Franz Grillparzer
Studien zur Philosophie und Religion. Historische und politische Studien
Franz Grillparzer

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Vorbemerkung zu Band 14–18.

Die Auswahl aus den philosophischen, politischen, ästhetischen und literarischen Studien Grillparzers, die im achten und neunten Bande der ersten Gesamtausgabe enthalten war, leiteten die Herausgeber mit folgendem »Vorwort« ein (Band 9, S. III-V):

»Gleich den Gedichten fanden sich die hier und im achten Bande gesammelten ›Studien und Aphorismen‹ in dem Nachlasse des Dichters, ungeordnet, auf Hunderten von Blättern.

»In seinem Stillleben, mit einer alle Fächer des Wissens umschließenden Lektüre beschäftigt, warf Grillparzer Gedanken, die sich mächtig in ihm regten und nach Ausdruck rangen, auf das Blatt Papier, das ihm nächst zur Hand lag, unbekümmert, was er früher schon auf dasselbe verzeichnet, und schloß es für immer in seinen Schreibtisch ein.

»Es war die Aufgabe der Herausgeber, diese Blätter zu sichten, und ihren reichen, mannigfaltigen Inhalt, wenigstens annähernd, nach Fächern und Kategorien zu ordnen.

»Wenn auch mancher der größeren Aufsätze augenscheinlich für die Veröffentlichung vom Dichter selbst gleich bei der Niederschrift bestimmt war, so erscheint doch unseres Wissens, mit Ausnahme einer Studie über das Drama (S. 114), welche 1838 in einer Wiener Zeitschrift (Archiv von Kaltenbäck) zur Hälfte erschien, und 1869 in der offiziellen Wiener Zeitung reproduziert wurde, alles was dieser Band enthält, zum erstenmale vor dem Publikum.

»Da Grillparzer wahrscheinlich, was er einmal aphoristisch geschrieben und zur Seite gelegt, nie wieder angesehen, konnte es nicht fehlen, daß in diesen Studien, welche ein halbes Jahrhundert umfassen, ein und derselbe Gedanke oftmals wiederkehrt.

»Die Herausgeber glaubten um so weniger eine Abänderung oder Kürzung vornehmen zu dürfen, als diese wiederholt auftretenden Gedanken eben nur beweisen, wie unablässig sie den Dichter zu allen Zeiten beschäftigten, und sie überdies immer in einer andern Form und so mit dem ganzen Gange der Untersuchung verwebt, wieder erscheinen, daß sie nicht weggenommen werden könnten, ohne die logisch gekettete Gedankenreihe zu zerstören.

»Eine Reihe philologischer und ästhetischer Untersuchungen über die klassischen griechischen Dramatiker sind in diese, für das große Lesepublikum bestimmte Ausgabe vorläufig nicht aufgenommen.

»Wenn sich in den Anschauungen des Dichters manchmal Widersprüche finden, so war sich Grillparzer selbst dessen bewußt; er schrieb diese Studien weniger im Hinblick auf andere, als um in sich selbst über manches ins klare zu kommen. Folgender Ausspruch, der sich im Nachlasse fand, möge dem Leser den rechten Standpunkt zur Beurteilung geben:

»›Ich nehme mir vor, ohne Rücksicht auf ein System, dasjenige niederzuschreiben, was mir aus seinem eigenen Wesen zu fließen scheint. Die entstehenden Widersprüche werden sich am Ende von selbst heben, oder indem sie nicht wegzuschaffen sind, mir die Unmöglichkeit eines Systems beweisen.‹«

Diese Auswahl wurde in der zweiten und dritten Auflage der Werke unverändert wiederholt, nur daß in der letzteren die Studien »Zur Philosophie und Religion« aus dem achten in den neunten Band gerückt wurden.

In der vierten Auflage wurde diesen Studien mehr Raum zur Verfügung gestellt: der zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Band. Die philosophischen, historisch-politischen und ästhetischen Aufsätze erhielten eine verhältnismäßig geringe Vermehrung; die spanischen Studien wurden vollständig mitgeteilt, die wertvollen, von Laube und Weilen zurückgelegten Studien zu den griechischen Dramatikern, sowie zahlreiche Aufsätze über italienische, französische und englische Schriftsteller, endlich die große Masse der Studien zur deutschen Litteratur wurden zum erstenmal veröffentlicht. Die neu eingefügte Datierung der einzelnen Aufsätze erleichterte den Ueberblick über Grillparzers Entwicklung und ließ manche Widersprüche in seinen Aufzeichnungen weniger grell erscheinen. In der Unordnung wich ich nur aus zwingenden Gründen von den ersten Auflagen ab.

Diese sachliche Anordnung wurde nun trotz den Bedenken, die dagegen sich geltend machen lassen, auch für die vorliegende Auflage beibehalten. Unserem Dichter hätte es allerdings widerstrebt, seine freigeführten Gedankengänge auch nur durch den Schein eines Systems abgeteilt und eingeteilt zu sehen. Demjenigen, der die Aufzeichnungen des Dichters studiert, um die Entwicklung seiner Ansichten zu verfolgen, wäre eine rein chronologische Anordnung, wie sie in den Erinnerungsblättern und Tagebüchern des Dichters vorliegt, willkommener und bequemer. Der Anschluß dieser Studien an die gleichzeitige Lektüre und ihre Abhängigkeit von den Ereignissen des Tages träte bei einer solchen rein chronologischen Anordnung noch deutlicher hervor. Ich halte es keineswegs für unmöglich, daß die Gedenkblätter und Lesefrüchte Grillparzers einmal ganz in derselben Reihenfolge reproduziert werden, in der sie niedergeschrieben wurden, zum großen Gewinn für die biographische Forschung und für das Verständnis des Einzelnen. Aber eine solche faksimileartige Wiedergabe wird immer nur einen kleineren Kreis von Freunden und Verehrern des Dichters anziehen. Für das größere Publikum stellt sich eine sachliche Anordnung als unerläßlich heraus. Mit näherem Anschluß an die Papiere, mit engerer Zusammenfassung des dem Sinne nach Zusammengehörigen, mit schärferer Datierung, sind doch die alten Gruppen im wesentlichen beibehalten worden, nur ausgestaltet und abgerundet. Für manchen Aufsatz ist eine andere Einreihung denkbar, je nachdem man auf diesen oder jenen Gedanken das Hauptgewicht legt. Alle Pedanterei ist einer solchen bunten Welt flatternder Gedanken gegenüber ausgeschlossen. Ich habe den Ueberblick über die kleineren und kleinsten Abschnitzel zu erleichtern gesucht, indem ich die einem und demselben Blatte oder Heft entnommenen und sicher oder wahrscheinlich zusammengehörigen Aufzeichnungen statt durch Striche, durch Sterne (*) voneinander getrennt habe. Die Unterscheidung durch längere und kürzere Striche in der vorigen Ausgabe war zu wenig sinnfällig und scheint vielen Lesern entgangen zu sein.

Die Verteilung auf die fünf Bände 14–18 ist eine möglichst gleichmäßige.

Der vierzehnte Band enthält die um wenige neue Beiträge vermehrten Studien »Zur Philosophie und Religion« und die politisch-historischen Studien. Für die letzteren wurde die reichhaltige historische Lektüre Grillparzers besser ausgenutzt als es bisher der Fall war, aber ich habe mich gehütet, die Werke mit bloßen Auszügen aus fremden Schriften zu überladen; in den Abschnitt »Zur Zeitgeschichte« wurden die Oesterreich betreffenden Partien näher zusammengerückt; neu eingefügt sind eine Reihe historischer Dokumente, Entwürfe zu Adressen, Ansprachen, Aufrufen, die für den patriotischen Sinn Grillparzers neue glänzende Zeugnisse abgeben und, wie die Herrenhausadresse aus dem Jahre 1861, auch auf die politische Entwicklung Oesterreichs nicht ohne Einfluß geblieben sind.

An die Spitze der ästhetischen Studien im fünfzehnten Bande habe ich eine Gruppe teils zerstreut gedruckter, teils unbekannter Aufsätze gestellt, die ein Heft aus dem Jahre 1819 unter der Überschrift: »Zur Kunstlehre« vereinigt, weil hier der Dichter selbst eine Art von systematischer Aufzeichnung, nach Schlußworten geordnet, im Auge hatte, wie sie uns sonst selten bei ihm begegnet. Von dem Aufsatze »Ueber Genialität« (S. 45), von der Fortsetzung der Abhandlung »Ueber den gegenwärtigen Zustand der dramatischen Kunst in Deutschland« (S. 78) wurden auch die früheren Fassungen eingefügt. Die Theaterkritiken, die der vierzehnte Band der vierten Auflage zu einer Gruppe vereinigt hatte, habe ich jetzt besser unter die Abschnitte »Zur Dramaturgie« und »Zur Musik« (mit neuen Zusätzen) verteilt. Zum erstenmal erscheint in den Werken der schöne Aufsatz »Ueber das Wirken der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und deren gegenwärtigen Zustand«, den ich in der Wiener Zeitschrift, 10. Januar 1839, Nr. 5 aufgefunden habe und von dem sich ein Konzept in Grillparzers Nachlaß erhalten hat, eines der wenigen bei Lebzeiten des Dichters veröffentlichten prosaischen Schriftstücke, ferner der Bericht über die Aufstellung von Schuberts Grabdenkmal, nach dessen Abdruck ich, von Herrn Dr. Max Friedländer unterstützt, in den Wiener Zeitungen vergebens gesucht habe. Dagegen hat sich die Spur, die in Schumanns Briefen (Jugendbriefe, 2. Aufl. Leipzig 1886, S. 184, 206, 285; Briefe, Neue Folge, Leipzig 1886, S. 28) auf Grillparzer als Rezensenten von dessen Erstlingswerken im Allgemeinen Musikalischen Anzeiger (Wien, Haslinger 4. Jahrgang, 1882, Nr. 26 und 5. Jahrgang, 1883, Nr. 10) weist, als zu flüchtig ergeben, um diese Aufsätze daraufhin in die Sammlung der Werke aufnehmen zu können. Vielleicht rühren die betreffenden Aufsätze von des Dichters Bruder, Camillo Grillparzer, her. Die sprachlichen Studien sind neu; die Aphorismen sind neu geordnet.

In den litterarischen Studien des sechzehnten Bandes ist neu die ältere Fassung des großen Aufsatzes »Zur Litteraturgeschichte«, ferner die Studien zur griechischen (außer den Dramatikern) und zur lateinischen Litteratur, der biographisch wichtige Tasso-Aufsatz, Bemerkungen zu Victor Hugo, Barante, de Sacy, Prescott, zu dem Roman Simple story, die Besprechung von Moores »Wanderungen eines Irländers zur Entdeckung einer Religion«. Die Aufsätze über Voltaires »Rome sauvée« und Ponsards »Lucretia« standen früher im elften Bande bei den verwandten Plänen des Dichters. Für die Datierung hat sich bei den Studien zu Euripides, Dante und Shakespeare eine wichtige Aenderung ergeben.

Die spanischen Studien im siebzehnten Bande entsprechen bis auf einige weniger bedeutende Aenderungen dem Druck im dreizehnten Bande der vorigen Auflage.

Die Studien zur deutschen Litteratur im achtzehnten Bande haben vorwiegend durch die Berücksichtigung der mittelhochdeutschen Lektüre Grillparzers eine interessante Vermehrung erfahren. Zu Friedrich v. Spee, Gottsched, Liscow finden sich Notizen vor. Die Kritik von Göschels Unterhaltungen über Goethe muß einem bestimmten unbekannten Anlaß entsprungen sein. Sollte Grillparzer einer Aufforderung der Zensurbehörde Folge geleistet haben? Der Brief an den Schillerverein in Leipzig wurde, obgleich die Briefe Grillparzers von dieser Ausgabe prinzipiell ausgeschlossen sind, dennoch aufgenommen, weil das Mittelstück in den ersten drei Auflagen der Werke bereits mitgeteilt war. Auf die Aufsätze »Zur Schillerfeier« werfen die gleichzeitigen Zeitungsberichte helles Licht. Unter den Studien über die zeitgenössischen deutschen Schriftsteller habe ich die über die Oesterreicher zu einer eigenen Gruppe zusammengefaßt. Neu sind hier nur die Charakteristiken Vierthalers, Hormayrs und Siegmund Engländers. Der Aufsatz über Feuchtersleben, der in den Werken Grillparzers bisher bloß nach dem Konzepte aus dem Nachlasse gedruckt war, konnte nach dem ersten Druck in Feuchterslebens Werken (siebenter Band, Wien 1853, S. 225–331) wesentlich verbessert werden.

Die im vierzehnten Bande der vierten Auflage zusammengestellten »Studien zu des Dichters eigenen Werken« kehren jetzt am Schluß des 18. Bandes in der Rubrik: »Zum eigenen Schaffen« erweitert wieder. Die an den Polizeipräsidenten Sedlnitzky gerichtete Verteidigungsschrift über das Gedicht »Die Ruinen des Campo vaccino«, die in den früheren Auflagen gleichfalls nur nach dem Konzepte gedruckt war, ist jetzt genau nach dem Original (im Archiv des Ministeriums des Innern in Wien) wiedergegeben worden. Diese Abteilung aus den ersten Niederschriften der Werke des Dichters und aus seinen Tagebüchern zu vervollständigen, muß einer späteren Zeit vorbehalten bleiben.

August Sauer.

 


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