Carl Grunert
Der Marsspion und andere Novellen
Carl Grunert

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Der Marsspion

Auf der Sternwarte in Flagstaff in Arizona. –

»Hier ist eine unserer gestrigen Marsphotographieen,« sagte Mr. Lampland, einer der Assistenten, trat aus der Dunkelkammer hervor und zeigte Mr. Lowell, dem Leiter der Sternwarte, eine eben entwickelte Platte.

»Die erste oder die zweite?« fragte Mr. Lowell, die noch nasse Glasplatte vorsichtig an den Rändern fassend und gegen das Licht haltend.

»Die erste. – Mit der zweiten wird unser neuer Photograph aber auch bald fertig sein; sie liegt schon im Fixierbad –«

»Er scheint seine Kunst zu verstehen, meinen Sie nicht auch, Mr. Lampland?«

»Ich denke doch. An sein seltsames Wesen wird man sich gewöhnen, um so schneller, je besser seine Leistungen sind –«

»Ich finde die Einzelheiten, namentlich die Feinheiten in den Lichtunterschieden, auf dieser Platte ganz vorzüglich herausgearbeitet – und da ist er ja auch wieder und schärfer und klarer, dächt' ich, als auf unsern früheren Platten –«

»Sie meinen den wandernden Fleck, Mr. Lowell?« fragte der Assistent, der nun auch näher herantrat und die Marsaufnahme betrachtete.

»Ja, Mr. Lampland – der rätselhafte wandernde Fleck auf der Marsoberfläche, der seine Lage zum Südpol fortwährend zu ändern scheint; denn jede unserer bisherigen Aufnahmen zeigt ihn an einer andern Stelle –«

»Ich hoffe, unsere nächsten Aufnahmen sollen uns in den Stand setzen, dies wandernde Rätsel zu lösen, das mir vorläufig noch verschleierter erscheint, als die Frage der vielumstrittenen Kanäle –«, entgegnete Lampland.

»Man hat sie abgeleugnet bis heute; nach unseren Photographieen der beiden Kanäle Thot und Astaboras aber wird man sie nun wohl nicht länger anzweifeln. Das menschliche Auge kann sich täuschen, die phantasielose photographische Platte nicht!«

Er reichte dem Assistenten die Platte zurück, der sie sorgfältig auf einem Trockengestell unterbrachte, indessen Mr. Lowell an den riesigen Refraktor trat. –

»Ist die Verbesserung am Objektiv schon angebracht, Mr. Lampland?«

»Gewiß, Mr. Powell – und ich denke, unsere nächsten Aufnahmen sollen beweisen, daß die Einschaltung dieser Lichtfilter für Strahlen bestimmter Wellenlänge zur Erzielung größerer Schärfe und feinerer Einzelheiten von ungeheurem Werte ist –«

»Hoffentlich helfen sie uns auch bei der Enträtselung des wandernden Flecks!« vollendete Lowell.

Der Assistent kehrte in die Dunkelkammer zurück, hier arbeitete beim schwachen Scheine des roten Lichts der seit gestern neuangestellte Photograph, Mr. Ferrum.

Es war eine ungemein zierliche, fast knabenhafte Gestalt. Jetzt, im roten Dämmerlicht, erschien sein Gesicht seltsam alt, die Haut pergamentartig und wie durchscheinend, so daß man das Netz der Adern unter ihr deutlich zu sehen meinte. Eine breite, schwarze Binde, die den oberen Teil der Stirn bedeckte, vollendete den abstoßenden Eindruck des Mannes.

Aber seine Kunst schien er meisterhaft zu verstehen. Der Assistent Lampland nahm die zweite, nun ausfixierte Platte aus dem Bad und schaltete einen Augenblick weißes Licht ein, um sie zu betrachten. Wie wunderbar klar hob sich die Eiskappe des Südpols von dem unbestimmten Grau der Umgebung ab! Deutlicher noch, als auf der ersten Platte markierten sich die gradlinigen Streifen der Kanäle, und da war auch wieder der rätselhafte »wandernde Fleck«. Eben wollte Mr. Lampland die Platte etwas näher an die Lampe heranbringen, um genauer sehen zu können, als das Licht plötzlich erlosch! »Was ist das ?« rief der Assistent, »haben Sie versehentlich ausgeschaltet, Mr. Ferrum?«

Mr. Ferrum antwortete nicht, sondern deutete mit allen Zeichen des Erschreckens auf einen bläulich-weißen Funkenstrom, der sich an einer Stelle der Wand plötzlich unter knatterndem Geräusch gebildet hatte.

»Ein Kurzschluß! Schnell! Zum Hauptschalter!«

Beide Männer wandten sich instinktiv zum Ausgang. Dabei stieß Mr. Ferrum im Dunkel an Mr. Lampland, der noch immer die eben fertig gewordene Platte hielt –

Ein Klirren und Knirschen.

»Goddam! Die Platte!« rief der Assistent. – Aber schon schlug züngelnd eine Flamme aus der gefährdeten Wand der Dunkelkammer, und beide eilten hinaus, um den Wechselstrom auszuschalten und den entstandenen Brand im Keime zu ersticken . . .

Am nächsten Tage war der Schaden wieder gut gemacht, und auch die zerbrochene Platte war durch mehrere in der Nacht gewonnene Aufnahmen ersetzt, die eben jetzt in der Dunkelkammer entwickelt wurden. Gleich die erste der neuen Aufnahmen zeigte überraschende Einzelheiten. Mr. Lowell hatte die Entwicklung der Platte persönlich überwacht und prüfte sie gerade mit der Lupe. Auch der »wandernde Fleck« war wieder da, und an ihm entdeckte Mr. Lowell zum ersten Male eine Abweichung im Vergleich zu früheren Aufnahmen. Abgesehen davon, daß seine Lage abermals geändert und dem Südpole des Mars noch näher gerückt erschien, zeigte der rätselhafte Fleck deutlich einen ihn begleitenden, dem Sonnenstande entsprechenden Schatten, der sich in der verzerrten Form und in der weniger dunklen Färbung bestimmt von dem Flecke selbst trennen ließ. Eine Hypothese, den wandernden Fleck als einen dritten kleinen, von der Kugelgestalt abweichenden Marsmond zu erklären, schien nach Lage der Dinge völlig unangebracht, und so sah Mr. Lowell mit begreiflicher Spannung der Entwicklung der weiteren Aufnahmen entgegen, mit der Mr. Ferrum und Mr. Lampland noch beschäftigt waren.

Mr. Ferrum zeigte heute eine gewisse nervöse Unruhe, die auch dem Assistenten auffiel, als er die nächste der fertigen Platten ihm aus der Hand nahm, um sie Mr. Lowell vorzulegen.

»Was haben Sie heute, Mr. Ferrum?« fragte er ihn – »ist Ihnen der gestrige kleine Kurzschluß in die Finger gefahren? Sie zittern –«

Mr. Ferrum sagte nichts, sondern klappte den Rahmen der nächsten Plattenkassette auf, um ihr die belichtete Platte zu entnehmen. Mitten in dieser Manipulation hielt er inne, durch einen Ausruf des Assistenten veranlaßt.

»Ah – jetzt endlich scheint sich das Rätsel zu lösen!« rief Mr. Lampland, die kostbare Platte aus dem Dunkelzimmer zu dem Leiter der Sternwarte tragend.

Mr. Ferrum war einen Augenblick allein. Blitzschnell vertauschte er die Platte mit einer unbelichteten, indes er die belichtete, die letzte der heutigen Aufnahmen, mit einem Diamanten in kleine Stücke schnitt, die er bei sich verbarg.

Mr. Lowell betrachtete unterdessen mit seinem Assistenten die neugewonnene Platte. Auch ihm entfuhr unwillkürlich ein Aufschrei der Verwunderung.

»Das ist ja mehr, als wir ahnen konnten, Mr. Lampland!« sagte er dann, die Aufnahme einer genauen Prüfung unterwerfend – »das sieht ja aus, als gehöre der »wandernde Fleck« gar nicht zur Marsoberfläche, als schwebe er frei in der Atmosphäre des Planeten? Aber was kann das sein, da seine Form und die Art seiner ganz willkürlichen Ortsveränderung es völlig ausschließt, ihn etwa als einen neuen Trabanten des Planeten anzusprechen?«

»Nun, Mr. Lowell,« entgegnete der Assistent, »was hindert uns anzunehmen, daß der wandernde Fleck das Werk intelligenter Wesen ist? Haben wir durch unsere diesjährigen Marsphotographieen doch einwandfrei bewiesen, daß die »Marskanäle« wirklich existieren, wenn wir sie auch weniger als Wasseradern, wie als Vegetationszonen bezeichnen müssen. Die Regelmäßigkeit ihrer Anlage, die praktische Ausgestaltung des Kanalnetzes spricht jedenfalls für ihre künstliche Entstehung durch denkende Geschöpfe –«

»Nun, und –« unterbrach ihn Mr. Lowell.

»Nun –« fuhr der Assistent lebhaft fort, »sind diese Riesenkanäle das Werk menschenähnlicher Geschöpfe vom Mars, warum kann der seltsam vagabundierende Fleck nicht irgendeine in der Atmosphäre des Mars schwebende Vorrichtung sein, beispielsweise eine nach Art unserer Fesselballons verankerte, meteorologische Station?«

»Die müßte allerdings eine gewaltige Ausdehnung haben, um in unserem Fernrohr als ein Fleck von dieser Größe sichtbar zu werden! Im übrigen glaube ich zu bemerken, daß der Fleck auf den Photographieen immer größer wird, als ob er sich in großer Geschwindigkeit vom Mars entferne –«

»Zugegeben! Ein in der Marsatmosphäre schwebendes, sich bewegendes Etwas muß es sein, das lehrt diese Aufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit, Mr. Lowell. Ich hoffe, die letzte Photographie, die Mr. Ferrum eben entwickelt, wird meine Hypothese noch mehr unterstützen.«

Damit wandte sich Mr. Lampland, um in die Dunkelkammer zurückzukehren.

»Nun, Mr. Ferrum,« sagte er beim Eintreten, »ist die letzte Aufnahme entwickelt?«

»Ich bin dabei,« erwiderte der Angeredete mit eigentümlich abgestimmtem Tonfall – »aber – ich weiß nicht – ist diese Platte nicht zu kurz belichtet worden? Der Entwickler, den ich bei allen übrigen Aufnahmen verwendet habe, bleibt bei ihr wirkungslos! Bitte, überzeugen Sie sich –«

Damit reichte er dem Assistenten die Entwicklerschale, in der die Platte lag.

Mr. Lampland kippte die Schale, so daß die Entwicklungsflüssigkeit von der Platte abfloß –

»Noch keine Spur eines Bildes,« sagte er verwundert, »aber wie ist denn das möglich? Wir haben doch so lange wie sonst exponiert? Haben Sie schon den Entwickler erneuert, Mr. Ferrum? Vielleicht, daß daran die Verzögerung liegt!«

»Habe ich – ich will noch einen Zusatz von Ammoniak machen –«

»Tun Sie das, Mr. Ferrum; es liegt uns sehr viel gerade an dieser Aufnahme,« rief der Assistent; dann, einen Blick auf die Hände des Photographen werfend, setzte er hinzu: »Arbeiten Sie immer mit Gummihandschuhen, Mr. Ferrum? Ich wollte Sie schon gestern deshalb fragen –«

»Immer, Mr. Lampland. Ein langwieriges Fingerleiden, das ich mir in meinem Berufe zugezogen, zwingt mich dazu –«

»So. – Nun – tun Sie Ihr möglichstes, die Platte zu retten, wir sind einer neuen Entdeckung in der Marsatmosphäre auf der Spur, und gerade diese letzte Aufnahme verspricht uns wichtige Aufschlüsse!« – – –

Es war leider nicht gelungen, auf der fraglichen Platte die Spur eines Bildes zu entwickeln. Mit diesem Bescheid trat nach einiger Zeit Mr. Lampland wieder bei dem Leiter der Sternwarte ein. So unangenehm der Mißerfolg war, für den weder Mr. Lowell noch der Assistent vorläufig die zureichende Erklärung fanden, so hatte er doch, wie Mr. Lampland rühmend hervorhob, die wissenschaftlichen Kenntnisse und technischen Fähigkeiten des neuen Photographen in hellem Lichte gezeigt. Wohl ein Dutzend Versuche und Kunstgriffe hatte er angewandt, das latente Bild der »unterbelichteten« Platte hervorzurufen.

Die Sonne näherte sich dem Untergang, und Mr. Lowell ließ alles zu einer Reihe neuer Marsaufnahmen vorbereiten.

Der »wandernde Fleck« war in diesen späten Abendstunden infolge der auf dem Mars herrschenden Lichtverteilung weniger gut sichtbar; doch versprach in Hinsicht auf die früheren photographischen Aufnahmen dieses fraglichen Objekts die Klarheit der Marsatmosphäre für heute nacht die wichtigsten Aufschlüsse.

Mr. Lowell hatte das Observatorium ein Weilchen verlassen; Mr. Lampland war allein und beobachtete durch ein kleineres Fernrohr das Firmament, um einige Ablesungen zu machen.

Es war ganz still und dunkel in der hohen Kuppelhalle; nur die Sekundenuhr tickte mit leisem Schlage. Mr. Lampland richtete sich aus seiner beobachtenden Stellung am Fernrohr auf. Es war ihm, als habe er ein Geräusch gehört. Er blickte scharf ins Dunkel und strengte sein Gehör an; aber es war doch wohl nur Täuschung gewesen. Zur Sicherheit ließ er einen Moment die kleine elektrische Notlampe aufleuchten – er vermochte nichts zu entdecken.

Seltsamerweise glaubte er nach einigen Minuten an einer bestimmten Stelle des dunklen Raumes einen mattleuchtenden Punkt zu sehen, wie das phosphoreszierende Auge eines nächtlichen Raubtieres. Aber als er die Erscheinung fest ins Auge fassen wollte, war sie verschwunden. Ärgerlich über sich selbst, schalt er sich eine Beute seiner aufgeregten Nerven und wandte sich dem großen Refraktor zu, um ihn für die neuen photographischen Aufnahmen des Mars einzustellen.

Er brachte sein Auge an das Okular des riesigen Instruments – ein nebeliger Schleier verhüllte das Gesichtsfeld!

Eben trat Mr. Lowell ein.

»Nun – eingestellt?« fragte er.

»Nein – sehen Sie doch, Mr. Lowell! Das Gesichtsfeld des Refraktors ist völlig verschleiert – die Atmosphäre ist doch völlig klar?«

Mr. Lowell blickte zuerst durch das Okular des großen Refraktors, dann durch das auf demselben Gestell montierte kleinere Sucherfernrohr. Das Gesichtsfeld des letzteren war völlig klar!

»Sollte durch irgendeine Ursache das Objektiv plötzlich getrübt worden sein – irgendein Niederschlag oder Staub von außen die Lichtdurchlässigkeit hindern?« fragte der Assistent.

Mr. Lowell antwortete nicht. Ein seltsamer, scharf säuerlicher Geruch machte sich mit einem Male in der Nähe des Refraktors bemerklich. –

Und eben wollte Mr. Lampland sein Gesicht aufs neue dem Okularende des riesigen Fernrohrs nähern, als ein furchtbarer Knall die beiden Männer zu Boden warf.

In dem Flammenblitz der gewaltigen Explosion aber erschien einen Moment das fleischlose, fahle, jetzt von einem triumphierenden Lachen verzerrte Gesicht – Mr. Ferrums!

Und dieses Gesicht zeigte, von keiner schwarzen Stirnbinde mehr bedeckt, ein auf Erden nie geschautes Phänomen: es besaß – drei Augen, zwei, wie andere Menschenaugen, und das dritte, ein Scheitelauge, mitten auf der Stirn! Und jetzt, da tiefes Dunkel wieder den großen Raum erfüllte, leuchtete das dritte Auge in grünem Phosphoreszenzlichte.

Was war das für ein grauenhaft-rätselvolles Wesen?

Mr. Lowell war der erste, der die Besinnung wiedererlangte. Er sprang auf und tastete nach dem elektrischen Lichtschalter, – da hörte er hinter sich ein Geräusch: auch sein Assistent war nur betäubt worden und richtete sich auf. In demselben Moment aber stürzte er nach einer Ecke des Raumes, aus der ein mattleuchtender Punkt schimmerte.

Mr. Lowell vernahm ein heftiges Ringen und Stöhnen. – Endlich hatte er den Einschalter gefunden und legte den Hebel um – die Beleuchtung versagte!

»Zu Hilfe!« rief Mr. Lampland heiser.

Mr. Lowell eilte nach der Stelle, woher der Ruf kam.

»Hierher – Mr. Lowell, hierher – ich hab' ihn!«

Mr. Lowell packte zu: er faßte einen mit aalglatter Gewandtheit sich drehenden Körper. Ehe er aber mit sicherem Griff zupacken konnte, schrie Mr. Lampland heftig auf –

In demselben Augenblick entschlüpfte ihnen die erhaschte Beute.

Jetzt erst erinnerte sich Mr. Lowell an das kleine, von einem Akkumulator gespeiste Notlicht zur Eintragung der astronomischen Ablesungen.

Mit zwei Schritten war er dort und schaltete es ein. Er war mit seinem Assistenten allein; Mr. Lampland hielt sich die Rechte, die ihm der nächtliche Störenfried aus dem Gelenk gedreht hatte.

Beider Blicke fielen zuerst auf den großen Refraktor. Eine Explosion hatte das untere Ende, den Okularteil, glatt fortgerissen. Zum Glück schien die kostbare Objektivlinse am oberen Ende unbeschädigt geblieben zu sein!

»Wer war der Eindringling? Und wie hat eine Explosion im Innern des Refraktors stattfinden können?« rief Mr. Lowell einmal über das andere.

Nun kamen auch einige Diener, die der Lärm herbeigerufen.

»Bringt Licht!« befahl Mr. Lowell.

»Und ruft Mr. Ferrum!« setzte Mr. Lampland hinzu. – Die Diener kehrten mit Lichtern zurück; einer von ihnen brachte die Meldung, daß Mr. Ferrum nicht mehr auf seinem Zimmer sei – nur seine Gummihandschuhe lägen dort.

»So bringt sie!« sagte Mr. Lampland, unausgesetzt die schmerzende, verstauchte Rechte reibend.

»Und seht, ob ihr Mr. Ferrum irgendwo entdecken könnt!« rief ihnen Mr. Lowell nach.

»Wir werden keine Spur mehr von ihm entdecken,« meinte Mr. Lampland. Mr. Lowell sah ihn fragend an.

Der Diener brachte die schwarzen Gummihandschuhe.

»Sehen Sie, Mr. Lowell,« sagte der Assistent, »mein Verdacht hat mich nicht getäuscht. Seit heute abend, seit wir den photographischen Apparat von neuem für das Fernrohr herrichteten und ich unseren Mr. Ferrum bei seinen Manipulationen beobachtete, entstand plötzlich – ich wüßte kaum zu sagen, wie! – mein Verdacht; mich überkam ein Gefühl, als sei der Mann nicht der, für den er sich ausgab. Seine glänzenden chemischen und photographischen Kenntnisse machten ihn mir plötzlich nur noch mehr verdächtig; wie ein Blitzstrahl kam mir vorhin, als ich hier allein war, die Erleuchtung, daß alle die Vorkommnisse der letzten Tage sich wie Ringe einer Kette schlossen: der plötzliche Kurzschluß in der Leitung in dem nämlichen Augenblick, als ich gestern die Platte mit dem »wandernden Fleck« mir genauer betrachten wollte, und die in der Dunkelheit und Verwirrung erfolgte Zerstörung der Aufnahme – der Vorfall mit der völlig unbelichteten Platte von heute – und schließlich hier – die Gummihandschuhe, die er fortwährend trug.«

Mr. Lampland hob sie empor. »Sehen Sie; jeder Handschuh hat fünf richtige Finger – aber der fünfte ist bei beiden ein künstlicher, ausgestopfter!«

Starr vor Überraschung, befühlte Mr. Lowell die Handschuhe –

»Wahrhaftig,« rief er, »der kleine Finger an jeder Hand ist falsch!«

»Nun,« sagte Mr. Lampland fortfahrend, »vierfingrige Menschen gibt es augenblicklich auf Erden noch nicht; nehmen Sie dazu sein seltsames Aussehen, ein Greisenkopf mit dem Körper eines Kindes, seine eigentümliche Aufregung, die um so höher stieg, je besser uns die Photographieen vom Mars gelangen, – die offenbar von ihm in einem unbewachten Augenblick in unseren Refraktor geschmuggelte Bombe, deren Zündschnur so berechnet war, daß sie heute nacht die Explosion und damit nach seinem Plan die Zertrümmerung des kostbaren Instruments herbeiführen sollte – vielleicht auch Ihre und meine Vernichtung! – so bleibt nur die Annahme übrig, und der alte römische Grundsatz: cui bono! bestätigt sie: Mr. Ferrum war – kein Mensch, sondern – ein Spion vom Mars!«

Mr. Lowell schüttelte den Kopf und wollte eben etwas erwidern, als einer der Diener, derselbe, der die Gummihandschuhe entdeckt hatte, ihm ein Stück eines photographischen Negativs überreichte, das er soeben beim Durchstöbern der Dunkelkammer in einem Winkel des Fußbodens entdeckt hatte.

Nur einen Blick warf der Assistent darauf; dann sagte er: »Dieser Glasscherben, der übriggebliebene Rest jener Aufnahme, die bei dem gestrigen Kurzschluß in Trümmer ging, bildet das Schlußglied meiner Beweisführung! Sehen Sie, Mr. Lowell, den ›wandernden Fleck‹! Ein günstiger Zufall hat es bei dieser einzigen Aufnahme so gefügt, daß die Sonne von dem rätselhaften schwebenden Etwas in der Marsatmosphäre einen ins Riesenhafte vergrößerten Schatten auf die schneeweiße Eiskappe des Pols geworfen hat – und ich glaube, Sie erkennen nun nach allem Vorangegangenen das rätselhafte Objekt – und verstehen, warum jener falsche Mr. Ferrum, offenbar im Auftrage seines Heimatplaneten, alles tat, um unsere Marsbeobachtungen zuerst zu kontrollieren, dann zu erschweren und schließlich für bestimmte Zeit unmöglich zu machen.« –

Mr. Lowell nickte und sagte ernst: »Noch bleibt mir manches von dem Geschehenen ein Rätsel; aber das Rätsel des »wandernden Flecks« ist gelöst: der verräterische Schatten zeigt mir die ins Ungeheure verzerrten Konturen eines – Riesenflugschiffes, das sich unausgesetzt einem Ziele nähert: unserer Erde!«

 


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