Christian Dietrich Grabbe
Don Juan und Faust
Christian Dietrich Grabbe

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Zweiter Akt

Erste Szene

Rom. Garten des Gouverneurs.

Don Juan und Leporello treten auf.

Leporello.
Ach, Herr, schon ist es vier Uhr nachmittags,
Und immer kommt sie nicht. Es wäre besser,
Wir gingen heim, und schliefen aus vom Spiel
Und Schwelgen der verflossnen Nacht.

Don Juan.      Ausschlafen?
Ha, siehst du diesen Garten, diesen Himmel?
Wie dunkelblau der Äther, und wie hell
Die Sonne, gleich dem Diamant im Finstern!
Kein Wölkchen zu erblicken! – Ach, wie herrlich –
Trauriges Auge, das hier schlummern kann –
Ein umgestürzter Becher voller Lust und Kraft
Umwölbt der Himmel uns, berauschend uns
Und die Natur. Wie rot und trunken brennen
An dem Gebirg die Trauben!

Leporello.      Und wie zierlich funkeln
Der Winzerinnen Backen zwischen durch!
Der netten Winzerinnen, hochgeschätzt,
Die Waden prall, den Fuß so fein und flink –
– Das Wasser läuft mir in den Mund. –

Don Juan.      Der Tag
Ist wundervoll – selbst die Ruinen strahlen
In seinem Schimmer wie verklärte Geister –
Solch einen Herbst trifft man in Rom nur an –
In Siegeskleidung, ähnlich römischen
Altvordern, hüllt sich das Gefild, bevor
Es hinstirbt. – Wie ein goldner Rahmen, der
Das schönste Bildnis, Donna Anna, soll
Empfangen, liegt da die Natur.

Leporello.      Sie kommt!
Sie kommt! Ein weißes Damenkleid blinkt durch
Das Grün des Parkes – O Lisette! die
Lisette ist nicht bei ihr! Desto sichrer
Treff ich sie in der Kammer, und
Vorsichtge Liebe liebt verschloßne Türen.

Don Juan.
Sie kommt! sie naht! Was rauscht am schönsten?

Leporello.      Geld
Im Beutel!

Don Juan.      Das Gewand der Geliebten!

Leporello.           Freilich
So lang als Ihrs noch nicht – Ihr laset noch
Kein Buch zum zweiten Mal.

Don Juan.      Mach fort! da ist Sie! Sie!

Leporello.
Das arme Mädchen, wenns sich läßt betrügen!

Don Juan.
Ich liebe sie!

Leporello.      Ihr lieben? – Nun, dann sagt doch:
Wer ist es, der Kalbsbraten, Mädchen, Wein,
Und Tanz, und alles was gut schmeckt, gut
Aussieht, so liebt, daß er bei dem einen
Das andre gleich vergißt, zum Beispiel bei
Dem Duft des Bratens der Geliebten kaum
Noch denkt? – Fragt die Studenten Salamancas,
Ob sich ein Liebender so aufführt – Mir
Hat Euer junger Vetter, Sennor Pedro,
Einstmals gesagt: Ihr liebtet nie, Ihr kenntet
Genuß und Phantasie nur!

Don Juan.      Was?
Nur Phantasie wär meine Liebe?

Leporello.      So
Sagt Euer Vetter!

Don Juan.      So ist Phantasie
Tausendmal besser als die Wirklichkeit! –
– jetzt geh fort!

(Leporello entfernt sich, Donna Anna kommt, ohne Don Juan zu bemerken; er tritt auf die Seite.)

Donna Anna.      Glänzend, augenblendend
Der Tag – so trüb der Busen – – Nah die Hochzeit,
So fern die Seligkeit – Mich faßt ein Schwindel,
Wenn ich, den heitren Brautkranz in den Locken,
Zufällig im kristallnen Bach mein Bild
Erblicke – Grünt der Kranz noch lange fort,
So sind es meine Tränen, die ihn frisch
Erhalten! – Weh, ich weiß, was meine Seel umdüstert!
Noch gestern nacht hört ich sein Schwert erklingen
Und seine Stimme tönen. – Und sei Er der Gott
Der Hölle, dir Octavio bleib ich treu!
Du hast mein Wort! Dich will, dich muß ich lieben,
Und sollt ichs dadurch lernen, daß ich mir
Das Herz zerbräche – Liebe weniger
Als Ehre! –
     Ach, wie müd bin ich! Das Rauschen
Der Hochzeit, ihre weißen Prachtgewänder,
Wie donnerlaute weiße Wetterwolken,
Die gegen Mittag an dem Horizont
Aufsteigen, um sich abends zu entladen,
Schwebt das mir vor – ich bin erschöpft, wie vorm
Gewitter – könnt ich schlummern und mein Auge
Zuschließen! – Ach es lächelt doch nicht wieder!

(Sie setzt sich auf eine Rasenbank, wie zum Schlummer.)

Don Juan.
– Was hört ich? Lieb' zeugt Liebe! Und tut sie's
Auch nicht, so wüßt ich noch ein sichrers Mittel:
Verachtung! Denn Verachtung zu ertragen,
Dazu ists Weib zu eitel – – Ha, sie liebt mich!
Nur Tugend, Treu, schützt sie entgegen. – Was
Ist Eisen im Schmelzofen, und was ist Tugend
Bei dem Verliebtsein? Tugend wirft man schon
Zu Boden, wagt man mutig nur den Angriff –
Bei Weibern gar ist sie nur eine Art
Koketterie, die unsren Sieg versüßt.
Der Unschuld Bestes ist, sie zu verlieren.
'ne Art Instinkt lehrt das die Damen, – auch
Die Donna Anna fühlt davon ein bißchen!
(Er tritt zur Donna Anna.)
Erwache, Holde!

Donna Anna (aus ihrem Schlummer aufblickend).
     O Madonna! – Er! – Er selbst! –
Fort Frevler! Warum willst du mich umgarnen?
He, Diener! Diener!

Don Juan.      Deine Diener sind
Nicht nah! – Verzeih, zum Schlummer senkte sich
Dein Augenlid – Ich konnts nicht tragen – Denn
Wenn du dein Auge schließest, so ists Nacht
Um mich!

Donna Anna.      Hinweg! Du schreckest mich!

Don Juan.           Nur wo
Du atmest, leb ich. In die Wüste stöß'st
Du mich, wenn du mich von dir weisest.

Donna Anna.      Ha,
Betrüger!

Don Juan.      Weder Gott, noch alle Hölle
Vertreiben mich von dieser selgen Stelle!

Donna Anna.
Octavio! Octavio!

Don Juan.      Der Zierling!
Bei meinem Arm, ich töte ihn, weil du
An ihn gedacht!

Donna Anna.      Abscheulicher! Verwegener!

Don Juan.
Er preise sich! Denn daß dein Mund ihn nannte,
Die schönste Grabschrift ists, die einem Mann
Je ward!

Donna Anna.      Des Lichtes Engel, werdet ihr
Auch ungetreu? Und rafft der Stürme Tosen
Gleich Wolkenbildern euch dahin? Ich weine,
Ich lächle – hasse ihn, ja hasse dich mit Recht!

Don Juan.
Mich hassen? – Mich, der darin einzig sündigt,
Daß er von deiner Schönheit Strahl getroffen,
Ein Aar, der freien Flugs im Äther schwebte,
Geblendet nun zu deinen Füßen stürzt?
– – Doch hasse nur, denn auch der Haß wird lieblich,
Wenn es der deine ist!

Donna Anna.      Zurück! Du trügst
Mich nicht! Nicht Liebe, – Abgrundsflamme ists,
Die in dem Aug dir lodert – Sie versengt
Mein Herz – Doch – Weh mir! – brenn es auch zu Asche,
Ein Opfer sei's, das ich der Lieb und Treue bringe –
– Nehmts gnädig auf, ihr guten Genien!

Don Juan.
Du hättest je Octavio geliebt?

Donna Anna.
Wer gibt dir Recht, mich darum zu befragen?

Don Juan.
Unselge, dich willst du und mich vernichten –
Den Schein bewahren, und der Wahrheit widerstehn –
Mein Tod ists und der deinige! Dein Wort
Hast du Octavio gegeben – Soll
Das Wort, soll dieses Eis, womit
Du deine Freiheit fesseltest, als noch
Der Liebe Feuer dir nicht glänzte, dich
Auch jetzt noch binden, da der Lebensfrühling
Mit seiner jungen Sonne zauberkräftig
Hoch über unsre Häupter tritt? – Wie der
Gebirgswald, wenn der Wind des Sommermorgens
Wollüstig sich in seinen Wipfeln schaukelt,
Mit allen seinen Blättern aufrauscht, selbst
Den tiefverstecktesten, und wie in ihm
Die Vögel dann, des Tages Strahl begrüßend,
Mit tausendfältigem Gesang erwachen,
So regt ein neues Dasein unsre Pulse!
– Ich flehe dich, ich fasse deine Hand,
Sprich Leben oder Tod, mit einem Wort,
Mit einer Silbe sags, ob du mich sterben sehn,
Ob du mich lieben willst?

Donna Anna.      Ich liebe dich,
Und damit lebe wohl! Nie, Furchtbarer,
Werd ich die Deinige!

Don Juan.       Du liebst mich? Schau,
In Lichter Glut flammt meines Lebens Nacht
Empor, berührt vom ersten Strahl des Morgens!
Die Sterne all, die früher einzeln mir
Geleuchtet, schwinden hin vor dieser Pracht!

Donna Anna.
Ach, nicht des Morgens freundlich Licht, nein, es
Sind Blitze, die blutroten Flügelschlags
Zerschmetternd und enteilend, diese Stunde,
So schwül wie keine, uns erhellen.

Don Juan.      Senk nicht
Dein Haupt und fürcht dich nicht vor Blitzen!
Die Liebe macht dich herrlich und nicht schuldig:
In kaiserlich Gewand, in Purpur hüllt
Sie deine Wange!

Donna Anna.      Don Juan, ich wollt,
Daß ich im tiefsten Grabe ruhte!

Don Juan.
Geliebte, weine nicht; voll Wollust küß
Ich sonst der Tränen diamantenes
Geschmeide auf, und glaube mir, daß sie
Als echte Edelsteine mir das Herz
Zerschneiden würden! (Er will sie umarmen.)

Donna Anna.      Wag es nicht, mich zu berühren –
Bei Gott, du stürbest oder ich. Der Liebe
Kann ich nicht wehren, doch die Ehre rett ich!

Don Juan.
Entfliehe nicht. Wohin du fliehst, da folg
Ich als Besiegter.

Donna Anna.      Nicht das Schiff flieht bänger
Vorm Hauch des Sturms dahin, als ich vor dir!

Don Juan.
Bin ich ein Sturm? – O lächle, lächle nur
Einmal, und wie du lächelst, wird das Meer,
Das meine Brust durchtobt, sich ebnen, um
Dein Lächeln nachzuspiegeln, – wird die Wolke,
Die meine Stirn umdüstert, fortfliehn wie
Ein schwerer Traum beim seligen Erwachen!

Donna Anna.
O könnt ich diesen Traum doch nur weglächeln!

Don Juan.
Jetzt erst begreif ich, was der Tod ist –
Er schließt das Leben, öffnet den Olymp!
Bei deinem freudgen Blick, dem Todesengel,
Erstirbt
vor Schmach und Alter das Vergangene,
Und tritt an dessen Stell ein neues Eden.
Wer dir ins Auge sieht, der trinkt vom Lethe!

Donna Anna.
Verführer! Höchster Schmerz und höchstes Glück
Umarmen sich, wenn ich dich seh, dich höre!

Don Juan.
Seit Anbeginn der Welt sind Leid und Freud
In Wort und Tat vermählt – Die treuste Ehe,
Die je gewesen. Darum zag nicht –

Donna Anna.      Heil!
Da naht Octavio!

Don Juan (für sich).      Verflucht, ich war
Im besten Zuge. Meinem Mund entströmten
Die Bilder dutzendweise. – (Laut.)
     Fräulein, Gott
Befohlen – jener Don erregt mir Brustkrampf.
– Wir sehn uns wieder.

Donna Anna.      Nimmer!

Don Juan.           Doch! Gewiß!
(Für sich.) Der Herr Octavio hat mich nicht gewahrt –
Er kommt langsamen bürgerlichen Schrittes.
Zur Seite tret ich in dies Lustgebüsch
Und lausche auf die hübschen Redensarten,
Mit denen er sich expliziert. Man kann
Von derlei Schuften lernen, – sie besitzen
Gefühl – das heißt, statt Phantasie und Geist
Genug zu haben, mit der Leidenschaft
Zu spielen, und mit ihr als goldnem Kranz
Des Lebens Horizont zu schmücken, lassen
Sie sich von ihr durchpeinigen, schrein laut
Vor Schmerzen, und verkaufen diese Ware
Für freie und selbstständige Empfindung.
Und doch – die Weiber sind so dumm – nur Dummheit
Kann sie besiegen – Mit den Wölfen heulen,
Und bei den Weibern frömmeln, tanzen, lügen!
(Er tritt in das Gebüsch zur Seite, bleibt jedoch dem Zuschauer sichtbar.)

Donna Anna.
Er naht! Octavio! Er, dem ich
Mich weihte, und dem ich bleiben will, weil ich
Mich ihm geweiht. – Soll ichs ihm sagen,
Daß Don Juan mich liebt? – Nein, nein, der Schläfer
Soll nicht erfahren, welche Wolk ihm über
Das Antlitz wegzog – Mut, Mut, arme Anna!
Die Tochter des Don Gusman darf den Tod
Nicht fürchten, und noch weniger ihr Herz –
Die Treu ist ewig, Liebe ist vergänglich –
Das Ewge siege!

Don Octavio (tritt auf. Zu Donna Anna).
     Er ist da, der Tag
Der Feier, der den Jugendtraum erfüllt.

Donna Anna.
Den Jugendtraum!

Don Octavio.      Geschmückt zum Hochzeitsreihen,
Stehst du geschmückt für mich!

Donna Anna.      Für dich geschmückt!

Don Juan (für sich).
Das Echo klingt verdächtig: es verändert
Die Worte!

Don Octavio.      Grün, wie Hoffnungsschimmer, glänzt
Der Kranz durch deiner Locken Dunkel – Selig,
Wer solchen Schimmer sieht in solchem Dunkel!

Don Juan.
Wie lange will es dauern bis der Sennor
Von Mantel und Barett, von Geld und Gütern,
Von Kinderzeugung und Erziehung redet? –
Der wird die Püppchen, die Octaviöchen,
Die schreienden Zeugen seiner keuschen Glut,
Empfindsam auf den Armen wiegen. – Welch
Erbärmliches Geschmeiß!

Don Octavio.      Schon als ein Knabe
Verehrt ich dich als Götterbild – wie stahl
Ich mich in deine Nähe – doch so nah
Ich kam, selbst wenn du freundlich mich begrüßtest,
Du bliebst für mich (so schien es mir) ein schöner,
Doch ferner, ferner Stern! Nicht denken kennt ich,
Daß überirdsches Glück, wie deine Stimme,
Dein Anblick es mir boten, hätte nah
Sein können!

Don Juan (für sich).      Macht der Hochzeit! Macht des Weins!
Ich schwörs, weil Hochzeit ist, hat sich der trockne
Herr Bräutigam etwas herausgenommen, drei
Glas Wein getrunken, und sieh da, er wird
Poetisch vor der Ehe!

Don Octavio.      Jede Hoffnung
Und jedes Sehnen ist erfüllt – Es strahlt
Um mich des Daseins Fülle –

Don Juan (für sich).      Mich! Ich! Sich! – Der Selbstling!

Don Octavio.
Nicht selger kann ich werden als ich jetzt
Es bin!

Don Juan (für sich).      So ist es Zeit, du stirbst heut abend!

Donna Anna.
Octavio, ich bin die Deine. Nimm die Hand
Und führ mich zum Altar.

Don Octavio.      Ich führ dich hin, doch erst
Laß uns des Vaters Segen holen.

Don Juan (für sich).     Bravo!
Nichts vom alten Schlendrian versäumt:
Des Vaters Segen hilft zur Liebe just
So viel, als Katzen bei dem Fischfang!

Don Octavio.      Nach
Der Hochzeit, Teuerste –

Don Juan (für sich).      Liebwerteste –

Don Octavio.
– Ziehn wir, so denk ich, nach der Heimat, – auch
Dein Vater wird uns gern begleiten –

Donna Anna.      Nein,
Er dient dem Könige solang er atmet!

Don Octavio.
Vielleicht bewegen ihn doch unsre Bitten!
Denn Ruh und Kinderlieb und überreiches
Auskommen, winken ihm auf unsren Gütern.

Donna Anna.
Auskommen! Daran denkt er nicht, und dessen
Hat er mehr als genug!

Don Octavio.      O zürn nicht, Freundin –
Ich meint es gut.

Donna Anna.      Dir sollt ich zürnen? Muß
Ich dich nicht lieben bis in Ewigkeit?

Don Octavio.      Komm!
Verdienen will ich deine Liebe!

(Don Octavio und Donna Anna ab.)

Don Juan (tritt wieder vor).      Der
Armselge! Geld, Heirat und Auskommen
Die Pole seines Lebens! Schade, daß
Maschinen fehlen, um im Ehebett,
Und in der Kirche, auf dem Ackerfeld
Und in der Küche, solches Volk ersetzen
Zu können! – – Herr Octavio irrt sich aber,
Wenn er heut nacht ins Brautbett wähnt zu steigen –
Denn mitten in der Hochzeitsfeier stürzt
Er blutend auf das Estrich, oder
Nicht heiß ich Don Juan!

Leporello (kommt).      Herr, seid Ihr fertig?

Don Juan.
Noch nicht. Wie stehts mit der Lisette?

Leporello.      Herr,
Grad so, wie es mit Donna Anna stünde,
Wenn Ihr sie satt bekommen. – Laßt mich weg
Von Rom, denn in dreiviertel Jahr verklagt
Sie mich auf Heirat!

Don Juan.      Heirat? – Weiß sie auch,
Daß du kein Graf bist?

Leporello.      Pah! Graf oder keiner –
Ich bin ein schmucker Kerl, und das ist
Das mächt'gste Kaisertum bei Mädchen.

Don Juan.      Noch
Heut abend ist die Hochzeit Donna Annas!

Leporello.
Verflucht!

Don Juan.      Bald zünden sie im Hochzeitssaal
Die Kerzen an, und jede Kerze schlägt
Als Blitzstrahl mir ins Auge!
     – Octavio
Muß fallen!

Leporello.      Und die Donna Anna muß
Erobert werden!

Don Juan.      Du sollst dazu helfen.

Leporello.
Recht gern! wenn Ihr nur so wie früher wohl
Bei ähnlicher Gelegenheit, mich schirmt!

Don Juan.
Darauf verlaß dich. – Hier ist Geld, und sorg
So klug nun als dir möglich. – Auf der Hochzeit,
Die gleich beginnt, zu der man mich geladen,
Reiz den Octavio zum Zorn, so daß
Er dich verletzt, und ich den Schein erhalte,
Mit Recht um deinethalb mit ihm in Streit
Zu kommen.

Leporello.      Leicht gesagt und leicht getan! –
– Doch wenn er mir Ohrfeigen austeilt?

Don Juan.      So
Geb ich für jede Ohrfeig dir vier Skudi!

Leporello.
O hätt ich hunderttausend Ohrfeigen,
Ich hätt vierhunderttausend Skudi!

Don Juan.      Sorg nun! (Ab.)

Leporello.
– Nicht leicht ist dieser Beutel – Erst die Hälfte
Für mich – – – Und mit dem Rest komm ich schon aus.
Denn meines Herren Degen, welcher den
Don Bräutigam durchbohren soll, versteh
Ich selbst zu schleifen; – dann fünf Teufelskerle,
Die bei dem Spaße Hand und Dienst uns leihen,
Find ich an jeder Ecke, und bezahl
Sie nur mit Groschen, – endlich noch
Sechs Pferde, die uns mit der Braut im Nu
Forttragen, kauf ich nicht, ich miete sie,
Das Nachsehn aber laß ich dem Vermieter. (Ab.)

(Der Ritter und Faust treten auf.)

Der Ritter.
He, Meister, laßt auf diesem schönen Fleckchen
Uns ausruhn?

Faust.      Knecht, wovon?

Der Ritter (für sich).           Er nennt mich Knecht!
Jahrhunderte soll er das büßen! (Laut.)
     Von
Dem Glanze der Kometen, der Planeten,
Der dich geblendet, – von dem Dunkel
Des Abgrunds, welches dein Gesicht hat bleich
Gemacht! – Bist nun zufrieden, und begreifst
Du nun, was Ich, was Welt, was Gott (wie ihr
Ihn heißt)
sind?

Faust.      Schwächling, der du glaubst, daß Massen
Befriedigen mich möchten, – daß ich albern
Wie ein Eroberer oder Geizhals, Größe
Auf Größe häufen möchte, ewig strebend
Und nie am Ende! Ja, versagen mag
Dem Wanderer der Atem, wenn er da,
Wo heiß und gelb, wie Flugsand aus der Wüste,
Die Stern' im Weltsturm durcheinander jagen,
Dem wilden Schauspiel zusieht, – doch dazu
Bedarf es nicht des Firmamentes, denn
Sowohl in der Sahara als im Sumpf
Geht dir der Atem aus – Zeige mir
Den Abgrund, welchen ich nicht bodenloser,
Den Gipfel, den ich mir nicht schwindelnder,
Das Weltall, welches ich mir nicht
Unendlich größer denken könnte – Was
Bis jetzt ich von der Welt erkannte, hat
Mir nur bewiesen, daß es Größ und Kleinheit
Darin nicht gibt, – und daß die Milb so sonderbar
Erbaut ist, als der Elefant – Freund, nach
Der Kraft und ihrem Zweck hab ich geforscht,
Nicht nach der Außenseite!

Der Ritter.      Und die Kraft,
Den Zweck begreifst du nicht, selbst wenn ich sie
Entzifferte.

Faust.      Weshalb nicht?

Der Ritter.           Weil sie jenseits
Der Sprache liegen. Nur was ihr in Worte
Könnt fassen, könnt ihr denken.

Faust.      Wie? die Sprache
Wär größer als der Mensch?

Der Ritter.      Sie ists!

Faust.
Gefühl und Sehnsucht, alle die sprachlosen
Empfindungen, die gleich Gewitterschauern uns
Durchbeben – Was sind sie?

Der Ritter.      Nur Nebel, Nebel!
Was sprachlos ist, ist ohne Sinn und Klarheit!

Faust.
So wär die ganze Menschheit nur Geschwätz!
– Und warum fühl ich Durst, mehr zu erforschen,
Als mir die Sprache bieten kann?

Der Ritter.      Weil du
Zu diesem Durst dich künstlich reizest. Machs
Wie Millionen deiner Brüder – schlaf,
Iß, trink und sei vergnügt.

Faust.      – Ha – welcher Schatten
Durchzuckte plötzlich Höll und Himmel,
Als du in vollem Glanze sie mir zeigtest?
Als er hereinbrach, standen Engel, Teufel,
Gott und du selbst erstarrt wie Wachsfiguren

Der Ritter (zitternd und verwirrt).
Ein Schatten – Nun, ich glaube – dieser Schatten
(Vielleicht auch nur ein allzuhelles Licht)
Hat oftmals manchen Geist entsetzt – Ich kenn
Ihn nicht – Es scheint, als fiel er in die Welt
Von außen.

Faust.      Wie?

Der Ritter.           Ja, denn nur die Welt, den Teufel,
Den Gott, den du begreifen kannst, begreifst,
Erblickst du!

Faust.      Lügner und Verräter! Wo
Sind sie, die tiefsten Pulse der Natur,
Die du zu zeigen mir gelobt?

Der Ritter.      Sie schlagen
In jedem Grashalm unter deinen Füßen!

Faust.
Du Schattenbild! Erbärmlicher –

Der Ritter (für sich).      Er schimpft!
Er schimpft, der Wurm! O wie ein Meer von Gift
Gärts in mir auf!

Faust.      Ich spürs – ein Teufel weiß
Nicht mehr als wie ein Mensch.

Der Ritter.      Narr, der zum Satan
Hinflüchtet, ruhig (oder wie ihrs nennt)
Zu werden. Alle Hölle jauchzt' empor,
Als sie dich rufen hörte. Wollt ihr Glück
Und Seligkeit verdienen, so erhebt
Euch erst zu dem Gigantengeiste, der
Inmitten tausendjährger Flammen, die
Vergeblich ihre Zungen an ihm stumpfen,
Inmitten aller Zweifel, die wie Stürme,
Gefühl und Denken aus den Wurzeln reißen,
Inmitten seines Sturzes von des Himmels Höhen,
An nichts verzagt, sich auf sich selbst verläßt,
Und ewig haßt und kämpft in Siegeshoffnung!

Faust.
Der Geist, der statt die Zweifel aufzulösen,
In sie sich fügt, und statt die Ursache
Der Liebe zu ergründen, sich begnügt
Mit Haß – das ist ein Geist, der Bären ziert,
Doch keinen Menschen oder Engel. Freund,
Ich habe mich in dir verrechnet!

Der Ritter (für sich).      Glaubs gern!

Faust.
Zu großen Zwecken kann ich dich nicht brauchen,
Doch da wir einmal wechselseitig sind
Verschrieben, werde ich, solang du mein,
Als Knecht zur Arbeit dich benutzen, und
Mit deinen Kunststücken sollst du mir doch
In etwas dienen!

Der Ritter.      Herr, ich bin Euch ganz
Ergeben – Schade nur, daß Ihr ein Mensch seid –
Es liegt ein echter Gott in Eurem Wesen –
Weh tuts mir sehr, daß ich zu klein, Eur Sehnen
Zu stillen. –
     Doch das Gleiche liebt das Gleiche!
Wen Sonnen blenden, der vergafft sich leichter
In Mädchenaugen!
     – Seht den Spiegel hier!
Was sagt Ihr zu dem Weibsgesicht, das draus
Hervorstrahlt?

Faust.      Weibsgesicht – Ich hab 'ne Frau!

Der Ritter.
Was liegt an der auch!

Faust.      Ich bin satt
Der Weiber!

Der Ritter.      Ha! Meinst du es so? Hast nie
Geliebt?

Faust.      Geküßt hab ich, gehofft, gesehnt, –
Doch wenig ist die Welt und groß die Sehnsucht.
Wie konnt ich Mädchen lieben, eh die Gottheit
Mir klar war?

Der Ritter.      O ganz leicht! Beim schönen Werk
Vergißt man oft die Häßlichkeit des Meisters,
Beim Weibe oft die Gottheit und den Teufel.
– Denk nicht, daß du auf deiner Lebensreise,
Die heiße Zone, wo der Himmel brennt
Der Liebe, würdest frei umschiffen können.
Dein Geist mag schwelgen oder darben wollen,
Du magst zum fruchtbarn Tal des Herbstes, oder
Zum Eisgebirg des Winters steuern, –
Der ersten Liebe Sommer mußt du erst
Durchkreuzen – Und mir deucht, daß du ihm jetzt,
Wo jeder Halt dir fehlt, ein neuer Halt
Dir nötig ist, sehr nahe seist!
(Dem Faust ein Bildnis vorhaltend.)
     Schau, Mann,
Die Männin!
      (Für sich.) Ha, ihr Höllenfeuer alle,
Versammelt euch in des Gemäldes Raum,
Umfunkelt mir das Abbild Donna Annas,
Verblendet den hochweisen Doktor!

Faust (das Bildnis betrachtend).      Schön –
Sehr schön – noch nie sah ich so Herrliches – –
– Wie bricht die Stirn aus dieser Locken Dunkel –
So bricht der Gott der Sonne aus der Nacht!
– Ich weiß, dies alles ist ein Höllentrug!
Ich seh die Funken um das Antlitz sprühen –
Doch sei's ein Trug – der Trug ist mehr wert als
Die Wahrheit, als zu wissen, daß man nichts weiß!

Der Ritter.
Der Donna Anna treues Bild erblickst du!

Faust.
Ich blick und blicke – zu 'nem Kinde werd
Ich wieder – Eine Heimat, die ich nie geschaut,
Umlächelt mich – Gibts andre Heimaten
Als das Geburtsland?
–Dieses Auges Braun
Kommt über mich wie Abenddämmerung –
Der Tag erbleicht davor, doch Sterne, zahllos,
Entsteigen, selbst die Finsternis verklärend,
Dem Abgrund – Ach, des Himmels Gründe,
Sandbänke sind sie gegen dieses Auges Tiefen!

Der Ritter (für sich).
Nun karessiert der Entrich seine Ente,
Vergißt Philosophie, Mathematik,
Astronomie!

Faust.      Es ist 'ne Albernheit,
Daß mich ein Bildnis so entzückt – Nicht Grund
Seh ich dazu – und doch bin ich entzückt!

Der Ritter.      Der Tor!
Auch in der Liebe spürt er nach dem Grunde
Je grundloser je tiefer!

Faust.      Irr ich mich oder
Hast du mir nicht gesagt, dies sei
Der Donna Anna Bildnis?

Der Ritter.      Ja, das ist es.

Faust.
So führ mich zu ihr, – sehen, sprechen will
Ich sie.

Der Ritter.      Ihr Vater ists, der dich verfolgt!

Faust.
Du nennst mich Graf von Mezzocampi,
Verjüngst mein Angesicht durch Zauberkunst.

Der Ritter.
Ich bin dein Sklav. – Doch weißt du, daß die Donna
Heut abend sich dem Herrn Octavio
Vermählt?

Faust.      Vermählt?

Der Ritter.           So ists –
               Horch! da rauscht
Schon tobende Musik zum Hochzeittanze!

Faust.
Musik! Musik! Sie jubeln und mich faßt der Schmerz! –
Doch wie ein Donner in den Sommertag
Fall ich in dieses Fest! – Mir dient die Hölle
Und mit ihr stürm ich mir den Himmel!

Der Ritter.      Don
Juan wird dir dein Werk verderben: Herrn
Octavio will er würgen und dabei
Die Donna Anna sich gewinnen.

Faust.      Den
Octavio erwürgen? Mag ers tun! Da
Arbeitet er für mich, – denn wenn er den
Herrn Bräutigam erschlagen hat, und denkt
Der Braut sich zu bemächtigen, so klopf
Ich auf die Schulter ihm, stürz ihn zu Boden,
Und nehm die Braut!

Der Ritter.      Das alles kannst du tun
Durch meine Kraft.

Faust.      Durch deine Kraft? Wie meinst
Du das? Das Schwert will etwa mehr sein
Als der, ders trägt?

Der Ritter (für sich).      Der Eitle!

Faust.           Zeig mir Anna –
In diesem Augenblick: – denn die Sekunden
Tropfen aufs Haupt mir, wie geschmolzen Blei.
– Laß mich sie sehen!

Der Ritter.      Riechen – fühlen – Komm!

(Mit Faust ab.)

Zweite Szene

Rom. Saal im Hause des Gouverneurs, mit der Perspektive auf mehrere andere festlich erleuchtete Säle, in denen große Gesellschaft und Tanz ist. Musik.

Signor Rubio und Signor Negro kommen.

Signor Rubio. Wie man zu sagen pflegt, gibt sich der Gouverneur viel Mühe, seiner Tochter Hochzeit glänzend zu machen.

Signor Negro. Er ist ein Narr, wie die Spanier alle. Nichts, gar nichts ist mit ihm zu beginnen. Drück ich seine Hand, so drück ich seine Ehre. Ehre! Ehre! ist das erste, zweite, dritte und letzte Wort bei ihm. Er hat sie nötig, wir Römer haben von ihr Vorrat genug geerbt.

Signor Rubio. Ja, wir sind Römer und Christen dazu, wie man zu sagen pflegt.

Signor Negro. Hört, die Ballmusik, wie bestialisch, wie spanisch! – Wie schleppend! wie matt! – Kein Leben, kein Feuer, nichts Göttliches, keine Figur, keine Melodie! Zwei Gläser Punsch!

Signor Rubio. Verschont mich, Signor, – ich bin, wie man zu sagen pflegt, schon etwas benebelt.

Signor Negro. Benebelt? Ihr? Hilf Himmel! Seid Ihr nicht Polizeidirektor? Wer soll hier am Ende Ordnung halten, wenn Ihr trunken seid?

Signor Rubio. Ach – Ordnung! Ist die Ordnung einmal da, so wird sie sich von selbst halten. Schlechte Ordnung sonst. Ihr kennt meine Polizei noch nicht. – Selbst in der Betrunkenheit bleibt sie möglichst nüchtern – Seht, auf einem Beine kann ich nicht mehr stehn.

Signor Negro. Jesus Christus, Herr Polizeidirektor, nehmt Vernunft an, macht keine Kunststücke, und freut Euch, wenn Ihr Euch auf beiden Beinen erhalten könnt.

Signor Rubio. Was? soll ich doppelt umfallen? Jeder Fuß ist betrunken, und steh ich auf zwei Füßen, so fiele ich auch zweimal um. Man wird sich hüten!

Signor Negro. Trinkt Tee – eßt Eis –

Signor Rubio. Noch ist die Braut nicht da, und der Ball hat erst eben angefangen – Herr, was soll aus uns werden, wenn der Ball zu Ende ist? – Ei, wie sie tanzen – um, um, – rundum – didelum – sie strecken die Beine zu gleicher Zeit nach Morgen und Abend, – 's macht wirblig – Und wie sie sich drehen, – dreht euch zum Henker, mir wirds zu kraus. (Er wirft sich in einen Sessel.)

Signor Negro. Der Saufaus! Er schläft! Und ist Polizeidirektor! – O wär ich Er! – He, Diener, tragt ihn ins Bett!

Signor Rubio. Ins Bett? Warum? Noch bin ich ganz nüchtern, wie man zu sagen pflegt. (Er wird weggetragen.)

Signor Negro (nachdem er in die Tanzsäle gesehen).
– Wo bleibt die Braut? Nicht richtig ist es hier!
(Don Juan und Leporello treten ein.)
Wer sind denn die? Der große ist der Herr,
Der ausgedörrte, magere, der Knecht –
Und wieder Spanier – (Den Don Juan betrachtend.)
     Am wilden Blick,
Und an der Nas, krumm wie ein Adlerschnabel,
Spür ich den Don!

Don Juan (zu Leporello).      Erst Wein, dann Tanz, dann Mord!

Leporello. So sei's! Das wird ein wüster Abend!

Don Juan.      Sind
Die Braut, Octavio, schon da?

Leporello.      Noch nicht!

Don Juan.
Nun, Wein!

Leporello (holt aus dem nebenan befindlichen Büfett mehrere Flaschen).
     Rheinwein, Burgunder und Champagner!

Don Juan.
Hinweg damit – da kommt die Donna!

(Der Gouverneur, Donna Anna und Don Octavio treten ein.)

Der Gouverneur.      Am Altar
Seid ihr durch Priesterhand vereint – So bleibt
Euch treu bis in den Tod!

Don Juan (für sich).      'ne kurze Treue!
Denn für den baldgen Tod will ich schon sorgen.

Der Gouverneur.
Fahr wohl, o Tochter, lebe glücklich! Du
Bist jetzt nicht mehr die meine.

Donna Anna.      Vater, Vater,
Du weinst?

Der Gouverneur.      Wer weinte nicht, wenn er sein Kind
Beglückt sieht? – – Doch auch du bist finster?

Donna Anna.      Macht
Denn großes Glück nicht immer finster? – (Für sich.)
     Ach
Ich Heuchlerin!

Don Octavio.      Zu groß ist stumme Freude –
Laßt sie uns dämpfen mit Musik und Tanz!

Donna Anna. (erblickt zusammenschreckend den Don Juan).
Ja, Tanz! Musik! Mein Herr und mein Gemahl,
Mit Euch eröffne ich den neuen Reigen.

Don Octavio.
Du Teure! komm!

Don Juan (für sich).      Er tanzt wie ein Tanzmeister,
Und nicht als der Gemahl des schönsten Mädchens!

Signor Negro (zum Gouverneur).
– Mein Herr, ich gratulier Euch, Eure Tochter
Ist eine Göttin, Don Octavio ein Gott!

Der Gouverneur.
Ich dank in beider Namen.

Signor Negro.      Nie erblickte
Die Sonne etwas Ähnliches.

Der Gouverneur.      Ihr schmeichelt.

Signor Negro.
Wer sieht das Paar dort tanzen, und kann schmeicheln?
Hinter der Wahrheit bleibt er, macht er auch
Die größten Worte!

Der Gouverneur.      Kommt mit in den Saal.

(Der Gouverneur und Signor Negro gehen nach den Tanzsälen.)

Don Juan.           Sie hat mich bemerkt:
Sie zittert, und sie tanzt vor Schrecken. Wo
Ich schrecke, da erobr ich Liebe – – Wie
Ein Engel schwebt sie auf der Woge der
Musik, ein Blitz der Schönheit zuckt sie durch
Die Tanzreihn, bald vertauchend, bald verschwindend,
Und meines Herzens Schläge sind die Donner,
Die sie begleiten! –

Leporello.      Ists Euch nun gelegen,
Daß ich mit Don Octavio anbinde?

Don Juan.
Noch nicht! Erst mach ich ein paar Tänze mit,
Doch gleich nachher!

Leporello.      Wie ihr wünscht. – Wir können
Losbrechen, wann Ihr wollt – denn Pferd' und Wagen
Und Helfershelfer stehn bereit.

Don Juan.      Gut das! –

(Geht fort und mischt sich unter die Tanzenden. Leporello tritt beiseite. Der Ritter und Faust, letzterer verjüngten Gesichtes und in prächtiger Kleidung, treten auf.)

Der Ritter.
Nicht Einer wird dich jetzt als Faust erkennen.
Du warst von je ein kräftger Mann – doch jetzt –
Ganz unvergleichlich, – infernalische
Schwermut umzuckt dir Antlitz und Gestalt –
Da stehst du, wie die Tann, in der
Es lodert, und um die es brennt – Glaubs sicher,
Mit solchem Feuer von Empfindsamkeit
Und Wissenschaft, von Winters Ofenglut
Und Sommers Hitze, wirst du jedes Weib
Zu deinen Füßen sehn, besonders da
Du wie Apollo in den Muskeln blühst
Und glühest! – Schau, sie blicken schon nach dir –
Nur Donna Anna nicht – bei der hälts schwer –
Sie ist die echte Tochter des Don Gusman! –

Faust (der kaum auf die Worte des Ritters gehört hat, im Anschaun des Tanzes).
Ein Hochzeitsball! Wie festlich glänzt der Saal,
Und wie den Lenz die Blüten, füllen ihn
Die Damen!

Der Ritter.      Ja, mein Doktor, abends auf
Den Bällen, auf Hochzeits- und Siegesfesten,
Da ist es, wo die Menschheit glänzt – beim Schein
Der Lampen oder der Raketen!

Faust.      Freude
Wohnt auf den Wangen, und in ihrer Glut
Erwachsen zarte Rosen augenblicklich!

Der Ritter.
Die heißen Rosen auf der Weiber Wangen
Gehören Mir! Das sind der Hölle feinste
Und schlimmste
Flammen – Keine Brust so tief,
In die sie nicht zu dringen wüßten!

Faust.      Schau!
Und da ist Sie! Stell mich ihr vor!

Der Ritter.      Es ist
Just Zeit dazu, – der Tanz scheint zu pausieren.

(Er tritt mit Faust in den Ballsaal. Der Gouverneur, Signor Negro und andere stürzen heraus in den Vordergrund.)

Der Gouverneur.
Ha, was ist da geschehn?

Erster Herr.      Ein Schrecken zuckt
Durch die Versammlung!

Zweiter Herr.      Und die Herzen kehren
Sich um!

Der Gouverneur (zu einem Diener).      Was gibt es in der Stadt? Ist Feuer?
Ist Aufruhr?

Der Diener.      Herr, die Stadt ist ruhiger
Als je – Nichts Neues ist drin vorgefallen.

Der Gouverneur.
So hat ein blinder Schrecken sich um uns
Verbreitet.

Signor Negro.      Schwerlich das, Herr Gouverneur.
Ich schwöre, jenes leichenähnliche Gesicht,
Das eben in den Saal trat, erregte dies
Entsetzen.

Der Gouverneur.      Jener Ritter, der den Grafen
Von Mezzocampi meiner Tochter vorstellt?

Signor Negro.
Den Unhold mein ich – Und der wilde Graf
Der mit dem Angesicht, in dem es brennt und zuckt,
Als wären Flammen alle seine Mienen,
Zur Seit ihm steht, scheint wahrlich auch etwas
Von Höllenschönheit an der Stirn zu tragen!

Der Gouverneur.
So wäre alles denn ein läppsches Schrecknis! Schaut:
Mit beiden Leuten redet meine Tochter
Besonnener als wir! Was sagt denn auch
Ein böses oder furchtbar wildes Antlitz?
Nicht heuchelt es, wie manches zartre tut!
Ihr Herren, laßt das Fest uns wieder neu
Beginnen.

Signor Negro (halb für sich).      Hm, ganz richtig ist es das nicht!
Das war nicht Schreck allein vor furchtbar wilden
Gesichtern – Gott weiß, was mich überfiel,
Als ich den totenköpfigen Kavalier
Und seinen funkensprühenden Gefährten
Erblickte

(Sie gehen alle wieder in die Tanzsäle – Faust und der Ritter kommen daraus zurück.)

Faust.      Nein, unmöglich ists, daß ich,
Der Faust, dem alle Welt zu eng gewesen,
In einem Augenblick im kleinen Raum
Von eines Mädchens Antlitz, im Gelispel
Von ein paar Mädchenlippen mich verliere!
Und doch, so ists!

Der Ritter.      Hab ichs nicht prophezeit?
Die Pflanze, die vom Boden sich empor
Will schwingen, muß mit Kot gedüngt erst sein,
Bevor sie frei kann wurzeln und aufschießen.
Der Kot – Ihr nennt ihn Leidenschaft, sei's Geiz,
Sei's Ruhm, sei's Aberglaube, sei es Liebe.
– – –Eh, stehst du endlich in der Region
Des Leben-Südens, wo der Hoffnung, wo
Der Sehnsucht Riesenbäume, mit den Wurzeln
Zum Tartarus hindringend, schnell und furchtbar
Zu Äthers höchsten Höhen sich erheben,
So daß die Sterne nur als goldne Früchte
In den belaubten Ästen schimmern, – wo
Das Wort, das einst die Welt, im Wahn, daß sie
Dadurch geschaffen, an dem Schöpfungstag
Noch halb im Traum geflüstert, voller Wohllaut,
Wie eine Silberglocke, schwebend in
Dem Himmelsdome, durch die Nähe tönt
Und Ferne: erste Liebe?
     O auch ich,
(Myriaden Jahre sind seitdem verflossen)
War dieses Wortes voll!

Faust.      Was? wird der Satan
Sentimental?

Der Ritter.      Leicht möglich, daß er ehdem
Es gewesen. Jetzt lacht er des Spaßes.
Wie könnt er so unsäglich hassen, hätt
Er früher nicht so ungeheur geliebt?
Weich glüht das Eisen, eh' es wird zum Schwert –
Den Glücklichen nur kann ein Unglück treffen –
Der Teufel liegt dem Gotte näher als
Die Milbe.

Faust.      Don Juan tritt aus dem Tanzreihn,
Und naht mit seinem Diener – Er will schon
Sein blutges Werk beginnen. Höchste Zeit,
Daß wir gefaßt sind, ihm die Beute zu
Entreißen.

Der Ritter.      Du bist der Gewaltgere!
– Was will der Sperber? Gleich dem Adler
Schwebst du in weiten Kreisen ihn umgarnend
Über ihm!

Faust.      Schnell! bau mir mit Flammenkraft
Hoch auf des Montblancs Alpenhorn
Ein Zauberschloß im Schnee und Eise auf,
So glänzend als die Welt noch nie eins sah.
Ein goldner Frühlingsduft soll es umweben,
Und Regenbogen liebend diesen Duft
Umschlingen – Und die Fenster sollen leuchten
Wie Donna Annas Abglanz – Purpur, feurger
Als Unschuldsrot auf jungen Mädchenwangen,
Soll alle Wände schmücken, – Teppiche,
Vor Wollust schwellend unter ihrem Tritt,
Den Boden küssen, – was der Schoß des Meers,
Der Erde Schachten, dir an Perlen bieten
Und an Juwelen, dort solls strahlen!

Der Ritter.      Während
Du sprachst, ist es vollzogen, und das Schloß
Steht da auf dem Montblanc!

Faust.      Nur
Den Kleidsaum der Geliebten zu umglänzen,
Reiß ich Fixsterne los von ihren Sitzen,
Zu Weibes Dienern sie erniedrigend! –

Don Juan (mit Leporello in den Vordergrund tretend).
– Die Stunde schlägt – der Tanz ist aus – sie kommen
Hier in den Vorsaal – wollen schon zu Bett –
Tritt auf den Fuß ihm, Leporello!

(Donna Anna, Don Octavio, Herren und Damen sind mittlerweile gleichfalls in den vorderen Saal gekommen.)

Leporello (zu Don Juan).      Leicht
Ist das geschehen! (Zu Don Octavio.)
     Herr, verzeiht – ich trat
Euch auf den Fuß!

Don Octavio.      Ist schon verziehn.

Leporello.           Mein Gott,
Da tret ich Euch schon wieder; bitte sehr,
Entschuldigt!

Don Octavio (zu den Dienern, auf Leporello deutend).
     Werft den trunknen Knecht hinaus!

Leporello.
Hinaus wollt Ihr mich werfen? Herr, wißt Ihr,
Mit wem Ihr sprecht? Ich bin ein Edelmann,
Bin aus Biscaya, wo der Bauer grad
So adlig ist, als nur ein Grande in
Sevilla!

Don Octavio.      Diener, tut wie ich geboten!

Leporello.           Holla!
Wo ist mein Herr? O Don Juan, helft, steht
Mir bei!

Don Juan (tritt vor).      Ein Schuft, der meinen Diener hier
Beleidigt!

Donna Anna.      Wehe, dieser Wetterstrahl
Zuckt auf mein Haupt! – Wo ist mein Vater? – Ruft
Den Gouverneur!

Ein Diener.      Der Gouverneur ist hinten
Mit Signor Negro beim Bankett!

Donna Anna.      Ruft, ruft,
Ruft ihn!

(Diener ab.)

Don Octavio (zu Don Juan).      Schuft selbst, der, ohne die
Veranlassung zu kennen, mich so nennt.

Leporello (zu Don Juan).
Er will als einen Trunknen mich behandeln.
Ihr kennt mich Herr, ich bitte, sagt die Wahrheit:
Ists möglich, daß ich je betrunken werde?
Die Traube soll noch wachsen, die mich trunken
Kann machen!

Don Juan.      Wer den Diener mir verletzt,
Verletzt mich! Zieht den Degen!

Donna Anna und mehrere andere.      Haltet!

Don Octavio (zu Don Juan).           Ihr
Begehrt es!

Don Juan.      Blut für die Beschimpfung!
(Gefecht zwischen ihm und Octavio.)
          Schön!
Da hats getroffen!

Don Octavio (an den Boden stürzend).      Wehe mir – da sitzt es – o
Mein Blut – ich sterbe – Anna, denke dessen,
Der hier so frevelhaft zu deinen Füßen
Erwürgt ward! (Er verscheidet.)

Stimme des Gouverneurs und des Signor Negro (vom Bankett aus den Hinterstuben herschallend).
     Tausend Jahre sollen leben
Die Donna Anna und der Don Octavio!

(Gläserklang und Tusch.)

Don Juan.
Vivant! Doch leider ist der Bräutigam schon tot,
Und mein ist seine Braut!

Leporello.      Kommt, mein Fräulein!

Faust (tritt hinter Don Juan und klopft ihm auf die Achsel).
Du irrst dich, Freund, sie ist die meinige!

Donna Anna.
Nicht dir noch ihm gehör ich –
      (auf Octavios Leiche deutend) Dieser bleibt
Mein Herr!

Viele Anwesende (auf Don Juan und Faust losdrängend).
     Die Mörder greift! die Mädchenräuber!

Faust.
Ihr Herren, rührt euch nicht! – Ich bin der Faust, –
Die Hölle dient mir, ich kann euch zertrümmern
Und was ich kann, das will ich auch zuweilen! –
Fort mit der Braut!

Donna Anna.      O Hülfe! Hülfe! Rettung!
Der Ritter (schnell dem Don Juan ins Ohr).
Ich seh Ihr seid erstarrt vor Zauberei –
– Doch denket dieses Worts, vergeßt es nicht:
Auf den Montblanc führt er die Donna Anna!
(Für sich.)
Und wenn ihm auch der Teufel dienen muß,
So kann er hinterrücks ihn doch verraten!

(Faust und der Ritter mit Donna Anna ab. Der Gouverneur, Signor Negro und andere Herren stürzen herein.)

Der Gouverneur.
Die Stimme meines Kindes schlug mein Ohr –
Sprecht, wo ist meine Tochter?

Don Juan.      Was ich log,
Das wird jetzt Wahrheit. – Faust hat sie entführt.

Der Gouverneur.
Mein Kind ist fort – Was seh ich? – Eine Lücke
Gähnt für mich durch die Welt! –
     Dem Zaubrer nach!

Leporello.
Könnt Ihr die Luft durchschiffen, alter Herr?

Signor Negro.
Und Don Octavio liegt blutend auf
Der Erde!

Der Gouverneur.      Weshalb ward ich achtzig Jahre alt?
Um dies zu schaun?

Don Juan.      Leicht möglich!

Der Gouverneur.           Ach,
Mein einzges Kind in eines Zaubrers Arme!

Don Juan.
Nur ohne Sorg – daraus befrei ich sie!

Der Gouverneur.
Wer wars, der diesen totschlug?

Don Juan.      Ich! Im Zweikampf!

Der Gouverneur.
Du?

Don Juan.      Meinen Diener hatte er verletzt,
Und darum straft ich ihn, und rühm der Tat mich!

Mehrere Anwesende.
Herr Gouverneur – glaubts nicht – der Bösewicht
Wollt gleichfalls Eure Tochter rauben, und
Der Streit des Knechts war abgemachter Handel –

Signor Negro.
Ich will verwünscht sein, wenn ichs nicht gleich ahnte –
Die Polizei – O wär sie nun nur noch bei Sinnen!
Der Signor Rubio!

Viele Anwesende.      Zieht Stilette! Zieht Stilette!
Octavio gerächt, und Don Juan getötet!

Leporello.
Herr, Herr, laßt uns entfliehen!

Don Juan.      Fliehen? Weil
Ich siegte, ordnungsmäßig im Duell?
– Den Gouverneur kenn ich und seine Ehre –
In seinen Schutz tret ich vor diesem Haufen!
– Revanche geh ich jedem, der sie fodert. –
Doch nicht mit Häschern, Sbirren und Stiletten,
Mit seinem Schwert rächt sich der Edelmann!

Der Gouverneur.
Er redet wahr und als ein Spanier
(Zu dem andringenden Haufen.)
Zurück, ich nehm ihn auf in meinen Schutz!
– – O Gott, ganz Spanien gäb ich hin, wenn ich
Die Hand nur meiner Tochter wieder sähe! –
– Tief, tief bin ich gesunken! Selbst das Bild
Des Königs, welches mir so lange stolz
Als Pol-Stern vor dem Aug geschimmert,
Verdunkelt sich in dem Gedanken an
Der Anna Jammer! – Doch den Faust
Empfehl ich Gott, die Anna ihrer Tugend,
Und Don Juan dich fodr ich vor mein Schwert!

Leporello (für sich).
Der Gouverneur hat seine letzte Glocke
Gehört!

Don Juan.      Ich steh zu Diensten! – Leporello,
Sorg für das Nötige zu Kampf und Flucht.
(Für sich.)
Zwei Palmen waren es, die schützend um
Die Quelle in der Wüste standen – Don
Octavio und der Gouverneur – da liegt
Die eine, und die andere wird sofort
Gefällt – dann stürz ich (Faust der Gaukler wehrt
Mir nicht, – denn wär auch sein der Höllenthron,
Nicht hauset er in ihrem Busen) los
Auf sie, erringe sie, selbst vom Montblanc,
Und liebe sie, und –

Leporello.      Und?

Don Juan.           Herr Gouverneur,
Ich bin bereit!

Der Gouverneur.      So kommt! – Wie viele Diener
Habt Ihr bei Euch?

Don Juan.      Nur diesen einzigen.

Der Gouverneur.
So nehm ich auch nur einen mit!
      (er winkt einem Diener.) Gasparo,
Du folgst mir nach!

Gasparo.      In Tod und Leben, Herr!

Der Gouverneur (zeigt auf Octavios Leichnam).
Schafft fort die Leiche! –
(Zu Don Juan.)
     Auf also zum Streite!

(Der Gouverneur mit Don Juan, Gasparo und Leporello ab.)

Signor Negro.
Das sind nun echte spanische Manieren!
Statt durch die Hülfe der Gerechtigkeit
Den Mord zu strafen, oder mit dem Dolch
Den Mörder sicher treffen wollen, – Totschlag
Um Totschlag! – Könnt ich nur den Rubio
Erwecken! – Eine blutge Hochzeit!

Die Anwesenden.      Schauerlich!

(Alle fort.)


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