Andreas Gryphius
Absurda Comica Oder Herr Peter Squentz
Andreas Gryphius

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M. Loll.
Ey es ist schade umb meinen schönen Topff / er kostet mich 8. weisse Groschen und 3. Hel.

P. Sq.
Friede / Friede / Pax vobis! schämet ihr euch nicht! haltet inn / haltet inn / Meister Mondenschein lasset gehen / Meister Brunn stehet auff. Haltet inn / sage ich / wer nicht auffhöret / sol keinen Heller bekommen. Schämet euch doch vor ehrlichen Leuten. Meister Löwe von hir! von hir. Meister Mondenschein tretet wieder in die Ordnung / Thisbe holet einen andern Krug heraus. Meister Mondenschein lauffet geschwinde / und zündet das Licht wieder an / das war eine erschreckliche Sau!

Seren.
Der Mond hat den Löwen ziemlich beleuchtet / ich halte er werde morgen braun und blau außsehen.

Eubul.
Der Monde ist in dem Zeichen deß Löwen gewesen / und wird vielleicht auch nicht leer ausgegangen seyn?

Violand.
Es ist eine erschreckliche Monden Finsternüß in dem Löwen gewesen. Wir möchten wissen was sie bedeuten werde.

P. Sq.
Was sol sie bedeuten? den Teuffel den elenden! und gutte Schläge.

Theod.
Wir stunden in Meynung / der Löwe werde auff der Thisben Mantel junge Löwen gebären / wird dieses nicht auch zusehen seyn?

P. Sq.
Meister Klipperling vermeinte / er hätte keine junge Löwen in dem Leibe / derowegen könte er auch keine außhecken.

Theod.
Wie ists Herr Squentz. Wo bleiben die Personen? Wird niemand mehr hervor kommen?

P. Sq.
Ho Piramus! Piramus Piramus ho! machet doch fort / wir müssen den König nicht warten lassen wie einen Narren.

Thisbe.
Piramus ist nicht hier. Er ist hinunter gegangen und hat nur einmal trincken wollen. Darzu rieß es ihn so sehr im Leibe.

P. Sq.
Daß wird wieder eine rechte Sau werden. Ey hertzer lieber Herr König / habt mirs doch nicht vor übel / ihr sehet ja / daß es meine Schuld nicht sey / herein Piramus, daß euch der Geyer wieder hinaus fahre.

Piram.
Diß ist die fröliche Stund /
Darvon ich Thisbe deinen Mund
Recht küssen sol hinten und vorn /
Jch mein' sie sitzt bey jenem Born!
Wie werd ich dich mein Schatz umbfangen
Nach dem mich lange that verlangen /
Jst sie nicht hier bey diesem Born
Was hab' ich mich so viel verworn!
Eh diese Stund ankommen ist /
Nun wil ich kürtzlich sonder List
Sie fassen in den zarten Arm
Und drücken / daß ihr Hertz wird warm.
Wie ist das nicht ihr Mantel hier /
Was gilts sie ist noch gar alhier?
O lieber Gott was sol das seyn!
Der Mantel blutet wie ein Schwein /
Daß man itzt abgestochen hat
Helfft lieben Freunde / was nun Rath?
Ein grimmes Thier hat sie erbissen /
Mir ist als hätt' ich in die Hosen gesch.
Du grimmiges / böses wildes Thier
Hättest du nur Dreck gefressen dafür /
So wär dirs Maul nicht fedrig worden
Ey! Ey! das ist ein böser Orden /
Ey was werd ich nun erdencken!
Jch werde mich für Angst erhencken /
Ey nein / der Strick ist viel zu teur /
Der Hanff ist nicht gerahten heur /
O hatt' ich meinen Degen bey mir
Mein Bauch den wolt ich geben dir /
Die Liebe hat mich so besessen /
Daß ich mein Schwerdt daheim vergessen.
Jch mag doch länger nicht hier bleiben /
Jch werde mich gewiß entleiben /
Jch lauffe mit dem Kopffe wider die Wand
Oder ersteche mich mit der Hand.
            Er laufft und fällt über seinen Degen.
Nein Lieber / sich / was sol daß seyn /
Hab ich doch hier das Schwerdte mein.
Allons! nun ists mit mir gethan
Mein lieber Hals du must daran.
Ey es ist warlich schad umb mich /
Frisch auff mein Hertz und dich erstich.

Er zeucht den Degen aus / wendet sich gegen den Zusehern und spricht.

Erschrecket nicht lieben Leute / ich ersteche mich nicht recht / es ist nur Spiel / wer es nicht sehen kan / der gehe hinaus oder mache die Augen zu / biß ich die schreckliche That verrichtet habe.

Nun gesegne dich Gott Trincken und Essen /
Jhr Byrnen und ihr Aepffel / ich muß euer vergessen:
Ade Ade all alt und jung /
Der Tod thut nach mir einen Sprung.
Gesegn' euch Gott klein und groß
Der Tod gibt mir itzt einen Stoß.

Er ziehlet eine lange weile mit dem Degen / hernach wendet er sich zu den Zuhörern und spricht.

Ey Lieber fürchtet doch euch nicht so / es hat nichts zu bedeuten / Seht / ich wil mich nur mit dem Knopfe erstechen.

Hernach macht er das Wambst auff / setzet den Knopff an die Brust / die Spitze an die Bühne / fällt nieder / stehet hernach wieder auff / laufft umb das gantze Theatrum herumb und fanget an.

Nun hab ich mich gethan vom Brod /
Seht Lieber seht / ich bin stein tod /
Ach wie wird Thisbe mich beklagen /
Ey Lieber / lassts ihr doch nicht sagen.
Ade mein Leben hat ein End
Hie fall' ich auff Bauch / Kopff und Händ.

Erfället wieder nieder / heulet eine lange weile / verkehret die Augen im Kopffe / und schweiget endlich / der Monden leschet sein Licht aus.

Theodor.
Das ist ein erschrecklicher Tod / wer ihn nur recht beweinen könte.

Thisbe.
Sage Mond / wo ist dein güldner Schein hinkommen /
Wie hastu so sehr abgenommen?
Vorhin warest du lieblich und klar /
Jtzt bist du finster gantz und gar.
Wo werd ich den Piramus finden?
Jch seh ihn noch nicht dort dahinden /
Jch habe mich so müde gelauffen /
Mich dürst so; möcht ich nur eins sauffen.
Jch wil ihn suchen in dem Graß
Dort bey dem Brunn; was ist das?

Sie fället über Piramum, stehet auff und besihet ihn.

Hilff Gott! es ist mein Piramus,
Jch wil ihm stehlen einen Kuß /
Diewell er schläfft in dieser Ecken
Und sich ins grüne Graß thut sträcken /
So kan ich sagen unverholen /
Daß ich ihm einen Schmätzerling abgestohlen.

Sie küsset ihn / Piramus schnappet nach ihr mit dem Maul.

Thisbe.
Schaut Lieber wie ist er so kalt /
Und hat so eine bleiche Gestalt;
Schaut wie ihm hangt der Hals und Kopff
Ach er ist todt der arme Tropff!
Ey Lieber / er hat sich erstochen
Fürwar ich hab es wol gerochen.
Ach / ach / ach / ach / was fang ich an!
Ach Thisbe was hast du gethan?
Die Haar wil ich ausrauffen mir.
      Sie greifft ihm unter die Arme. (ridet.)
Und dich beweinen für und für /
O Piramus du edler Ritter /
Du allerschönster Muscowitter /
Ey Piramus bist du denn todt?
Ey sage mir doch für der letzten Noth /
Nur noch ein einiges Wörtlein.

Piram.
Jch habe nichts mehr in meinem Zedelein.

Violand.
Das gehet noch wol hin / wenn die Todten reden können.

P. Sq.
Beim S. Stentzel / Piramus ihr seyd ja todt / schämet euch für dem Teuffel! ihr müßt nichts sagen / sondern stille liegen wie eine todte Sau.

Piram.
Ja / ja / ja ich wils schon machen!

Thisbe.
Was mach ich denn nu auff der Welt?
Jch achte nun kein Gut und Geld
Jch werde mich wol auch erstechen
Oder mir ja den Hals entzwey brechen.
O hatt ich nur den Pfeil alhie /
Jch stäche mir den in die Knie /
Doch er ist weit daheim im Schmeer
Schaut / hier liegt Piramus' Gewehr.
Gutte Nacht liebes Mütterlein /
Es muß einmal gestorben seyn;
Gute Nacht lieber alter Vater /
Jhr allerschönster grauer Kater.
Mein Piramus ich folge dir
Wir bleiben beysammen für und für
Ade mein liebes Mäuselein /
Jch steche mich in mein Hertzhäuselein.

Sie sticht sich mit dem Degen unter den Rock / wirfft hernach den Degen weg / und fällt auff Piramum, spricht.

Schaut alle / nun bin ich verschieden
Und lieg' allhier und schlaff' im Frieden.

Piram.
Ey Thisbe, es schickt sich nicht also / die Weiber müssen unten liegen.

Cassand.
Erbärmlicher Zufall / ich habe gelacht / daß mir die Augen übergehen.

Violand.
Wer wird denn die Todten begraben?

Piram.
Wenn die Comoedianten abgegangen sind / wil ich Thisben selber weg tragen.

Der Mond und Brunnen gehen stille davon / Piramus stehet auff / Thisbe springet ihm auff die Achseln / Piram. trägt sie mit hinweg.

P. Sq.
Vorhin war ich ein Prològus,
Jtzund bin ich der Epilògus.
Hiermit endt sich die schöne Comoedie,
Oder wie mans heist die Tragoedie,
Darauß ihr alle solt nehmen an
Lehr / Trost und Warnung jederman
Lernet Heraus / wie gut es sey
Daß man von Liebe bleibe frey.
Lernet auch / wenn ihr habt eine Wund
So ziht den Pfeil hinauß zur stund /
Und stecket ihn in eine Pechmeste /
So heilt es bald / ihr lieben Gäste
Das ist fürwar ein schöne Lehr.
Ey Lieber sagt / was wolt ihr mehr?
Doch tröstet euch daß es sey schön /
Wenn man die Todten siht auffstehn /
Jhr Jungfrauen nehmet diß in acht /
Und diese Warnung wol betracht:
Daß wenn ihr im Graß schlaffen wollt /
Jhr nicht den Mund auffmachen sollt /
So kreucht die Lieb' euch nicht in Hals
Die Liebe die verderbet all's.
Weiter sol sich auch niemands wundern /
Das Wand / Löw / und auch Brunn besondern /
Jn diesem Spiel haben geredt
Mit wolbedacht man dieses thät /
Der Kirchen-Lehrer Aesopus spricht
Daß ein Topff zu dem Topff sich gericht
Und ihm Gesellschafft angetragen
Aber der eine wolts nicht wagen /
Auch narriret der Löw den Schafen
Und thut sie umb Muthwillen straffen;
Derhalben kan es gar wol seyn /
Daß hier redet / Löw und Brunnen fein.
Daß wir es so gerichtet haben /
Daß ein Todter den andern begraben /
Dasselbe ist geschehen mit Fleiß /
Mercket hievon was ich weiß /
Ein Christe trug einen todten Juden /
Den sie ihm auff die Schulter luden /
Und als er nun ging seinen Weg
Kam er zu einem engen Steg /
Beim selben stund ein tieffer Brunn /
Der Christ war heiß vom Jud und Sonn /
Drumb wolt er trincken frisches Wasser /
Aber der Jud / der lose Prasser /
Überwug und zog so fein /
Den Christen mit inn Brunnen nein /
So hat der todte Jude begraben /
Den lebendigen Christen-Knaben /
Drumb glaubt / daß man es wol erlebt /
Daß ein Todter den andern begräbt /
Es sey Winter / Sommer oder Lentz /
Wünscht euch zu guter Nacht der Schulmeister und Kirchschreiber zu Rumpels-Kirchen Herr Peter Squentz.
Telos, Amen, dixi, finis, Ende.

Theodor.
So hat nun diese Tragoedie ein Ende.

P. Sq.
Ja Woledelgeborner Herr König / und mangelt nichts mehr als das Tranckgeld.

Theodor.
Wie / wenn wir es mit demselbten Actu machten / wie ihr mit der Geburt der jungen Löwen? das ist denselbten gar ausliessen.

P. Sq.
Ey das müste der Teuffel haben! Ey Herr König / was Narret ihr euch viel? Jch weiß wol ihr könnets nicht lassen / ihr werdet uns ja was geben müssen?

Theodor.
Herr Squentz / wir sehen daß euch bisweilen Witz gebricht.

P. Sq.
Vester Juncker König / Geld auch.

Theodor.
Nun wir wollen sehen / wie der Sachen zu rathen. Lasset uns hören / wie viel Säu ihr gemacht in euer Tragoedie.

P. Sq.
Herr König / ich weiß nicht wie viel ihr gezehlet habet: Jch kam mit der Rechnung biß auff zehen.

Theodor.
Was kostet eine Sau so groß als ihr in eurem Dorffe?

P. Sq.
Eine Sau? Eine Sau so groß als ich? die kostet / laß schauen / wie viel giebet man vor eine Sau? zwölffe auch 15. gute Gülden.

Theodor.
Nun saget mir: zehnmal 15. wie viel macht das Gülden?

P. Sq.
Bald / bald / verziehet / ich wil es in die Regul detri setzen / eine Sau umb 15. Gülden / wie hoch kommen zehen Säue?

Er schreibet mit Kreide auff die Bühne / hernach fanget er an.

Auff den Füssen kommen sie.

Seren.
Es fehlet nicht umb ein Haar / lehret ihr denn eure Schüler nicht rechnen?

P. Sq.
Ja freylich! Wolweiser Juncker / vor wen sehet ihr mich an?

Seren.
Was haltet ihr denn vor eine Weise?

P. Sq.
Wenn sie können 1. mal 1. ist eins / und 2. mal 2. ist sieben / so gebe ich ihnen außgelernet / und mache sie zu Rechenmeistern / so gut als Seckerwitz und Adam Riese.

Seren.
Diß müssen vortreffliche Leute werden.

P. Sq.
So schlimm als kein Rentmeister.

Theodor.
Wol wol! Marschalck man befehle dem Schatzmeister / daß man den Comoedianten so vielmal 15. Gülden gebe / als sie Säue gemacht.

P. Sq.
Grossen danck / grossen danck lieber Herr König / hätten wir dieses gewüst / wir wolten mehr Säu gemachet haben. Doch ich höre wol / wir bekommen nur Tranckgeld für die Säu / und für die Comoedi nichts. Aber es schadet nicht. Wir sind hiermit wol vergnüget. Gute Nacht Herr König. Gute Nacht Frau Königin: gute Nacht Juncker / gute Nacht Jungfer / gute Nacht ihr Herren alle mit einander / nehmet vor dieses mal mit unsern Säuen vor gut / auff ein andermal wollen wir derer mehr machen / und so grosse / als der grösseste Bauer / der unter dem gantzen Hauffen gewesen.

Theodor.
Kurtzweils gnug vor diesen Abend / wir sind müder vom Lachen / als vom Zusehen. Daß man die Fackeln anzünde / und uns in das Zimmer begleite.

ENDE.


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