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Es lebte vorzeiten ein Ratsherr zu Schweidnitz, der mehr das Gold liebte als Gott und eine Dohle abgerichtet hatte, durch eine ausgebrochene Glasscheibe des vergitterten Fensters in die seinem Haus grad gegenüberliegende Ratskämmerei einzufliegen und ihm ein Stück Geld daraus zu holen. Das geschah jeden Abend, und sie brachte ihm eine der goldenen oder silbernen Münzen, die gerade von der Stadt Einkünften auf dem Tische lagen, mit ihrem Schnabel getragen. Die andern Ratsbedienten gewahrten endlich der Verminderung des Schatzes, beschlossen, dem Dieb aufzulauern, und fanden bald, daß die Dohle nach Sonnenuntergang geflogen kam und ein Goldstück wegpickte. Sie zeichneten darauf einige Stücke und legten sie hin, die von der Dohle nach und nach gleichfalls abgeholt wurden. Nun saß der ganze Rat zusammen, trug die Sache vor und schloß dahin, falls man den Dieb herausbringen würde, so sollte er oben auf den Kranz des hohen Rathausturms gesetzt und verurteilt werden, entweder oben zu verhungern oder bis auf den Erdboden herabzusteigen. Unterdessen wurde in des verdächtigen Ratsherrn Wohnung geschickt und nicht nur der fliegende Bote, sondern auch die gezeichneten Goldstücke gefunden. Der Missetäter bekannte sein Verbrechen, unterwarf sich willig dem Spruch, den man, angesehen sein hohes Alter, lindern wollte, welches er nicht zugab, sondern stieg vor aller Augen mit Angst und Zittern auf den Kranz des Turms. Beim Absteigen unterwärts kam er aber bald auf ein steinern Geländer, konnte weder vor noch hinter sich und mußte stehenbleiben. Zehn Tage und Nächte stand der alte arme Greis da zur Schau, daß es einen erbarmte, ohne Speis und Trank, bis er endlich vor großem Hunger sein eigen Fleisch von den Händen und Armen abnagte und reu- und bußfertig durch solchen grausamen, unerhörten Tod sein Leben endigte. Statt des Leichnams wurde in der Folge sein steinernes Bild nebst dem der Dohle auf jenes Turmgeländer gesetzt. 1642 wehte es ein Sturmwind herunter, aber der Kopf davon soll noch auf dem Rathaus vorhanden sein.