Andreas Gryphius
Absurda Comica Oder Herr Peter Squentz
Andreas Gryphius

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Erster Auffzug.

Peter Squentz, Pickelhäring / Meister Kricks über und über / Meister Bulla-Butän, Meister Klipperling / Meister Lollinger / Meister Klotz-George.

P. Squentz.
EDler / Woledler / Hochedler / Woledelgeborner Herr Pickelhäring / von Pickelhäringsheim und Saltznasen.

Pickelhäring.
Der bin ich.

P. Sq.
Arbeitsamer und Armmächtiger Mester Kricks / über und über / Schmied.

M. Kricks über.
Der bin ich.

P. Sq.
Tugendsamer / auffgeblasener und windbrechender Mester Bullabutän / Blasebalckenmacher.

Bullabutän.
Der bin ich.

P. Sq.
Ehrwürdiger / durchschneidender und gleichmachender Mester Klipperling / Wolbestelter Schreiner des weitberühmbten Dorffes / Rumpels-Kirchen.

M. Klipperl.
Der bin ich.

P. Sq.
Wolgelahrter / vielgeschwinder und hellstimmiger Mester Lollinger / Leinweber und Mester Singer.

Loll.
Der bin ich.

P. Sq.
Treufleissiger / Wolwürckender / Tuchhaffter Mester Klotz-George / Spulenmacher.

M. Klotz-George.
Der bin ich.

P. Sq.
Verschraubet euch durch Zuthuung euer Füsse und Niederlassung der hindersten Oberschenckel auff herumbgesetzte Stühle / schlüsset die Repositoria ewers gehirnes auff / verschlisset die Mäuler mit dem Schloß des Stillschweigens / setzt eure 7. Sinnen in die Falten / Herr Peter Squentz (cum titulis plenissimis) hat etwas nachdenckliches anzumelden.

P. H.
Ja / ja / Herr Peter Squentz ist ein Tieffsinniger Mann / er hat einen Anschlägigen Kopff / wenn er die Treppen hinunter fällt / er hat so einen ansehnlichen Bart / als wenn er König von Neu-Zembla wäre / es ist nur zu bejammern / daß es nicht wahr ist.

P. Sq.
Nach dem ich zweiffels ohn durch Zuthuung der alten Phoebussin und ihrer Tochter der großmäulichen Frau Fama Bericht erlanget / daß Ihre Majest. unser Gestrenger Juncker König ein grosser Liebhaber von allerley lustigen Tragoedien und prächtigen Comoedien sey / als bin ich willens / durch Zuthuung euer Geschickligkeit eine jämmerlich schöne Comoedi zu tragiren / in Hoffnung nicht nur Ehre und Ruhm einzulegen / sondern auch eine gute Verehrung für uns alle und mich in specie zuerhalten.

B. b.
Das ist erschrecklich wacker! ich spiele mit / und solte ich 6. Wochen nicht arbeiten.

P. H.
Es wird über alle massen schöne stehen! wer wolte nicht sagen / daß unser König treffliche Leute in seinem Dorffe hätte.

M. K. über und über.
Was wollen wir aber vor eine tröstliche Comoedi tragiren?

P. Sq.
Von Piramus und Thisbe.

M. Kl. G.
Das ist übermassen trefflich! man kan allerhand schöne Lehre / Trost und Vermahnung drauß nehmen / aber das ärgeste ist / ich weiß die Historie noch nicht / geliebt es nicht E. Herrligkeit dieselbte zu erzehlen.

P. Sq.
Gar gerne. Der Heil. alte Kirchen-Lehrer Ovidius schreibet in seinem schönen Buch Memorium phosis, das Piramus die Thisbe zu einem Brunnen bestellet habe / in mittelst sey ein abscheulicher heßlicher Löwe kommen / vor welchem sie aus Furcht entlauffen / und ihren Mantel hinterlassen / darauff der Löwe Jungen außgehecket; als er aber weggegangen / findet Piramus die bluttige Schaube / und meinet der Löwe habe Thisben gefressen / darumb ersticht er sich aus Verzweiffelung / Thisbe kommet wieder und findet Piramum todt / derowegen ersticht sie sich ihm zu Trotz.

P. H.
Und stirbet?

P. Sq.
Und stirbet.

P. H.
Das ist tröstlich / es wird übermassen schön zu sehen seyn: aber saget Herr P. Sq. Hat der Löwe auch viel zu reden?

P. Sq.
Nein / der Löwe muß nur brüllen.

P. H.
Ey so wil ich der Löwe seyn / denn ich lerne nicht gerne viel auswendig.

P. Sq.
E y Nein! Mons. Pickelhering muß eine Hauptperson agiren.

P. H.
Habe ich denn Kopff genug zu einer Hauptperson?

P. Sq.
Ja freylich. Weil aber vornemlich ein tapfferer ernsthaffter und ansehnlicher Mann erfordert wird zum Prologo und Epilogo, so wil ich dieselbe auff mich nehmen / und der Vorreder und Nachreder des Spiles / das ist Anfang und das Ende seyn.

M. Kr. über und über.
Jn Warheit. Denn weil ihr das Spiel macht / so ist billich / daß ihr auch den Anfang und das Ende dran setzet.

M. Klip.
Wer sol denn den Löwen nu tragiren? Jch halte er stünde mir am besten an / weil er nicht viel zu reden hat.

M. Kricks.
Ja mich düncket aber / es solte zu schrecklich lauten / wenn ein grimmiger Löwe hereingesprungen käme / und gar kein Wort sagte / das Frauenzimmer werde sich zu hefftig entsetzen.

M. Klotz-G.
Jch halte es auch dafür. Sonderlich wäre rathsam wegen Schwangerer Weiber / daß ihr nur bald anfänglich sagtet / ihr wäret kein rechter Löwe / sondern nur Meister Klipperl. der Schreiner.

P. H.
Und zum Wahr-Zeichen lasset das Schurtzfell durch die Löwen Haut hervor schlenckern.

M. Loll.
Wie bringen wir aber die Löwenhaut zu wege? Jch habe mein lebtage hören sagen / ein Löwe sehe nicht viel anders aus als eine Katze. Wäre es nun rathsam / daß man so viel Katzen schinden liesse / und überzüge euch nackend mit den noch bluttigen Fellen / daß sie desto fester anklebeten?

M. Kr. über und über.
Eben recht. Es wäre ein schöner Handel / sind wir nicht mehrentheils Zunfftmässige Leute? werden wir nicht wegen des Katzenschindens unredlich werden?

M. B. B.
Es ist nicht anders. Darzu habe ich gesehen / daß die Löwen alle gelbe gemachet werden / aber meine lebetage keine gelbe Katze gefunden.

P. Sq.
Jch habe einen andern Einfall. Wir werden doch die Comoedi bey Lichte tragiren. Nun hat mich mein Gevatter Mester Ditloff Ochsen-Fuß / welcher unser Rathhaus gemahlet / vor diesem berichtet / daß Grüne bey Lichte gelbe scheine. Mein Weib aber hat einen alten Rock von Früß / den wil ich euch an stat einer Löwenhaut umbbinden.

M. Kr.
Das ist das beste so zuerdencken / nur er muß der Rede nicht vergessen.

M. Kl. G.
Kümmert euch nicht darumb lieber Schwager / Herr Peter Squentz ist ein gescheidener Mann / er wird dem Löwen wol zu reden machen.

Mester Klipperl.
Kümmert euch nicht / kümmert euch nicht / ich wil so lieblich brüllen / daß der König und die Königin sagen sollen / mein liebes Löwichen brülle noch einmal.

M. P. Sq.
Lasset euch unterdessen die Nägel fein lang wachsen / und den Bart nicht abscheren / so sehet ihr einem Löwen desto ehnlicher / nun ist einer difficultet abgeholffen / aber hier wil mir das Wasser des Verstandes schier die Mühlräder des Gehirnes nicht mehr treiben / der Kirchenlehrer Ovidius schreibet / daß der Monde geschienen habe / nun wissen wir nicht / ob der Monde auch scheinen werde / wenn wir das Spiel tragiren werden.

P. H.
Das ist / beym Element / eine schwere Sache.

M. Kricks.
Dem ist leicht zu helffen / wir müssen im Calender sehen / ob der Monde denselben Tag scheinen wird.

M. Kl. G.
Ja wenn wir nur einen hätten.

M. Loll.
Hier habe ich einen / den habe ich von meines Groß-Vatern Muhme ererbet / er ist wol 100. Jahr alt / und derowegen schier der beste. Ey Juncker Pickelh. verstehet ihr euch auffs Calendermachen / so sehet doch ob der Monde scheinen wird.

P. H.
Je solte ich das nicht können / Lustig / lustig ihr Herren / der Mond wird gewiß scheinen / wenn wir spielen werden.

M. Kricks.
Ja ich habe aber mein lebetag gehöret / wenn man schön Wetter im Calender findet / so regnets.

M. Kl. G.
Drumb haben unsere lieben Alten gesaget; du leugest wie ein Calendermacher.

P. Sq.
Ey das ist nichts / der Mond muß darbey seyn / wenn wir die Comoedi spielen / sonst wird das Ding zu Wasser / das ist die Comoedi wird zu nichte.

M. Kricks.
Hört was mir eingefallen ist / ich wil mir einen Pusch umb den Leib binden / und ein Licht in einer Latern tragen / und den Monden tragiren, was düncket euch zu der Sachen?

P. H.
Beim Velten das wird gehen / aber der Monde muß in der Höhe stehen. Wie hier zu rathen?

P. Sq.
Es solte nicht übel abgehen / wenn man den Monden in einen grossen Korb setzte / und denselben mit einem Stricke auff und abliesse.

M. Kricks.
Ja! wenn der Strick zuriesse / so fille ich herunter und bräche Hals und Bein. Besser ist es / ich stecke die Laterne auff eine halbe Picken / daß das Licht umb etwas in die Höhe kommet.

P. Sq.
Nec ita malè. Nur das Licht in der Laterne muß nicht zu lang seyn / denn wenn sich Thisbe ersticht / muß der Mond seinen Schein verlieren / das ist / verfinstert werden / und das muß man abbilden mit Verleschung deß Lichtes. Aber ad rem. Wie werden wir es mit der Wand machen?

M. Klipperl.
Eine Wand auffzubauen für dem Könige / das wird sich nicht schicken.

P. H.
Was haben wir viel mit der Wand zu thun?

P. Sq.
Ey ja doch / Piramus und Thisbe müssen mit einander durch das Loch in der Wand reden.

M. Klipperl.
Mich düncket / es wäre am besten / man beschmierete einen umb und umb mit Leimwellern / und steckte ihn auff die Bühne / er müste sagen daß er die Wand wäre / wenn nun Piramus reden sol / müste er ihme zum Maule das ist zum Loch hinein reden / Wenn nun Thisbe was sagen wolte / müste er das Maul nach der Thisbe kehren.

P. Sq.
Nihil ad Rhombum. Das ist: nichts zur Sache. Thisbe muß dem Piramus den Liebespfeil durch das Loch ausziehen / wie wollen wir das zu wege bringen?

P. H.
Lasset uns dennoch eine Papierne Wand machen / und ein Loch dardurch bohren.

M. B. b.
Ja / die Wand kan aber nicht reden.

M. Kricks.
Das ist auch war.

M. B. b.
Jch wil mir eine Papierne Wand an einen Blindrähmen machen / und weil ich noch keine Person habe / so wil ich mit der Wand auff den Platz kommen und sagen / daß ich die Wand sey.

P. Sq.
Appositè das wird sich schicken / wie / eine Härings-Nasen auff einen Schwaben Ermel / Juncker Pickelhäring ihr müsset Piramus seyn.

P. H.
Birnen Most? Was ist das für ein Kerl.

P. Sq.
Es ist die vornemste Person im Spiel / ein Chevalieùr Soldat und Liebhaber.

M. Kl. G.
Ja Pickelhäring ist die fürnemste Person im Spiel / er muß das Spiel zieren / wie die Bratwurst das Sauerkraut.

P. H.
Ein Soldat und Buler / so muß ich lachen und sauer sehen.

P. Sq.
Aber nicht beydes auff einmahl.

P. H.
Das ist gut! denn ich kan nicht zugleich lachen und weinen / wie Jehan Potage. Es stehet auch einer so vornehmen Person / wie ich bin / nicht an / sondern ist Närrisch nicht Fürstlich. Nur ich bitte euch umb Gottes Willen / machet mir nicht viel Lateinisch in meinem Titul / die Wörter sind mir zu Cauderwellisch / und wir verwirren das gantze Spiel. Denn ich weiß / ich werde sie nicht behalten.

P. Sq.
Es wird sich wol schicken. Ja nun wil mir das Hertze gar in die Hosen fallen.

M. Kl. G.
Ey warumb Ehrenvester Herr Peter Squentz.

P. Sq.
Wir müssen eine Thisbe haben / wo wollen wir die her nehmen?

M. Loll.
Das kan Klotz-George am besten agiren, er hat als er noch ein Knappe war / die Susanna gespielet / er machte ihm die Augen mit Speichel naß / und sah so barmhertzig auß / daß alle alte Weiber weinen musten.

P. Sq.
Ja und das gehet nun nicht an / er hat einen grossen Bart.

P. H.
Ohne Schaden: Er mag ihm das Maul mit einem Stücke Specke schmieren / so siehet er desto glätter aus umbs Mundstück / und kan mit einer schmutzigen Goschen zum Fenster aus kucken.

M. Kricks.
Freylich! nehmet die Personen an zu gutem Glück / man weiß doch wol / daß ihr die rechte Thisbe nicht seyd.

Bullabutäin.
Jhr müsset fein klein / klein / klein reden.

M. Kl. G.
Also.

P. Sq.
Noch kleiner!

M. Kl. G.
Also denn?

P. Sq.
Noch kleiner.

M. Kl. G.
Nun nun / ich wils wol machen / ich wil so klein und lieblich reden / daß der König und Königin an mir den Narren fressen sollen.

M. Loll.
Was soll denn ich seyn?

P. Sq.
Beim Element / wir hätten schier das nötigste vergessen / ihr müsset der Brunnen seyn.

M. Loll.
Was der Brunn?

P. Sq.
Der Brunn.

M. Loll.
Der Brunn? des muß ich lachen / ich bin ja einem Brunn nicht ehnlich.

P. Sq.
Ey ja verstehet eine Wasser-Kunst.

P. H.
Freylich / seyd ihr euer lebenlang nicht zu Dantzig gewesen / oder zu Augspurg / die Maister-Singer reisen ja sonst zimlich weit / habt ihr nicht gehöret / daß der Käyser zu Augspurg auff einem Brunn stehet / und zu Dantzig Clinctunus.

M. Loll.
Aber wie sol ich Wasser von mir spritzen?

P. H.
Seyd ihr so alt und wisset das nicht? ihr müsset vornen.

P. Sq.
Holla! Holla! Wir müssens Erbar machen für dem Frauen Zimmer. Jhr müsset eine Gießkanne in der Hand haben.

P. H.
Recht recht! so mahlet man das Wasser unter den 9. Freyen-Künsten.

P. Sq.
Und must auch Wasser in dem Mund haben und mit umb euch spritzen.

M. Kl. G.
Wie wird er aber reden können?

P. Sq.
Gar wol / wenn er einen Vers geredet hat / so muß er einmal spritzen. Nun zu dem Titul dieses Spieles / wir sollen es heissen eine Comoedi oder Tragoedie.

M. Loll.
Der alte berühmbte deutsche Poët und Meister-Sänger Hans Saxe schreibet / wenn ein Spiel traurig ausgehet / so ist es eine Tragoedie, weil sich nun hier 2. erstechen / so gehet es traurig aus / Ergò.

P. H.
Contrà. Das Spiel wird lustig außgehen / denn die Todten werden wieder lebendig / setzen sich zusammen / und trincken einen guten Rausch / so ist es denn eine Comoedie.

P. Sq.
Ja es ist noch in weitem Feld. Wir wissen noch nicht ob wir bestehen werden / vielleicht machen wir eine Sau und kriegen gar nichts / darumb ist es am besten / ich folge meinem Kopff und gebe ihm den Titul ein schön Spiel lustig und traurig / zu tragiren und zu sehen.

M. Loll.
Noch eines. Wenn wir das Spiel tragiren werden / wollen wir dem Könige ein Register übergeben / darauff allerhand Comoedien verzeichnet / und diese zum letzten setzen / daß er außlesen mag / was er sehen wil. Jch weiß / er wird doch keine begehren / als die letzte / unterdessen werden wir für geschickte und hochgelehrte Leute gehalten werden.

P. Sq.
Gut gut! ihr Herren lernet fleissig / morgen mache ich die Comoedi fertig / so krieget ihr die Zedel über morgen / ich wil unter dessen M. Lollingern den Meister-Sänger zu mir nehmen / der wird mir schon helffen einrahten / wie ich die Endungen der Syllben / wol zusammen bringe / unter dessen seyd Gott befohlen.

P. H.
Ehren / Wolehren und Hochehrenvester / tieffgelehrter / spitzfindiger Herr P. Squentz grossen danck / eine gute Nacht.

Die andern nehmen alle mit allerhand Cerimonien von einander ihren Abscheid / Pickelhäring aber und Peter Squentz nötigen einander voranzugehen / so bald aber Squentz voran tretten wil / zeucht ihn Pickelhäring zurück / und laufft selbst voran.


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