Emil Gött
Gedichte
Emil Gött

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II.
Gedichte in Prosa

Liebesbrief

Du, wirf dich nur in den wirbelnden Strom des Lebens. Siehe, wenn du nicht versinkst oder verschwemmt wirst, wirst du an dieser Brust landen – ich harre dein!

Oder wirf dich mit rauschenden Flügeln in die Lüfte und Lüste – siehe, wenn du unzerschmettert wieder anlangst, von Enttäuschung zu Enttäuschung – ich stehe da mit ausgebreiteten Armen, dich aufzufangen.

Nichts Menschliches bleibe dir fremd, auf daß ich dir traut werde. Auf den Besitz einer Blinden, oder Betäubten, oder Nichtaussichherausgekommenen gebe ich nichts.

Von allem, was du träumst, mußt du erwacht, von allem, was du begehrst, zurückgekommen sein – zu mir! zu mir allein!

Denn! – – – nicht deine Erstlinge – deine Letztlinge müssen köstlich sein, die Letztlinge von allem!

 


 

Dein Auge, Mädchen . . .

Dein Auge, Mädchen, hat etwas Suchendes, aber es hüpft nicht unruhig umher, sondern es wartet. Es gleicht einer Blüte, die befruchtet sein will. Sie öffnet sich weit, durstend nach dem Trank, den sie nicht sieht, nicht einmal kennt, den sie nur erwartet, sie strahlt ihm entgegen, aber sie läuft nicht hin und her.

Deine Hand hat etwas Tastendes; auch sie sucht; aber sie streichelt nur über die Dinge, sie kennt nicht den harten Griff, der den Affen und seinen Vetter kennzeichnet.

Dein Mund hat etwas Horchendes; er schwatzt nicht viel; er ist glücklich, wenn er plaudern darf – am liebsten über Dinge, die etwas Verschwiegenes an sich haben, an schämig sich enthüllende Rätsel rühren; er ist aber auch zufrieden, wenn er schweigen kann. Er horcht dann mit dem feinen Ohre zusammen. Nein, es horcht dann alles: Ohr, Auge, Mund und Hand, und unter der blassen Haut schimmert eine sanfte Glut.

Ich möchte dir sagen, daß ich dich darum liebe – aber ich darf es nicht, darf diese Glut nicht dunkler färben. Doch ich sehne mich vielleicht mehr als du nach dem Augenblick, wo du die Arme in seligem Zittern um den Nacken eines geliebten Mannes werfen darfst. Nicht
um den meinen!

 


 

An Nietzsche

        Der Welt vertraust du, und traust dem Weibe nicht?
Den Übermenschen wolltest du lehren und machst das Weib zum Tier?
Steigt der Mensch mit einem Fuße, fliegt er mit einer Schwinge?
Wölbt sich ein Tor, spannt sich eine Brücke mit einer Strebe?
Du selber brachst an der Überspannung des Einsamen –
An keine Einsame lehntest du das wankende Haupt
Und standest da in erhobener Zweisamkeit.

 


 

Der Mensch

Aus jähen Abgründen rage ich himmelan, ein einsamer, kühn geformter Gipfel. Es liegt etwas in meinem Bau, daß es keines starken Erdbebens bedürfte, und ich stürzte in mich zusammen – meine Klüfte böten Raum genug, mein Grab zu werden. Aber kein Sturz in Vernichtung könnte mir Eines rauben: Die Wonnen des Anstiegs und die Triumphe der bezwungenen Höhe, die Entzückungen der ungeheuren Weltschau und die Stunden seligen Selbstgenusses in der einsam unvergleichlichen Landschaft.

Zertrümmern kannst du mich noch, o mein Leben, aber das Erlebte nicht rauben noch entwerten.

 


 


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