Franz Grillparzer
Ein Bruderzwist in Habsburg
Franz Grillparzer

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(Ein Kämmerer tritt ein.)

Kämmerer. Erzherzog Ferdinand aus Steiermark
Sind angekommen, bitten um Gehör.

Rumpf. Du liebe Zeit! Ihr Gnaden sind willkommen.

(Kämmerer ab.)

Klesel. Seht Ihr? Da kommt der künft'ge Kaiser an,
Der Erb' von Österreich, wenn Ihr nicht vorseht.

Mathias. Ich will in Ungarn ein Kommando suchen.
Dann – Hab ich dich verstanden? – Klesel, dann,
Die Macht in Händen –

Klesel.         Nur gemach, gemach!
Ihr habt die Macht noch nicht.

Mathias.         Und ich soll betteln?

Klesel. Um Gottes willen, Ihr verderbt noch alles.

(Ein Kämmerer öffnet die Seitentüre rechts.)

Rumpf. Der Kaiser kommt. Ich bitt Eu'r Durchlaucht freundlichst
Abseit zu treten, bis ich angefragt.

Mathias. Ich muß den Kaiser sprechen und ich bleibe.

Rumpf. Bedenkt!

Mathias.         Ich hab's gesagt.

Rumpf.                 Nun denn, mit Gott!
Stellt Euch dorthin. Der Kaiser geht vorüber
Wenn er zur Messe sich verfügt. Vielleicht
Will Euch das Glück, daß er Euch sieht und anspricht.
Er kommt.

Klesel.         Verfärbt Ihr Euch? Nur Mut, nur Mut!
Der Augenblick gibt alles oder nimmt es.

(Alles steht in ehrfurchtsvoller Erwartung. Erzherzog Mathias zieht sich bis hinter die Seitentüre links zurück. Klesel in seiner Nähe. – Zwei Trabanten treten aus der Seitentüre rechts und stellen sich daneben auf; dann einige Pagen, zuletzt der Kaiser auf einen Krückenstab gestützt. Zwei Männer, Gemälde haltend, knien auf seinem Wege. Er bleibt vor dem ersten stehen, betrachtet es, zeigt dann mit dem Stocke darnach hin und bezeichnet an seinem eigenen linken Arme die Stelle wo das Bild ihm verzeichnet scheint. Er schüttelt den Kopf, das Bild wird weggebracht. Er steht vor dem zweiten und gibt Zeichen der Billigung. Endlich nickt er Rumpfen zu, daß dieses zu behalten sei. Zugleich hebt er drei Finger der rechten Hand empor.)

Rumpf. Zweitausend?

Rudolf (heftig und stark).         Drei.
(Er tritt zum Tische auf dem mehrere Bücher liegen. Er ergreift eins derselben.)

Rumpf.                 Aus Spanien.

Rudolf (heiter).
                        Lope de Vega!

Rumpf. Depeschen auch von Eurer Majestät
Gesandten an dem Hofe zu Madrid.

(Rudolf schiebt die auf dem Tische liegenden Briefschaften verächtlich zurück. Er setzt sich und liest, das aufgeschlagene Buch in der Hand.)

Rumpf. Erzherzog Ferdinand sind angelangt.

(Rudolf sieht, aufhorchend, einen Augenblick vom Buche weg und liest dann weiter.)

Rumpf. Don Cäsar waren hier.

(Rudolf, obige Bewegung.)

Rumpf.         Sie kommen wieder.

Klesel (zu Mathias).
Nehmt Euch nur Mut! Ihr zittert, weiß es Gott.

(Der Kaiser lacht unterm Lesen laut auf.)

Klesel. Die Zeit ist günstig. Seine Majestät
Scheint frohgelaunt. Versucht's!

Rudolf (im Lesen).         Divino autor
Fenix de España.

(Mathias nähert sich ihm.)

Mathias.         Gnäd'ger Herr und Kaiser,
Ich hab's gewagt aus meinem Bann zu Linz –

Rudolf (vom Buche aufblickend). Sortija del olvido – Ei, ei, ei!
»Ring des Vergessens« – Ja, wer den besäße!

Mathias. Ob ihr vergönnt –
(Er läßt sich auf ein Knie nieder.)
        Bereit, mein Herr und Kaiser,
Die Rechte alle, die mein Eigentum,
Und die man mir beneidet, Aufzugeben,
Mein Erbrecht auf die österreich'schen Lande,
Die Hoffnung einst zu folgen auf dem Thron,
Für einen Ort um ruhig drauf zu sterben.
(Er legt die Hand auf die Armlehne von des Kaisers Stuhl.)

Rudolf. Wer da? – Rumpf! Will allein sein! – Rumpf, allein!
Allein.

Mathias.         Mein Kaiser und mein Herr!

Rudolf (den Stock gegen Rumpf gehoben).
                Allein!

Rumpf. Ich sagt' es ja, doch Seine Durchlaucht drängten.

Rudolf (mit steigender Heftigkeit).
Allein!

Rumpf (zu Mathias)
        Entfernt Euch, gnäd'ger Herr!

Klesel.                 Kommt, kommt!
Verloren geht sonst alles.

Mathias.         Gott!

Rudolf (vor sich hin).
                Allein.

Mathias. Führt mich ins Grab, da wird mir doch wohl Ruh.

(Ab, von Klesel geführt.)

Rudolf (dumpf).
Allein!

Rumpf.         Was nun beginnen? Gott!
(Er hebt das Buch auf, das der Kaiser weggeworfen hat, und reicht es ihm.)
                Das Buch!

(Rudolf weist es zurück.)

Rumpf. Berichte sind aus Ungarn eingelangt:
Raab ist entsetzt und Papa wird belagert.
Die Malkontenten sollen willens sein –
(Lebhafter.) Ein Kaufmann aus Florenz hat sich gemeldet.
Geschnittne Steine führt er aller Art
Von hohem Werte.

Rudolf.         Sehn!

Rumpf.                 Allein die Preise
Sei'n unerschwinglich.

Rudolf.         Albern.

Rumpf.                 Soll ich also? – Gut.
Der spanische Orator Balthasar
Zuñiga wünscht Gehör.

(Der Kaiser schüttelt den Kopf.)

Rumpf.         Beliebt's Euch etwa
Nunmehro die Berichte –?

(Der Kaiser stößt unwillig mit dem Stocke auf den Boden.)

Rumpf.         Guter Gott!

(Don Cäsar kommt.)

Rumpf. Ihr kommt zur rechten Zeit. Versucht, ob etwa –

Don Cäsar. Ich küß Eu'r Majestät die hohen Hände.

(Der Kaiser mißt ihn mit zornigem Blicke.)

Don Cäsar. Ihr scheint nicht gut gelaunt, doch muß ich sprechen.
Es gilt ein Leben, gilt wohl mehr als dies. –
Es hat ein Kriegsgericht, ob eines Totschlags,
Verübt im herben Fall der Selbstverteid'gung,
Zum Henkersschwert verurteilt Herman Rußworm,
Den treusten Diener Eurer Majestät,
Den Helden in der Türken heißen Schlachten.
Ich bitt Euch nun, das Urteil aufzuheben,
Das Unsinn ist, Verrücktheit, Gotteslästrung.
Euch zu erhalten ein so teures Leben,
Mir einen Freund, den ich nicht lassen kann,
Und retten muß, gält' es das Äußerste.

(Rudolf sieht Wolfen Rumpf fragend an.)

Rumpf. Es ist von wegen Herman Rußworm,
Der, halb gereizt, und halb aus leid'gem Zufall,
Den Obersten erschlug.

(Der Kaiser wirft, wie suchend, die auf dem Tische liegenden Papiere untereinander.)

Rumpf.         Vielleicht das Urteil?
Es lag zur Unterschrift in Dero Kabinett.
Soll ich vielleicht –? Ich gehe, es zu holen.
(Ab durch die Türe rechts.)

Don Cäsar. Ich dank Eu'r Majestät denn nur im voraus
Für die Begnadigung des wackern Manns,
Der alles ist was dieses Wort besagt,
Indes sein Feind ein Weiber-, Pfaffendiener,
Ein Heuchler und ein Schurk! Und wenn der Rußworm
In Zornesglut sich allzuweit vergaß,
So denkt: derselbe Zorn, der hier den Gegner schlug,
Gewann Euch auch in Ungarn zwanzig Schlachten.

(Rumpf kommt mit einem gesiegelten Paket zurück.)

Rumpf. Das Urteil.

(Er reicht die Schrift dem Kaiser, der sie zurückweist.)

Rumpf.         Guter Gott! – Beliebt vielleicht
Eu'r Majestät hochgnädig zu bestimmen
Was Dero Absicht mit so wicht'ger Schrift?

(Der Kaiser nimmt das Paket, liest hohnlachend die Aufschrift und gibt es zurück.)

Rumpf. Ich weiß recht wohl: die äußre Fert'gung lautet
An Rat und Schöffen Eurer Altstadt Prag.
Doch, wenn das Urteil wirklich unterschrieben,
Wie ich vermuten sollte –

(Der Kaiser stößt unwillig mit dem Stocke auf den Boden.)

Don Cäsar.         Gnäd'ger Herr!
Ich muß Euch bitten für zwei Augenblicke
Die feindlich düstre Laune aufzugeben,
Die sich in diesem Schweigen wohlgefällt.
Bedenkt: kommt dieses Urteil so gefertigt
Und unterschrieben auf das Prager Schloß,
So stirbt mein Freund.

Rudolf.         Er stirbt! – Und du mit ihm,
Wagst ferner du's ein Wort für ihn zu sprechen.
Entarteter! Ich kenne deine Wege.
Du schwärmst zu Nacht mit ausgelaßnen Leuten,
Stellst nach den Kindern ehrbar stiller Bürger,
Hältst dich zu Meutern, Lutheranern.

Don Cäsar.         Meuter
Hab ich mit meiner Freundschaft nie beehrt.
Und was den Glauben, Herr, betrifft, da richtet
Nur Gott.

Rudolf.         Ja Gott und du. Ihr beide, nicht wahr?
Glaub du an das was deine Lehrer glaubten,
Die Weiseren, die Bessern laß entscheiden,
Dann kommt's wohl noch an dich. – Der Rußworm stirbt!
Und dank es Gott und einem Rest von Neigung,
Daß ich die Helfer, sie die darum wußten
Die lobten, billigten den feigen Mord
An Belgiojoso freventlich vollbracht,
Nicht ebnermaßen suche mit dem Schwert. –
Das Mädchen, dem du nachstellst, wüsten Sinns,
Laß frei!

Don Cäsar.         Nein Herr, denn sie betrog mich.

Rudolf.                 Meinst du?
Cäsar, solang die ew'gen Sterne kreisen,
Betrügt der Mann das Weib.

Don Cäsar.         Zum mindsten war's so,
Mit einer Frau, die mir gar nah verwandt.

Rudolf. Die dir verwandt? So kennst du deine Mutter?
Und kennst du den, der dir das Leben gab?
Sag ja! sag ja! und ewiges Gefängnis,
Entfernt vom Strahl des gottgegebnen Lichts –
So haben in den Sternen sie's gelesen:
Je näher mir, mir um so grimmrer Feind.
Und also steht er da, hohnlachend, trotzend,
Wie einst der Teufel vor des Menschen Sohn.
Fort dieses Lachen, fort! – Gib deine Waffen!
Nehmt ihn gefangen! – Wie, ihr zögert? weilt?
So will ich selbst mit meiner eignen Hand
(Zu einem Trabanten, der zu äußerst rechts steht.)
Leih deine Partisan mir, alter Freund!
Daß ich –

(Indem er den Stock fallen läßt, um nach der Partisane zu greifen, wankt er und ist im Begriff zu fallen. Die Umstehenden eilen herzu, ihn zu unterstützen.)

        Legt ihr die Hand an mich? Rebellen ihr!
Yo soy el emperador! Der Kaiser ich!
Bin ich verkauft im Innern meiner Burg,
Und ist kein Schirmer, ist kein Helfer nah?

(Erzherzog Ferdinand erscheint in der Türe.)

Erzherzog Ferdinand. Viel Glück ins Haus! – Wie, Eure Majestät?
Was ist? Was war? Wer sagt's?

Don Cäsar (zu Rumpf, der ihn zu begütigen strebt).
        Mich kümmert's wenig,
Ob tausend Teufel mir entgegen grinsen!

Erzherzog Ferdinand (zu Don Cäsar, die Hand leicht ans Schwert gelegt).
Geht junger Mensch! Ihr lernt sonst einsehn,
Daß uns der Böse nah, wenn man ihn ruft.
Fort Ihr! und ihr!

(Die Anwesenden ziehen sich gegen den Hintergrund. Don Cäsar in ihrer Mitte von Rumpf geleitet. Alle ab.)


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