Christian Dietrich Grabbe
Don Juan und Faust
Christian Dietrich Grabbe

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Dritter Akt

Erste Szene

Rom. Platz vor einem der nördlichen Tore.
Nacht, jedoch nicht sehr finster.

Der Gouverneur, sein Diener Gasparo, Don Juan und Leporello treten auf.

Der Gouverneur.
Sind wir hier ungestört, Gasparo?

Gasparo.      Ja.

Der Gouverneur.
Dann Don Juan entblößt Eur Schwert.

Don Juan.      Ist leicht
Geschehn. Nicht schämt es sich der Nacktheit.

Leporello (für sich).      Wenn es
Errötet, ists vom Blute.

Der Gouverneur.      Die Erinnrung
An Donna Anna, an Octavio
Umschwebet meine Klinge.

Don Juan.      Amen. Schlecht
Und unnütz tönt das Wort zum Schall des Stahls.
– Zur Sache, Herr – jetzt wehrt Euch, ich greif an!

(Gefecht.)

Leporello.
Ha, erster Gang! – Der Alte wehrt sich tapfer. –
– Der zweite Gang – Und noch ists nicht zu Ende?
– Herr, Herr, macht schnell, sonst kommt die Polizei,
So träge sie auch ist. – Der dritte Gang!

Don Juan.
Da sitzt es!

Leporello.      Drei sind aller guten Dinge!

Der Gouverneur.
Es ist geschehn um mich – Holt einen Priester!

(Gasparo ab.)

Don Juan.
Wo nichts mehr helfen kann, da ruft man Pfaffen!
Und das ganz folgerecht. Denn niemand hilft
So wenig als ein Pfaffe.

Der Gouverneur.      Ehrenvoll,
Nach dem Gebrauch, in dem ich auferzogen,
Im Zweikampf fall ich – Und nun ists mir doch,
Als wäre Sünde jeder Kampf ums Leben,
Man nenn ihn Zweikampf oder Mord –
– O Christus, Heiland, öffne huldreich mir
Des Himmels Tore, und verzeih dem Greis,
Daß er dem Vorurteil der Jugend folgte,
Und darin hinsank!
     Jesus! süßer Trost,
Dein Name schon stillt meine Furcht –
Ich fühls mit Scham und fühls mit Lust: wie winzig
Sind unsre Fehler gegen Gottes Gnade –
Nur Tropfen stürzend in den Ozean!

Leporello.
Herr, fort – hört wie die Pferde stampfen, schnauben!
Sie riechen Blut und Blutbann!

Don Juan.      Gleich – doch sieh,
Der Alte will mit mir ein Wort noch wechseln.

Der Gouverneur.
Du, Don Juan, sieh diesen Blutstrom – Laß
Wie Lava ihn in deinen Busen dringen,
Und dessen Finsternis mit Flammenrot
Erhellen, grad wie mich dein Blut auch würd
Entsetzen, wenn ich Sieger wäre – Und
Dann denk an Gott, an dein Vergehen – denk
An meine arme Tochter – Nicht verfolg sie
Vielmehr errett sie von dem Faust, und führ
Sie ins Asyl des Klosters.

Don Juan.      Euch im Tod
Belügen, ist mein Wille nicht. Deshalb
Vernehmt: daß Eure Tochter Nonne würde,
Wär schade um sie selbst, – sie ist zu schön,
Um ungebraucht zu welken. An Betschwestern
Erkenn ich alte Buhlerinnen, ganz so sicher,
Wie an den Scherben eingeschlagne Töpfe.
Und Donna Anna ist noch immer rein
Und edel. – Mein Vergehen? Was versteht
Ihr unter dem? Denn was ich einst getan,
Das wißt Ihr nicht, und was ich heute tat,
War alles sehr natürlich; das Natürliche,
Mein guter Alter, ist auch wohl das Rechte.
Ich liebte Anna – ist sie denn nicht hübsch?
Octavio wollte sie durch Heirat mir
Entreißen, – wars nicht klug, daß ich dem wehrte?
Ihr fordertet mich zum Duell, – ich mußte
Mich wehren, sei's auch, daß ich Euch erschlug.
Zwar glaubt Ihr, daß das Recht auf Eurer Seite
Gewesen, – doch ich glaub, es war auf meiner.
Das Recht ist hundertfach und jeder übt
Sein eigenes. Mich leitete, was Euch,
Was mich, was jeden Erdbewohner führt,
Nur nennt man es verschieden. – Warum betet
Der Priester? Warum quält sich der Geschäftsmann?
Weswegen schlägt der König seine Schlachten,
Den Blitz und Donner an Zertrümmerung
Und Tosen überbietend? Weil sie endlich
Vergnügt sein wollen. Stets ruf ich den Wahlspruch:
»König und Ruhm, und Vaterland und Liebe«,
Doch darum nur, weils mir Vergnügen macht,
Dem Inhalt dieser Worte mich zu opfern!

Der Gouverneur.
O meine Tochter! –
     Nicht willst du den Trost
Mir geben, daß du von ihr abläßt?

Don Juan.      Nimmer!

Der Gouverneur.
So höre denn, was ich als halbe Leiche
Noch zu dir rede: durch die Todesnacht
Zuckt es wie Blitzstrahl – es lebt ein Gott –

Don Juan.      Meinthalben!
Die Erde ist so allerliebst, daß mir
Vor lauter Lust und Wonne Zeit fehlt, um
An den zu denken, der sie schuf. Ists Gott –
Nun um so größrer Ruhm für ihn – den Koch
Lobt man mit dem Genusse seiner Speis
Am besten.

Der Gouverneur.      Don Juan, dir ist der Frevel – Scherz!
Des Schwiegersohns, des Vaters Tod, verhöhnst
Du in der Hoffnung, ein schuldloses Mädchen
Zu rauben. Glaub mir aber, sterbend spür
Ichs nur zu deutlich: es gibt einen Ernst,
Der mehr bedeutet als wie das Vergnügen,
Die Tugend nur ist unvergänglich, nicht
Die Lust, mehr als das Leben ist der Tod,
Und die Vergeltung ist unsterblicher
Und schrecklicher als die Beleidigung!

Don Juan.
He, Leporello! Haben wir noch Zeit,
Den Moralisten weiter anzuhören?

Leporello.
Mein Gott, schon kommen Leute!

Don Juan.      Don, sterbt wohl –
Seht dort das Pantheon, und denkt, in Rom
Woll Sterben eines einzelnen nicht gar
Viel sagen. Für die Lehren habet Dank.
Die Donna Anna such ich auf, und hoff
In ihren Armen seliger zu ruhn
Als Ihr im Paradies in Gottes Anschaun.

(Mit Leporello ab.)

Der Gouverneur.
Er trotzt! – Bald steh ich vor dem Thron, von welchem
Die Gnade niederflammt, die Rache –
Dort denk ich deiner, Juan! – Weh, meine Sinne
Vergehn – Wo bin ich? – Löwenzungen funkeln
Und lecken – scheußliches Gewürm kriecht über
Die Brust mir –
     Ha! – Ja – Vaterland,
Und Donna Anna – Waren das nicht Worte,
Die ich einst hörte oder einst gesprochen? – – –

(Er stirbt. Gasparo kommt mit einem Priester zurück.)

Gasparo.
Er ist schon tot.

Der Priester.      Wir sind zu spät gekommen.
Allmächtiger! verzeih ihm seine Sünde!

Gasparo.
Die Bitt ist unnütz. Ich dien ihm lange
Und wüßte keine Sünd, die er vollbracht.

Der Priester.
Wie? Eben fiel er erst im Zweikampf!

Gasparo.      Herr,
Er fiel im Kampf um Don Octavios Blut
Und Donna Annas Ehre.

Der Priester.      Nicht dem Menschen,
Der Gottheit nur geziemt die Rach und Strafe.

Gasparo.
Der Gouverneur dacht anders. Weil die Gottheit
So selten straft, so meint' er wohl, es wär
Recht gut, wenn auch der Mensch ihr etwas nachhülfe. –

(Er und der Priester tragen den Leichnam fort.)

Zweite Szene

Gipfel des Montblanc. Prächtiges Gemach im Zauberschlosse des Faust. Aussicht auf Alpen und Land.

Faust und der Ritter treten ein.

Faust (zornig).
Erbärmlich ist die Kunst, die du hier zeigtest!
Nicht würdig Ihres Blicks ist dieses Schloß,
Ist dieser Saal! Ich schäme mich darob!
Du willst ein Teufel sein, und kannst nicht einmal
Mit Glanze, sei es auch mit falschem, blenden!

Der Ritter.
Dein Aug ist wohl zu schwach, der Glanz zu stark,
– Denn sag, was mangelt diesem Schloß, wo Perl
Und Diamant, dem tiefsten Ozean,
Dem felsgegründetsten Gebirg entrissen,
Von Wand zu Wand mit Strahlen sich bekämpfen?
Wo Purpur, brennender als Sonnenglut
Aus Afrika, dich überall umflammt?
Wo aller Zonen schönste Frücht und Blüten
Gleich einem Sonnenregen Dach und Vorhöfe
Umträufeln? Nicht der größte Kaiser kann
Solch eines glänzenden Palasts sich rühmen!

Faust.
Was Kaiser! Was soll das Mir heißen? Mächtger
Bin ich als alle Lebenden – das Schloß
Genügt mir nicht, genügt nicht meiner Neigung
Für Donna Anna.

Der Ritter.      Alles Mögliche
Geschah – Allein du liebst das Grenzenlose!

Faust.
Die Kunst, die Wissenschaft, Kopf und Herz
Sind ohne Ende und Beschränkung –
Auch meine Liebe!

Der Ritter.      Kraft und Dauer wohnen
Nur in Begrenzungen.

Faust.      Armselge Lehre!
Sie schmeckt nach dem einseitgen Haß
Der Hölle. Was ich grenzlos fühle, muß
Ich grenzlos zu erringen auch vermögen.
Denn warum fühlt ichs sonst?

Der Ritter.      Darum würd
Ich sagen, wenn die Donna sich nicht nahte!

Faust.
So mach dich eilends fort aus diesem Zimmer!

(Der Ritter ab.)

Faust.
Ihr Geister alle, die ihr mir seid Diener,
Begrüßt sie mit dem Donnerjauchzen, mit
Dem Wonnelispel der Musik – Senkt
Euch nieder Sphären und umtanzt sie trunken
Mit euren Harmonien – Ein Frühlingsleuchten
Soll alle Erden, Meere, Inseln, jetzt,
Da ich sie seh, umglänzen – denn sie ists,
Sie ist es, meine Königin!

(Musik und sonniger Glanz. Donna Anna tritt auf.)

Donna Anna.      Weh mir!

Faust.
Erzitternd (und es ist das erste Mal,
Daß ich erzittre) nah ich dir, du Holde!

Donna Anna.
Du zitterst? (Für sich.)
     Zittr ich doch selbst vor seinem Zittern –
(Laut, sich sieder ermutigend.)
– Der Gedanke deiner Schuld durchbebt dich.

Faust.      Nein, der Anblick deiner Schönheit.

Donna Anna.
So wünscht ich, meine Schönheit wäre Feuer,
Dich, den Zertrümmerer von meines Vaters,
Von Don Octavios Lebensglück, verzehrend!

Faust.
Ha! weißt du wer ich bin?

Donna Anna.      Ich gedenke
Nur dessen, was du tatest.

Faust.      Mädchen, Mädchen,
Hüt dich! Der Mann, der sich das Geisterreich
Bezwungen, weil die Erde ihm zu klein war,
Und dem noch jetzt das Reich der Geister nicht
Genügt: – der Faust – der steht vor dir!

Donna Anna.      Sei Faust,
Sei Gott – Wähnst du, du könntest Lieb erzwingen?

Faust.
O Anna, Meteor der Liebe, blick
Nicht zürnend auf mich nieder. Als du blendend
An meines Lebens Horizonte aufstiegst,
Des Himmels Schmuck, des Herzens Wonne, griff
Ich trunken nach dem Licht, das mich entzückte, –
Ich ward, ich blieb ein Kind – Was mich erfreute,
Wollt ich besitzen.

Donna Anna.      Mußt du denn besitzen,
Was dich erfreut? – Unerreichbar wandeln
Die Sterne ihre Bahn, und jeder freut
Sich ihrer dennoch!

Faust.      Flitter, Tand die Sterne!
In deinem Aug nur wohnt mir Leben – Tot
Bin ich, wenn du es mir entziehst. – O Himmel,
Was ist der Haß? der Zorn? Vergängliche
Empfindungen, nichts schaffend, selbst geschaffen!
Lieb ist die einzge schöpferische Allmacht!
– O meine Brust! – sie schwillt empor – mir taumelt
Das Haupt! – All meine alten Welten stürzen
Zusammen, – neue Meere kochen auf
Und werfen neue Erden aus, wie Muscheln!
– Wie schrumpft mir alles ein, nur du nicht! – Für
Das Fleckchen, das dein Fuß hier hat betreten,
Werf ich die ganze Welt weg – – Schämen sollt
Ich mich! – Und du Herzlose, Unbewegte,
Willst zu der Qual der Qualen mich verdammen,
Zur hoffnungslosen Liebe?
     Ha!
Antworte mir!

Donna Anna (sehr ernst).      Wo ist mein Vater? – Fiel
Nicht Don Octavio? –

Faust.      O Abgottsschlange,
So schön geschmückt, als grausam und zerreißend!

Donna Anna.
Der Schreckliche! O rette, Gott! Sein Geist
Schnaubt nach der Liebe, wie nach Blut der Tiger!

Faust.
– – Sieh! grau und himmelhoch wie ein
Senat uralter Erdtitanen, die
im stummen eisgen Trotz zur Sonne schaun,
Am Fuß gefesselt zwar, doch nicht besiegt,
Die mit Verheerung staubender Lawinen
Das leiseste Geräusch, das sie im Traum
Zu stören wagt, bestrafen, – liegen da
Die Alpen, – – blicke weiter: (meine Kunst
Reißt dir die Fern in den Gesichtskreis)
Dort zieht der Rhone hin, stolz auf Lyon,
Das sich in seiner Wellen Spiegel schmückt, –
– Dann öffnen sich die grünen Auen der
Provence, voll von Lieb und von Gesange, –
Und dort, wo, um dein Auge nicht zu hemmen,
Der Pyrenäen Kett ich auseinander sprenge,
Erscheint Hispania, wollüstig in
Zwei Meeren seinen heißen Busen badend, –
Und jene Türme, deren Spitzen, fast
Wie Wetterstrahlen nach den Wolken zucken,
Es sind die Türme deiner Vaterstadt,
Sevillas

Donna Anna.      Ach, Sevilla! Herrliches
Und nie erloschnes Bild aus meiner Kindheit –
So seh ich dich jetzt wieder – ja, du bists –
Der weiße Marmor dort in den Zypressen
Deckt meiner Mutter Grab! Ach meine Mutter!

Faust.
– Und alles dieses, Berg' und Länder, Ström
Und Meere, schütt ich dir zu Füßen, ja
Selbst meine Tränen!

Donna Anna.      Zeigst du mir das Grab
Der Mutter, und du denkst, daß deine Zähren
Mich da noch rühren möchten!

Faust.      Wahre dich
Vor meinen Tränen – Mürbe Felsen, vom
Gebirg zermalmend stürzend, sind sie!

Donna Anna.      Er
Ist wie ein Gott der Tiefen – Doch ich nenn
Ihn bei dem Namen, womit er geboren.
Kühn wirds mich machen gegen ihn: – Mensch,
Gedenke an dein Weib und laß mich frei.

Faust.
Mein Weib? Wer hat dir das verraten?

Donna Anna.      Wüßt
Ichs nicht schon, so verriet' es dein Erröten!

Faust.
Erröten! ja, rot wird der Abend, wenn
Des Nachts Gewitter drohen!
     Ritter! Ritter!

Der Ritter (kommt).
Mein Doktor –

Faust.      Hund, Verräter!

Der Ritter.           Das sind Worte!

Faust.
Und dieses ist die Tat: ihr untern Geister,
Die er tyrannisierte, deren Brust
Seit Millionen Säkeln Gall auf Gall
Gehäuft hat wider ihn – Nehmt ihn fort –
Laßt los die Galle, quält und martert ihn,
Bis daß sein Schrei'n selbst seine Feinde rührt
Und schreckt.

Der Ritter.      Freund, säe, sie nur die Saat,
Die du einst heulend ernten wirst – Sie fällt
Auf einen Feuerboden, heiß genug,
Um tausendfältge Frucht aus jedem Korn
Zu treiben, – jede Marter wird mich lehren,
Wie ich in Zukunft sie an dir verdoppele.

Faust.
Mit Zukunft droht man fortan mir nicht mehr.
Ich fühl es schon: das Jahr ist kurz und lang
Die Stunde. Gibt es Zukunft, Ewigkeiten,
So ists die Gegenwart, in welcher man
Sie findet. Das zeigt mir Ein Blick ins Antlitz
Der Donna Anna. War ich einmal selig,
So bleib ichs stets, trotz aller Höll und Marter.
Ein Teufel nur kann glauben, innres Glück
Mit äußeren Qualen auszutreiben.

Der Ritter.      Der
Hochmütge! Bist viel wen'ger als ein Teufel,
Bist nur ein Mensch!

Faust.      Mein Ritter – Tief' und Höhe,
Das Weltall hast du mir gezeigt, – doch glaube,
So klein der Mensch ist, größer ist er als
Die Welt, – er ist unendlich stark genug,
Um nicht zu hoffen, daß er Teufel bändge,
Zu hoffen, daß er einst Gott auf dem Thron
Zur Seit sich stelle, wär es auch im Kampfe!

Donna Anna. Entsetzlicher!

Faust (zur Donna Anna).      So sprich du nicht; denn grad
An meiner Liebe Größe, hat mein Geist,
Der bis zur Hölle, bis zu jenem dort
Schon hingekrümmt, sich wieder aufgerichtet –
Ich spür es: ebenbürtig sind die Geister,
Vom höchsten bis zum niedrigsten, und was
Der eine ist, wär er auch noch so groß,
Das kann und darf der andre werden!

Der Ritter.       Werden!
Erzengel wollten werden, wurden Drachen!

Faust (noch immer zu Donna Anna).
Mein teures Mädchen, fürchte nicht – Ich weiß,
Was Liebe ist, – weiß, daß sie eigentlich
Aus Kleinigkeiten, Augenzucken, Spiel
Mit weißen Händen, Wohlgefallen an
Erträglich schöner, nett geschniegelter
Gestalt, aus dunklem Trieb der Sinn' entsteht –
Weiß auch, daß man mit Zuckerwörtchen, mit
Schlechten Sonetten, süßen Blicken, halb
Verstohlnem Angriff die Geliebte heimsucht, –
Ich weiß, daß alles das ein Tand nur ist, –
Doch dieser Tand wirkt auf mich, wie ein Fünkchen,
Gefallen in die Pulvermin der Festung –
Nicht zarte Blicke, – urgeborne Kraft,
Glut bis zum Firmament
erregt er mir –
Mit ihr trotz' ich Gott, Satan und mir selbst
Drum, wenn ich diesen da erniedrige,
Den Himmel stürme, Erd und Meer erschüttere,
So ists nur Lieb zu dir, die darin laut wird,
Jedoch in andrer Art als wie gewöhnlich!
     Fort
Mit ihm und peinigt ihn wie ich befohlen!

Der Ritter. Ah! Oha! (Er wird fortgerissen.)

Donna Anna.      Gott beschütz mich! Welch Geschrei!
Das waren keine irdsche Töne – das
Vernahm kein Ohr noch, ohne daß das Herz
Gebrochen wäre.

Faust.      So erklingts, wenn Zorn
Und Jammer, Rache, Schrecken und Zerknirschung
An unzermalmbarn Geisterfürsten malmen!

Donna Anna.
Mein Haupt! Mir schmerzt das Haupt!

Faust.      Ich hab Arznei
Zur Heilung.

Donna Anna.      Weinend bitt ich dich um Gift,
Daß ich vor dir mich rette.

Faust.      Nein, du sollst
Die meine bleiben, auch trotz deines Willens.
– Du sprachst von meinem Weibe – Hattest recht –
Ich hab ein Weib – – Schau hin, nach Norden – dort
Der Strom, die graue Stadt –

Donna Anna.      Grausig und finster
Gleich dir!

Faust.      Respekt vor ihr! Es wandelt da
Am Elbstrom der Zertrümmerer, des Feder,
Als er an Wittenbergs Schloßkirche
Die Wahrheit schrieb, daß alle Erdensatzung
Dem Wort und der Vernunft ist unterworfen,
Gleich dem Kometenschweife wuchs und wuchs,
Bis daß sie über Deutschland und die Schweiz drang,
Und eurem Papst die dreigetürmte Kron
Vom Haupte fegte!

Donna Anna.      Ach, der Ketzer Luther –
Und dieser sein Bewunderer – Mein Christ,
In welche Hand bin ich geraten!

Faust.      Wie
Papistisch und nach spanischer Erziehung
Das klingt – so lieblich tönts in deinem Munde.
Der fromme Irrtum selbst macht reizend dich
Und reizender – bringt dich dem Menschen näher.
Dem schönsten Antlitz fehlt zur höchsten Zierde,
Oft nur ein Blattergrübchen, eine Narbe.

Donna Anna.
Man sollte lächeln. Flammst du Liebe, und
Philosophierst?

Faust.      Ich bin ein Deutscher und Gelehrter,
Und die beobachten auch in der Hölle,
Auch in dem Schoß von Gottes Herrlichkeit,
Und dann auch, wenn sie rasen!
     – jene Frau
Im kleinen Zimmer jener Stadt, die seufzend
Die Hände ringt – sie ist mein Weib – sie weint
Um mich – du aber wirfst mir vor, ich sei
Mit ihr vermählt – Ich winke mit der Hand
Pestblässe überzieht sie, sie sinkt hin!
– Sprich ferner nicht von meinem Weib – ich habe
Keins mehr!

Donna Anna (aufschreiend).      Ha! Gattinmörder!

Faust.           Königsmörder
Und Volkserwürger, Schiffszertrümmerer
Und Landverwüster, alles was du willst,
Um deinethalben!

Donna Anna.      Vater! Vater! nimm
Den Kreuzgriff deines Schwerts im Namen Jesu
Und rett dein Kind vor diesem Dämon!

Faust.      Törin!
Dein Vater hat den Don Octavio
Nicht eine Stunde überlebt. Tot ist er!

Donna Anna.
Tot!

Faust.      Don Juan erschlug ihn!

Donna Anna (erbleichend).           Don Juan!

Faust.
Den liebst du?

Donna Anna.      Lieben! Ihn? Wärs auch – ich flehe:
Räch meinen Vater an ihm! Denn dir ward
Die Macht – ich spür es nur zu wohl!

Faust.      Und selbst wenn
Du ihn nicht liebtest – ich weiß, Er liebt dich –
Auch das soll er nicht wagen – streben soll
Er, und verzweifeln, je dich zu erreichen

Donna Anna.
Mein Haupt – Ich danke dir, o Haupt, daß du
Dich mein erbarmst! – Du brennst, du schmerzest, daß
Ich fast das größte Weh davor vergesse.
– Denk mein am Thron der Gottheit, Vater – Sollt
Die Rach ihr angehören, so gehört
Doch uns (ich fühls) gewiß der Schmerz!
(Sie sinkt in einen Sessel.)

Faust.      Und läg
Sie da im Blut, nicht wankt ich in dem Vorsatz,
Sie zu erobern! –
     Geister auf!
Mit Wunderbalsam heilet sie – Ich merk,
Es naht der Don Juan – Ganz fremd nicht ist
Er ihrem Herzen. – Laßt uns ihm begegnen! (Ab.)

Dritte Szene

Wilde Gegend am Montblanc.

Don Juan und Leporello treten auf.

Leporello.
Nie kommt Ihr zu dem Zauberschloß des Faust –
Wir sind so hoch schon, daß gleich Königen
Auf Thronen uns der Atem ausgeht,
Und dennoch sehen wir noch nichts, – Laßt uns
Zurück – Hier ist kein Hüttenbauen.

Don Juan.      Sehr
Gefällts mir hier – Nicht einen Schritt sind wir
Des Lebens sicher – Schluchten gähnen bergtief
Unter dem dünnen Schnee – Freund, da nur, wo
Es in Gefahr gerät, bekommt das Leben
Ein wenig Wert.

Leporello.      Ja wohl: denn da nur, wo
Das Geld zur Neige geht, wünscht mans am meisten.
Laßt uns umkehren, Herr!

Don Juan.      Noch kann ich weiter!

Leporello.
Mein Gott, so seht doch nur! Wir ließen schon
Die letzten Wolken unter uns zurück, und stets
Wächst noch des Berges Gipfel hoch und höher!
Wenn man hinauf sieht, ists, als drehte
Die Welt sich wie ein Eimer um, als ob
Die Höhe, Tiefe würd, als könnt ich in
Den Himmel fallen!

Don Juan.      Davor sei nicht bange;
Jedoch der Ausdruck war originell –
Dies Goldstück nimm dafür.

Leporello.      Dieses Goldstück?
Säß ich mit ihm im Gasthaus hinterm Ofen!
– Hier aber: – rings umher nichts Lebendes,
Nur Frost und Schnee – die Alpenrücken wie
Erstarrte Walfischrücken in dem Eismeer
Allüberall – und wir dazwischen, einsam
Wie die unschuldgen Fliegen in der Milch –
Wahrlich, als mich Mama mit Qual geboren,
Nicht ahnte sie, daß ihr unselger Sohn
In solche öde Situation geriete –
O meine gute Mutter – Herr, ich weine!

Don Juan.
Da muß ich lachen! – Zeig mir doch die Träne,
Die echte Alpenfrucht – ich liefere sie
Ins Naturalien-Kabinett.

Leporello.      Erbarmen, Herr!
Kehrt um! – Ich lob es allen Heiligen,
Daß ich, werd ich aus dieser Not erlöst,
Mit – der – Lisette mich – verheirate!

Don Juan (wird auf einen Augenblick ernsthaft).
Auf Ehre, das ist viel! Totschlag von Räubern
Ist Kleinigkeit, doch Heirat! Heirat! Ha
Das ist der Winter, der wohl mit der Kraft
Des Eises, die bewegte Well des Bachs
Anfesselt, doch sie auch erstarren macht –
Das ist der frevelhafte, künstliche
Versuch, die freiste göttlichste Empfindung,
(So zart, daß bei dem leisesten Berühren
– Erfuhr ichs selbst nicht schon? – sie in das Nichts
Verfliegt, wie Pulver vor dem Feuer,) aus
Der Waldesfrei' in die Familienstub
Zu locken, – das heißt, Nachtigallen zu
Hausvögeln machen, – eine Glut, die nie
Gewohnheit werden kann noch darf,
Bei der man, auch wenn sie nur Augenblicks
Gleich einem Blitzstrahl uns durchbebt, vor
Vernichtung zittert, zum Gewöhnlichen,
Gemeinen
, zu erniedrigen – Ein Frosthauch
Weht tötend hier um uns – Allein er ist
'ne Flamme gegen den Gedanken an
Verheiratung. – Ha! das Mädchen, das
Ich lieb, umarme, das ich hasse oder
Das Geld hat, heirat ich!

Leporello.      Herr, das trifft zum Teil
Bei meiner Heirat mit Lisetten trefflich.
Ich hasse sie, wie eine Kröte. Ihr versteht
Mich schon, wenn ich erläutere: das Geringe,
Was ich an ihr zu lieben hatte, ist genossen,
Und Speise, wißt Ihr, ißt man niemals doppelt.

(Don Juan will weitersteigen. Leporello hält ihn zurück.)

Leporello.
Herr, halt! – Da klafft ein Abgrund.

Don Juan.      Den umgehn wir!

Leporello.
Und seht! Jenseits bricht jemand durch die Felsen,
Als wärens dünne Hecken.

Don Juan.      Sicher
Der Teufelsritter, der den Aufenthalt
Der Donna uns verriet, und seine Hülf
Uns anbot.

Faust (erscheinend).      Menschenkind, der ist es nicht;
Der büßt bereits an der verdienten Strafe.
Faust ist es selbst.

Don Juan.      Faust selbst! Ei, welcher Held!
Ich bin der Don Juan, und bin es selbst!

Leporello.
Don, laßt uns laufen – 's ist ein Zauberer –
Er kann uns töten, uns verderben – Euch
In einen Hasen, mich zum Löwen wandeln.

Don Juan.
Hohn hier ich aller Zauberei! Sie mag
Spaß machen, gaukeln, Stirnen, Angesichter
Verändern können, doch den Geist verändert
Sie nie – Zu Grunde geht er, oder bleibt
Was er stets war. Mag ich ein Hase werden
Und du ein Leu, ich bleibe Don Juan,
Und du bleibst Leporello, mein Bedienter.

Faust.
Zurück, Juan, denn nie erreichst du die
Gesuchte!

Don Juan.       Atm ich noch, so hoff ich sicher
Sie zu erlangen.

Faust.      Fliehe, sag ich, vor
Dem Ausbruch meiner Macht.

Don Juan.       Vor deiner Macht?
Vor ihr, die nicht mal stark genug ist, um
Dich Schwächling zu beglücken, dessen Brust
So flau, daß sie nach Höllenflamme lechzte,
Als noch des Lebens frische Quellen sie
Umrieselten?

Faust.      Beglückt der Sklav in Ketten,
Kennt er die Freiheit nicht!

Don Juan.      Wer liegt in Ketten?
Wer stürmt mit übermenschlicher Gewalt
Das Herz der Anna, und vermag das Fleckchen
Nicht zu erobern? – Wozu übermenschlich,
Wenn du ein Mensch bleibst?

Faust.       Wozu Mensch,
Wenn du nach Übermenschlichem nicht strebst?

Don Juan.
Ein Übermensch, sei's Teufel oder Engel
Ist Weiberlieb so fremd, als wie nur irgend
Ein untermenschlich Ding, ob Pavian,
Ob Frosch, ob Aff es sein mag – Und, mein Freund,
Ich bins, der in der Donna Anna Herzen lebt!

Leporello.
Wir sind verloren, Herr – Ihr machts zu arg –
Laßt mich an Euren Zipfel fassen – Sturm
Und Ungewitter wehn aus seinen Augen!

Faust.
Ha, ist das wahr, wie ich es längst gefürchtet,
So reiß ich Annas Herz mit seinen Wurzeln
Und deinem Bilde aus! Dich aber werf
Ich an die Grabstätte des Gouverneurs,
Vielleicht die einzge Stelle auf der Erde,
Wo du vor Geistern bebst.

Don Juan.      Du irrst! Ich bebe
Vor dir nicht, nicht vor Geistern!

Faust.      Geister, werft
Ihn dahin!

Leporello.      Nehmt mich mit, Herr – Seht, Wolken! Winde –
Ach da verlier ich meine schöne Mütze noch
Dazu!

(Don Juan und Leporello werden auf den Wink des Faust im Sturm davongeführt.)

Faust.      Sie liebt ihn! Reiß ich sie zu Stücken? –
– Der Teufel hatte recht, nicht log er, da
Er sprach: daß er unsäglich einst geliebt! –
Nur wer geliebt hat, kennt den Haß, den Zorn.
Nur wer sehr fromm war, kann ein Satan werden,
Nur wer ein Satan war, wird echter Frömmling.
– Die Donna Anna, sie die mich verschmäht
Wer sagts, ob ich sie heftger liebe oder hasse? (Ab.)


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