nur an den reichen klingenden Lohn, der dem kühnen Kurier winkte, während sie sich von den Gefahren, die ihn auf Schritt und Tritt bedrohten, keine Rechenschaft zu geben vermochte. Sie erwiderte Threserls Herzensergießungen mit beweglichen Klagen über das schlechte Brot, das die Bäcker allen Warnungen des Kommandanten zum Trotz für ein wahres Sündengeld verkauften, und über die verdorbenen Heringe, mit denen ein Soldatenweib sie am Tage zuvor betrogen hatte.

Verstimmt kehrte die Unverstandene in die Werkstatt zurück. Sie widmete sich der ihr zugewiesenen gleichförmigen Arbeit mit einem dumpfen Trotz, sprach während des ganzen Tages kaum ein Wort und schaute wie geistesabwesend in die Glut des Schmiedefeuers und auf die vom Amboß sprühenden Funken.

Als der Abend anbrach, duldete sie's nicht länger daheim, und sie erklärte dem Vater, daß ihre Arme zu erlahmen begönnen, und daß ihr die rauchige Luft in dem engen Gelaß Den Atem benehme. Dann schlüpfte sie aus dem Haus, eilte die Gasse zum Stephansplatz hinunter und mischte sich unter die städtischen Söldner, die die Pforte zum Hauptturm des Domes bewachten und nebenbei die Aufgabe hatten, die vom Turmumgang herabgeworfenen Zettel aufzulesen, auf denen die mit der Beobachtung der feindlichen Stellungen betrauten Jesuitenpatres ihre Wahrnehmungen dem Kommandanten meldeten. Plötzlich, in einem Augenblick, wo die Aufmerksamkeit der Soldaten durch eine Bombe abgelenkt wurde, die sich, ohne zu krepieren, am Eingang der Goldschmiedgasse in den Boden wühlte, stürzte Frau Threserl zur Turmpforte und gedachte die Stiegen hinanzuhasten. Aber ein Mann von der Stadtguardia, der auf den Stufen sein Vesperbrot verzehrte, versperrte ihr mit seiner Pike die Treppe.

»Seid so gut und laßt mich durch, Freundl! will ja bloß nachschau'n, ob 's Feuer auf dem Bisamberg noch nit tut brennen,« sagte sie.

»Was kümmert denn Euch das Feuer, Weiberl? 'S tät grad' noch fehlen, daß ein jeder könnt' nach seinem Belieben auf den Turm steigen! Unsereins wird von den nasewitzigen Leuteln eh' g'nug tribuliert, also daß man kein' Stund' sein' Ruh' hat. Geht heim, sag' ich, und kocht Eurem Mann das Nachtmahl; selbig's is gescheiter denn 's Auslugen vom Turm, wo ein Weibsbild nix hat z' suchen.«

»Wenn der meinig' wär' daheim, alsdann stünd' ich nit hier und tät' auf den Turm begehren. Müsset wiss'n, daß ich des Görgl Michaelowitzens sein Eh'weib bin, welcher gestern zur Nacht zum Lothringer is ab'gangen. Werdet's drum begreif'n, daß ich nit aus Vorwitz und Langeweil' will nach dem Feuer Ausschau halt'n'. Bitt' also recht schön: Laßt mich passieren!«

»Ja, Frau, das is halt was anderst. Da dürft' man schon ein Aug' zudruck'n oder auch alle beid'. Aber es gehet wider die Instruktion, und Ihr müßtet zuvor was G'schriebenes vorweisen vom Herrn Graf'n Kielmannsegg, so droben die Feuerwerkerei kommandieret.«

»Wie sollt' ich z' was G'schrieb'nem kommen, Freundl! 's wär' schon besser, Ihr tätet die Aug'n zudruck'n. Den Hals wird's Euch nit gleich kost'n.«

»Wohl, wohl! Aber davon wiss'n darf ich nix. Wartet ein bissel; ich will nur die Rond' um den Dom mach'n, und wenn ich dorten hinter dem Heidenturm bin, möget Ihr tun, was Euch beliebt.« Damit schulterte er die Pike und ging davon.

Sie schaute ihm mit einem dankbaren Blicke nach und klomm die vielen hundert Stufen zum Umgang empor. Dabei mußte sie's vermeiden, durch das Steinfiligran des Fenstermaßwerks in die Tiefe zu sehen, denn sie vermochte sich einer Anwandlung von Schwindel nicht zu erwehren.

Die beiden geistlichen Koadjutoren, die da oben in luftiger Höhe an den Fernrohren standen, und der Scholastikus, der die Schreibarbeit verrichtete und von Zeit zu Zeit ein Stück Scheitholz mit darumwickeltem Zettel über die Brüstung der Galerie auf den Stephansplatz hinunterschleuderte, waren ob des unverhofften Besuches nicht wenig erstaunt. Der jüngere Pater, ein aszetisch finsterer Mensch, zeigte nicht übel Lust, die junge Frau mit barschen Worten wegzuweisen, der ältere jedoch, dessen angeborene Menschenfreundlichkeit und Milde die strenge Zucht des Ordens nicht völlig zu unterdrücken vermocht hatte, nahm sich ihrer, nachdem er ihr Anliegen vernommen, mit väterlichem Wohlwollen an, wies ihr am nördlichen Horizont den Berg, auf dessen Gipfel jeden Augenblick das Flammenzeichen aufleuchten konnte, und erklärte ihr dann die feindlichen Stellungen, die sich in einem trotz der vorgerückten Dämmerung deutlich erkennbaren gewaltigen Ring um die Stadt zogen.

Angesichts der kaum unterbrochenen Zeltgassen, zwischen denen Tausende von Lagerfeuern loderten, kam Frau Threserl die Gefahr, in die sich ihr Görgl begeben hatte, erst im vollen Umfange zum Bewußtsein, und ob sie auch mit staunenden Augen die niedergebrannten Vorstädte, die in Trümmer liegenden Häuserreihen der Währinger- und Alserstraße, die verwüstete Leopoldstadt, die feindlichen Belagerungswerke, aus deren Batterien in kurzen Zwischenräumen die Feuerblitze der Geschütze aufzuckten, das von einem Tiergarten umgebene Riesenprunkzelt Kara Mustafas hinter St. Ulrich, das engmaschige Netz der türkischen Approchen vor der Löwel- und Burgbastei und die endlosen Züge der mit Kamelen und Büffeln bespannten Karren, die Stammholz, Schanzzeug und Munition in die vorderen Stellungen brachten, betrachtete, so schweifte ihr Blick doch immer wieder nordwärts, wo sich die Umrisse des Bisamberges allmählich im Dämmer des Spätsommerabends verloren.

Überwältigt von all den wechselnden Eindrücken, lehnte sie an der hohen Brüstung des Umgangs, nur mit halbem Ohre auf die Erklärungen des Paters horchend, dessen gleichförmige, sanfte Stimme gegen das bald an-, bald abschwellende Gebrause in der Tiefe, gegen den rollenden Donner der Geschützsalven und das Singen der Musketenkugeln seltsam abstach.

Als es noch dunkler wurde, grüßten auch drunten aus den engen Gassen der Stadt die Lichtlein herauf, dazu der Fackelschein vom Schweizerhof der Burg und die Beiwachtfeuer auf den drei Sammelplätzen der Garnison und der Bürgerschaft. In die Gräben der angegriffenen Werke hatte die Besatzung brennende Pechkränze und Reisigbündel geworfen, um die Finsternis da unten aufzuhellen und sich gegen eine Überrumpelung durch den Feind zu sichern, Hie und da glühte in der Stadt noch das Lattenwerk eines während des Tages in Brand geschossenen Dachstuhles, und man sah verwegene Kletterer mit Eimern auf den angekohlten Balken hin und her eilen, um die immer wieder auflebenden Flammen zu löschen.

Endlich – es war schon 9 Uhr – deutete der Pater auf ein Fünkchen, das, kaum größer als ein Stern, fern über Nußdorf tief am Himmel erschien. »Gott und den lieben heiligen sei Dank! Euer Mann hat der Türken Feldlager glücklich passieret,« sagte er, das Teleskop auf das rötliche Pünktchen richtend, »wollet Ihr einmal schauen?« Er ließ Frau Threserl durch das Rohr sehen, aber es dauerte lange, bis sie sich mit dem Instrumente zurecht fand. Als sie dann in dem Fünkchen wirklich ein Feuer erkannte, atmete sie tief auf. Sie fühlte sich um Zentnerlast erleichtert.

Plötzlich brach sie jedoch in lautes Schluchzen aus, und als der freundliche Geistliche sie überrascht nach der Ursache ihres Kummers fragte und meinte, sie habe doch allen Anlaß, froh und dankbar zu sein, erwiderte sie unter Tränen: »Jetzo quälet mich wieder die Sorg', daß ihn der Türk' möcht' aufgreif'n, wenn er auf dem Heimweg das Lager ein andermal passieret.«

*

Die Not der Belagerten stieg von Tag zu Tag. Der Feind, der neue Munitionszufuhren erhalten hatte, beschoß die Stadt stärker als je. Stündlich brach bald hier, bald dort ein Brand aus; auf den Gassen krepierten fortwährend Bomben, und die Toten, die allenthalben umherlagen, konnten wie die Ruhrleichen aus Mangel an Arbeitskräften nicht mehr geborgen und bestattet werden.

Zum Glück für die Einwohnerschaft gab es in Wien wenigstens zwei Männer, die in der allgemeinen Verwirrung den Kopf oben behielten: Starhemberg und den wackeren Bischof von Neustadt, Grafen Kollonitz. Während jener mit nie ermüdender Feldherrnkunst immer neue Verteidigungsmaßnahmen traf, die Stadttore mit alleiniger Ausnahme des Stubentors zu verrammeln befahl, in eigener Person die am meisten gefährdeten Basteien und Ravelins inspizierte, mit scharfen verbaten gegen die oft höchst planlos ins Werk gesetzten Ausfälle der Bürgerkompagnien einschritt, für die Unterbringung der Kranken und verwundeten in feuerfesten Gewölben sorgte, im Rathaus und im bürgerlichen Zeughaus Stoßmühlen zum Vermahlen der Kornvorräte errichten ließ, die Lebensmittelpreise regelte und mit drakonischen Strafen den Wucher bekämpfte, besuchte Kollonitz die Spitäler, richtete in den Klöstern Lazarette ein, überwachte Backhäuser, Brauereien und Apotheken, warb alte Leute an, die zur Beförderung der Reinlichkeit auf Straßen und Plätzen Senkgruben anlegen mußten, und versah in Gemeinschaft mit acht Geistlichen die Seelsorge bei Kranken und Sterbenden.

Inzwischen arbeiteten sich die Türken, durch die Hekatomben von Gefallenen aus ihren Reihen zu fanatischem Eifer angespornt, mit Approchen, Traversen und Minen näher an die Stadt heran, wühlten sich tief in den Ravelin der Burgbastei ein und verteidigten jeden Fußbreit gewonnenen Bodens mit anerkennenswerter Beharrlichkeit. Die Erbitterung der christlichen Soldaten kannte infolgedessen keine Grenzen mehr. Obgleich sie bei jeder Unternehmung in der Minderzahl waren, kämpften sie wie die Löwen, aber sie vermochten doch nicht zu verhindern, daß die Ungläubigen täglich bedeutende Fortschritte machten, und in ihrer Wut darüber schunden sie die Gefangenen bei lebendigem Leibe oder marterten sie auf andere Art zu Tode.

Der Bürgerschaft hatte sich eine dumpfe Verzweiflung bemächtigt. Unsinnige Gerüchte durchschwirrten die Stadt: Bald glaubte man in irgendeinem Keller das Pochen der feindlichen Mineure zu vernehmen, bald hieß es, der Feind sei durch einen unterirdischen Gang in die Burg eingedrungen und metzele die Besatzung nieder.

3m Hause des Sporermeisters in der Weihburggasse fanden solche Gerüchte freilich wenig Widerhall. Der Alte arbeitete mit unerschütterlichem Gottvertrauen von früh bis spät in seiner Werkstatt, und die Löffelholzin wurde, seit sie erfahren hatte, daß man jetzt das Fleisch von Hunden und Katzen mit schwerem Gelde bezahle, durch die Sorge um ihren geliebten Kater Mohrl so vollständig in Anspruch genommen, daß sie alles andre darüber vergaß. Auch Frau Threserl konnten die schlimmen Nachrichten nicht erschrecken: solange ihr Görgl noch draußen weilte, lebte sie mit ihren Gedanken weit mehr im türkischen Lager als in der eingeschlossenen Stadt.

Da sie wußte, daß er nur durch das Außenwerk der Schottenbastei wieder nach Wien hereingelangen konnte, verbrachte sie den ganzen Sonntag in der Nähe des Schottentores und ging auch am Abend nicht heim, weil sie sich einredete, er werde seine Rückkehr mit Absicht bis zur Nacht verzögern, um sich, von den Türken unbemerkt, unter dem Schutze der Dunkelheit heranschleichen zu können. Als ihr die müden Füße den Dienst versagten, setzte sie sich in einen Mauerwinkel, von dem aus sie den Zugang zur Bastei übersehen konnte. Die Musketiere vom Kaisersteinchen Regiment, die hier die Besatzung bildeten, und die Studenten, die den Ravelin zwischen Schotten- und Neutor verteidigten und alle sechs Stunden abgelöst wurden, begegneten der jungen Frau, die sich als Michaelowitzens Eheweib zu erkennen gegeben hatte, mit achtungsvoller Teilnahme; ein paar besonders mitleidige Soldaten brachten ihr, da die Nacht kühl war, eine alte Pferdedecke, die sie mit Dank annahm, und boten ihr Brot und Wein, eine Stärkung, deren sie wohl bedurft hätte, die sie jedoch mit höflicher Entschiedenheit ablehnte, hin und wieder schlief sie, von Mattigkeit überwältigt, ein, fuhr jedoch bei jedem lauteren Geräusch aus wirrem Traum empor und machte sich dann Vorwürfe, daß sie ihrem Bedürfnis nach Schlummer nachgegeben und möglicherweise Görgls Ankunft verpaßt habe.

Der Montag brach an, und noch immer war der kühne Wanderer nicht zurückgekehrt. Am Abend des 20. August hatte er das Feuerzeichen gegeben, und heute schrieb man schon den Dreiundzwanzigsten! Frau Threserl versuchte aus den Mienen der geschäftig hin und her eilenden Menschen ihr Schicksal zu lesen, aber sie fand nur gleichgültige Gesichter, und da sie sich an jede Hoffnung klammerte, die ihrem geängstigten Gemüt erreichbar war, schöpfte sie daraus den Trost, daß anderen die verstrichene Frist wohl noch gar nicht so beunruhigend lang erscheine, vielleicht hatte Görgl den Herzog nicht sogleich angetroffen; es hieß ja, daß die Reichstruppen das Lager bei Stillfried im Marchfeld abgebrochen und sich gegen Tulln und Krems in Bewegung gesetzt hätten. Am liebsten wäre das junge Weib an einen der Offiziere mit der Frage herangetreten, wie er sich das Ausbleiben ihres Mannes erkläre, doch dazu fehlte ihr der Mut, denn die Antwort hätte ja niederschmetternd für sie ausfallen können. So schwieg sie und quälte sich mit ihren Sorgen weiter.

Endlich, am Nachmittag, sah sie, wie ein türkisch gekleideter Mann in vorn aufgeschürzter Dolama, auf dem Haupte die mit einem Reislöffel besteckte Filzmütze, von zwei Offizieren aus der Bastei in die Stadt geleitet und alsbald von den am Tore versammelten Soldaten umdrängt wurde. Zuerst glaubte Frau Threserl einen Gefangenen vor sich zu haben, als sie jedoch wahrnahm, wie er sich mit seinen Begleitern lachend unterhielt und dabei mit der Linken den Griff seines Säbels umspannt hielt, faßte sie ihn genauer ins kluge, erkannte in ihm den so sehnlich Erwarteten und stürzte mit einem Jubelschrei auf ihn zu. Er ergriff ihre Hände und zog sie an sich, aber nur für wenige Sekunden, dann schob er sie sanft beiseite und sagte: »Geh nur heim, Threserl, jetzo darf ich mich nit verweilen, muß in die Burg zum Herrn Kommandanten, aber nachher, will's Gott, komm' ich und bleib' die Nacht z' Haus, denn ich bin rechtschaff'n matt und hungrig dazu. Will nur hoff'n, daß die Mutter noch was im Speisg'wölb hat, hab' ich doch seit zween Tag'n nix recht's 'gessen.« Damit ließ er sie stehen und setzte seinen Weg in Gesellschaft der Offiziere fort.

Die junge Frau, der es gar nicht in den Sinn wollte, daß ihr Görgl jetzt, wo sie nach so langer Trennung wieder vereint waren, keine Zeit für sie hatte, stand eine Weile wie angewurzelt. Um ihre Mundwinkel zuckte es, und sie mußte alle Kraft zusammennehmen, um das bittre Gefühl der Enttäuschung, das sich in harten Worten Luft machen wollte, niederzuzwingen.

Als er jedoch drei Stunden später wirklich heimkehrte und sie nun aus seinem eigenen Munde vernahm, was Starhemberg gleich nach Empfang der von Michaelowitz überbrachten erfreulichen Nachrichten zur Ermutigung der Garnison und der Bürgerschaft auf allen Plätzen der Stadt unter Trommelwirbel hatte verkünden lassen: daß sich bei Krems neben den Reichstruppen auch das polnische Heer zu sammeln beginne, und daß für Anfang des Herbstmonds mit dem Entsatze Wiens zu rechnen sei, da war sie wieder mit dem schlimmen Mann ausgesöhnt, und als sie dann vom Fenster ihrer Kammer aus beobachtete, wie vom Stephansturm die sechs Raketen zum Nachthimmel aufstiegen, die bestimmt waren, dem Herzog von Lothringen die glückliche Ankunft des Kuriers zu melden, da verging sie beinahe vor Stolz, daß sich die Feuerwerker da droben auf dem Umgang diesmal ihres Görgls wegen bemühen mußten.

Aber die Angst, die sie vier Tage lang um den Waghals ausgestanden, hatte sie trotzdem nicht vergessen, und da sie nicht gesonnen war, ein solches Martyrium noch einmal auf sich zu nehmen, gedachte sie den günstigen Augenblick, wo ihr Mann gesättigt und dank der Kandel Nußdorfer, die der Vater zum Nachtmahl gespendet hatte, doppelt guter Laune war, dazu zu benutzen, ihm das Versprechen abzunehmen, daß er sich nicht noch einmal zu einem so gefahrvollen Botengänge gebrauchen lasse. »Gelt Schatzerl, du tust's nit wieder? Schau, ich hab' mich all die Zeit gar z' arg um dich 'bangt. Mein' auch, es könnt' nun amal ein andrer geh'n, und wenn's auch der Patron nit soll sein, so seid ihr beid'n doch nit die einzig'n in der Wienerstadt, die türkisch z' red'n wissen. Mußt nit drauf vergess'n, daß du ein Eh'weiberl hast, dem du sein ein und alles bist«, sagte sie, ihren vollen Arm zärtlich um seinen Nacken legend.

»Pah, was du red'st! wenn sich ein jeder Mann wollt' um die Angst von seinem Eh'weib kümmern, alsdann braucht der Kaiser kein' Werb'offizierer mehr ins Land z' schicken«, erwiderte er, ohne von ihren betroffenen Mienen Notiz zu nehmen. »Geh', sei g'scheit, Threserl! Schau, das Geschäftl bringt was ein!« Er zog den Beutel mit den Dukaten aus dem Wams und warf ihn auf den Tisch, daß es klirrte. »Wenn ich mir abermal'n einen solch'n Lohn tu verdienen, alsdann brauch' ich den Kolschitzky nimmer und kann selber ein'n Handel anfang'n. Müßt' wahrlich ein rechter Narr sein, wollt' ich die G'legenheit, 's z' was zu bring'n, lass'n entwisch'n. Nit alle Tag' hab'n die Juden in der Wüst'n können 's Manna aufklaub'n. Bin ja ehender selbst dem Patron gram g'west, daß er zum Donnerstag in der Nacht nit mit hat wollen zum Lothringer, hab' ihm sogar in mein'm Unverstand ein Ruder g'wünscht auf der Galeer', aber nun reut mich's nimmer, daß er is daheimblieb'n und hat mir vergönnt, so ein brav's Stückl Geld allein z' verdienen. 's hat halt alles sein Gut's, und der Mensch soll nit woll'n klüger sein, denn der liebe Herrgott, so doch allerweg' die Hand im Spiel hat.«

»Hinwiederum soll der Mensch aber auch nit zu verweg'n sein, und am wenigsten, wenn's nur um's liebe Geld is«, erwiderte sie.

»'S is nit um's Geld allein, 's is auch um die Wienerstadt und um's ganze Römische Reich. Wenn der Starhemberg dem Lothringer hätt' weiter nix z' schreib'n, als daß er g'sund wär' und selbig's tät' auch vom Herrn Herzog hoff'n, alsdann möcht' er wohl nit so tief in den Säck'l greif'n und für den Botengang hundert Dukaten spendier'n. Einer muß halt die Botschaft ausricht'n, und ich mein', wenn's doch einmal soll sein, so is 's schon gut, es gehet einer, so den Türk'n verstehet hinter's Licht z' führ'n. Schau, Threserl, bald hat's ja ohnehin ein End'. Lang' kann's nimmer währ'n, daß die Kaiserlichen und Pol'schen vor die Stadt ruck'n, dem Rara Mustafa eine Bataille z' liefern, wobei sie dann, will's Gott, werden obsiegen. 'S is also sehr die Frag', ob der Starhemberg meiner noch einmal bedarf. Mir soll's recht sein, wie's auch fallt. Kann ich daheimbleib'n, gut, so hast du dein' Ruh', muß ich aber 'naus, auch gut, denn alsdann krieg' ich abermalen mein' hundert Dukaten.«

Die junge Frau mußte sich mit dieser Erklärung wohl oder übel zufrieden geben. Der Hinweis auf den in der allernächsten Zeit zu erwartenden Entsatz der Stadt leuchtete ihr ein, und sie glaubte nun, von Stunde zu Stunde auf die Nachricht warten zu dürfen, daß die Vorhut des heranziehenden Heeres auf den Hängen des Wienerwaldes gesichtet worden sei.

Ganz so schnell, wie Threserl hoffte, marschierten freilich weder die Truppen des Herzogs von Lothringen noch die des Königs von Polen, hätte sie ahnen können, daß der bedrängten Stadt noch drei Wochen der äußersten Not bevorstanden, ehe der große Tag der Erlösung anbrach, so würde sie in dieser Nacht nicht so leichten Herzens zur Ruhe gegangen sein.

Die nächsten Tage brachten erbitterte Kämpfe um das Außenwerk der Löwelbastei; am 25. August, einem Mittwoch, hatten die Belagerten die Genugtuung, die Artillerie der kaiserlichen Avantgarde das türkische Lager in der Leopoldstadt beschießen und einen Teil der Besatzung unter dem Kommando des Generals Grafen Sereny und der Obersten Herzog von Württemberg, Graf Scherffenberg und Graf Souches von einem erfolgreichen Ausfall zurückkehren zu sehen, bei dem allerdings zwei Drittel der Mannschaften gefallen waren, aber am Abend sah man nicht ohne Befremden die Kaiserlichen wieder stromaufwärts marschieren. Am 26. ließ Starhemberg zur Ermutigung der Einwohnerschaft die Annäherung des Entsatzheeres öffentlich verkünden, zugleich aber wurden die Geistlichen sämtlicher Kirchen angewiesen, am nächsten Sonntag gegen die Unzucht und den Wucher zu predigen.

Am 27. August wurde das feindliche Geschützfeuer so stark, daß der Kommandant, einen allgemeinen Sturmangriff erwartend, Garnison und Bürgerkompagnien die Nacht über in Kampfbereitschaft auf den Basteien bleiben ließ. Und weil allerlei Anzeichen darauf hindeuteten, daß sich unter den Besatzungstruppen die Disziplin zu lockern begann, und daß immer häufiger Mißvergnügte aus der Bürgerschaft mit dem Feind in Verbindung zu treten trachteten, befahl er zur Abschreckung aller Meuterer und Verräter die öffentliche Hinrichtung zweier Soldaten von der Stadtguardia, die bei dem versuche, zu den Türken überzugehen, aufgegriffen worden waren, und eines erst fünfzehnjährigen Burschen, der sich als ein vom Feinde besoldeter Kundschafter in den Werken umhergetrieben hatte.

Frau Threserl schlenderte, seit sich Görgl, um jederzeit zu Starhembergs Verfügung zu stehen, beständig in dessen Vorzimmern aufhalten mußte, so oft sie von Haus entwischen konnte, vor dem Hauptportal der Hofburg auf und nieder. Sie wollte, wenn ihr Mann wirklich noch einmal den gefahrvollen Gang anzutreten entschlossen war, noch einen letzten Versuch machen, ihn von dem Wagnis zurückzuhalten. Jetzt sah sie, wie die Leute aus allen Gassen zum Neuen Markt rannten, wo die Exekution vor sich gehen sollte, und mischte sich unter die Neugierigen, die von dem seltenen Schauspiel eine angenehme Abwechslung erhofften.

Eine dichtgedrängte Menschenmenge umgab den Richtplatz, in dessen Mitte Blutgerüst und Schnellgalgen errichtet waren. Als der Knabe, an dem die Strafe zuerst vollzogen werden sollte, gefesselt herbeigeführt wurde, entstand unter den Zuschauern eine Bewegung.

»So ein Junger und muß schon sterb'n!« sagte ein steinaltes Weiblein, dem der Gedanke an den Tod noch immer furchtbar zu sein schien, obgleich es in den letzten Wochen Zeit genug gehabt hätte, sich mit dem Würger blühenden Lebens vertraut zu machen.

»Dem schad't's nix, dem Fratz! hat eh' nix 'taugt«, bemerkte ein braver Rauchfangkehrer. »Is vordem des Limonadenbereiters Hagenauer vom Kohlmarkt sein Lehrbub' g'west, von sein'm Patron aber als ein liederlicher und diebischer Schelm aus dem Haus 'jagt word'n.

»Da muß man freilich die Eltern mehr bedauern denn den Bub'n,« meinte die Alte.

»Wer kann wiss'n, ob selbig' nit grad' die Schuld hab'n, daß so ein saub'res Früchtl is draus worden! Seind doch etliche Eltern heikliger mit ihren Kindern denn die Venedischen mit ihrem Arsenal,« bemerkte ein Feldweibel vom Beckschen Regiment.

»Und ich sag': leid is mir dennoch um den Bub'n. Da das Schottenkloster hat g'brannt, is er bei dreien Mal'n in die Kirch', die lieb'n Heiligen z' rett'n, ob auch kein andrer mehr sich in die Glut hat trau'n mög'n,« berichtete ein Laienbruder von den Kapuzinern.

»Ein recht's Mirakel! Wer auf den Richtklotz g'hört oder an den Galg'n, dem kann's Feuer nix anhab'n,« erklärte der Feldweibel. »Und not tut's mehr denn je, daß man ein Exempel aufstellet. Letzt' Woch' hab'n s' in der Mölkerbastei ein zehnjährig' Bürschlein aufgriff'n, so auf Befrag'n hat an'geb'n, es wär'n sein' Eltern in türkischer G'fangenschaft, der Vater müßt' in den Gräb'n schanz'n und die Mutter im Lager Säck' näh'n. Da man selbig'n Knab'n aber auf des Herrn Kommandanten Befehl wollt' ins Bürgerspital bring'n, is von ung'fähr seine Mutter des Wegs 'kommen, welche sogleich ausg'saget, daß sie niemalen in G'fangenschaft g'west, auch schon seit Jahr'n als Witfrau g'lebt. Ihr Bub aber sei ein schlimmer, durchtriebner Schelm, so vor mehr denn vierzehn Tag'n von ihr hinwegg'lauf'n, weshalb man ihm möcht' einen tücht'gen Schilling aufmess'n, wobei sie gern wollt' mithelf'n. Da man den Knab'n nun auf dem Stadtg'richt scharf inquirieret, mußt' er sein' Lüg'n eingesteh'n, tat auch bekennen, er wär' aus Fürwitz zu den Türk'n 'gangen; selbig' hätten ihn aber alsobald wieder heimg'schickt, auf daß er auf alles sollt' brav Obacht geb'n und ihnen nachher kundtun, wie's in der Stadt stünd'. Nun hab' er hierinnen erfahr 'n, daß etlich' grobe Stücker wär'n zu Schand'n g'schossen, daß es an Pulver tät' fehl'n, daß die Bäcker wenig Semmeln täten backen, und daß 's Kommisbrot so schlecht wär', daß die Soldaten würden krank davon, auch daß sie nit Lust hätt'n, noch länger zu kämpf'n. Welches alles er den Türk'n g'rneldet und zween Gülden dazu einen honigweck'n dafür ernpfang'n. Jetzo sitzet er im Turm, und 's wird wohl nit ausbleib'n, daß der Freimann auch an ihn sein' Hand leget.«

So erfreulich den meisten der Zuschauer die Aussicht aus eine neue Exekution auch sein mochte, so nahm in diesem Augenblick die gegenwärtige ihre Aufmerksamkeit doch mehr in Anspruch als die zukünftige.

Das Mitleid mit dem jungen Missetäter wäre wohl größer gewesen, wenn er angesichts des Richtblocks Reue gezeigt hätte. Aber er blieb verstockt, wies den Kruzifixus, den ihm ein Dominikanermönch zum Kusse reichte, mit höhnischer Miene zurück und bot seinen Nacken mit trotzigem Gleichmut dem Schwerte des Scharfrichters dar.

Ganz im Gegensatz zu diesem Knaben ging der erste der Deserteure als eine rechte Memme zum Tode. Unter Wehklagen warf er sich zu Boden, so daß der Henker und seine Knechte ihn aufheben und zum Galgen schleppen mußten, wo man ihm einen Sack über den Kopf warf und die Schlinge um den Hals knüpfte.

Beim Anblick des zwischen Himmel und Erde Baumelnden ging sein Schicksalsgefährte in sich, beklagte seine Verworfenheit und bekannte, er habe nicht ein- sondern zehnmal den Tod verdient, da er schon seit Wochen dem Feinde Nachrichten aus der Stadt überbracht, ihm auch Kolschitzkys Botengang zum Herzog von Lothringen verraten habe. Damit erkaufte er sich einen kurzen Aufschub seiner Hinrichtung, nachdem jedoch der Gerichtsschreiber seine Aussagen zu Protokoll genommen und er mit zitternder Hand die drei Kreuzlein unter seinen Namen gesetzt, folgte er dem Kameraden in die Ewigkeit.

Als Frau Threserl von diesem letzten Geständnis des Soldaten erfuhr, tat sie Görgls Patron, auf den sie seiner vermeintlichen übergroßen Vorsicht halber bei Nachbarn und Freunden so wacker geschmäht, in ihrem Herzen Abbitte.

*

Am Abend dieses Tages konnte man von den Mauern und Wällen der Stadt aus beobachten, wie im türkischen Lager nach vorangegangener dreimaliger Decharge des gesamten Geschützes eine feierliche Betstunde abgehalten wurde. Später erfuhr man durch einen ungarischen Überläufer, Kara Mustafa habe die falsche Nachricht vom Tode Kaiser Leopolds erhalten und dieses für ihn so wichtige Ereignis durch einen Dankgottesdienst feiern lassen. Da Starhemberg jedoch vermutete, daß der Großwesir den religiösen Fanatismus seiner Krieger zu einem Entscheidungskampf anspornen wollte, entschloß er sich, noch einen Hilferuf an den Generalissimus der Entsatzarmee zu richten, gebot Michaelowitz, sich wiederum zu einem Gang durch die feindlichen Stellungen bereitzumachen und schrieb mit eigner Hand in aller Eile einen Brief, worin er dem Herzog die verzweifelte Lage der belagerten Stadt mit eindringlichen Worten schilderte.

Görgl, der begründeten Anlaß zu der Befürchtung hatte, sein Weib möchte ihm am Burgportal auflauern und ihn der übernommenen Pflicht untreu zu machen versuchen, bat den ihn begleitenden Adjutanten, den Weg durch den Amalienhof nehmen zu dürfen. Das geschah denn auch, und Frau Threserl, die darauf rechnete, daß ihr Mann, der sich nun schon so lange in der Burg aufhielt, heute wenigstens einmal auf kurze Zeit beurlaubt werden würde, wartete vergebens auf ihn.

Am nächsten Vormittage stand sie während eines heftigen Gewitterregens wieder auf ihrem Posten unter dem Portal. Es fiel ihr auf, daß die Soldaten und bewaffneten Bürger, die sie als das Weib des Kuriers schon kannten und gestern noch im vorübergehen ein paar Worte mit ihr gewechselt hatten, heute keine Zeit für sie zu haben schienen, sondern, wenn sie das Tor passierten, möglichst schnell an ihr vorbeizukommen suchten. Das bestärkte sie in dem verdacht, Görgl möchte doch wieder die Stadt verlassen haben. Und da ihr die Ungewißheit unerträglich war, faßte sie sich ein Herz und wandte sich an einen alten Offizier, dessen gutmütiges Gesicht ihr vertrauen einflößte. Es war Herr Adam Siegmund Schmidt von Ehrenhaus, der Hauptmann der aus Fleischhauern und Brauknechten gebildeten Kompagnie. »Mit günstigem Verlaub, Herr Offizierer, könnt Ihr mir wohl sag'n, ob der Michaelowitz noch drinn' is beim Herrn Kommandanten?« redete sie ihn an.

Der Alte maß sie mit einem erstaunten Blick, und da er in ihren Mienen die Furcht vor der Wahrheit las, nahm er sich vor, ihr die bittre Gewißheit, daß ihr Mann zum zweiten Male den Gang durchs feindliche Lager angetreten habe, zu ersparen. »Seid wohl des Michaelowitzens sein Weib?« fragte er.

»Freilich, freilich! Und mich ängstigt, daß er schon seit vorgestern nit aus der Burg is kommen.«

Der Hauptmann lachte ein wenig gezwungen. »'S is kein Wunder, daß ihn der Herr Kommandant tut drinnenbehalt'n. Haben die Scherffenbergschen doch am Donnerstag in der Früh', da sie den Ausfall getan, mehr denn zwanzig Gefangene eing'bracht, welche jetzo verhöret werden. Da bedarf man der Dolmetscher, Frau, das könnet Ihr Euch wohl selber sag'n.«

»Dank für den Bescheid, Herr Offizierer! Hab' mir schon denkt, es hätt' ihn der Herr Kommandant ein andermal mit Brief'n zum Lothringer g'schickt.«

»Das dürft' nit mehr vonnöten sein, Frau, habt Ihr nit g'sehn, wie letzte Nacht seind dreißig Raketen vom Stephansturm aufg'stieg'n? Wisset Ihr auch, was selbig's hat soll'n bedeuten? Daß die Stadt wär' in großer Not, und daß der Lothringer sich sollt' beeilen, denn sonsten möcht' Wien wohl verloren sein und das Römisch' Reich dazu. Da braucht's weiter nix G'schrieb'nes. So der Herr Herzog nit kann die Feuerschrift am Himmel les'n, alsdann hilft auch ein Brief nit mehr, und Papier und Tinte wären unnütz vertan.« Er ließ die junge Frau stehen und ging seiner Wege.

Sie fühlte sich in der Tat beruhigt. Die Behauptung, daß das Verhör der Kriegsgefangenen die volle Kraft und Zeit der beiden des Türkischen kundigen Männer in Anspruch nehme, klang nicht unwahrscheinlich. Das Unglück wollte es jedoch, daß einer der Hofbediensteten, die mit den Mannschaften und Offizieren der Bürgerkompagnien auf gespanntem Fuße lebten, in der Nähe gestanden und das Gespräch mit angehört hatte. »Der Alt' is auch nit an seiner erst'n Lüg' erstickt,« wandte er sich mit bedeutsamem Lächeln an Frau Threserl. »Man darf halt nit alles glaub'n, was er daherred't.«

»Wie meint Ihr das, Freundl?«

»Hab' nur wollen sag'n, daß selbiger Hauptmann hat g'logen. 'S mag sein, er will Euch aus Gutherzigkeit mit der Wahrheit verschonen, aber mich dünket: Lüg' is Lüg' und nimmer was Gut's.«

»So haben s' den Michaelowitz doch wiederum zum Lothringer lass'n geh'n?«

»Freilich. Gestern zur Nacht. Und damit Ihr's nit solltet g'wahr werd'n, haben s' ihn heimlicherweis aus der Burg g'führt. Kann mir schon denken, weshalb. Schauet Ihr doch wahrlich nit danach aus, als möchtet Ihr's ruhig hinnehmen, wie die groß'n Herr'n mit Euerm Eheliebsten Schindluder treib'n. Wär' ich an Eurer Statt, ich tat' auch aufbegehr'n, und wenn's wider den Starhemberg selber müßt sein.«

Es war nicht anders, als ob ein Funke in ein Pulverfaß gefallen wäre. Alles, was sich in Frau Threserls Herzen während dieser letzten Tage an Bitterkeit, Argwohn, Furcht und Zorn angesammelt hatte, geriet in Gärung und drängte zu einem gewaltsamen Ausbruch. Nicht, daß man ihren Görgl wieder aus der Stadt gesandt hatte, empörte sie so – einer, das verstand sie wohl, mußte ja gehen, und dieser eine konnte nur er sein! – sondern, daß sie wie ein unmündiges Kind getäuscht worden war. Und so verlor sie die Gewalt über sich und schmähte den Kommandanten mit harten Worten.

Von allen Seiten liefen die Mannschaften auf dem Schweizerhofe zusammen und bildeten um das erregte junge Weib, einen Kreis. Die meisten verhielten sich schweigend, manche lachten, einige wenige, in denen der Geist des Aufruhrs lebendig sein mochte, stimmten der Scheltenden bei und bemühten sich, sie noch weiter aufzuhetzen.

Ein paar Offiziere traten, durch den Lärm herbeigerufen, hinzu, trieben Handwerksgesellen und Hofbedienstete mit der flachen Klinge auseinander und stellten Frau Threserl zur Rede. Als sie sich auch jetzt noch nicht beruhigte, vielmehr die Lauge ihres Zornes nun auch über die ganze Generalität und sämtliche Befehlshaber bis zum Leutnant hinunter ergoß, rief einer der Herren nach dem Stockmeister.

Da erschien, gerade im rechten Augenblick, Graf Kollonitz, der als Starhembergs eifrigster Adlatus in der Burg aus und ein ging. In seinem Wesen lag dem geistlichen Gewande zum Trotz etwas Soldatisches, das noch aus seiner unter den Fahnen des Malteserordens verbrachten Jugendzeit stammte. War er doch schon als Fünfundzwanzigjähriger nach einem erfolgreich durchgeführten Unternehmen gegen die türkische Flotte zum Kastellan von Malta ernannt worden. Aber das Waffenhandwerk hatte ihn auf die Dauer nicht zu befriedigen vermocht: nachdem er in Neutra die Priesterweihen erhalten, war er auf der Stufenleiter hieratischer Würden schnell emporgestiegen und schon vor mehr als einem Jahrzehnt als Bischof von Wiener-Neustadt und Kammerpräsident von Ungarn die Geißel der ungarischen Protestanten geworden, die er, ein überzeugter Katholik und Freund der Gesellschaft Jesu, mit Kerker- und Galeerenstrafen in den Schoß der alten Kirche zurückzuschrecken suchte, hier in Wien hatte er sich jedoch in den letzten Monaten durch seine aufopfernde Wirksamkeit für das Wohl der Bürgerschaft und Garnison bei hoch und niedrig beliebt gemacht, und das Ansehen, das er genoß, gab dem des Kommandanten wenig nach.

Als die Offiziere den Kirchenfürsten erkannten, wichen sie ehrerbietig zur Seite. Er maß die junge Frau, die sogleich verstummte, mit einem langen prüfenden Blick. »Meine Tochter, wenn du meinest, dir sei ein Unrecht geschehen, so sprich!« sagte er. »Aber bändige deine Zunge, denn einem christlichen Weibe stehet der blindwütige Zorn übel an! hat doch Pater Abraham geprediget: ›Ein zorniger Mensch ist gleich dem Meere; solange die Sonn' scheinet, lieget es, ob's auch von Natur bitter ist, allzeit still da und machet ein süß Gesicht, so aber das liebe Himmelslicht sich hinter dem schwarzen Vorhang der Wolken verbirgt, beginnet das nasse Element einen feurigen Zorn zu zeigen; es ist nichts mehr zu hören denn ein erbärmliches Getös der wütigen Wellen, und was das Gottloseste ist: das zürnende Meer wirft allen Unflat an das Gestad' hinaus, allerlei stinkendes Aas und greuliche Unsauberkeit!‹«

Vie Worte des hohen Geistlichen verfehlten ihre besänftigende Wirkung auf Frau Threserl nicht. »Bitt' um Vergebung, Ihro Bischöfliche Gnaden, ich bin des Michaelowitzens fein Eh'weib. Gestern hat selbiger wiederum aus der Stadt zum Herrn Herzog müss'n,« stammelte sie.

»Alsdann hättest du wahrlich Ursach', dem lieben Herrgott im Himmel zu danken, daß er sich deines Eheherrn als eines Werkzeugs zur Errettung der Wienerstadt bedienet.«

»'S is auch nit, daß der Herr Kommandant ihn hat weggeschickt, darüber ich mich tu' beklag'n, vielmehr, daß er heimlicherweis' hat von hinnen gemußt, gleich als ob man sein ang'traut's Weib für einen Dreck tat' achten. Das is mein Verdruß, Bischöfliche Gnaden, das und nix anderst.«

Graf Kallonitz lachte. »Meine Tochter, willst du etwa klüger sein denn der Herr Kommandant? Ziemet es überhaupt einem ehrbaren Weibsbild, hier unter dem Mannsvolk umherzuflanieren, indessen die Kinder daheim nach der Mutter schreien?«

»Bei mir daheim schreit keins nach der Mutter. Auf Freitag nach Sankt Margrethen hab' ich das mein' müssen begrab'n. Is ein Büblein g'west und Poldi hat er g'heiß'n.«

Der Bischof ergriff Frau Threserls Hand. »Gott tröste dich, meine Tochter! Er, der dir Leid hat geschicket, wird dir, so es ihm gefällt, auch wieder Freude senden. Nun aber geh heim, auf daß du den Leuten nicht möchtest ein Gespött werden!«

Sie gehorchte, küßte den Saum seiner violetten Soutane und wandte sich zum Gehen. Und da sie wußte, daß in Kollonitzens Gegenwart keiner ihrer Widersacher es wagen würde, gegen sie einzuschreiten, warf sie dem Offizier, der nach dem Stockmeister gerufen hatte, noch einen triumphierenden Blick zu, ehe sie den Burghof verließ.

Im elterlichen Hause wurde sie nicht gerade freundlich empfangen. Die Mutter begrüßte sie mit den Worten: »Wie schaust denn wieder aus, Threserl? Machst ja ein saures G'sicht, als wärst mit Holzäpfeln geatzt word'n.« Und als die Tochter von dem neuen Kummer berichtete, der ihr widerfahren war, meinte die Alte: »Sei froh, daß der Görgl so brav tut Geld verdienen! Jetzo, da man für ein Ei zehn Kreuzer muß zahl'n und für ein Pfund rindernes Fleisch gar vierundzwanzig, kann man's wahrlich brauch'n. Zehn Kreuzer für ein Ei! 'S is ein' Sünd'! Als wir g'heirat' haben, dein Vater und ich, hat man für zwei Eier einen Kreuzer 'zahlt, und jetzo kostet ein einzig's zehn! 'S Kälberne is rein gar nit mehr 'z bezahl'n und ein' Hennen noch weniger. Ich weiß längst nit mehr, von was ich 's Wirtschaft'n soll bestreit'n. Was der Vater für sein' Arbeit bekommt, is nit der Red' wert; 'S reicht nit zu Brot und Salz. Und zuz'setz'n hab'n wir eh' nit viel. Du freilich hast kein Ursach zum Klag'n. Der Deinig' bringt dir 's Geld heim mit Scheffeln. Tut mit Spazier'ngeh'n allemal hundert Dukat'n verdienen. Das kann man sich lass'n g'fall'n. Wenn wir's erleb'n – Gott geb's! – daß der Türk' muß abzieh'n, alsdann ist der Görgl der Reichst' in der Stadt. Jetzo kann man's schon merk'n: so von ihm is die Red', stehet ein jeder und spitzet die Ohr'n wie der Schimmel, da er siehet den Habersack schütteln. Du aber ziehest alleweil' ein Maul und bist verdrossen wie ein Spielmann am Freitag.«

So war nun die Mutter! Das Geld, das der Schwiegersohn mit seinen Botengängen erwarb, blendete sie, und die Sorgen der Tochter blieben ihr nach wie vor fremd. Es war immer dasselbe Lied: die Eltern dachten nicht an die Gefahren, die Görgl auf seiner Wanderung drohten, und verübelten der Tochter sogar, daß sie sich ihnen mit unbekümmerten Mienen zeigte. So fand die junge Frau die Ruhe und den Trost, deren sie so sehr bedurfte, bei ihren nächsten Angehörigen am allerwenigsten, und wenn sie auch, ausgehungert, wie sie war, dem Mahle, das ihr die Löffelholzin in der Küche auftischte, mit einer Art von stumpfer Gier zusprach und nachher in der Werkstatt wieder völlig geistesabwesend den Blasbalg zog, so konnte sie doch kaum den Abend erwarten, wo der Vater den Schurz ablegte und sich in einem Wasserzuber vom Ruß der Arbeit säuberte. Dann machte sie sich heimlich davon und lenkte ihre Schritte zum Stephansplatz. Die Wache unten am Turmportal kannte sie schon und ließ sie diesmal unangefochten die Treppen zum Umgang hinaufeilen.

Nun stand sie, wie schon einmal, in der luftigen Höhe und starrte, fröstelnd in einen Winkel des Gemäuers gedrückt, unverwandt nach Norden, bis kurz vor 9 Uhr in weiter Ferne das sehnlich erwartete Fünklein über dem Horizont aufleuchtete. Da faßte sie wieder Mut, trat aus ihrem Versteck und gesellte sich zu den Feuerwerkern, die gerade ihre Vorbereitungen zum Steigenlassen eines Raketenschwarmes trafen. »Geschiehet selbig's wieder um des Görgls willen?« fragte sie einen der Männer.

Der lachte. »Wie man's will nehm'n, Frau,« erwiderte er. »Brauchet aber darum nit hoffärtig z' werd'n. Um die Wahrheit zu sag'n: es soll'n die Raket'n den Lothringer zur Eil' antreib'n. was wir jetzo mit Feuerbuchstab'n an den Himmel tun schreib'n, das heißet nix anderst, denn daß sich die Wienerstadt nit lang' mehr kann halt'n.«

Nachdem Frau Threserl noch zugesehen, wie die leuchtenden Schlangen in die dunkle Nacht emporzischten, tastete sie sich die vielen hundert Stufen hinab und schlich, von Furcht und Hoffnung hin und her gerissen, nach Hause.

*

Der verwegene Bote war in der Tat auch diesmal unbehelligt durch den breiten Gürtel der feindlichen Stellungen gelangt, von dem Fährmann, der ihn bei Klosterneuburg über die Donau setzte, erfuhr er, daß am letzten Dienstag beim Bisamberg eine große Schlacht geschlagen worden sei. Auf die Kunde vom Anmarsch der unter dem Befehle des Paschas von Großwardeln stehenden türkischen, ungarischen und tatarischen Streitkräfte und von ihrer Vereinigung mit den von Kara Mustafa über den Strom gesandten viertausend Türken war Herzog Karl von Lothringen unter Zurücklassung aller Bagage mit seiner Reiterei von Stockerau aufgebrochen, um 2 Uhr mittags wie ein Ungewitter von den Höhen des Bisamberges über den an dessen Fuß ahnungslos lagernden Feind hergefallen und hatte ihn so gründlich aufgerieben, daß sich nur der Pascha selbst mit einer kleinen Schar der Seinen durch Schwimmen über die Donau zu retten vermocht hatte.

Durch diese glänzende Waffentat, bei der reiche Beute in die Hände der Sieger fiel, war die Absicht des Feindes vereitelt worden, die Verbindung der anrückenden polnischen Armee mit den Kaiserlichen zu verhindern.

Als Michaelowitz über das Schlachtfeld wanderte, stieß er auf eine Abteilung hallweilscher Kürassiere, die die Aufgabe hatten, die Türken von einem neuen Versuche, die Donau zu überschreiten, zurückzuhalten. Der Oberst, dem er vorgeführt wurde, versah ihn, nachdem er seinen Paß geprüft, mit einem Pferd und beschrieb ihm die Straße über Stockerau nach Tulln, wo der Herzog inzwischen ein Lager bezogen hatte, um das Eintreffen des Polenkönigs zu erwarten.

Es war ein Weg von kaum vier Meilen, aber der Morgen dämmerte schon, als der Kurier die Stetteldorfer Fähre erreichte. Der Mond war in dieser Nacht spät aufgegangen, und das passieren der vielen Flußarme, von denen der Reiter mit seinem braven Braunen manche durchschwimmen mußte, hatte viel Zeit in Anspruch genommen. In einem einsam gelegenen Gehöft, wo er gegen 2 Uhr früh anhielt, um sich zurechtzufragen, erregte das Erscheinen des vermeintlichen Türken bleiches Entsetzen: Der Bauer, den er durch starkes Pochen an das Hoftor geweckt hatte, ließ vor Schreck die Laterne fallen und rannte, Gott und alle heiligen um Schutz anflehend, ins Haus zurück, und es bedurfte einer längeren Auseinandersetzung, bevor sich der arme Teufel dazu verstand, dem nächtlichen Besucher die gewünschte Auskunft zu geben.

In Tulln wurde Michaelowitz unverzüglich zum Generalissimus geführt, der sich in seinem Zelte gerade unter den Händen des Barbiers befand. Nachdem der Herzog mit eingeseiftem Gesicht Starhembergs Brief gelesen hatte, gab er Befehl, seinen Stab zusammenzurufen, und unterhielt sich, während der Bartputzer seines Amtes waltete, leutselig mit dem Boten, dem er durch eine Ordonnanz zur Stärkung nach dem nächtlichen Ritt eine Tasse Schokolade reichen ließ. Als die Offiziere versammelt waren und vom Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen hatten, mußte Görgl über alles, was sich in der letzten Woche daheim ereignet hatte, Rede und Antwort stehen. Dann wurde er mit der Weisung entlassen, sich in einem Zelte zur Ruhe zu legen, bis man ihm die Antwort an den Kommandanten aushändigen werde.

Ehe dies geschah, kam der Abend heran. Der Bote erhielt ein frisches Pferd und zur Begleitung einen Wachtmeister von den Styrum-Dragonern, der ihm den Weg stromabwärts und über Muckendorf und St. Andrä auf die Höhe des Wienerwaldes weisen sollte. Die beiden Reiter brachen um Sonnenuntergang auf und erreichten kurz nach Mitternacht das Dorf Kierling, wo sie ein paar Stunden Rast machten. Dann setzte Michaelowitz den weg durch das Gebirge zu Fuß fort, während der Dragoner mit den beiden Gäulen heimkehrte.

Um 8 Uhr früh erreichte der Kurier den Gipfel des Kahlenbergs, hier suchte er im dichtesten Gebüsch ein Versteck, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, sich unbemerkt in das türkische Lager zu schleichen. Da saß er nun, einstweilen noch wohlgeborgen, und ließ den Blick nach der alten Kaiserstadt hinüberschweifen, die in einem Schleier von Pulverdampf und Staub dalag. Hie und da sah er aus dem Gewirr der Türme und Dächer Brände auflodern, deren schwarzer Qualm langsam über die Praterauen wegzog und sich in der dunstigen Ferne des Marchfeldes verlor. An den westlichen Basteien tobte der Kampf: weiße Rauchwölkchen von hüben und drüben kreuzten sich, und aus den türkischen Batterien am Roten Hof und bei St. Ulrich zuckten Feuerstrahlen nach den Wällen hinüber. Um das dunkle Trümmerfeld der niedergebrannten Vorstädte zog sich in meilenweiter Runde der Kranz von gelben und braunen Lagerzelten, unter denen da und dort das scharlach- oder purpurrote eines Paschas ausleuchtete. Dazwischen graugrüne Flächen: Wiesen, Äcker und Gärten, vor wenigen Monaten noch blühendes Land, jetzt die kärgliche Weide von Tausenden und aber Tausenden von Kamelen, Büffeln und Pferden, von Kinder-, Schaf- und Ziegenherden.

Der Tag war heiß, und über den Höhen jenseits des Wienflusses türmten sich phantastisch gestaltete weiße Wolkengebirge empor. Der Mann, der da oben auf seiner einsamen Warte im Buschwerk hockte, bemerkte es mit Befriedigung. Wenn ein Gewitter losbrach, und die unzähligen Türken, die unbeschäftigt im Umkreis ihrer Zeltstädte umherlungerten, unter den Dächern aus Segeltuch Schutz vor dem niederrauschenden Regen suchten, konnte er noch am ehesten darauf rechnen, unbeachtet durch die feindlichen Stellungen zu gelangen.

Aber die Wolkenmassen, denen sich das Flußtal als Hindernis entgegenstellen mochte, sanken am Nachmittag wieder zusammen, verflachten sich und verschwanden am südwestlichen Horizont als mißfarbener Dunst, über dem hin und wieder ein schwaches Wetterleuchten zitterte. Auf das erwünschte Gewitter war heute nicht mehr zu hoffen. Michaelowitz mußte also ohne einen solchen himmlischen Beistand das letzte und gefahrvollste Stück seines Weges zurücklegen. Er erhob sich, lockerte, wie um sich zu vergewissern, daß er sich schlimmstenfalls wenigstens auf seine Waffen verlassen könne, den schwachgekrümmten Janitscharensäbel in der Scheide, schüttete frisches Zündkraut auf die Pfanne der Pistole und stieg behutsam und immer den Niederwald als Deckung benutzend, durch die Wildgrube nach Grinzing zu hinab.

Das Dorf war von der Einwohnerschaft verlassen; unmittelbar hinter den letzten Gehöften standen schon mehrere Reihen von Selten. Der Bote kletterte aus dem tiefen Bachtal auf den Hang hinauf und hielt noch einmal Umschau. wenn es ihm gelang, unbemerkt an diesen ersten Zelten vorüberzukommen, so war das Schwerste getan, denn die Spahis, die auf ihren flinken turkomanischen Pferden das unbefestigte Lager unausgesetzt umkreisten, hatten ein besonders wachsames Auge auf alles, was sich der Zeltstadt von außen näherte.

Unterhalb der Weingärten weideten auf dem sanft abfallenden Hange einige Dutzend Kamele. Die meisten hatten sich auf die Knie niedergetan und gaben sich selbstvergessen und nur, wenn das Geschmeiß der Fliegen sich ihnen allzu dreist an die langbewimperten Augenlider setzte, unwillig den hochmütig dreinschauenden Kopf schüttelnd, dem Genusse des Wiederkäuens hin. Seltsamerweise graste mitten unter ihnen ein vollständig aufgezäumtes Pferd, ein Schimmel, dessen zierlicher Bau im Verein mit dem trockenen Breitkopf und dem hoch angesetzten, bis zum Boden wallenden Schweif seine Abstammung von edlem arabischem Blute verriet. Zwei Trotzbuben, ein Fellah und ein Neger, die wohl mit der Bewachung der Tiere betraut waren, lagen weitab unter einem Nutzbaum und schliefen. Die Aussicht, sich hier unbemerkt durchschleichen zu können, war groß. Michaelowitz besann sich deshalb nicht lange und stieg durch die Zeilen der Rebstöcke hinab. Kaum hatte er die Weingärten hinter sich, als er dicht an seiner Seite einen türkischen Reiteroffizier, den eine Schlehdornhecke bisher seinen Blicken verborgen hatte, behaglich aus einem kleinen Kupferkessel seinen Reis löffelnd, mit untergeschlagenen Beinen im Grase sitzen sah. Neben ihm flackerte beinahe rauchlos über verkohlten Holzscheiten das letzte Flämmchen eines Feuers.

Der überraschte Kurier hätte sich bei dieser unvermuteten Entdeckung am liebsten gleich wieder in die Rebpflanzung zurückgezogen, aber die Gewißheit, daß ihn der Türke bereits bemerkt habe, veranlaßte ihn, mit einem flüchtigen Gruße ruhig weiterzugehen.

Als er ein halbes hundert Schritte zurückgelegt hatte, durchblitzte ihm der Gedanke das Hirn, daß hier die Gelegenheit zu einem verwegenen Streiche geboten sei, der ihm nicht nur eine wertvolle Beute, sondern daheim in der Wienerstadt auch Ruhm und Bewunderung einbringen werde. Der Türke hatte beim Erscheinen des falschen Janitscharen offenbar nicht den geringsten verdacht geschöpft; er würde es gewiß ebensowenig tun, wenn sich ihm dieser unter irgendeinem Vorwande näherte. Er kehrte also um, trat zuerst an das Pferd heran, dem er liebkosend den schön-* gebogenen Hals klopfte, und gesellte sich dann mit unbefangener Miene zu dem Besitzer des Tieres.

Arglos und mit vollen Backen kauend, schaute dieser zu ihm auf. Daß ein Janitschar ihn, den Spahi-Badschi, ansprach, war nichts Ungewöhnliches, denn bei der von allen Sultanen verwöhnten und mit hundert Vorrechten ausgestatteten Elitetruppe fühlte sich der gemeine Mann dem Offizier einer syrischen Reiterhorde zum mindesten ebenbürtig.

»Allah hat dich mit einem schönen Hengste gesegnet, Herr. Seine Nüstern gleichen dem Rachen des Löwen, seine Augen sind die eines liebenden Weibes, und seine Schenkel geben denen des Vogels Strauß nichts nach,« sagte Michaelowitz auf türkisch, den Schimmel wohlgefällig musternd.

»Du sprichst die Wahrheit, Freund,« erwiderte der Badschi geschmeichelt. »Preis und Dank dem Allerbarmenden, der solch ein Geschöpf erschuf, wert, daß unser unüberwindlicher Padischah es reite! Aber du solltest erst dieses Rosses Tugenden kennen! Seine Schnelligkeit beschämt den Wind, sein Mut die Ameise, seine Ausdauer übertrifft die eines Bischarin-Kameles, und auf seinem Rücken sitzest du weicher als ein Kind auf dem Schoße der Mutter.«

»Erlaubst du deinem Knecht, den Hengst einmal zu besteigen?«

»Warum nicht, Freund! Steig' auf und koste den Vorgeschmack der Freuden des Paradieses!«

Er lockte das Pferd herbei.

Während er sich noch am Anblick seines Lieblings weidete und dem gehorsamen Tier hundert Koseworte zurief, trat der arglistige Giaur wie zufällig ein paar Schritte zurück, zog blitzschnell den Säbel und legte dem Moslem mit einem von hinten geführten, wuchtigen Streiche den beturbanten Kopf in den Schoß.

Wie ein Springquell schoß das Blut empor, aber ehe der Rumpf noch unter wilden Zuckungen zu Boden sank, saß der Verwegene schon im Sattel, überzeugte sich, daß die beiden Schläfer drüben unter dem Nußbaum noch genau so dalagen wie vorher, und sprengte, ohne sich noch einmal umzuschauen, in kurzem Galopp in der Richtung auf Döbling davon. Mochte der so rasch zur Hölle Beförderte als ein Ungläubiger und Feind des christlichen Namens auch ein Lügner von Anbeginn gewesen sein: was die Vorzüge seines Hengstes anlangte, so hatte er doch die Wahrheit gesprochen. Ruf dem Rücken des edlen Tieres saß sich's wie auf einem Berge von Federbetten, und der leiseste Schenkeldruck genügte, es zu immer schnellerem Lauf anzutreiben.

Der Erfolg des Wagnisses hatte den Mut des Reiters angefeuert: er vermied nicht einmal mehr, wie er's bei seinen früheren Wanderungen durch das Lager getan, größere Menschenansammlungen zu passieren, sondern bahnte sich mit herrischen Zurufen seinen Weg durch den Schwarm von Troßknechten und Negersklaven, die mit ihren Büffelgespannen Palisadenholz und Schanzkörbe in die Belagerungswerke vor der Mölkerbastei führten.

Schon war er der Stadt so nahe, daß er trotz der anbrechenden Dämmerung die Gestalten der auf den Wällen hin und her flutenden Verteidiger unterscheiden konnte, da wurde man vor der feindlichen Batterie beim Schwarzspanierhause auf den berittenen Janitscharen aufmerksam. Man rief ihn an. Statt aller Antwort zog er den Brief des Lothringers aus der Tasche seiner Dolama und schwenkte ihn über dem Kopf. Aber ein paar Mineure, die Verdacht geschöpft hatten, fielen ihm in die Zügel.

»Bei der Ungnade des Padischah, haltet mich nicht auf, ihr Söhne von Hündinnen!« schrie er. »Ich bringe eilige Botschaft von Mustafa Aga an Tobschy Pascha.«

Die beiden Namen wirkten Wunder. Mustafa Aga war der Oberbefehlshaber der Janitscharen, Tobschy Pascha der höchstkommandierende der Artillerie, der, vom ungeduldigen und mit dem Fortgang der Belagerung unzufriedenen Großwesir durch Drohungen und Versprechungen zum größten Eifer angespornt, in eigener Person den Bau der Batterien vor der Löwelbastei leitete.

Man gab den Boten frei. Da schlug er dem schweißbedeckten Schimmel die scharfen Ecken der Steigbügelsohlen, die dem türkischen Reiter anstatt der Sporen dienen, in die Flanken, daß das Tier wiehernd vor Schmerz aufstieg und wie der Sturmwind davonstob.

Wenige Minuten später war der tollkühne Reiter unter dem Ravelin der Schottenbastei, rief den Kaisersteinschen Musketieren, die schon ihre Rohre auf ihn anschlugen, Losung und Feldgeschrei zu und wurde durch das Ausfallpförtchen in das Außenwerk eingelassen.

Als er dann, den erbeuteten Schimmel am Zaume, aus dem schmalen Durchlaß des verbarrikadierten Tores in die Stadt trat, empfing man ihn wie einen Triumphator. Das Volk drängte herzu, bewunderte das edle Pferd mit dem prächtigen Aufputz und vernahm aus dem Munde der den Kurier begleitenden Offiziere von dessen Heldentat. Studenten und Soldaten brachen in Jubelrufe aus, drückten dem kühnen Manne die Hände und schlossen sich ihm an; Frauen priesen laut das Glück seines Weibes und hoben ihre Kinder empor, damit sie den Görgl Michaelowitz sähen, der mitten im feindlichen Lager einem vornehmen Türken den Kopf abgeschlagen hatte und dennoch mit heiler Haut davongekommen war.

Je weiter sich der Zug durch die Stadt nach der Burg hin bewegte, desto mehr wuchs er an. Aus allen Gassen kamen die Leute gerannt, als gelte es, einen neuen Ritter Sankt Georg anzustaunen, der den Drachen in seiner eigenen Höhle erlegt hatte. Die Dämmerung des letzten Augustabends war schon weit vorgerückt, aber die flackernden Wachtfeuer, die auf den als Sammelstellen der Bürgerkompagnien dienenden Plätzen brannten, ließen den als Janitscharen vermummten Kaufmannsdiener aus der Leopoldstadt um so phantastischer, den herrlichen Hengst mit der Scharlachschabracke und dem bunten, mit Kaurischnecken benähten Zaumzeug, an dem silberne Münzen klimperten, um so märchenhafter erscheinen. Und je mehr sich der Gefeierte seinem Ziele näherte, desto üppiger rankte sich die Legende um seine verwegene Tat. Im Schottentor war's noch ein vornehmer türkischer Offizier gewesen, den er vom Leben zum Tode befördert, aus der Freiung wurde schon ein Aga daraus und am Hof gar der Pascha von Damaskus!

An der Stelle, wo der Kohlmarkt auf den Graben stößt, kam dem Zuge ein junges Weib entgegen: Threserl. Der Vater hatte heute später als sonst Feierabend gemacht, und nun war sie, von einer Ahnung getrieben, daß ihr Görgl in dieser Nacht heimkehren werde, auf dem Wege zum Schottentor gewesen, um dort seine Ankunft zu erwarten.

Das Herz klopfte ihr, als sie die Menschenmenge gewahrte, die sich ihr entgegenwälzte; der Gedanke: er ist schon da, jetzt bringen sie ihn zur Burg, machte ihre Knie zittern. Schon aus der Ferne glaubte sie seinen Namen vernommen zu haben- nun, wo das Gedränge an ihr vorüberflutete, hörte sie, wie die Menge »Vivat Michaelowitz!« schrie. Ein paar Sekunden lang drohten ihr die Sinne zu schwinden, so daß sie sich an eine Mauer lehnen mußte, dann aber riß sie sich zusammen, stürzte mit dem Rufe: »Lasset mich durch, ich bin des Görgls sein Eh'weib!« in den Menschenknäuel und warf sich ihrem Manne schluchzend in die Arme.

Der Türkenbesieger, der so kaltblütig das Haupt des Spahi-Badschi vom Rumpfe getrennt, empfand Threserls Gefühlsausbruch als eine Entweihung des großen Augenblicks. »Geh', laß mich aus, Weiberl! Siehst doch, daß ich wohlbehalt'n z'rück bin, was brauchst da noch z' flennen!« sagte er, sie nicht allzu sanft beiseite schiebend. »Schau dir lieber das Rössel an, das ich mir mitg'bracht. 'S is ein fein's, und hier der Herr Hauptmann meint, 's sei unter Brüdern dreihundert Güld'n wert.«

Jetzt erst fiel ihr Blick auf den Schimmel, den ein junger Bursch, stolz, als habe er ihn selbst erbeutet, am Zaune führte. Sie starrte das Tier wie geistesabwesend an, begriff offenbar nicht, wie ihr Mann zu einem solchen prächtigen Geschöpf gekommen sein sollte.

»Dem, der zuvor drauf g'ritt'n, tut künftig kein Zahn mehr muckern, Frau«, belehrte sie ein Bäckermeister, der an diesem Tage Urlaub gehabt hatte, um seinem Gewerbe nachgehen zu können, und nun zum Nachtdienst in die Burg zurückkehrte. »Den hat der Eurig' g'köpft nit anderst denn einen kalikuttischen Hahnen. Is g'wißlich kein leicht's Stückl Arbeit g'west, und ich denk', daß der Görgl dabei hat g'schwitzt wie's Fenster in einer Badstub'n. Ich bin halt auch kein Löllapp'n, aber wie der Scharfrichter auf einen Streich ein'm Mensch'n 's Haupt vom Nack'n hau'n, das brächt' ich bei Gott doch nit z'stand!«

Zur grenzenlosen Überraschung des wackeren Mannes, der es für seine Pflicht gehalten hatte, der jungen Frau einmal ordentlich zu Gemüte zu führen, welchen unvergleichlichen Helden sie zum Eheherrn habe, wandte sich Threserl mit allen Anzeichen des Entsetzens ab. »Ich mag dadervon nix hör'n,« sagte sie. »hat er's tun müss'n, alsdann is 's schlimm g'nug.«

»Tun müss'n? Beileib' nit, Zrau, g'mußt hat er's nit, sonst'n wär' nit viel Verdienst dabei. Hätt' leichtlich können vorbeikommen, denn drauß'n im Lager tut ihn ein jeder für ein'n recht'n Türk'n halt'n. Aber der Görgl hat ein übrig's g'tan, um der heilig'n christlichen Religion will'n, und hat den heidnischen Hund erschlag'n. Ich hab' mir denkt, selbig's wird Euch herzlich freu'n, aber jetzo is mir, als tätet Ihr's für ein' Sünd' eracht'n.«

»Für ein' Sünd' nit, aber für leichtfertig'n Übermut. Und ein solcher g'deihet nimmer zum Gut'n. Will nur hoff'n, daß s' den Görgl nit noch einmal brauch'n zum Lothringer z' send'n, denn alsdann wär' er g'wißlich ein verlor'ner Mann. Jesses, Jesses, ich darf gar nit dran denk'n! 'S könnt' mir 's Herz abdruck'n!« Und laut aufschluchzend ließ sie den Verblüfften stehen und verschwand in der Menge.

*

Der Kurier mußte wohl wichtige Nachrichten mitgebracht haben. Die hohen Offiziere, die unter Starhembergs Vorsitz in dem großen, kahlen Saale der Hofburg Kriegsrat hielten, blieben diesmal bis zum lichten Morgen versammelt, und aller Viertelstunden eilten Adjutanten und Boten davon, um den Befehlshabern auf den Basteien und in den Außenwerken Weisungen zu übermitteln.

Michaelowitz war es gar nicht unlieb, daß er sich in dieser Nacht zur Verfügung des Kommandanten halten mußte. Jetzt, wo ihm der Sinn noch voll war von seinem Abenteuer, hätte er sich daheim bei seinem überängstlichen Weibe doch nicht wohl gefühlt, hier, unter erprobten Männern, war er am rechten Platze. Es tat ihm wohl, daß sein Erscheinen überall ein gewisses Aufsehen erregte, daß sich die Mannschaften der Bürgerkompagnien um seine Gunst bewarben, und daß sogar die Offiziere des Regiments Alt-Starhemberg, von dem ein Teil seit Samstag unter den Augen seines Inhabers in der Burg Dienst tat, nicht verschmähten, sich bei ihm nach seinen Erlebnissen zu erkundigen. Nicht einmal Bedürfnis nach Schlaf verspürte er trotz all den Strapazen der letzten Tage. Er hatte sich zwar aus das Feldbett geworfen, das in einem der Kabinette des Starhembergschen Logements für ihn bereit stand, aber er war innerlich zu erregt, als daß er Ruhe hätte finden können. Und so stand er wieder auf, schlenderte durch die mit Pechfackeln erleuchteten Korridore, schaute in die zu Wachtstuben umgewandelten Prunkgemächer und erzählte jedem, der es hören wollte, wie er draußen bei Grinzing am Bergeshang den Spahi-Badschi um Roß und Leben betrogen. Und dann empfand er gewöhnlich ein unwiderstehliches Verlangen, sich seinen Schimmel zu betrachten, den bei den Pferden des Kommandanten vorläufig einzustellen, ihm dieser in einer gnädigen Laune erlaubt hatte, schlich sich, unbekümmert um die fluchenden Knechte, die dort auf dem Stroh die müden Glieder streckten, in den Stall und tätschelte dem Hengst, der bei seinem Erscheinen allemal von der Streu emporsprang, den schön gebogenen Hals und die glatten Hinterbacken. Was waren gegen dieses herrliche Tier in seinen Augen die Rosse Starhembergs und seiner Stabsoffiziere, diese hohen spanischen Gäule mit den lächerlich kleinen ramsnasigen Köpfen, den unförmigen geteilten Kruppen und den eng unter den Rumpf gestellten dürren Beinen!

Gegen Morgen forderte freilich auch bei Michaelowitz die Natur ihr Recht: die so lange unterdrückte Müdigkeit machte sich plötzlich mit aller Macht geltend, und er sank auf seinem Lager in tiefen Schlummer.

Um die Mittagsstunde wurde er durch einen gewaltigen Lärm geweckt. In der Hofburg war alles in Bewegung; es hieß, daß ein Ausfall von sechshundert Mann des Heisterschen Regiments unter Führung des Feldwachtmeisters Grafen Sereny und des Obersten Grafen Scherffenberg in Vorbereitung sei. Die bürgerlichen Schützen hatten vollzählig ihre Posten an den Fenstern der oberen Stockwerke eingenommen; Neugierige, zu denen sich auch Görgl gesellte, stiegen auf den Boden, um durch die Löcher des von den feindlichen Kugeln arg mitgenommenen Daches das bevorstehende Schauspiel zu genießen.

Jetzt stieg auf dem »Spanier« über der Burgbastei die gelbe kaiserliche Standarte mit dem schwarzen Doppeladler hoch; im Außenwerk wurde das Spiel gerührt, und durch die Ausfallpforten ergoß sich, vom Salvenfeuer und Pfeilregen der Türken begrüßt, das bunte Gewimmel der vorwärtshastenden Soldaten in die feindlichen Approchen. Den Degen schwingend, eilten die Offiziere voran; ein Hauptmann, dem ein Pfeil die Gurgel durchbohrte, fiel gleich im ersten Augenblick. Sein Tod entflammte die braven Leute zur wildesten Wut. Unter der Wucht ihres Ansturms begann der Feind zu weichen, aber das Gedränge in den schmalen Gräben machte den Türken schnelle Flucht unmöglich und zwang sie zu verzweifeltem Widerstand. Um jeden Fußbreit Geländes entspann sich ein erbitterter Kampf, bei dem beide Gegner denselben Heldenmut entwickelten.

Zeitweilig hüllten der Pulverdampf und der beim Krepieren der Handgranaten aufsteigende Staub das Gewühl der miteinander ringenden Menschen da unten im Grabenlabyrinth vollständig ein, so daß die Zuschauer in der Burg und auf den benachbarten Werken nur aus dem sich mählich entfernenden Lärm auf ein langsames Vordringen der Ausfallmannschaft zu schließen vermochten. Dann schien das Unternehmen ins Stocken zu geraten; das Feuer ließ nach, und man konnte beobachten, wie ein Teil der Kaiserlichen die zurückeroberte Kontereskarpe mit der blanken Waffe gegen den in immer größeren Massen andringenden Feind zu halten suchte, während andere die Laufgräben zuschütteten, die Palisaden in Brand steckten und zwei Geschütze vernagelten. Aber auf die Dauer war es ihnen unmöglich, der Übermacht der Osmanen zu widerstehen; Sereny ließ zum Rückzüge blasen, und, von den nachstürmenden Türken hart verfolgt, flutete die kleine Heldenschar in den Ravelin zurück, wo sie von der Besatzung aufgenommen wurde. Der erlittene Verlust war schwer: von den sechshundert, die ausgerückt waren, lagen zweihundert tot oder verwundet in den feindlichen Approchen.

Der Ausfall, der den Belagerten Luft hatte schaffen sollen, war zwar nicht völlig mißglückt, aber er hatte dem Kommandanten aufs eindringlichste dargetan, daß jeder Versuch, den sich wie ein Bohrwurm von Stunde zu Stunde tiefer in die Außenwerke der Burg- und Löwelbastei einfressenden Feind aus seinen Stellungen zu vertreiben, an dessen Überlegenheit scheitern mußte. Man wußte aus dem Munde von Überläufern und Gefangenen, daß Kara Mustafa schon mehr als fünfzigtausend Mann verloren hatte, aber er verfügte immer noch über eine dreimal so große Zahl, während die Besatzung Wiens auf wenige Tausend zusammengeschmolzen war. Rafften sich die Türken, durch den heutigen Erfolg ermutigt, in den nächsten Tagen zu einem Generalsturm auf, so war das Schicksal der Kaiserstadt besiegelt, und ihren wackeren Verteidigern blieb kein anderes Los als ein ruhmvoller Tod unter den Trümmern der ihnen anvertrauten Bollwerke. Und so entschloß sich Starhemberg, dem Generalissimus, der sein Zögern mit dem Hinweis daraus gerechtfertigt hatte, daß er erst nach dem Eintreffen der polnischen und kursächsischen Armeen zum entscheidenden Schlage ausholen könne, noch einmal um schleunige Hilfe anzuflehen. Und, was noch nie geschehen war: der Kurier mußte, um jeden Zeitverlust zu vermeiden, am hellen Tage, nachmittags um 2 Uhr, die Stadt verlassen.

In der Burg wurde aus der Botschaft an den Lothringer diesmal Kein Geheimnis gemacht. Da unter den Soldaten schon viele, der vergeblichen Anstrengungen ebenso überdrüssig wie der gewaltigen Opfer, die jeder Ausfall forderte, zu murren begannen, gab der Kommandant selbst bekannt, daß er noch heute durch Michaelowitz einen Brief an den Herzog senden wolle, worin er diesem die Not der Stadt rückhaltlos schildere und ihn ersuche, mit den verfügbaren Truppen ungesäumt einen Angriff auf die türkischen Stellungen zu unternehmen, der, wie er auch auslaufe, den Feind nötigen werde, die Belagerung abzubrechen. So lange aber möge jeder, seines Treueides eingedenk, auf seinem Posten ausharren.

Die Kunde von diesem letzten Hilferuf an den Generalissimus verbreitete sich mit Windeseile durch ganz Wien und fand auch durch Vermittlung guter Nachbarn, die Michaelowitz um sein einträgliches Botenamt beneideten, den Weg zu Frau Threserl. Sie hatte ihrem Manne wegen seines leichtsinnigen Streiches ernstlich gezürnt, auch während des Vormittages keinen Versuch gemacht, zu ihm zu gelangen, jetzt aber, wo sie vernahm, daß er zum dritten Male den Gang zum Lothringer wagen wolle, verflog ihr Groll, und sie fühlte nichts mehr als die wahnsinnigste Angst um sein Leben. Sie wollte nichts unterlassen, um ihn zurückzuhalten, denn ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, daß man im feindlichen Lager auf ihn aufmerksam geworden sein müsse und ihn unter allen Umständen wiedererkennen würde. Und so eilte sie, so schnell ihre Füße sie trugen, zum Schottentor.

Dort brauchte sie nicht lange zu warten. Mit zuversichtlicher Miene, in heiterem Tone mit dem ihn begleitenden Adjutanten plaudernd, kam ihr Görgl daher. Als er seines jungen Weibes ansichtig wurde, verfinsterte sich sein Antlitz. Er ahnte schon, was sie im Schilde führe. Und als sie sich nun an seinen Arm klammerte und ihn mit tränenerstickter Stimme beschwor, Gott und die lieben Heiligen nicht noch einmal durch seine Vermessenheit zu beleidigen, empfand er ein herzliches Mitleid mit ihr und redete ihr sanft und eindringlich zu, sich zu beruhigen und fest auf den himmlischen Schutz zu vertrauen, der ihn auch heute auf seinem Wege begleiten werde. Es sei gewiß das letztemal, daß er zum Herzog gehe, denn nun dürfe man jeden Tag auf den Entsatz der Stadt hoffen, aber diesmal müsse er noch seine Pflicht tun und werde sich in seinem Vorsatze durch nichts beirren lassen.

Aber sie ließ nicht ab, ihn zu warnen und zu beschwören, und da er bemerkte, wie die Augen des Offiziers mit dem unverkennbaren Ausdruck leisen Spottes auf ihm ruhten, übermannte ihn der Zorn. Er schüttelte die Schluchzende barsch ab und verschwand, ohne ihr einen Blick des Abschieds zu gönnen, im Durchlaß des verbarrikadierten Tores.

Frau Threserl starrte ihm nach, als könne sie das Furchtbare, das er ihr angetan, immer noch nicht fassen, dann brach sie mit einem gellenden Aufschrei zusammen.

Barmherzige Menschen bemühten sich um sie, trugen sie in ein Haus und geleiteten endlich die aus tiefer Ohnmacht Erwachte zu ihren Eltern. Die Mutter jammerte nur über die Undankbarkeit der Tochter, die das Glück, einen solchen Eheherrn zu haben, gar nicht verdiene; der Vater versuchte in seiner gutmütig derben Art der Untröstlichen Trost zu spenden, aber es war alles vergebens: die Arme war keinem Zuspruch zugänglich und wiederholte immer nur, sie wisse ganz genau, daß sie den Görgl lebend niemals wiedersehen werde. Nicht einmal, als ihr am nächsten Abend der wegen ihres Zustandes ernstlich besorgte Vater die Nachricht brachte, ihr Mann habe durch ein Feuer auf dem Bisamberg seine glückliche Ankunft gemeldet, vermochte sie sich aus ihrer Verzweiflung aufzuraffen.

In den nun folgenden Tagen überstürzten sich die Ereignisse. Nach mörderischem Kampfe mußten die Verteidiger den Burgravelin aufgeben. Fiel die Bastei selbst in die Hände der Belagerer, so war alles verloren. Aber Starhemberg, kaltblütig wie immer, gedachte sein und der Seinigen Leben wenigstens so teuer wie möglich zu verkaufen: er richtete sich auf den Straßenkampf ein, rief das letzte Aufgebot der Bürger zur Schanzarbeit auf und ließ die Schaufler-, Löwel-, Teinfalt-, Schotten- und die beiden Schenkengassen samt der Freiung durch Anlage von Gräben, Wolfsgruben und Schanzen in Verteidigungszustand setzen und jeden Durchlaß mit Ketten und Fenstergittern sperren. Da es an Holz fehlte, riß man die Dachstühle der Häuser ab und benutzte die Balken zum Palisadenbau. Alles arbeitete mit fieberhaftem Eifer, und keiner war fleißiger als der alte Löffelholz, dem das Leid der Tochter naheging, und der froh war, in angestrengter Arbeit vergessen suchen zu können.

Manchmal allerdings lähmte der Schrecken auch ihm die rüstigen Arme, so, als am 4. September viertausend Janitscharen, von ihren Predigern angefeuert, nach einer furchtbaren Minenexplosion die Burgbastei stürmten, auf der dann anderthalb Stunden lang die türkischen Roßschweife wehten, bis es dem Häuflein der Verteidiger unter Starhembergs und seiner Generale persönlicher Führung gelang, den Feind wieder hinauszuwerfen und einen neuen Sturm der Osmanen abzuschlagen.

So ganz fehlte es den Wienern an Lichtblicken freilich auch in diesen schlimmsten Tagen nicht. An mehreren Abenden sah man auf dem Bisamberge fünf Feuer brennen, verheißungsvolle Zeichen, daß die Rettung nahe, und in der Nacht zum 7. September stiegen vom Kahlenberg Raketen auf, die Ankunft der verbündeten Heere zu verkünden. Unbeschreiblich war der Jubel der Bedrängten: das Volk strömte zum Dankgebet in die Kirchen, und auf den Gassen umarmten die Menschen einander unter Tränen, als sei nun schon alle Not vorbei.

Nur Frau Threserl nahm keinen Anteil daran, sie schloß sich in ihre Kammer ein und vergrub den Kopf in den Kissen, um nichts von all den Freudenausbrüchen hören zu müssen.

Aber auch die Türken hatten von dem Herannahen des Entsatzheeres Nachricht erhalten. Man beobachtete von den Dächern aus, wie der Großwesir eine Musterung seiner Truppen vornahm, und wie ein plötzlicher Alarm die unter dem Geklingel ihrer Schellenbäume gegen die Löwelbastei vorrückenden Massen zurückrief. Das deutete darauf, daß der Feind die kurze Frist, die ihm bis zum Angriff des Lothringers noch blieb, dazu benutzen wolle, sich durch einen allgemeinen Sturm in den Besitz der Stadt zu setzen. Der Kommandant traf seine Gegenmaßregeln: Garnison und Bürgerkompagnien mußten Tag und Nacht unter Gewehr bleiben, alle übrigen männlichen Einwohner wurden noch bewaffnet und in die Reserven eingereiht, und der Rumormeister erhielt den Befehl, mit seinen Knechten die Häuser zu durchsuchen und jeden, der in einem Versteck angetroffen würde, kurzerhand zum Fenster hinaus aufzuknüpfen. Und während man in der kühlen Herbstnacht von Stunde zu Stunde auf den Trommelwirbel wartete, der zum Kampf auf die Wälle rufen sollte, stieg vom Stephansturm Rakete auf Rakete zu den Sternen empor.

Am 11. September, einem Samstag, bemerkte man im türkischen Lager große Unruhe, hatte Kara Mustafa schon einige Tage vorher sein Prunkzelt oberhalb Inzersdorfs, bei der alten Betsäule, die das Volk »Spinnerin am Kreuz« getauft hat, aufschlagen lassen, so konnte man jetzt wahrnehmen, wie Tausende von Zelten abgebrochen, Büffelgespanne und Kamele mit der Bagage bepackt, und die Truppen aus der Leopoldstadt über den Donauarm zurückgezogen wurden, und wie sich die ganze feindliche Reiterei nach dem Kahlenberg zu in Bewegung setzte. Am Nachmittag aber kam vom Umgang des Stephansturmes die frohe Botschaft, daß sich das Entsatzheer schon bei der Leopolds-Kapelle zeige, und in der Nacht verrieten auch unzählige Wachtfeuer auf den Hängen des Wienerwaldes den Belagerten, daß die langersehnte Rettung nun wirklich da war.

*

Der Sonntag dämmerte herauf. Es war der vierzehnte nach Pfingsten, an dem die katholische Kirche das Fest der göttlichen Vorsehung beging. Obwohl die Türken die Beschießung der Stadt nicht unterbrachen, und die Belagerten noch immer mit einem Generalsturm rechnen mußten, hatte sich die ganze Einwohnerschaft auf den Wällen der nordwestlichen Verteidigungswerke eingefunden, um in banger Spannung die Entwicklung der für heute zu erwartenden Schlacht zu beobachten.

Vor Kara Mustafas Zelt, das zwei Tage vorher von der Spinnerin am Kreuz nach Döbling versetzt worden war, flatterte an diesem Morgen neben dem Blutbanner des Kalifen die grüne Fahne des Propheten, aber zum Troste der Wiener wehte auf dem Gipfel des Kahlenbergs eine rote Flagge mit dem weißen Kreuz, dem Symbol des christlichen Glaubens und zugleich dem alten Wappenbilde der Kaiserstadt.

Gegen 7 Uhr früh verkündeten von dort oben fünf Kanonenschüsse den Beginn des Kampfes, und gleich darauf vernahm man von den Schluchten des Nußbergs her heftiges Kleingewehrfeuer. Wer über ein Fernrohr verfügte, sah, wie sich die dort aufgestellten türkischen Scharen kämpfend durch die Weingärten herunterzogen, ein Zeichen, daß die Kaiserlichen und Sachsen, die da oben den Truppen Osman Ogolis gegenüberstanden, die Höhe gewonnen hatten. Aber es war nur ein Scheinerfolg: von drei Seiten her rückten neue feindliche Kolonnen an, und nun entspann sich um den Berg ein erbittertes Ringen, das bis über den Mittag hinaus dauerte.

Um 2 Uhr kam in das Zentrum der Verbündeten, das sich gleich deren rechtem Flügel bisher abwartend verhalten hatte, Bewegung: aus dem Walde von Dornbach brach Sobieski mit seinen Polen hervor und warf sich mit Ungestüm auf die Flanke des Feindes. Aber an dessen Übermacht prallte der mehrmals wiederholte Angriff ab, und mit verdoppelter Wut rückten die Ungläubigen gegen den linken Flügel des Gegners vor. Da führte der Herzog von Lothringen, den Ernst der Lage erkennend, die kaiserlichen und deutschen Truppen des rechten Flügels ins Treffen; die Sachsen nahmen die bei Döbling errichtete feindliche Batterie mit Sturm und richteten deren Geschütze auf die dichtgescharten Massen der Osmanen, die nun, von panischem Schrecken ergriffen, ihr heil in wilder Flucht suchten. Aber da sausten auch schon die Styrum-Dragoner und die Kürassierregimenter Caprara, Rabatta und Dünewald heran, und von den Döblinger Hängen wälzte sich in breiter Front das deutsche Fußvolk zu vernichtendem Stoß auf die ungeordneten Scharen. Nur an einer Stelle, bei der Türkenschanze, die mit ihren zehn Geschützen Kara Mustafas Zelt deckte, versuchte der Feind noch einmal Widerstand zu leisten, als aber die polnische Kavallerie bei Hernals in den Kampf eingriff, war der Sieg der Verbündeten entschieden. Der Großwesir, nur noch auf die eigene Sicherheit bedacht, übertrug den Oberbefehl dem Pascha von Ofen, um mit den Resten seines Heeres, die er aus den Belagerungswerken zurückrufen ließ, in Eilmärschen die Fischa zu erreichen. Mit unbeschreiblicher Freude sahen die Wiener, wie die Tausende und aber Tausende, von Dünewalds Kürassieren und Sobieskis Reitergeschwadern hart verfolgt, bei Penzing und Hietzing vorbei in unaufhaltsamem Strom nach Süden fluteten.

Gegen 6 Uhr abends erschien unter Paukenschlag und Trompetenschall als erster der siegreichen Feldherren der Markgraf von Baden mit dem Hallweilschen und dem Heisterschen Regiment an der Kontereskarpe des Schottentors, vom Kommandanten und seinem Stabe feierlich begrüßt und in die Stadt geleitet.

Unter den Bürgern, die sich dort eingefunden hatten, um den Rettern zuzujubeln, befand sich auch der Sporermeister Löffelholz. Er war nicht, wie die anderen, zur Befriedigung seiner Schaulust gekommen: ihn hatte die Hoffnung hergeführt, daß mit den einziehenden Truppen auch Görgl wiederkehren werde, um den Frau Threserl daheim schon wie um einen Toten trauerte. Stunde auf Stunde harrte der Alte auf seinem Posten aus, als jedoch die Nacht immer weiter vorrückte, gab er das Warten als aussichtslos auf und ging, nach neuen Trostgründen für die Tochter suchend, langsam heim.

Beim ersten Morgengrauen strömten die Wiener durch die Ausfallpforten der Werke und das wieder geöffnete Stubentor in das verlassene türkische Lager hinaus, um die Batterien, die achtundfünfzig Tage lang Tod und Verderben gegen die Stadt gespien hatten, in der Nähe zu betrachten und, mit der plündernden Soldateska wetteifernd, ihrer Beutelust zu frönen.

Buch Frau Threserl war schon unterwegs, nachdem sie sich heimlich aus dem Hause geschlichen. Die Zelte mit ihrem mannigfaltigen Inhalt an Kostbarkeiten, Kleidern, Teppichen, Waffen und Lebensmitteln ließ sie freilich unbeachtet: sie hatte nur Augen für die starren Körper der vielen tausend christlichen Gefangenen, die Kara Mustafa in wahnsinniger Wut über das ihm nahende Verhängnis in der letzten Nacht hatte niedermetzeln lassen, und die zusammen mit zahllosen Tierkadavern die Lagergassen füllten. Mit zusammengebissenen Zähnen, aber ungerührt durch den Anblick so unerhörter Greuel, eilte das junge Weib von Leiche zu Leiche, blickte jeder forschend ins verzerrte Antlitz und wandte sich dann der nächsten zu.

Es war schon um die Mittagsstunde, als sie, noch immer nach dem einen suchend, mit ein paar Leuten aus der Weihburggasse zusammentraf, die sie und ihr Geschick kannten. Die Männer gerieten bei der Begegnung mit Frau Threserl in einige Verlegenheit. »Sucht nit länger, Weiberl! Hier werdet Ihr den Görgl nimmer find'n,« sagte der ältere der beiden, »Was g'schehn is, is halt g'scheh'n, das kann keiner ändern.«

Sie horchte auf. »Habt ihr die Leich' g'funden, Leuteln? Um Gottes Barmherzigkeit will'n führet mich hin!« bat sie.

»'S tät ja z' nix nütz'n, Frau. Geht lieber heim und lasset ihm etliche Seel'nmess'n lesen. Ihr habt's ja dazu,« riet der jüngere. Und der andre meinte: »Wenn Ihr ihn sähet, Ihr möchtet Euch leichtlich gar z'arg entsetz'n.«

Aber sie bestand darauf, daß man sie zu dem Leichnam ihres Mannes führe.

Die drei Menschen legten schweigend einen halbstündigen Weg zurück. Hinter St. Ulrich, nicht weit von der Stelle, wo das Zelt des Großwesirs zuerst gestanden hatte, war der Richtplatz, schon aus weiter Ferne kenntlich an Hunderten von Stangen, die, in den Boden eingepflanzt, ebenso viele menschliche Köpfe trugen. Darunter lagen, die Arme auf dem Rücken zusammengeschnürt, die dazugehörigen Körper.

Ein Grausen überkam die junge Frau, als sie mit ihren Begleitern durch den Stangenwald dahinschritt, aber sie nahm alle Kraft zusammen und schaute entschlossen zu dem bleichen Haupte empor, das ihr die beiden Männer als das des Vermißten wiesen. »Jetzo bitt' ich, habet ein biss'l G'duld, will nur noch sein'n armen Leib such'n. Könntet mir wohl helf'n, wann euch die Müh' nit z'viel is,« sagte sie. »Man kennet ihn leichtlich an einer Narb'n am link'n Handgelenk.«

Alle drei begannen mit Eifer zu suchen, aber das Weib war's, das den Körper des Gerichteten fand. Sie ließ sich ein Messer geben und durchschnitt die Stricke. »So, jetzo tut mir die Lieb' und hebet die Stang'n aus der Erd'n, daß ich 's Haupt kann herabnehm'n.«

Die Männer gehorchten, und nun löste sie, vollkommen gefaßt, als handle sich's um die gleichgültigste Verrichtung, den entstellten Kopf von dem spitzen Holz und legte ihn behutsam an den Rumpf. »Nun hätt'n wir alles beisamm'n, aber wie krieg' ich ihn jetzo heim? Denn das darf nit sein, daß s' ihn hier mit den anderen verscharr'n wie ein g'fall'nes Vieh. Ich denk': wenn einer hat ein christlich's Gräbnis verdient, so wär's der Görgl.«

Die beiden Nachbarn wußten Rat. Aus Zeltstangen und Planen richteten sie eine Trage her, betteten die in einen seidenen Gebetsteppich gewickelte Leiche darauf und trugen die Last willig zur Stadt, während die Witwe, die jetzt, wo sie die Gewißheit des Furchtbaren hatte, merkwürdig gefaßt schien, schweigend folgte. Zuweilen wandte sich einer der Träger mit scheuem Blick nach ihr um, im stillen entsetzt über das junge Weib, das bei einem solchen Schicksalsschlage keine Tränen hatte.

Allenthalben begegneten ihnen Leute, die, nur auf Beute erpicht, teilnahmlos an dem kleinen Trauerzuge vorüberhasteten. Soldaten und Bürger, mit Schätzen beladen oder Rinder und Schafe vor sich hertreibend, überholten sie. Beim Roten Turm stießen sie auf den Bischof Kollonitz, der, von einigen Augustinerlaienbrüdern begleitet, einen mit zwei Maultieren bespannten Planwagen hinter sich, die Lagergassen durchstreifte und seine Beute einheimste: verwaiste Christenkinder, die, vor Hunger wimmernd, neben den Leichen ihrer dahingemordeten Mütter lagen, und die der große Menschenfreund nun auf seine Kosten aufziehen lassen wollte.

Er erkannte die junge Frau, die er damals im Burghofe vor dem Stockmeister bewahrt hatte, sogleich wieder, erriet das Geschick, das sie betroffen, und sprach ihr in seiner milden Weise Trost zu. Sie aber sah ihn mit verhaltenem Trotz an und meinte: »Ihro Bischöfliche Gnaden hat gut red'n. Was soll ich jetzo noch auf der Welt, da mein Eheliebster eines so grausamen Todes verblich'n? Mir wär' wahrlich besser, man tät' mich mit ihm z'samm'n in die Erd'n grab'n.«

Des Bischofs Mienen nahmen einen strengen Ausdruck an. »Ich muß zu dir sprechen, wie geschrieben stehet im Buche Job: ›Du hast geredet wie eine aus den närrischen Weibern‹«, sagte er. »Versündige dich nicht also, meine Tochter! So es Gottes Wille wär' gewest, daß du deinen Eheherrn nicht hättest sollen überleben, glaubest du wohl, daß er dich nicht hätte können mit dem Blutfluß heimsuchen oder unter währender Belagerung eine Feuerkugel auf dein Haupt lenken? Und wenn du fragest: was soll ich jetzo noch auf der Welt, so antworte ich dir als ein Diener der Kirche: du sollst leben und wirken, solange es Tag ist, und sollst deine Arme regen, auf daß dein Tun gesegnet sei und deine Arbeit Früchte trage!«

»Wüßt' nit, für wen. Hab' niemand mehr, der meiner bedarf. Der Vater brauchet mich nit, und die Mutter noch minder. Die is noch wohl bei Kräft'n und will alles selber schaff'n. Der kann ich nix recht mach'n, rein gar nix. Ein Kind wenn ich noch hätt', alsdann wär's anderst. Dann wüßt' ich, wozu ich sollt' mein arm's Leb'n noch trag'n.«

»Brav gesprochen, meine Tochter! Sieh, an Kindlein, die der Mutter bedürfen, fehlet es nicht. Dafür haben die ungläubigen Hunde mehr denn reichlich gesorgt. Komm mit!« Er faßte sie bei der Hand, führte sie zu dem Wagen und schlug dessen Plane zurück. Da lagen, auf Stroh gebettet, mehr als zwanzig der bedauernswerten Geschöpfe, die in der vergangenen Nacht zu Waisen geworden waren. »Kannst dir eins aussuchen nach deinem Gefallen! Wie wär's mit dem dicken Krausköpfl hier? Wie er heißen mag, weiß keiner, aber ich mein', man könnt' ihn wohl Poldl nennen.«

Beim Anblick der vielen hilfsbedürftigen Kleinen erwachten in Frau Threserl die so lange unterdrückten mütterlichen Gefühle. »Den Dick'n mag ich nit. Der schaut aus, als tät' er nit viel Pfleg' brauch'n,« sagte sie. »Ehnder das elendig Hascherl dahinten mit den blauen Aug'n. Bei dem möcht'n sich Fürsorg' und Lieb' besser lohnen.« Sie ging um den Wagen herum, schlug auch dort die Plane hoch und holte sich das Knäblein, ein dürftiges Wesen, das nicht viel älter als ein Jahr sein mochte, heraus. Das Kind ließ alles willig mit sich geschehen, sah die neue Mutter ganz verständig an und lehnte das Köpfchen matt an ihre warme Brust.

»Werdet schon gut miteinander hausen, ihr zwei,« bemerkte Graf Kollonitz lächelnd, »vergiß nicht drauf, daß Gott selber es ist, der dir das Büblein hat anvertraut, und an jedem ersten Samstag im Mond geh zu den Augustinern, ihnen das Kind vorzuweisen und dir das Geld geben zu lassen.«

»Das Geld? Nit um Geld will ich das Hascherl großzieh'n, vielmehr um Gotteslohn,« erklärte sie mit Bestimmtheit.

Da legte ihr der Bischof zum Segen die Hand aufs Haupt und sagte verklärten Blicks: »Wenn ich die anderen Würmlein, deren wir, wie ich denke, noch etliche hundert werden auflesen, auch so leichten Herzens dürfte abgeben, alsdann wäre ich einer großen Sorge ledig. Geh mit Gott, meine Tochter; an Tröstung wird es dir fürder nicht mangeln!«

Er winkte. Das Maultiergespann setzte sich in Bewegung, und die Helfer des Kirchenfürsten zerstreuten sich wieder durch die Gassen der Zeltstadt.

Als die Männer mit der Bahre und die junge Frau, die das fremde Kind behutsam in ihren kräftigen Armen trug, beim Schottentor ankamen, mußten sie eine Weile warten, denn die siegreichen Heerführer hielten, nachdem sie, von Starhemberg geleitet, die türkischen Belagerungswerke besichtigt hatten, durch das Ausfallpförtlein der Bastei ihren Einzug in die Stadt. Das Volk stand Kopf an Kopf auf den Wällen und begrüßte die Retter mit jubelnden Vivatrufen. Zwischen dem Herzog von Lothringen, der sein Leibroß, einen spanischen Schecken, ritt, und dem verdrossen dreinschauenden Kurfürsten von Sachsen tummelte, die runde Pelzmütze mit dem Reiherstutz auf dem kurzgeschorenen Haar, lachenden Antlitzes der Polenkönig Johann Sobieski seinen kleinen tatarischen Falben; ihm folgte, zur Rechten des jungen Kurfürsten von Bayern, sein Sohn, Prinz Jakob, der gestern bei der vor Beginn der Schlacht in der Leopoldskapelle auf dem Kahlenberg zelebrierten Messe zur Erinnerung an den größten Tag, den er je erleben könne, von seinem Vater den Ritterschlag empfangen hatte. Und während die Glocken Wiens, die nach altem Kriegsbrauch in den acht Wochen der Belagerung stumm geblieben waren, zum ersten Male wieder ihre ehernen Stimmen erhoben und auf den Basteien dreihundert Kanonenschüsse abgefeuert wurden, stiegen die fürstlichen Feldherren mit der gesamten Generalität von ihren Rossen und begaben sich in die Stadt, um zuerst in der am Hof gelegenen Jesuitenkirche, dann im Stephansdom und endlich in der Lorettokapelle bei den Augustinern ein Dankgebet zu verrichten.

In dem alten Hause an der Weihburggasse aber zog unter Glockengeläut zugleich mit einem Toten junges Leben ein.

*

Am nächsten Tage kehrte auch Kaiser Leopoldus in seine getreue Residenzstadt zurück. Er wurde in Nußdorf von den Heerführern eingeholt und durch das türkische Lager zum Stubentor geleitet, wo der Magistrat mit den Schlüsseln zu seiner Begrüßung bereitstand. Auch jetzt hatten sich wieder viele Tausende Schaulustiger eingefunden, aber als das unansehnliche Männchen mit der über die Schultern wallenden schwarzen Roßhaarperücke und der auf das Kinn herabhängenden wulstigen Unterlippe, ein wenig unbeholfen auf dem mächtigen Rappen sitzend und fast scheu die Menge musternd, über die Brücke ritt, wurde nur hie und da ein vereinzelter Vivatruf laut. Es war ein kühler Empfang, den ihm seine Wiener bereiteten.

Am Nachmittag fand ein feierliches Tedeum im Stephansdome statt, am Abend ein glänzendes Bankett in der erzherzoglichen Burg, da sich die arg verwüstete Hofburg zur Aufnahme der kaiserlichen Majestät und ihrer hohen Verbündeten als ungeeignet erwiesen hatte. Man mußte von zinnernem Geschirr speisen, denn der Silberschatz war noch in sicherm Gewahrsam zu Linz. Aber an auserlesenen Gerichten und edlen Weinen fehlte es nicht, und von jeder Gesundheit, die die Tafelnden einander zubrachten, gaben die Zinken und Trompeten der Musikanten dem unter den erleuchteten Fenstern umherflanierenden Volke Kunde.

Um diese Zeit war Frau Threserl in ihrer Kammer mit dem Kinde beschäftigt, das sie heute gar nicht zur Ruhe kommen ließ und mit seinem dünnen Stimmchen immer wieder nach ihr verlangte. Das Büblein hatte schon gemerkt, daß es in ihren Armen wohl geborgen war, und gab sich sonst gleich zufrieden, wenn sie, es sanft schaukelnd, mit ihm in dem langen, schmalen Raum auf und nieder ging. Jetzt aber, in der gewitterschwülen Herbstnacht, weinte es auch in ihren Armen leise weiter und verzog das welke kleine Gesicht, daß es einem alten Zwerglein ähnlicher sah als einem jungen Menschenkinde.

Die Pflegemutter öffnete das Fenster, weil sie sich von der Musik, die gedämpft aus der erzherzoglichen Burg herüberschallte, eine beruhigende Wirkung auf das mißvergnügte Würmlein versprach. Da stieg – diesmal ein Freudenzeichen! – eine gewaltige Raketengarbe vom Stephansturm zum düstern Himmel empor. Das junge Weib überkam bei diesem Anblick ein wehes Gefühl, aber das Kind verstummte und streckte lächelnd die abgezehrten Händchen nach den hundert weißen Sternen aus, die droben in der Höhe langsam niedersinkend verloschen.

Da trat Frau Threserl in die Kammer zurück, legte das Kind sanft in die Wiege ihres Poldl und setzte sich in den gebrechlichen Lehnstuhl. Und aus ihren Augen strömten zum ersten Male wieder Tränen.

*


 << zurück