Friedrich Schiller
Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe - Zweiter Band
Friedrich Schiller

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1799.


560. An Goethe.

Jena den 1. Januar 1799.

Hier zur Unterhaltung ein paar Blätter von Körnern über den Almanach.

Mein Opus ist nun in Ihren Händen, und Sie haben ihm, indem ich schreibe, schon die Nativität gestellt. Unterdessen habe ich schon angefangen, meine Gedanken auf das dritte Stück zu richten um sogleich, wenn ich in Weimar bin, daran gehen zu können. Es gibt zwar noch viel darin zu thun, aber es wird rascher gehen, weil die Handlung bestimmt ist, und lebhafte Affekte herrschen.

Ich muß morgen noch zur Ader lassen, welches ich seit meinen zwei hitzigen Brustfiebern in den Jahren 91 und 92 immer beobachtet habe. Diese Operation hält mich morgen, wenn nicht gar übermorgen, noch hier zurück. Sonst befinde ich mich innerlich recht wohl, aber um die Plage nicht ausgehen zu lassen, habe ich mich neulich unter dem Nagel in den Finger gestochen, der sehr schmerzhaft wird, und, weil es der Mittelfinger der rechten Hand ist, mich beim Schreiben sehr incommodirt.

Sie waren so gütig, mir durch den Kammerrath ein Verzeichniß dessen was ich in Weimar brauche abfordern zu lassen. Das habe ich meinem Schwager neulich zugestellt, und in der Voraussetzung, daß dieß Ihre Absicht dabei sei, alles was ich nöthig habe darunter begriffen.

Morgen hoffe ich noch von Ihnen zu erfahren, ob ich übermorgen kommen darf.

Leben Sie recht wohl. Wir freuen uns beide sehr darauf, Sie wieder zu sehen.

Sch.


561. An Schiller.

Da es mit dem Hauptpunkte richtig ist und ich auch überzeugt bin daß Sie nicht früher schließen konnten, so muß sich das übrige alles geben.

Die zärtlichen Scenen sind sehr gut gerathen und die Einleitung der Astrologie in denselben äußerst glücklich.

Bei allem andern will ich nichts sagen, weil mich die Stunde drängt und weil ich Sie bald zu sehen hoffe. Säumen Sie ja nicht lange, denn es giebt hundert Dinge zu besprechen. Ich hoffe Sie sollen in Ihrem Quartier alles leidlich eingerichtet finden. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 2. Januar 1799.

G.


562. An Schiller.

Mit vielem Vergnügen vernehm' ich daß Sie angekommen sind und wünsche zu erfahren wie Sie Ihren heutigen Tag eingetheilt haben. Möchten Sie den Mittag mit mir essen so sollen Sie schönstens willkommen sein.

Ich befinde mich nicht ganz wohl so daß ich nicht ausgehen mag, da wir diese Tage gute Gesundheit und Stimmung nöthig haben.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau, der ich mich sehr freue Sie bald wieder zu sehen.

Weimar am 5. Januar 1799.

G.


563. An Goethe.

[Weimar, 5. Januar.]

Ich erhalte mit großem Vergnügen Ihr Billet und werde, weil Sie es erlauben, heut um Ein Uhr aufwarten, und kann bis fünf Uhr zu allem, was Sie mit mir machen wollen, bereit sein.

Wir haben in dem niedlichen und bequemen Logis, das Sie uns bereitet und eingerichtet haben, recht wohl geschlafen.

Das übrige mündlich. Meine Frau begrüßt Sie aufs beste.

Sch.


564. An Goethe.

[Weimar] Den 10. Januar 1799.

Ich wünsche und hoffe zu hören, daß Sie diese Nacht ausgeschlafen haben und sich heute wieder besser befinden. Gestern mußte ich mich wundern, wie Sie sich nach einer schlecht schlafenden Nacht und unter Wolken von Tabakrauch noch so ganz gut und bei Humor erhielten.

Heute um vier Uhr werde ich mich bei Ihnen einfinden. Nach geendigter Probe werden wir uns wohl zusammen bei Geh. Rath Voigts befinden.

Meine Arbeit rückt doch immer etwas voran. Nulla dies sine linea.

Wollen Sie mir etwa die letzte Woche der Allg. Zeitung communciren? Die meinige liegt in Jena.

Sch.


565. An Schiller.

Da ich ungewiß bin ob ich Sie heute zu Tische sehen werde und der Herzog mich aufs Zimmer einladen läßt, wohin ich, aus mehreren Ursachen nicht versäumen darf zu gehen, so sage ich dort zu und erwarte Sie, werthester Freund, heute Abend um vier Uhr, da sich die Theatralische Welt wieder bei mir versammeln wird.

Das zweite Stück der Propyläen ist angekommen und die Zufriedenheit, die man etwa haben mag so etwas wieder hinter sich zu sehen, wird durch die böslichen Druckfehler gestört, die sich abermals in den letzten Bogen finden. Wir müssen nun aufs dritte hoffen und die Sache selbst bessern.

Uebrigens kann ich auch dieses Stück nicht ansehen ohne zu wünschen bald etwas von Ihrer Arbeit in diesem Werke zu erblicken.

Worum ich Sie aber, in dem Augenblicke der völligsten Improduction, inständig bitte ist: mir das Apperçü über Piccolomini zu verschaffen womit ich mich in der neuen Zeitung bald möglichst produciren könne. Wir müssen um so mehr eilen weil die Berliner gewiß, sobald das Stück gespielt ist, mit einer Sündfluth von Urtheilen werden angeschwollen kommen. Leben Sie recht wohl.

Weimar am 17. Januar 1799.

G.


566. An Goethe.

[Weimar den 19. Jan. 1799.]

Ich packe hier zwei sehr heterogene Novitäten zusammen. Lassen Sie sich solche zum Nachtisch willkommen sein.

Ifflands Wärme für das Stück läßt mich von dem theatralischen Succeß viel Gutes auguriren.

Da er es für möglich hält, wegen der von ihm zu übernehmenden Rolle meinen Rath noch abzuwarten, so scheinen sie dort mit der Repräsentation nicht so sehr zu eilen, und die Berliner Kritiker werden uns also auch nicht viel zuvorkommen.

Leben Sie recht wohl. In der Oper hoffe ich Sie zu finden.

Sch.


567. An Schiller.

Sagen Sie mir doch mit einigen Worten, werthester Freund, wie Sie geschlafen haben und wie Sie sich befinden? Vielleicht können Sie noch nicht bestimmen ob Sie in die Probe kommen werden! auf alle Fälle, wenn Sie eine Vermehrung des Uebels befürchten, so halten Sie sich heute und morgen zu Hause; ich will indessen, so gut es gehen will, Ihre Stelle vertreten und Ihnen morgen, wie die Sache abgelaufen ist, referiren.

Mad. Teller las gestern in so weit gut daß sie nichts falsch las, aber zu matt und Leseprobenmäßig. Sie versichert: auf dem Theater würde das alles ganz anders werden. Da dieses eine fast allgemeine Schauspieler-Marotte ist, so kann ich sie ihr nicht besonders zurechnen, obgleich diese Albernheit hauptsächlich Ursache ist daß keine bedeutende Rolle recht eingelernt wird und daß nachher so viel vom Zufall abhängt. Ich wünsche von Ihnen das beste zu hören.

[Weimar] Den. 25. Januar 1799.

G.


568. An Schiller.

Wenn Sie den heutigen Tag nur einigermaßen leidlich zugebracht haben und etwas zu unserm nächsten Zweck ausdenken konnten, so wünsche ich schon Glück und will morgen früh bei Zeiten melden was unsere Wöchner für das rathsamste halten. Man trifft nicht immer bei dem besten Willen mit der Vorstellungsart der Schauspieler zusammen und man erschwert es ihnen, wenn man es ihnen bequemer machen will.

Ich habe den heutigen Tag nicht ganz unnütz zugebracht und das ist in meiner jetzigen Lage schon ein Lob für ihn.

Leben Sie recht wohl und ich hoffe, daß wir morgen um diese Zeit schon um ein gutes Theil weiter sein werden.

Weimar den 27. Januar 1799.

G.


569. An Schiller.

Man wird heute früh um zehn Uhr Vorprobe von der Audienz und dem Banquet haben.

Nachmittag fünf Uhr kommen wir wieder zusammen und fangen das Schauspiel von vorne an. Wenn wir nur drei Acte probiren so haben wir Zeit genug, was nöthig sein sollte zu wiederholen.

Ich wünsche Sie heute Mittag zu Tische zu sehen, damit man doch auch wieder wisse daß man einander so nahe ist. Sagen Sie mir ein Wort hierüber.

[Weimar] Am 28. Januar 1799.

G.


570. An Schiller.

So ist denn endlich der große Tag angebrochen, auf dessen Abend ich neugierig und verlangend genug bin. Hier noch einige Bemerkungen.

  1. Wollten Sie Vohs nicht in den ersten Scenen im Küraß kommen lassen? in dem Kollet sieht er gar zu nüchtern aus.
  2. Auch wäre das Barett für Wallenstein nicht zu vergessen, es muß so etwas wie Reiherfedern bei der Garderobe sein.
  3. Wollten Sie nicht auch Wallenstein noch einen rothen Mantel geben? er sieht von hinten den andern so sehr ähnlich.

Mittags hoffe ich Sie bei mir zu sehen.

Weimar am 30. Januar 1799.

G.


571. An Schiller.

Es war mir sehr angenehm zu hören daß die gestrige Aufführung um vieles besser als die erste gegangen ist; es läßt sich nun überlegen was man thut um nach einer Pause die dritte noch weiter zu treiben.

Erzeigen Sie mir heute das Vergnügen Sie Mittags zu Tische bei mir zu sehen, morgen sind Sie zu Durchlaucht dem Herzog aufs Zimmer eingeladen.

Der ich recht wohl zu leben wünsche.

Weimar am 3. Februar 1799.

G.


572. An Schiller.

Hier schicke ich die erste Lage, mit der Bitte die politische Möglichkeit sich zum König von Böhmen zu machen, kürzlich auszuführen. Man kann dieses und was sonst noch einzuschalten nöthig wäre auf besondere Blätter schreiben und einlegen, ohne daß man nöthig hätte das Ganze nochmals abzuschreiben. Bis Ein Uhr hoffe ich ziemlich weit vorgerückt zu sein und Sie alsdann wieder bei mir zu sehen, wo es über Ifflands Brief manche Betrachtungen geben wird.

Jena am 17. Februar 1799.

G.


573. An Goethe.

Jena den 1. März 1799.

Nach acht Wochen Stillstand beginnt also das Commercium durch die Botenfrau wieder. Ich glaube in eine viel ältere Zeit zu blicken, als es wirklich ist. Das theatralische Wesen, der mehrere Umgang mit der Welt, unser anhaltendes Beisammensein haben meinen Zustand indessen um vieles verändert, und wenn ich erst der Wallensteinischen Massa werde los sein, so werde ich mich als einen ganz neuen Menschen fühlen.

Körner hat geschrieben, ich lege seinen Brief bei. Das Humboldtische Werk scheint auch bei ihm kein Glück zu machen; es ist wirklich nöthig, daß man einen passenden Auszug daraus irgendwo vor das Publikum bringe, daß das Gute und Schätzenswerthe seiner Ideen in Curs gesetzt wird. Wie gut ist es übrigens, daß Sie bei den Propyläen nicht auf Humboldt gerechnet haben, da man sieht, wie es ihm bei allem Scharfsinn und Geist nicht möglich ist, den Leser fest zu halten. Es ist doch eine sonderbare Erscheinung, daß er, indem er der Flachheit und dilettantischen Leichtigkeit, welche sonst die autores nobiles charakterisirt, zu entgehen suchte, in diese trockne Manier verfallen mußte.

Ich erhielt heute einen Brief von der Schimmelmann, der mir einen sehr schicklichen Anlaß giebt, die bewußte Sache anhängig zu machen. Auch erfuhr ich darin zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß Wallensteins Lager in Coppenhagen ist, denn es ist da bei Schimmelmanns vorgelesen und sogar an seinem Geburtstag von guten Freunden aufgeführt worden. Ich wüßte keinen andern Weg als von Weimar aus, und fürchte daß Ubique auch hier seine Hand im Spiel habe. Haben Sie doch die Güte es zu untersuchen, und besonders bitte ich, die Piccolomini zu sich ins Haus zu nehmen; denn es wäre doch ein fataler Streich, wenn die Sachen in der Welt herumliefen. Auf Iffland kann ich keinen Verdacht haben. Ubique hat neuerlich in Coppenhagen Mäkelei getrieben, und von seiner Indiscretion ist alles zu erwarten.

Ich kann Ihnen heute nichts mehr sagen, die Post drängt mich und ich muß auch den Ubique abfertigen. Leben Sie recht wohl, Meyern viele Grüße. Meine Frau empfiehlt sich bestens; sie hat gestern der Loderischen Komödie beigewohnt und sich ganz artig amusirt.

Sch.


574. An Schiller.

Ihr Brief kam mir gestern sehr spät zu und ich antworte heute um diese Communication wieder zu Stande zu bringen.

Ich freue mich daß dieser Winter überhaupt Ihnen günstig war, da er sich so schlecht gegen mich betrug. Es ist keine Frage daß wir zusammen in manchem Sinne vorwärts gekommen sind, und ich hoffe die gute Jahrszeit wird uns die Stimmung geben um es auch praktisch zeigen zu können.

Körners Brief kommt mir wunderbar vor, wie überhaupt alles individuelle so wunderbar ist. Es weiß sich kein Mensch weder in sich selbst noch in andere zu finden und muß sich eben sein Spinnengewebe selbst machen, aus dessen Mitte er wirkt. Das alles weist mich immer mehr auf meine poetische Natur zurück. Man befriedigt bei dichterischen Arbeiten sich selbst am meisten und hat noch dadurch den besten Zusammenhang mit andern.

Wegen Wallensteins Lager will ich eine strenge Untersuchung anstellen lassen. Ihre Vermuthung scheint mir nur allzu gegründet. In diesen glorreichen Zeiten, wo die Vernunft ihr erhabenes Regiment ausbreitet, hat man sich täglich, von den würdigsten Männern, eine Infamie oder Absurdität zu gewärtigen.

Ich betreibe nun meine hiesigen Geschäfte und Angelegenheiten so daß ich mich dadurch auf die nächste Zeit frei mache. Uebrigens bin ich vom schlimmsten Humor, der sich auch wohl nicht verbessern wird bis irgend eine Arbeit von Bedeutung wieder gelungen sein wird.

Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und seien Sie recht fleißig. Was mich betrifft so sehe ich voraus daß ich keine zufriedne Stunde haben werde, bis ich mich wieder in Ihrer Nähe befinde, um auf eine erwünschte Weise thätig sein zu können. Auf den Sommer muß ich mir was erfinden es sei was es will, um mir eine gewisse Heiterkeit wieder zu geben, die ich in der schlimmen Jahrszeit ganz vermißte.

Weimar am 3. März 1799.

G.


575. An Goethe.

Jena den 5. März 1799.

Es hat mich diesen Winter oft geschmerzt, Sie nicht so heiter und muthvoll zu finden, als sonst, und eben darum hätte ich mir selbst etwas mehr Geistesfreiheit gewünscht, um Ihnen mehr sein zu können. Die Natur hat Sie einmal bestimmt, hervorzubringen: jeder andere Zustand, wenn er eine Zeitlang anhält, streitet mit Ihrem Wesen. Eine so lange Pause, als Sie dasmal in der Poesie gemacht haben, darf nicht mehr vorkommen, und Sie müssen darin ein Machtwort aussprechen und ernstlich wollen. Schon deßwegen ist mir Ihre Idee zu einen didaktischen Gedichte sehr willkommen gewesen; eine solche Beschäftigung knüpft die wissenschaftlichen Arbeiten an die poetischen Kräfte an und wird Ihnen den Uebergang erleichtern, an dem es jetzt allein zu fehlen scheint.

Wenn ich mir übrigens die Masse von Ideen und Gestalten denke, die Sie in den zu machenden Gedichten zu verarbeiten haben und die in Ihrer Phantasie lebendig liegen, so daß ein einziges Gespräch sie hervorrufen kann, so begreife ich gar nicht, wie Ihre Thätigkeit auch nur einen Augenblick stocken kann. Ein einziger dieser Plane würde schon das halbe Leben eines andern Menschen thätig erhalten. Aber Ihr Realism zeigt sich auch hier; wenn wir andern uns mit Ideen tragen und schon darin eine Thätigkeit finden, so sind Sie nicht eher zufrieden, als bis Ihre Ideen Existenz bekommen haben.

Das Frühjahr und der Sommer werden alles gut machen, Sie werden sich nach der langen Pause desto reicher entladen, besonders wenn Sie den Gesang aus der Achilleis gleich vornehmen, weil dadurch eine ganze Welt in Bewegung gesetzt wird. Ich kann jenes kurze Gespräch, wo Sie mir den Inhalt dieses ersten Gesangs erzählten, noch immer nicht vergessen, so wenig als den Ausdruck von heiterm Feuer und aufblühendem Leben, der sich bei dieser Gelegenheit in Ihrem ganzen Wesen zeigte.

Hier wieder ein Brief von Ubique. Der Mensch kann doch nicht ruhen sich in anderer Affairen zu mischen. Und seine schreckliche Saalbaderei über Wallenstein und die Weiber des Stücks! Ich werde mein Stück nicht dazu hergeben, Schröders Müthlein an den Hamburger Schauspielern zu kühlen.

Opitz will die Stücke für die Leipziger Bühne haben. Seien Sie doch so gütig mir mit dem Botenmädchen die Piccolomini zu schicken, die das Theater jetzt nicht braucht. Ich muß sie abschreiben lassen.

Von Iffland habe ich noch nichts gehört, wohl aber erfuhr ich auf einem andern Weg daß Iffland die erste Vorstellung der Piccolomini nach dem unverkürzten Exemplar gegeben, daß sie bis halb Eilf soll gewährt haben, und daß er bei der zweiten Vorstellung gezwungen gewesen, das abgekürzte Stück zu geben und solches auch auf dem Komödienzettel anzukündigen. Es ist mir sehr verdrießlich, und da er die Länge des Stücks aus den Proben recht gut muthmaßen konnte, so ist es sehr ungeschickt von ihm gewesen. Er soll den Octavio gespielt haben, wie Böttiger schreibt, Thekla sei von Mad. Fleck gespielt worden. Vom Succeß selbst habe ich noch nichts gehört, wahrscheinlich kam die Nachricht, die mir Gries mittheilte, aus dem Schlegelischen Hause.

Auf den Freitag sende ich die zwei ersten Akte des Wallensteins. An Iffland sende ich nichts bis er mir geschrieben hat.

Leben Sie recht wohl und erheitern Sie sich trotz des wiederkehrenden Winters, der hier sehr traurig aussieht. Herzlich grüßen wir Sie beide.

Sch.


576. An Schiller.

Ich muß mich nur, nach Ihrem Rath, als eine Zwiebel ansehen, die in der Erde unter dem Schnee liegt, und auf Blätter und Blüthen in den nächsten Wochen hoffen.

Der Druck der Propyläen ist im Gange, und ich bringe nach meiner gewöhnlichen Art manches andere bei Seite um mir bald möglichst einige freie Wochen zu verschaffen, die ich zum besten anzuwenden gedenke. Es ist sehr sonderbar daß meine Lage, die im allgemeinen genommen nicht günstiger sein könnte, mit meiner Natur so sehr im Widerstreite steht. Wir wollen sehen, wie weit wirs im Wollen bringen können.

Sie erhalten die Piccolomini und den Brief. Eben die Hand dieses allgegenwärtigen Freundes werden Sie in den Acten über die Veruntreuung von Wallensteins Lager antreffen. Seine ganze Existenz gründet sich auf Mäkelei und Sie werden wohl thun ihn von sich zu halten. Wer Pech knetet klebt seine eignen Hände zusammen. Es paralysirt nichts mehr als irgend ein Verhältnis; zu solchen Schuften, die sich unterstehen können den Octavio einen Buben zu nennen.

In diesen Wintertagen, die sich erneuern, ist Palmira ein recht erwünschtes Geschenk. Ich kann kaum erwarten bis die Oper wieder aufgeführt wird und es geht mehr Leuten so.

Leben Sie recht wohl und verzeihen Sie der abermaligen Unfruchtbarkeit dieses Briefes, der ich durch eine Portion Rüben nachzuhelfen suche.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau und fahren Sie fort mir in guten und bösen Stunden durch die Kraft Ihres Geistes und Herzens beizustehen.

Weimar am 6. März 1799.

G.


577. An Goethe.

Jena den 8. März 1799.

Versprochenermaßen sende hier die zwei ersten Akte des Wallensteins, denen ich eine gute Aufnahme wünsche. Sagen Sie mir wo möglich gleich morgen ein Wörtchen darüber und senden mir das Manuscript durch die Sonntagabendspost wieder zu, da ich keine lesbare Abschrift davon habe, und meinen Copisten auch nicht feiern lassen darf.

Zugleich lege ich Ifflands Nachricht von der Vorstellung der Piccolomini bei, nebst dem Komödienzettel. Es ist gerade so ausgefallen, wie ich muthmaßte, und man kann fürs erste damit zufrieden sein. Das dritte Stück wird durchbrechen wie ich hoffe.

Ich habe es endlich glücklicherweise arrangiren können, daß es auch fünf Akte hat, und den Anstalten zu Wallensteins Ermordung ist eine größere Breite sowohl als theatralische Bedeutsamkeit gegeben worden. Zwei resolute Hauptleute die die That vollziehen sind handelnd und redend eingeflochten, dadurch kommt auch Buttler höher zu stehen, und die Präparatorien zu der Mordscene werden furchtbarer. Freilich hat sich dadurch auch meine Arbeit um ein ziemliches vermehrt.

Leben Sie recht wohl für heute. Meine Frau, die nicht ganz wohl war, aber wieder besser ist, grüßt herzlich. Für die Rüben danken wir schön.

Sch.


578. An Schiller.

Die zwei Acte Wallensteins sind fürtrefflich und thaten beim ersten Lesen auf mich eine so lebhafte Wirkung, daß sie gar keinen Zweifel zuließen.

Wenn sich der Zuschauer bei den Piccolominis aus einem gewissen künstlichen, und hie und da willkürlich scheinenden Gewebe nicht gleich herausfinden, mit sich und andern nicht völlig eins werden kann, so gehen diese neuen Acte nun schon gleichsam als naturnothwendig vor sich hin. Die Welt ist gegeben in der das alles geschieht, die Gesetze sind aufgestellt nach denen man urtheilt, der Strom des Interesses, der Leidenschaft, findet sein Bette schon gegraben in dem er hinabrollen kann. Ich bin nun auf das übrige sehr verlangend, das mir nach Ihrer neuen Anlage ganz neu sein wird.

Nachdem ich heute früh Ihre beiden Acte mit wahrem Antheil und inniger Rührung gelesen, kommt mir das dritte Stück vom Athenäum zu, in das ich mich einlasse und worüber mir die Zeit verstreicht. Die Botenstunde schlägt und hier nur noch gute Nachricht: daß ich, durch Ihren Zuruf ermuntert, diese Tage meine Gedanken auf dem trojanischen Felde festgehalten habe. Ein großer Theil des Gedichts, dem es noch an innerer Gestalt fehlte, hat sich bis in seine kleinsten Zweige organisirt, und weil nur das unendlich endliche mich interessiren kann, so stelle ich mir vor daß ich mit dem Ganzen, wenn ich alle meine Kräfte drauf wende, bis Ende Septembers fertig sein kann. Ich will diesen Wahn so lange als möglich bei mir zu erhalten suchen.

Wallenstein schicke ich morgen wieder zurück.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau der ich eine bessere Gesundheit wünsche, und rücken Sie dem Schlusse des Trauerspiels glücklich immer näher.

Weimar am 9. März 1799.

G.


579. An Schiller.

Nur mit ein paar Worten und mit einem herzlichen Gruße von Meyern begleite ich diese Sendung. Es ist ihm wie mir gegangen, er konnte im lesen keine Pause machen. Von dem theatralischen Effect kann man gewiß sein. Seit einigen Tagen halte ich mich mit aller Aufmerksamkeit auf der Ebene von Troja fest. Wenn meine Vorbereitung glücklich von Statten geht, so kann die schöne Jahrszeit mir viel bringen. Verzeihen Sie mir daher wenn ich mich einige Zeit stille halte, bis ich etwas aufweisen kann. Leben Sie recht wohl und vollenden glücklich Ihr Werk.

Weimar am 10. März 1799.

G.


580. An Goethe.

Jena den 12. März 1799.

Daß meine zwei ersten Akte eine so gute Aufnahme gefunden freut mich sehr; die drei letzten, wenn ich sie auch nicht ganz so genau auszuführen Zeit habe, sollen wenigstens dem ganzen Effekt nach nicht hinter den ersten zurückbleiben. Die Arbeit avancirt jetzt mit beschleunigter Bewegung und wenn ich jeden Tag anwenden kann, wie diese letztern, so ist es nicht unmöglich, daß ich Ihnen den ganzen Rest des Wallensteins kommenden Montag durch einen Expressen sende, um das Manuscript, im Fall keine Erinnerungen dagegen zu machen wären, mit der Montag-Abendspost an Iffland zu expediren.

Erwarten Sie darum in dieser Woche nicht viel von mir zu hören.

Daß das trojanische Feld sich anfängt um Sie auszubreiten höre ich mit wahrer Freude. Bleiben Sie in dieser guten Stimmung und möge das heitere Wetter Sie dabei secundiren.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau, die wieder wohl ist, grüßt Sie herzlich. Der Gries ist angelangt von Dresden; es ist ein schwerer Kasten und wir wollen ihn, wenn Sie ihn nicht sogleich verlangen, mit einer Gelegenheit abschicken. Es ist nur für drei Thaler und einige Groschen, weil nicht mehr Vorrath da gewesen; die Mühle war wegen des Frosts still gestanden.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


581. An Schiller.

Es wird sehr erfreulich sein wenn, indem Sie Ihren Wallenstein endigen, ich den Muth in mir fühle ein neues Werk zu unternehmen. Ich wünsche daß der Montag mir die drei letzten Acte bringen möge. Ich habe die beiden ersten bisher in mir walten lassen und finde noch immer daß sie sich gut darstellen. Wenn man im Piccolomini beschaut und Antheil nimmt, so wird man hier unwiderstehlich fortgerissen.

Wenn ich es möglich machen kann so bringe ich die Feiertage bei Ihnen zu, besonders wenn das Wetter schön bleibt. Lassen Sie den Kasten mit Gries so lange bei sich stehen, bis ich ihn abhole, abholen lasse, oder Sie Gelegenheit finden.

Haben Sie die Güte mir die Quittung über die Medaillen für den Herzog zu schicken und ich will alsdann alles zusammen berichtigen.

Leben Sie recht wohl, ich sage weiter nichts, denn ich müßte von meinen Göttern und Helden reden und ich mag nicht voreilig sein. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und sagen mir nur den Sonnabend ein Wort wie es mit der Arbeit steht.

Weimar am 13. März 1799.

G.


582. An Goethe.

Ich schreibe nur eine Zeile um zu bestätigen, was ich neulich versprach. Montags erhalten Sie den Wallenstein ganz. Todt ist er schon und auch parentirt, ich habe nur noch zu bessern und zu feilen.

Kommen Sie ja auf die Feiertage. Das wird mir jetzt nach dieser lastvollen Woche eine rechte Erquickung sein.

Die Frau grüßt. Leben Sie bestens wohl.

Jena den 15. März 1799.

Sch.


583. An Schiller.

Recht herzlich gratulire zum Tode des theatralischen Helden! Könnte ich doch meinem epischen vor eintretendem Herbste auch das Lebenslicht ausblasen. Mit Verlangen erwarte ich die Montägige Sendung und richte mich ein den grünen Donnerstag zu Ihnen zu kommen. Wenn wir alsdann auch nur acht Tage zusammen zubringen, so werden wir schon um ein gutes Theil weiter sein. Den April müssen wir auf die Vorstellung von Wallenstein und auf die Gegenwart der Madame Unzelmann rechnen. Es wäre daher gut wenn wir den Wallenstein möglichst beschleunigten, um sowohl durch diese Tragödie als durch diese artige kleine Frau eine Folge von interessanten Vorstellungen zu geben und die Fremden festzuhalten die sich allenfalls einfinden könnten. Leben Sie recht wohl. Von der Achilleis sind schon fünf Gesänge motivirt und von dem ersten 180 Hexameter geschrieben. Durch eine ganz besondere Resolution und Diät habe ich es gezwungen und da es mit dem Anfange gelungen ist, so kann man für die Fortsetzung nicht bange sein. Wenn Sie uns nur bei den Propyläen beistehen so soll es dieses Jahr an mancherlei gutem nicht fehlen.

Weimar am 16. März 1799.

G.


584. An Goethe.

Jena den 17. März 1799.

Hier erfolgt nun das Werk, so weit es unter den gegenwärtigen Umständen gebracht werden konnte. Es kann ihm in einzelnen Theilen noch vielleicht an bestimmter Ausführung fehlen, aber für den theatralisch-tragischen Zweck scheint es mir ausgeführt genug. Wenn Sie davon urtheilen, daß es nun wirklich eine Tragödie ist, daß die Hauptforderungen der Empfindung erfüllt, die Hauptfragen des Verstandes und der Neugierde befriedigt, die Schicksale aufgelöst und die Einheit der Haupt-Empfindung erhalten sei, so will ich höchlich zufrieden sein.

Ich will es auf Ihre Entscheidung ankommen lassen, ob der vierte Akt mit dem Monolog der Thekla schließen soll, welches mir das liebste wäre, oder ob die völlige Auflösung dieser Episode noch die zwei kleinen Scenen, welche nachfolgen, nothwendig macht. Haben Sie die Güte, das Manuscript so zeitig zu expediren, daß ich es spätestens morgen, Montag, Abends um 7 Uhr wieder in Händen habe, und lassen auf das Couvert schreiben, wann der Bote expedirt worden.

Alles übrige mündlich. Herzlich gratulire ich zu den Progressen in der Achilleis, die doppelt wünschenswürdig sind, da Sie dabei zugleich die Erfahrung machten, wie viel Sie durch Ihren Vorsatz über Ihre Stimmung vermögen.

Die Frau grüßt aufs beste. Wir erwarten Sie auf die Feiertage mit großem Verlangen.

Sonntag Abends.

Sch.


585. An Schiller.

[Weimar den 18. März 1799.]

Zu dem vollendeten Werke wünsche ich von Herzen Glück; es hat mir ganz besonders genug gethan ob ich es gleich an einem bösen zerstreuten Morgen nur gleichsam obenhin gekostet habe. Für den theatralischen Effect ist es hinreichend ausgestattet; die neuen Motive die ich noch nicht kannte sind sehr schön und zweckmäßig.

Können Sie künftig den Piccolominis etwas von der Masse abnehmen so sind beide Stücke ein unschätzbares Geschenk für die deutsche Bühne, und man muß sie durch lange Jahre aufführen. Freilich hat das letzte Stück den großen Vorzug daß alles aufhört politisch zu sein und blos menschlich wird; ja das historische selbst ist nur ein leichter Schleier wodurch das reinmenschliche durchblickt. Die Wirkung aufs Gemüth wird nicht gehindert noch gestört.

Mit dem Monolog der Prinzessin würde ich auf alle Fälle den Act schließen. Wie sie fortkommt, bleibt immer der Phantasie überlassen. Vielleicht wäre es in der Folge gut wenn der Stallmeister schon im ersten Stücke eingeführt würde.

Der Schluß des ganzen durch die Adresse des Briefs erschreckt eigentlich, besonders in der weichen Stimmung in der man sich befindet. Der Fall ist auch wohl einzig daß man, nachdem alles was Furcht und Mitleiden zu erregen fähig ist erschöpft war, mit Schrecken schließen konnte.

Ich sage nichts weiter und freue mich nur auf den Zusammengenuß dieses Werks. Donnerstag hoffe ich noch abzugehen. Mittwoch Abend erfahren Sie die Gewißheit, wir wollen alsdann das Stück zusammen lesen und ich will mich in gehöriger Fassung daran erfreuen.

Leben Sie recht wohl, ruhen Sie nun aus und lassen Sie uns auf die Feiertage beiderseits ein neues Leben beginnen. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und gedenken mein.

Ueber die den Musen abgetrotzte Arbeit will ich noch nicht triumphiren, es ist noch die große Frage ob sie etwas taugt; auf alle Fälle mag sie als Vorbereitung gelten.

G.


586. An Goethe.

Jena den 19. März 1799.

Ich habe mich schon lange vor dem Augenblick gefürchtet, den ich so sehr wünschte, meines Werks los zu sein; und in der That befinde ich mich bei meiner jetzigen Freiheit schlimmer als der bisherigen Sklaverei. Die Masse, die mich bisher anzog und fest hielt, ist nun auf einmal weg, und mir dünkt als wenn ich bestimmungslos im luftleeren Raume hinge. Zugleich ist mir, als wenn es absolut unmöglich wäre, daß ich wieder etwas hervorbringen könnte; ich werde nicht eher ruhig sein, bis ich meine Gedanken wieder auf einen bestimmten Stoff mit Hoffnung und Neigung gerichtet sehe. Habe ich wieder eine Bestimmung, so werde ich dieser Unruhe los sein, die mich jetzt auch von kleineren Unternehmungen abzieht. Ich werde Ihnen, wenn Sie hier sind, einige tragische Stoffe, von freier Erfindung, vorlegen, um nicht in der ersten Instanz, in dem Gegenstande, einen Mißgriff zu thun. Neigung und Bedürfniß ziehen mich zu einem frei phantasirten, nicht historischen, und zu einem bloß leidenschaftlichen und menschlichen Stoff; denn Soldaten, Helden und Herrscher habe ich vor jetzt herzlich satt.

Wie beneide ich Sie um Ihre jetzige nächste Thätigkeit. Sie stehen auf dem reinsten und höchsten poetischen Boden, in der schönsten Welt bestimmter Gestalten, wo alles gemacht ist und alles wieder zu machen ist. Sie wohnen gleichsam im Hause der Poesie, wo Sie von Göttern bedient werden. Ich habe in diesen Tagen wieder den Homer vorgehabt und den Besuch der Thetis beim Vulkan mit unendlichem Vergnügen gelesen. In der anmuthigen Schilderung eines Hausbesuchs, wie man ihn alle Tage erfahren kann, in der Beschreibung eines handwerksmäßigen Geschäfts ist ein unendliches in Stoff und Form enthalten, und das naive hat den ganzen Gehalt des göttlichen.

Daß Sie schon im Herbst die Achilleis zu vollenden hoffen, es doch wenigstens für möglich halten, ist mir bei aller Ueberzeugung von Ihrer raschen Ausführungsweise, davon ich selbst Zeuge war, doch etwas unbegreifliches, besonders da Sie den April nicht einmal zu Ihrer Arbeit rechnen. In der That beklage ich's, daß Sie diesen Monat verlieren sollen; vielleicht bleiben Sie aber in der epischen Stimmung und alsdann lassen Sie sich ja durch die Theatersorgen nicht stören. Was ich Ihnen in Absicht auf den Wallenstein dabei an Last abnehmen kann, werde ich ohnehin mit Vergnügen thun.

Dieser Tage hat mir die Imhof die zwei letzten Gesänge ihres Gedichts geschickt, die mir sehr große Freude gemacht haben. Es ist überaus zart und rein entwickelt, mit einfachen Mitteln und ungemeiner Anmuthigkeit. Wenn Sie kommen, wollen wir es zusammen besprechen.

Hier sende ich die Piccolominis zurück und bitte mir dafür Wallensteins Lager aus, das ich auch noch abschreiben lassen will und dann die drei Stücke zusammen endlich an Körnern senden.

Der Kasten mit Gries ist von einem Herrn Meier in Ihrem Namen abgefordert und ihm überliefert worden. Sie haben ihn doch erhalten?

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt schönstens. Morgen hoffe ich zu hören, daß wir Sie Donnerstags erwarten können.

Sch.


587. An Schiller.

Wir haben uns diese Tage noch viel vom Wallenstein unterhalten; Professor Meyer hat ihn auch gelesen und sich sehr daran ergötzt.

Wenn Sie etwas neues vornehmen und zu einem selbsterfundenen Gegenstande Lust haben, so kann ich es nicht tadeln, vielmehr lehrt die Erfahrung daß Sie sich bei einer freiern Arbeit ungleich besser befinden werden. Mich verlangt sehr zu hören wohin gegenwärtig Ihre Neigung gerichtet ist.

Von dem Imhofischen Gedicht hat mir Meyer viel Gutes gesagt. Es soll mir recht lieb sein wenn unsere Frauenzimmer, die so ein hübsches Talent haben, auch wirklich avanciren.

Morgen früh gehe ich bei Zeiten ab und bin zu Mittag schon bei Ihnen und will alle meine diätetischen Künste zusammennehmen um diesmal etwas zu liefern. Können Sie sich nun auch zu einer neuen Arbeit entschließen, die ganz aus Ihnen herauskommt und so auch Ihren Neigungen wie Ihrem Talent angemessen ist, so sind wir auf den Sommer geborgen.

Das Kästchen ist glücklich angelangt. Grüßen Sie Ihre liebe Frau. Es ist mir diesmal ganz eigens wohl daß ich mit Ihnen bald wieder auf die vorbeifließende Mühllache hinaussehen soll.

Weimar am 20. März 1799.

G.


588. An Schiller.

Heute früh bin ich bis zur Rede der Minerva gelangt und weil diese eigentlich den folgenden Abschnitt eröffnet, so bin ich geneigt Ihnen meine bisherige Arbeit heute vorzulegen. Ich will um halb Ein Uhr kommen, noch vor Tische lesen und nach Tische der Botenexpedition wegen mich wieder empfehlen und frage an ob Ihnen diese Einrichtung angenehm sei.

Leben Sie recht wohl. Auf Wiedersehn an dem Ufer des Hellesponts.

[Jena] Am 26. März 1799.

G.


589. An Schiller.

Ich schicke hier den ersten Gesang indem ich eine kleine Pause machen will, um mich der Motive die nun zunächst zu bearbeiten sind specieller zu versichern; ich schicke das Manuscript, damit Sie es selbst lesen und ihm schärfer ins Auge sehen. Ich habe den besten Muth zu dieser Arbeit und ersuche Sie um fortdauernden Beistand.

Jena am 2. April 1799.

G.

Wallensteins Lager möchte ich heute gern nach Weimar schicken.


590. An Goethe.

[Jena den 2. April]

Ihre Sendung überrascht mich sehr angenehm, ich will den Gesang mit aller Aufmerksamkeit lesen und studiren.

Wallensteins Lager soll heut Abend verabfolgt werden. Ich hoffe Sie bald zu sehen und Ihnen meine Empfindungen über das gelesene mitzutheilen.

Sch.


591. An Goethe.

Jena den 26. April 1799.

Die Zerstreuungen die ich in Weimar erfahren, klingen heute noch bei mir nach und ich kann noch zu keiner ruhigen Stimmung kommen. Indessen habe ich mich an eine Regierungsgeschichte der Königin Elisabeth gemacht und den Prozeß der Maria Stuart zu studiren angefangen. Ein paar tragische Hauptmotive haben sich mir gleich dargeboten und mir großen Glauben an diesen Stoff gegeben, der unstreitig sehr viele dankbare Seiten hat. Besonders scheint er sich zu der Euripidischen Methode, welche in der vollständigsten Darstellung des Zustandes besteht, zu qualificiren; denn ich sehe eine Möglichkeit, den ganzen Gerichtsgang zugleich mit allem politischen auf die Seite zu bringen, und die Tragödie mit der Verurtheilung anzufangen. Doch davon mündlich und bis meine Ideen bestimmter geworden sind.

Hier haben wir den Frühling nicht eben weiter vorgerückt gefunden als in Weimar, bloß die Stachelbeerhecken zeigten sich grün, die uns im Mühlthal empfingen.

Wollten Sie die Güte haben und gegen beiliegende Scheine die notirten Werke aus der Bibliothek für mich holen und durch das Botenmädchen senden lassen. Camden habe ich schon mitgenommen, aber den Schein vergessen zurückzulassen. Wenn Sie mir, etwa aus der Sammlung des Herzogs, den Genzischen Historischen Kalender der das Leben der Maria Stuart enthält verschaffen könnten, so wäre mir's sehr angenehm.

Verzeihen Sie daß ich Ihnen diese Mühe verursache.

Nochmals meinen herzlichen Dank für alles angenehme, was ich bei Ihnen und durch Sie in Weimar genossen habe. Versäumen Sie ja nicht am ersten Mai hier zu sein, ich habe es auch Cotta schon geschrieben.

Meine Frau grüßt Sie aufs freundlichste. Leben Sie recht wohl. An Meyern viele Grüße.

Sch.


592. An Schiller.

Ich bin gegenwärtig nur beschäftigt mich frei zu machen damit ich Mittwoch abreisen kann.

Am nächsten Propyläenstück fängt man schon an zu drucken und ich schicke die erste Hälfte des Sammlers schon unter die Presse, indem sich die zweite noch im limbo patrum befindet. Ich hoffe auch diese, wenn wir nur einmal wieder zusammen sind, bald ans Tageslicht zu fördern. Ich habe eine Tournüre ausgedacht, durch die wir am leichtesten und sichersten aus dem Handel kommen. Ich freue mich über das Zutrauen das Sie zu Maria Stuart haben. Nur im Ganzen angesehen so scheint dieser Stoff viel zu enthalten was von tragischer Wirkung sein kann. Die Bücher folgen hierbei, ich bin neugierig die nähere Entwicklung von Ihnen zu vernehmen.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau. Ich freue mich auf unser nächstes Zusammensein, in einer Zeit wo es mit Macht doch endlich Frühling werden muß.

Weimar am 27. April 1799.

G.


593. An Schiller.

Ich gratulire zu dem schönen Tag nach dem feuchten Auszug und werde meine Glückwünsche zu dem Sommeraufenthalt heute Abend mündlich wiederholen.

Den sechsten Brief, der hier beiliegt, sende ich wie er hat werden können. Er mag als Skizze so hingehen; um ihn würdig auszuführen gehört mehr dazu als ich jetzt im Stande bin zu leisten. Betrachten Sie ihn daher von der Seite: ob er nichts enthält was dem Zweck zuwider ist, da er den Zweck nicht ganz erfüllen kann.

[Jena] Am 11. Mai 1799.

G.


594. An Goethe.

[Jena den 11. Mai 1799.]

Ihr Manuscript soll mich diese ersten ruhigen Stunden, die ich heut Nachmittag nach der Confusion des Auszugs genießen werde, angenehm und willkommen beschäftigen. Wir waren durch das gestrige Wetter freilich nicht begünstigt und auch das heutige ist wenig erfreulich, aber ich bin dennoch froh, daß wir nun die ersten milden Augenblicke gleich im freien genießen können.

Kommen Sie diesen Abend etwas zeitig, wenn Sie nicht Lust haben, bei unsern Philosophen auszuharren.

Sch.


595. An Schiller.

Herr Leißring hat die Rolle des ersten Jägers mitgenommen; wollten Sie mir doch das Manuscript schicken damit ich sie wieder suppliren kann.

Das heutige Fest ist nicht ganz ohne geistigen Einfluß auf mich gewesen; der achte Brief ist geschrieben und diese Sorge hätten wir hinter uns.

Sagen Sie mir wie es mit Ihnen und Ihrer lieben Frau heute steht und wie ich Sie heute Abend treffe?

[Jena] Am 12. Mai 1799.

G.


596. An Goethe.

[Jena den 12. Mai 1799.]

Zu der geistigen Produktion gratulire ich. Es ist viel gewonnen, daß Sie auch Das nun hinter sich haben. Mir hat sich der Geist heut noch nicht zeigen wollen, ob ich ihn gleich in allen Gängen meines Gartens suchte und aufs Erfinden ausging.

Die Frau ist ziemlich erträglich heute und läßt Sie freundlich grüßen. Wir haben heute nichts vor und erwarten Sie. Hier etwas philosophisches zum Nachtisch.

Sch.


597. An Goethe.

Jena den 29. Mai 1799.

Ich habe in den zwei Tagen daß Sie von uns sind in meinem angefangenen Geschäft emsig fortgefahren und hoffe, daß ein beständigeres Wetter auch meinen Bemühungen förderlich sein wird. Indem ich mir von unserm letzten Zusammensein Rechenschaft gebe, finde ich daß wir uns, ohne produktiv zu sein, wieder nützlich beschäftigt haben; die Idee besonders von dem nothwendigen Auseinanderhalten der Natur und Kunst wird mir immer bedeutender und fruchtbarer so oft wir auf diese Materie zurückkommen und ich rathe, bei dem Aufsatz über den Dilettantism auch recht breit darüber heraus zu gehen.

Das Schema über diesen Aufsatz erwarte ich nun bald, abgeschrieben und mit neuen Bemerkungen bereichert, zurück, und hoffe daß Ihnen die Nähe von Aurora und Hesperus recht viel Licht dazu geben möge.

Ich bin gestern zufällig über ein Leben des Christian Thomasius gerathen, das mich sehr unterhalten hat. Es zeigt das interessante Loswinden eines Mannes von Geist und Kraft aus der Pedanterei des Zeitalters; und obgleich die Art wie er es angreift, selbst noch pedantisch genug ist, so ist er doch, seinen Zeitgenossen gegenüber, ein philosophischer ja ein schöner Geist zu nennen. Er erwählte dasselbe Mittel, das auch Sie für das kräftigste halten, die Gegner durch immerfort und schnell wiederholte Streiche zu beunruhigen, und schrieb das erste Journal unter dem Titel: Monatliche Gespräche, worin er auf satyrische Art und mit einem satyrischen Kupferstich vor jedem Stücke seinen Gegnern den Theologen und aristotelischen Philosophen tapfer zusetzt. Er wagte es, akademische Schriften zuerst auch in deutscher Sprache zu schreiben; eine davon über das Feine Betragen und das, was der Deutsche von den Franzosen nachahmen solle, wäre ich neugierig zu lesen und werde mich hier darnach umthun.

Haben Sie vielleicht etwas von der Fräulein Imhof und ihrem Werke in Erfahrung gebracht, und wollen Sie ihr das, wovon Sie neulich sagten, insinuiren?

Meine Frau grüßt Sie herzlich. Wir vermissen Sie sehr, und ich kann mich kaum mehr daran gewöhnen, die Abende ohne Gespräch zuzubringen. Meyern viele Grüße.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


598. An Schiller.

Bei unserer Trennung die auch mir immer sehr empfindlich fällt finde ich Ursache Sie zu beneiden, indem Sie in Ihrem Kreise und auf Ihrem Wege bleiben und also sichrer vorwärts gehen, da das Vorschreiten in meiner Lage eine sehr problematische Sache ist. Abends weiß ich wohl daß etwas geschehen ist, das aber auch wohl ohne mich und vielleicht ganz und gar anders hätte geschehen können.

Ich will nur suchen hier aufs beste meine Pflicht im allgemeinen zu thun und sorgen daß mein Aufenthalt auch für unsere besondern Zwecke nicht unnütz verstreiche.

Den ersten Gesang des Gedichtes habe ich von unserer Freundin erhalten, gegen den aber leider alle Gravamina die ich Ihnen schon vorerzählt gewaltig gelten. Es fehlt alle epische Retardation, dadurch drängt sich alles auf und über einander, und dem Gedicht fehlt, wenn man es liest durchaus Ruhe und Klarheit. In dem ganzen Gesange ist kein einziger Abschnitt angegeben und wirklich sind die Abschnitte schwer zu bezeichnen. Die sehr langen Perioden verwickeln die Sache mehr als daß sie durch eine gewisse Vollendung dem Vortrag eine Anmuth gäben. Es entstehen viel dunkle Parenthesen und Beziehungen, die Worte sind oft ohne epischen Zweck umgestellt und der Gebrauch der Participien nicht immer glücklich. Ich will sehen das mögliche zu thun um so mehr als ich meine hiesigen Stunden nicht hoch anrechne.

Ueberhaupt aber werden unsere Arbeiten über den Dilettantismus uns, wie ich voraussehe, in eine eigne Lage versetzen; denn es ist nicht möglich die Unarten desselben deutlich einzusehen ohne ungeduldig und unfreundlich zu werden. Ob ich das Schema sehr gefördert schicken oder bringen werde ist noch eine sehr große Frage.

Was ich von Christian Thomasius kennen lernte hat mich stets interessirt. Sein heiteres und geistreiches Wesen ist sehr ansprechend. Ich will mich nach den Aufsätzen erkundigen nach denen Sie fragen.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Von Meyern liegt etwas bei.

Weimar am 29. Mai 1799.

G.


599. An Goethe.

Jena den 31. Mai 1799.

Ich begreife wohl, daß Ihnen das Gedicht unserer Dilettantin immer weniger Freude machen mag, je näher Sie es betrachten. Denn auch darin zeigt sich der Dilettantism besonders, daß er, weil er aus einem falschen Princip ausgeht, nichts hervorbringen kann, das nicht im Ganzen falsch ist, also auch keine wesentliche Hülfe zuläßt. Mein Trost ist, daß wir bei diesem Werke den dilettantischen Ursprung ja ankündigen dürfen, und daß wir, indem wir eine Toleranz dafür beweisen, bloß eine Humanität zeigen, ohne unser Urtheil zu compromittiren. Das schlimmste dabei ist die Mühe und die Unzufriedenheit, die es Ihnen macht; indessen müssen Sie die Arbeit als eine sectionem cadaveris zum Behuf der Wissenschaft ansehen, da dieser praktische Fall bei der gegenwärtigen theoretischen Arbeit nicht ganz ungelegen kommt.

Mir haben diese Tage ganz entgegengesetzte Produkte eines Meisters in der Kunst nicht viel mehr Freude gewährt, obgleich ich, da ich nicht dafür zu repondiren habe, ganz ruhig dabei bleiben kann. Ich habe Corneillens Rodogune, Pompée und Polyeucte gelesen und bin über die wirklich enorme Fehlerhaftigkeit dieser Werke, die ich seit zwanzig Jahren rühmen hörte, in Erstaunen gerathen. Handlung, dramatische Organisation, Charaktere, Sitten, Sprache, alles selbst die Verse bieten die höchsten Blößen an, und die Barbarei einer sich erst bildenden Kunst reicht lange nicht hin, sie zu entschuldigen. Denn der falsche Geschmack, den man so oft auch in den geistreichsten Werken findet, wenn sie in einer rohen Zeit entstanden, dieser ist es nicht allein, nicht einmal vorzugsweise, was daran widerwärtig ist. Es ist die Armuth der Erfindung, die Magerkeit und Trockenheit in Behandlung der Charaktere, die Kälte in den Leidenschaften, die Lahmheit und Steifigkeit im Gang der Handlung, und der Mangel an Interesse fast durchaus. Die Weibercharaktere sind klägliche Fratzen und ich habe noch nichts als das eigentlich heroische glücklich behandelt gefunden; doch ist auch dieses, an sich nicht sehr reichhaltige Ingrediens einförmig behandelt.

Racine ist ohne allen Vergleich dem Vortrefflichen viel näher, obgleich er alle Unarten der französischen Manier an sich trägt und im Ganzen etwas schwach ist. Nun bin ich in der That auf Voltaires Tragödie sehr begierig, denn aus den Kritiken, die der letztere über Corneille gemacht, zu schließen, ist er über die Fehler desselben sehr klar gewesen.

Es ist freilich leichter tadeln als hervorbringen. Dabei fällt mir mein eigenes Pensum ein, das noch immer sehr ungestaltet da liegt. Wüßten es nur die allzeit fertigen Urtheiler und die leicht fertigen Dilettanten, was es kostet, ein ordentliches Werk zu erzeugen.

Haben Sie doch die Güte mir mit der Botenfrau die Piccolomini und den Wallenstein zu schicken. Kotzebue hat mich darum ersucht, und ich versprach es ihm, weil mich diese Gefälligkeit weniger kostet als ein Besuch bei ihm oder ein Abendessen.

Meyern viele Grüße. Seinen Brief habe ich an Böttiger abgeschickt.

Meine Frau grüßt Sie bestens.

Leben Sie wohl und heiter bei diesem erquickenden Regenwetter.

Sch.


600. An Schiller.

Mit dem Gedicht geht es schon besser, seitdem ich mich ernsthaft an den ersten Gesang gemacht und im einzelnen wie der Sache zu helfen sei, durchgedacht habe. Auch ist gestern Abend eine Conferenz darüber bei Frau von Wolzogen gewesen und unsere Freundinnen schienen sich vor meinen rigoristischen Forderungen nicht zu entsetzen, so daß ich Hoffnung haben kann es werde sich die Sache nach unserm Wunsche doch noch geben.

Gestern ist der Herzog für Eisenach und Kassel verreist, und ich bin so ziemlich auf meine stille Wohnung reducirt. Ich erwarte was mir die nächsten acht Tage bescheren werden. Wenn mir auch nur einige Vorarbeiten gelingen, so bin ich schon zufrieden. Möge Ihnen aus den tieferen Quellen der Production etwas zufließen.

Sie erhalten hierbei die drei Wallensteine. Von mir kann ich weiter nichts sagen als daß ich eben ordnen, nachholen, anstellen und ausgleichen muß. Uebrigens geht alles doch so ganz leidlich und, wenn man es nicht sehr genau nimmt, auch zweckmäßig. Leben Sie recht wohl; grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 1. Juni 1799.

G.


601. An Goethe.

Jena den 4. Juni 1799.

Hier erfolgt Körners Aufsatz über den Wallenstein. Er ist aber, so wie er ist, nicht zu gebrauchen, weil er sich die Bequemlichkeit gemacht hat, lieber den Dichter, statt seiner, sprechen zu lassen, und auf diese Weise das Werk in Fetzen zerrissen vor das Publikum bringt. Wenn das Stück schon gedruckt wäre, möchte das hingehen, so aber finde ich meine Rechnung nicht dabei. Es ist glücklicherweise nicht so pressant es abzuschicken, denn ich denke Sie werden mit mir einig sein, daß man, weil man doch so lang gewartet hat, die Anzeige nach der vierten Vorstellung des Wallenstein abschickt. Bis dahin will ich die Körnerische Arbeit noch vornehmen, und darin mehr den erzählenden als den dramatischen Ton herrschen lassen, auch noch einige Aufschlüsse über das Ganze einflechten.

Ich habe mich nicht enthalten können, weil das Schema zu den ersten Akten der Maria in Ordnung, und in den letzten nur noch ein einziger Punkt unausgemacht ist, um die Zeit nicht zu verlieren, gleich zur Ausführung fortzugehen. Ehe ich an den zweiten Akt komme, muß mir in den letzten Akten alles klar sein. Und so habe ich denn heute, den 4. Juni dieses Opus mit Lust und Freude begonnen, und hoffe in diesem Monat schon einen ziemlichen Theil der Exposition zurück zu legen.

Was Sie mir von den Schwestern zu Lesbos schrieben hat mir großen Trost gewährt. Auch meine Schwägerin schrieb mir von dieser Zusammenkunft und konnte mir nicht genug rühmen, wie viel sie dabei gelernt habe.

Ich lese jetzt in den Stunden, wo wir sonst zusammen kamen, Lessings Dramaturgie die in der That eine sehr geistreiche und belebte Unterhaltung giebt. Es ist doch gar keine Frage, daß Lessing unter allen Deutschen seiner Zeit über das was die Kunst betrifft am klarsten gewesen, am schärfsten und zugleich am liberalsten darüber gedacht und das wesentliche worauf es ankommt am unverrücktesten ins Auge gefaßt hat. Liest man nur ihn, so möchte man wirklich glauben, daß die gute Zeit des deutschen Geschmacks schon vorbei sei: denn wie wenig Urtheile die jetzt über die Kunst gefällt werden, dürfen sich an die seinigen stellen?

Ist es denn wahr daß die Königin von Preußen den Wallenstein in Berlin nicht hat wollen spielen sehen, um ihn in Weimar zuerst kennen zu lernen?

Schreiben Sie uns doch, ob die la Roche in Osmanstädt angelangt ist? Auch meiner Frau liegt an dieser Nachricht.

Auch bitte ich mir durch Vulpius das Verzeichnis der von mir einzusendenden Bücher zurückschicken zu lassen, nebst einem Katalog der Auction, wenn noch einer zu haben.

Leben Sie recht wohl und genießen Sie die jetzigen angenehmen Tage.

Sch.


602. An Schiller.

Ich gratulire zum Anfang der Ausarbeitung des neuen Stücks. So wohl es gethan ist seinen Plan im Ganzen gehörig zu überlegen, so hat doch die Ausführung, wenn sie mit der Erfindung gleichzeitig ist, so große Vortheile die nicht zu versäumen sind.

Körner hat sich die Sache freilich sehr leicht gemacht. Er hat statt einer Relation einen Actenextract geschickt. Vielleicht denken Sie ein wenig darüber und nach der vierten Vorstellung des Wallensteins läßt man den Aufsatz abgehen.

Es ist an dem daß der König und die Königin den Wallenstein in Berlin nicht gesehen haben und wirklich, wie es scheint, um dem Herzog ein Compliment zu machen, der sie wegen der Wahl der Stücke befragte und wegen dieses Trauerspiels ihre Zustimmung erhielt.

Was mich betrifft, so habe ich mich blos durch gänzliche Resignation vom Unmuth erretten können, da an eine zusammenhängende Arbeit nicht zu denken ist. Indessen da es manches zu thun giebt, so vergeht die Zeit und ich sehe doch auf den Juli wieder bessern Stunden entgegen.

Die Schwestern von Lesbos werden indessen leidlich gefördert. Es freut mich sehr daß die erste Conferenz sich mit Zufriedenheit beider Theile geendigt hat, es war nicht allein vortheilhaft für diesen Fall, sondern auch für die nächsten Fälle.

Frau von la Roche ist noch nicht angekommen, verschiebt auch, so viel man vernimmt, ihre Reise. Vielleicht verzieht sich das Gewitter, ohne daß wir nöthig haben zu den Lobedaischen Ableitern unsere Zuflucht zu nehmen.

Mit welcher unglaublichen Verblendung der alte Wieland in den allzufrühen metakritischen Triumph einstimmt, werden Sie aus dem neusten Stücke des Merkurs, mit Verwunderung und nicht ohne Unwillen, ersehen. Die Christen behaupteten doch: in der Nacht da Christus geboren worden, seien alle Orakel auf einmal verstummt, und so versichern nun auch die Apostel und Jünger des neuen philosophischen Evangelii: daß in der Geburtsstunde der Metakritik der Alte zu Königsberg, auf seinem Dreifuß, nicht allein paralysirt worden, sondern sogar wie Dagon herunter und auf die Nase gefallen sei. Kein einziges der ihm zu Ehren errichteten Götzenbilder stehe mehr auf seinen Füßen, und es fehlt nicht viel daß man nicht für nöthig und natürlich finde sämmtliche Kantsgenossen, gleich jenen widerspenstigen Baalspfaffen, zu schlachten.

Für die Sache selbst ist es mir kein gutes Anzeichen daß man glaubt solcher heftigen und doch keineswegs auslangenden Empfehlungen zu bedürfen.

Der Humboldtische Brief kommt auch hier wieder zurück.

Mögen Sie dem Gesuch des Herrn von Fritsch, das er in beiliegendem Blättchen anbringt, wohl deferiren?

Hier schicke ich den gedruckten Catalogus. Ihre Bücher sind zwischen den zwei rothen Strichen eingeschlossen.

Das Paket an Hufeland bitte besorgen zu lassen.

Heute Abend wünschte ich daß Sie die Aufführung der Theatralischen Abenteuer sehen könnten; sie wird gewiß vorzüglich gut werden, weil sie als Hauptprobe dienen soll, um die Aufführung vor dem König vorzubereiten. Ich habe gestern und vorgestern die Vorproben mit Vergnügen besucht und auch dabei wieder die Bemerkung gemacht: wie sehr man mit einer Kunst in Verhältniß, Uebung und Gewohnheit bleiben muß, wenn man ihre Produktionen einigermaßen genießen und etwa gar beurtheilen will. Ich habe schon öfters bemerkt daß ich, nach einer langen Pause, mich erst wieder an Musik und bildende Kunst gewöhnen muß, um ihnen im Augenblick was abgewinnen zu können.

Leben Sie recht wohl und bereiten mir durch Ihren Fleiß einen schönen Empfang.

Weimar den 5. Juni 1799.

G.


603. An Goethe.

Jena den 7. Juni 1799.

Nur zwei Worte für heute, da ich hoffe Sie morgen selbst zu sehen. Wenn nichts dazwischen kommt, so habe ich's Lodern zugesagt, bei der Gesellschaft zu sein die er in Belvedere eingeladen.

Dohm hat uns hier seine authentische Nachricht von der Rastädter Geschichte zurückgelassen, die mir zu verschiedenen Bemerkungen Gelegenheit gegeben. Unter andern werden Sie den ganz sonderbaren Widerspruch bemerkt haben der in Absicht auf den Tod des Robertjots darin vorkommt, wo zwei ganz entgegengesetzte Berichte auf die Aussage des nämlichen Kammerdieners gegründet werden. Bei einer so feierlich angekündigten Genauigkeit ist solch ein Versehen sonderbar genug, und ich weiß mir's schlechterdings nicht zu erklären.

In meiner Arbeit bin ich seit zwei Tagen nicht weiter gerückt, gestern hatte ich den ganzen Tag Besuche, und heute eine gewaltige Briefexpedition.

Das Geschrei das Wieland von Herders Buch erhebt wird wie ich fürchte eine ganz andere Wirkung thun, als er damit beabsichtet. Wir können es in aller Gelassenheit abwarten, und wollen bei dieser Komödie, die bunt und lärmend genug werden wird, als ruhige Zuschauer unsre Plätze nehmen, Unterhaltung giebt sie uns gewiß. Was auch Wieland gesagt haben mag, so wünschte ich, Cotta setzte es in die Allgemeine Zeitung oder Böttiger schickte es dahin, denn es kann nicht allgemein genug bekannt werden.

Herr von Fritsch mag sich immerhin die Stelle, die er (wahrscheinlich für irgend ein Stammbuch) zu haben wünscht, aus Graffs Rolle herausschreiben lassen. Ich habe nichts dagegen.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich Sie auf einige Stunden zu sehen.

Sch.


604. An Goethe.

Jena den 11. Juni 1799.

Wir sind neulich zwar ganz gut nach Hause gekommen, aber ich machte doch die Erfahrung, daß eine achtstündige Erschütterung im Wagen und gesellschaftliche Unruhe, in den Zeitraum von einem Dreivierteltag gedrängt, eine zu gewaltsame Veränderung für mich ist, denn ich brauchte zwei Tage, um mich ganz davon zu erholen.

Sonst genieße ich seit etlichen Tagen bei diesem schönen Wetter eine so gute freundliche Stimmung, in meinem kleinen Gartensälchen, daß ich sie herzlich gern mit Ihnen theilen möchte. Die Arbeit geht zwar sehr langsam, weil ich den Grund zum Ganzen zu legen habe, und beim Anfang alles darauf ankommt, sich nichts zu verderben; aber ich habe gute Hoffnung, daß ich auf dem rechten Wege bin.

Wenn ich nicht zu viel Zeit verlöre, so hätte ich wohl eine Versuchung gehabt, das Stück welches morgen in Weimar gegeben wird zu sehen. Bei meinem jetzigen Geschäft könnte die Anschauung eines neuen historischen Stücks auf der Bühne, wie es auch sonst beschaffen sein möchte, nützlich auf mich wirken. Die Idee, aus diesem Stoff ein Drama zu machen, gefällt mir nicht übel. Er hat schon den wesentlichen Vortheil bei sich, daß die Handlung in einen thatvollen Moment concentrirt ist und zwischen Furcht und Hoffnung rasch zum Ende eilen muß. Auch sind vortreffliche dramatische Charaktere darin schon von der Geschichte hergegeben. Das Stück mag aber nicht viel besonders sein, da Sie mir nichts davon sagten.

Mellisch hat sich auf morgen Mittag mit seiner Gesellschaft bei uns eingeladen, da wird auch Ihrer fleißig gedacht werden. Sehen Sie nur, daß Sie bald auf einen Tag herüber kommen.

Leben Sie recht wohl für heute, ich weiß nichts mehr zu schreiben, denn ich habe in diesen Tagen nichts erfahren und nur in meiner Arbeit gelebt.

Die Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.


605. An Goethe.

Jena den 14. Juni 1799.

Sie sind, wie ich höre, vor einigen Tagen in Roßla gewesen, aber wieder nach Weimar zurück, welches Sie bei dem gestrigen schlechten Wetter nicht bereut haben werden. Mellischens haben es noch eben recht getroffen und einen sehr angenehmen Tag in Jena mit genossen. Er brachte einen Fremden aus dem Walliser Land mit, der mit deutschen gelehrten Sachen nicht unbekannt schien, und über die neuere Philosophie sogar, so weit sich darüber in französischer Sprache reden ließ, nicht unvernünftig sprach. Es mag indessen irgend eine geheime Bewandtniß mit ihm haben.

Ich hörte dieser Tage, daß Fichte dem Rudolstädter Fürsten das Ansinnen gethan, ihm in Rudolstadt in einem herrschaftlichen Hause Wohnung zu geben, daß es ihm aber höflich refüsirt worden. Es ist doch unbegreiflich, wie bei diesem Freunde eine Unklugheit auf die andere folgt und wie incorrigibel er in seinen Schiefheiten ist. Dem Fürsten von Rudolstadt, der sich den Teufel um ihn bekümmert, zuzumuthen, daß er ihm durch Einräumung eines Quartiers öffentliche Protection geben und umsonst und um nichts sich bei allen anders denkenden Höfen compromittiren soll! Und was für eine armselige Erleichterung verschaffte ihm wohl ein freies Logis dort, wo er durchaus nicht an seinem Orte wäre.

Ich wünsche daß Sie fleißiger sein möchten, als ich in diesen Tagen sein konnte. Mittwochs war Mellisch und Donnerstag die Kalb bei uns, und so ist in diesen zwei Tagen wenig geschehen. Ich sitze noch immer bei meinen drei ersten Expositionsscenen und suche einen festen Grund für das künftige zu legen.

Es scheint wirklich, daß ich in England mit meinen Stücken etwas werde machen können. Ich habe binnen acht Tagen zwei Anträge aus London erhalten, Stücke in Manuscript hinzuschicken, zwar nur von Buchhändlern und von Uebersetzern und noch mit keinen bestimmten Geldversprechungen begleitet, aber die Nachfrage ist so stark, daß ich Aussichten darauf gründen kann.

Haben Sie doch die Güte, mir den Aeschylus zu senden, mich verlangt wieder sehr nach einer griechisch tragischen Unterhaltung.

Leben Sie recht wohl und sehen Sie, daß Sie bald auf einen Tag herkommen.

Die Frau grüßt bestens.

Sch.


606. An Schiller.

Ihren zweiten lieben Brief erhalte ich abermals in Roßla, wo ich mich verschiedner Geschäfte wegen noch einige Tage aufhalten muß. Diese will ich lieber zugeben, da ich einmal in der Sache bin und hernach eine ganze Weile nicht wieder daran zu denken brauche. Es ist mir angenehm, über die Dorf- und Feld-Verhältnisse mehr ins Klare zu kommen und mich des Alten zu erinnern indem das Neue mich selbst angeht.

Mich verlangt Sie bald zu sehen. Mittwoch hoff ich von Weimar aus zu schreiben. Ich habe manches zu referiren was mir durch den Kopf indessen gegangen ist.

Wäre nicht mein Spiritus mit abschreiben von Inventarien beschäftigt, so dictirte ich geschwind etwas; für meine Feder aber ist es zu weitläufig auch nur anzufangen, denn ich muß weit ausholen. Auch sind unschreibbare Dinge drunter. Leben Sie recht wohl in Ihrer Halbeinsamkeit, rücken sachte in der Arbeit vor und grüßen Ihre liebe Frau.

Roßla den 15. Juni 1799.

G.

Wir haben heute eingeheizt!


607. An Goethe.

Jena den 18. Juni 1799.

Es war mir sehr angenehm, nach einer ungewöhnlich langen Zeit die Züge Ihrer Hand wieder zu sehen. Hier hatte man uns gesagt, Sie wären nach W. zurück, um dem Minister Haugwitz den der Herzog mitgebracht, Gesellschaft zu leisten. Desto besser für Sie, daß Sie diese Zeit nützlicher haben anwenden können. Besser Wetter hätte ich Ihnen freilich gewünscht, denn auch hier war es so rauh, daß wir zum warmen Ofen zurückkehren mußten.

Gegen meinen Fleiß verschwört sich diesen Sommer vieles. Ich erwarte in etwa acht Tagen meine Schwester mit meinem Schwager dem Bibliothekar Reinwald aus Meiningen hier; meiner Schwester gönne ich diese Zerstreuung gern, aber mit dem Schwager weiß ich nichts anzufangen, der wird mir wohl sechs Tage wie ein Klotz angebunden sein.

Unter diesen Umständen kann ich freilich nicht, wie ich gedacht, bis zum Ende meines ersten Akts vor Ihrer Hieherkunft gelangen. Aber vorwärts ging es doch bis jetzt immer, und nulla dies sine linea. Ich fange schon jetzt an, bei der Ausführung, mich von der eigentlich tragischen Qualität meines Stoffs immer mehr zu überzeugen, und darunter gehört besonders, daß man die Katastrophe gleich in den ersten Scenen sieht, und indem die Handlung des Stücks sich davon wegzubewegen scheint, ihr immer näher und näher geführt wird. An der Furcht des Aristoteles fehlt es also nicht und das Mitleiden wird sich auch schon finden.

Meine Maria wird keine weiche Stimmung erregen, es ist meine Absicht nicht, ich will sie immer als ein physisches Wesen halten, und das pathetische muß mehr eine allgemeine tiefe Rührung, als ein persönlich und individuelles Mitgefühl sein. Sie empfindet und erregt keine Zärtlichkeit, ihr Schicksal ist nur heftige Passionen zu erfahren und zu entzünden. Bloß die Amme fühlt Zärtlichkeit für sie.

Doch ich will lieber thun und ausführen, als Ihnen viel davon vorsagen, was ich thun will.

Man sagt hier, Vohs habe einen Ruf nach Petersburg, den er anzunehmen Lust habe. Es wäre doch schade, wenn man ihn verlöre, obgleich seine Gesundheit nicht lang auf ihn zählen läßt. Es würde Mühe kosten, ihn sogleich zu ersetzen.

Leben Sie recht wohl und sagen mir morgen, daß Sie wieder in Weimar sind. Meine Frau grüßt Sie schönstens.

Meyern bitte ich bestens zu grüßen und ihm zu sagen, daß ich auf den Sonnabend antworten und die Bilder zurückschicken werde.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


608. An Schiller.

Mir wird, ich gestehe es gern, jeder Zeitverlust immer bedenklicher und ich gehe mit wunderlichen Projecten um, wenigstens noch einige Monate dieses Jahres für die Poesie zu retten, woraus denn aber wohl schwerlich was werden könnte. Verhältnisse nach außen machen unsere Existenz und rauben sie zugleich und doch muß man sehen wie man so durchkommt, denn sich, wie Wieland gethan hat, gänzlich zu isoliren ist auch nicht rathsam.

Ich wünsche daß Sie an Ihrer Arbeit möglichst fortfahren. Die erste Zeit da uns selbst die Idee noch neu ist, geht immer alles frischer und besser.

Ob ich vor Ende dieses Monats kommen kann, weiß ich nicht zu sagen. Der Prinz ist zu mir ins Haus gezogen und außerhalb sieht es auch ziemlich unruhig aus, da wir hier auf alles eher als auf den Empfang eines Königs eingerichtet sind.

Um nicht ganz müßig zu sein, habe ich meine dunkle Kammer aufgeräumt und will einige Versuche machen und andere wiederholen und besonders sehen, ob ich der sogenannten Inflexion etwas abgewinnen kann. Eine artige Entdeckung habe ich gestern, in Gesellschaft mit Meyern, gemacht. Sie wissen vielleicht daß man erzählet, daß gewisse Blumen im Sommer bei Abendzeit gleichsam blitzen, oder augenblicklich Licht ausströmen. Dieses Phänomen hatte ich noch niemals gesehen: gestern Abend bemerkten wir es sehr deutlich, an dem orientalischen Mohn, der vor allen andern Blumen eine gelbrothe Farbe hat. Bei genauer Untersuchung zeigte sich aber daß es ein physiologisches Phänomen ist, und der scheinbare Blitz das Bild der Blume mit der geforderten sehr hellgrünen Farbe ist. Keine Blume die man gerad ansieht bringt diese Erscheinung hervor, wenn man aber aus dem Augenwinkel hinschielt, so entsteht diese momentane Doppelerscheinung. Es muß dämmrig sein, so daß das Auge völlig ausgeruht und empfänglich ist, doch nicht mehr als daß die rothe Farbe ihre völlige Energie behält. Ich glaube man wird den Versuch mit farbigem Papier recht gut nachmachen können, ich will die Bedingungen genau merken, übrigens ist das Phänomen wirklich sehr täuschend.

Ich lege den Sammler bei und wünsche daß der Spaß, indem er nun beisammen ist, Sie wieder unterhalten möge. Gedenken Sie dabei der guten Stunden in denen wir ihn erfanden.

Es ist wahr daß Vohs Miene macht wegzugehen: ich berufe mich aber auf den Contract, der noch zwei Jahre dauert.

Leben Sie wohl und nutzen die vierzehn Tage bis wir uns wieder sehen so gut als möglich. Ich will zufrieden sein wenn ich nur etwas davon bringe. Indessen habe ich angefangen Pyrmonter zu trinken. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und empfehlen ihr meine Julie.

Weimar am 19. Juni 1799.

G.


609. An Goethe.

Jena den 20. Juni 1799.

Der Franzose, der neulich mit Mellisch bei uns war und sich heut wieder einstellte hat mir die Zeit und Stimmung genommen, um Ihnen heute so viel über das Propyläenstück zu sagen als ich willens war.

Es hat mir in der Gestalt worin es jetzt ist, noch viel reicher und belebter geschienen, als je vorher beim einzelnen Lesen, und es muß als das, heiter und kunstlos ausgegossene Resultat eines langen Erfahrens und Reflectirens auf jeden irgend empfänglichen Menschen wundersam wirken. Der Gehalt ist nicht zu übersehen, eben weil so vieles wichtige nur zart, nur im Vorbeigehen angedeutet ist.

Die Aufführung der Charaktere und Kunstrepräsentanten hat dadurch noch sehr gewonnen, daß unter den Besuchfratzen keine in das Fachwerk paßt, welches nachher aufgestellt wird. Nicht zu erwähnen, daß der kleine Roman dadurch – poetisch – an Reichthum und Wahrheit gewinnt, so wird auch dadurch philosophisch der ganze Kreis vollendet, welcher in den drei Klassen des Falschen, des Unvollkommenen und des Vollkommenen enthalten ist.

Die letztern Ausführungen, die ich noch nicht kannte, sind sehr glücklich und unterhalten die geistreiche Heiterkeit bis ans Ende.

Indeß zweifle ich nicht, daß dieß Propyläenstück tüchtigen Lärm machen und auch wieder an die Xenien erinnern wird.

Meine Frau, die Sie herzlich grüßt, hat sich an dem fröhlichen Humor und Leben das darin herrscht sehr ergötzt und besonders hat ihr der Besuch der Fremden gefallen.

Leben Sie recht wohl für heute und genießen die schöne Witterung, der auch ich eine gute und productive Stimmung verdanke.

Sch.


610. An Schiller.

Ich freue mich daß Sie so viel Gutes von dem Sammler sagen mögen. Wie viel Antheil Sie an dem Inhalt und an der Gestalt desselben haben wissen Sie selbst, nur hatte ich zur Ausführung nicht die gehörige Zeit und Behaglichkeit, so daß ich fürchtete das Ganze möchte nicht genug gefälliges haben. Auch hätte man bei mehrerer Muße die scharfen Ingredienzien mit etwas mehr Syrup einwickeln können. Indessen thut vielleicht dem Ganzen diese skizzirte Manier nur um so viel besser. Wir selbst haben dabei viel gewonnen, wir haben uns unterrichtet, wir haben uns amusirt, wir machen Lärm und das gegenwärtige Propyläenstück wird gewiß doppelt so viel gelesen als die vorigen. Der wahre Nutzen aber für uns steht noch eigentlich bevor. Das Fundament ist gut und ich bitte noch recht streng darüber zu denken. Meyer hat die Idee mit Neigung aufgefaßt und es sind sehr wichtige Resultate zu erwarten. Ich sage davon vorläufig nur so viel.

Alle neuern Künstler gehören in die Klasse des Unvollkommenen, und fallen also mehr oder weniger in die getrennten Rubriken. So hat Meyer erst gestern, zu seiner größten Zufriedenheit, entdeckt daß Julius Roman zu den Skizzisten gehört. Meyer konnte mit dem Charakter dieses Künstlers, bei großen Studien über denselben, nicht fertig werden, nunmehr glaubt er aber daß durch diese Enunciation das ganze Räthsel gelöst sei. Wenn man nun den Michel Angelo zum Phantasmisten, den Correggio zum Undulisten, den Raphael zum Charakteristiker macht, so erhalten diese Rubriken eine ungeheure Tiefe, indem man diese außerordentlichen Menschen in ihrer Beschränktheit betrachtet und sie doch als Könige, oder hohe Repräsentanten ganzer Gattungen, aufstellt. Nachahmer werden wohl die Deutschen bleiben und Nebulisten giebt es in der ältern Kunst gar keinen: Oeser hingegen wird als ein solcher wohl aufgeführt werden. Wer hindert uns, wenn wir diese Materie noch recht durchgedacht haben, eine Fortsetzung des Sammlers auszuarbeiten? Diese Production wird uns immer reizen, da sie das Kunsterforderniß von Ernst und Spiel selbst so redlich vereinigt.

Was aber auch dieß sein und wirken mag, so wird doch die Arbeit über den Dilettantismus eine weit größere Breite einnehmen. Sie ist von der größten Wichtigkeit und es wird von Umständen und vom Zufall abhängen auf welche Weise sie zuletzt producirt wird. Ich möchte ihr gar zu gern auch eine poetische Form geben, theils um sie allgemeiner, theils um sie gefälliger wirken zu machen. Denn wie Künstler, Unternehmer, Verkäufer, Käufer und Liebhaber jeder Kunst im Dilettantism ersoffen sind, das sehe ich erst jetzt mit Schrecken, da wir die Sache so sehr durchgedacht und dem Kinde einen Namen gegeben haben. Wir wollen mit der größten Sorgfalt unsere Schemata nochmals durcharbeiten, damit wir uns des ganzen Gehaltes versichern, und dann abwarten, ob uns das gute Glück eine Form zuweist, in der wir ihn aufstellen. Wenn wir dereinst unsere Schleusen ziehen, so wird es die grimmigsten Händel setzen, denn wir überschwemmen geradezu das ganze liebe Thal, worin sich die Pfuscherei so glücklich angesiedelt hat. Da nun der Hauptcharakter des Pfuschers die Incorrigibilität ist und besonders die von unserer Zeit mit einem ganz bestialischen Dünkel behaftet sind, so werden sie schreien, daß man ihnen ihre Anlagen verdirbt, und wenn das Wasser vorüber ist wie Ameisen nach dem Platzregen alles wieder in alten Stand setzen. Doch das kann nichts helfen, das Gericht muß über sie ergehen. Wir wollen unsere Teiche nur recht anschwellen lassen und dann die Dämme auf einmal durchstechen. Es soll eine gewaltige Sündfluth werden.

Gestern sahen wir die neuen Blätter der chalkographischen Gesellschaft. Es ist unglaublich was auch diese zu pfuschen anfängt und der Dünkel der Unternehmer ist dem Unbegriff gleich. Die Wahl des Kunstwerks, das sie in Kupfer bringen, ist schon unglücklich, die Art wie es nun übersetzt werden soll, falsch gewählt. Das wissen sie freilich beides nicht, aber, wo sie sich's nicht verbergen können, helfen sie sich dadurch daß sie sich ihrer Sparsamkeit erfreuen, weil die schlechten Originale nichts kosten.

So habe ich auch neulich einen poetischen Dilettanten bei mir gesehen, der mich zur Verzweiflung gebracht hätte, wäre ich nicht in der Stimmung gewesen ihn naturhistorisch zu betrachten, um mir einmal von dem Gezücht einen recht anschaulichen Begriff zu machen.

Damit sei es für heute genug. Es bleibt uns nun einmal nichts übrig als auf dem einmal eingeschlagenen Wege fortzugehen; dabei soll es aber auch treulich verbleiben. Ich nutze meine Tage so gut ich kann und setze wenigstens immer einige Steine im Brette vorwärts. Thun Sie das Gleiche, bis zu unserm erfreulichen Wiedersehn. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und danken ihr für den Antheil den sie an der letzten Arbeit nimmt. Ich gehe nun dem Schicksal des übrigen Tages entgegen.

Weimar am 22. Juni 1799.

G.


611. An Goethe.

Jena den 25. Juni 1799.

Ich fürchte, daß Sie es diesen paar Zeilen ansehen werden, wie penibel es mir jetzt geht. Mein Schwager ist hier mit meiner Schwester; er ist ein fleißiger nicht ganz ungeschickter Philister, 60 Jahr alt, aus einem kleinstädtischen Ort, durch Verhältnisse gedrückt und beschränkt, durch hypochondrische Kränklichkeit noch mehr darniedergebeugt, sonst in neuern Sprachen und in der deutschen Sprachforschung, auch in gewissen Literaturfächern nicht unbewandert. Sie können denken, wie wenig Conversationspunkte es da zwischen uns giebt, und wie übel mir bei den wenigen zu Muthe sein mag. Das schlimmste ist, daß ich in ihm eine nicht ganz kleine und nicht einmal verächtliche Klasse von Lesern und Urtheilern repräsentirt finde, denn er mag in Meiningen, wo er Bibliothekar ist, noch vorzüglich sein. Diese ganze imperfectible enge Vorstellungsweise könnte einen zur Verzweiflung bringen, wenn man etwas erwartete.

Uebrigens raubt mir dieser Aufenthalt der bis auf den Sonntag dauert, einen großen Theil meiner Zeit und alle gute Stimmung für den Ueberrest; ich muß diese Woche rein ausstreichen aus dem Leben.

Was der Sammler für eine Wirkung machen wird, bin ich in der That neugierig. Da man einmal nicht viel hoffen kann zu bauen und zu pflanzen, so ist es doch etwas, wenn man auch nur überschwemmen und niederreißen kann. Das einzige Verhältniß gegen das Publikum, das einen nicht reuen kann, ist der Krieg, und ich bin sehr dafür, daß auch der Dilettantism mit allen Waffen angegriffen wird. Eine ästhetische Einkleidung, wie etwa der Sammler, würde diesem Aufsatz freilich bei einem geistreichen Publikum den größern Eingang verschaffen, aber den Deutschen muß man die Wahrheit so derb sagen als möglich, daher ich glaube, daß man wenigstens den Ernst, auch in der äußern Einkleidung, vorherrschen lassen muß. Es fänden sich vielleicht unter Swifts Satyren Formen, die hiezu passen, oder müßte man in Herders Fußtapfen treten und den Geist des Pantagruel citiren.

Wahrscheinlich bringe ich meine Gäste auf den Sonntag selbst auf die nächste Station nach Weimar, und bleibe dann wohl die zwei folgenden Tage dort, wo ich Sie, trotz des Getümmels, doch einige Stunden zu sehen hoffe. Auch ich freue mich herzlich auf unser hiesiges Zusammensein.

Die Frau grüßt Sie bestens. Leben Sie bis dahin recht wohl.

Sch.


612. An Schiller.

Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten und mich deswegen kaum überzeugen können daß es Mittwoch sei. Möge das Hinderniß aus keiner unangenehmen Ursache entsprungen sein! Was mich betrifft so rege ich mich wenigstens, da ich mich nicht bewegen kann.

Ich lasse meine kleinen Gedichte zusammen schreiben, woraus ein wunderlicher Codex entstehen wird.

Ich habe bei dieser Gelegenheit Ihren Taucher wieder gelesen, der mir wieder außerordentlich wohl und, wie mich sogar dünkt, besser als jemals gefallen hat.

Die Phänomene der sogenannten Inflexion waren auch heute wieder, bei dem schönen Sonnenschein, an der Tagesordnung.

Es ist bald gesagt: man solle genau beobachten! ich verdenke es aber keinem Menschen wenn er geschwind mit einer hypothetischen Enunciation die Erscheinungen bei Seite schafft. Ich will in gegenwärtigem Falle alles was nur an mir ist, zusammennehmen und brauchen, es ist aber auch nöthig. Dagegen sehe ich wohl daß es vielleicht der letzte Knoten ist der mich noch bindet, durch dessen Auflösung wahrscheinlich die schönste Freiheit über das Ganze zu erringen ist.

Leben Sie recht wohl und fleißig.

Weimar am 26. Juni 1799.

G.


613. An Goethe.

Jena den 26. Juni 1799.

Die Fahrläßigkeit meiner Botenfrau, die meinen Brief gestern liegen ließ, ist Schuld daran, daß Sie heute nichts erhielten. Eben da ich Ihren Brief erhalte, bringt man mir den meinigen zurück.

Unger hat mir heute geschrieben, aber ohne mir auf den Wink, den ich ihm wegen Ihrer Gedichtsammlung neulich gab, etwas zu antworten. Vielleicht schrieb er Ihnen selbst. Aber meinen Vorschlag, eine Sammlung deutscher Schauspiele herauszugeben, und zwar so, daß des Jahrs zehn Stücke herauskämen, und über jedes eine Kritik, nimmt er mit Vergnügen an, und will hundert Carolin Honorar für diese zehn Stücke und deren Beurtheilung zahlen, wenn das Werk von uns herausgegeben würde. Wir können sehr leicht zu diesem Verdienste kommen, wenn wir das kritische Geschäft Gesprächsweise unter uns abthun, in zehn bis fünfzehn Abenden ist es abgethan und für jeden sind dreihundert Thaler verdient.

Endlich habe ich auch nach langem Warten etwas von Berlin aus über den Wallenstein gehört. Er ist den 17ten Mai zum erstenmal gespielt worden, also vier Wochen später als in Weimar. Unger lobt die Aufführung so wie die Aufnahme des Stücks bei dem Publikum gar sehr. Auch hat sich schon ein Berliner Schmierer weitläuftig in den Annalen der Preußischen Monarchie darüber herausgelassen, das Stück zwar sehr gepriesen, aber die Stellen auch recht à la Böttiger herausgezerrt und seinen Aufsatz damit gespickt.

Leben Sie recht wohl. Wir machen morgen einen Besuch bei Mellisch; schade, daß Sie nicht auch da sein können. Zu den optischen Beschäftigungen wünsche ich Glück. So lang Sie dafür noch etwas thun können, ist Ihre Zeit in Weimar immer wohl angewandt.

Sch.


614. An Goethe.

Jena den 28. Juni 1799.

Ich sage Ihnen für heute bloß einen Gruß; ich habe Gesellschaft diesen Abend, auf den Sonntag sehe ich Sie vielleicht selbst. Diese Woche ist nicht viel geschehen, wiewohl sie nicht ganz ohne Frucht war. Die drei nächsten Monate sollen desto ernstlicher benutzt werden, so wie sie auch, hoffe ich, Ihnen förderlich sein werden. Sind Sie nur erst wieder von Weimar hinweg, so wird der gute Geist über Sie kommen, wenn Sie sich auch in den dicksten Thüringerwald oder auf eine andere Wartburg zurückziehen müßten.

Leben Sie recht wohl. Von meiner Frau die schönsten Grüße an Sie.

Sch.


615. An Schiller.

Da ich die Hoffnung habe Sie morgen zu sehen, so mag Ihnen dieses Blatt auch nur einen Gruß zurückbringen. Sollten Sie sich entschließen bei uns zu bleiben, so könnte ein Bett bald aufgestellt werden, wenn Sie bei mir einkehren und die beiden Tage der Königlichen Gegenwart mit uns überstehen wollten. Ich wünsche daß der Juli unsere Wünsche und Zwecke besser befriedigen möge als der abscheidende Monat und verlange gar sehr Sie über verschiednes zu sprechen.

Leben Sie beiderseits recht wohl.

Weimar am 29. Juni 1799.

G.


616. An Goethe.

Jena den 5. Juli 1799.

Ich fand bei meiner Ankunft in Jena einen Brief von Cotta, worin er mir seine Unruhe über einen Brief zu erkennen giebt, den er der Propyläen wegen an Sie geschrieben habe. Was er von dem Absatz des Journals schreibt, ist zum Erstaunen, und zeigt das Kunsttreibende und Kunstliebende Publikum in Deutschland von einer noch viel kläglichern Seite, als man bei noch so schlechten Erwartungen je hätte denken mögen. Da man keine Ursache hat, ein Mistrauen in Cottas Redlichkeit zu setzen, so möchte freilich an keine Fortsetzung zu denken sein, denn der Absatz müßte dreimal stärker werden als er ist, wenn Cotta aus dem Verlust kommen sollte. Zwar ist zu hoffen, daß das neueste Stück mehr Käufer anlocken wird, aber bei der Kälte des Publikums für das bisherige und bei der ganz unerhörten Erbärmlichkeit desselben, die sich bei dieser Gelegenheit manifestirt hat, läßt sich nicht erwarten, daß selbst dieses Stück das Ganze wird retten können, welches übrigens abzuwarten ist. Ich darf an diese Sache gar nicht denken, wenn sie mein Blut nicht in Bewegung setzen soll, denn einen so niederträchtigen Begriff hat mir noch nichts von dem deutschen Publikum gegeben. Man sollte aber von nichts mehr überrascht werden; und wenn man ruhig nachdenkt und vergleicht, so ist leider alles sehr begreiflich.

Ich kann und mag heute von nichts anderm mehr schreiben, habe auch nicht viel zu berichten. Die Hitze ist hier unerträglich und setzt mir so zu, daß ich zu jedem guten Gedanken unfähig bin, auch habe ich zwei Nächte nicht schlafen können.

Ich vergaß neulich anzufragen, an wen ich den Zettel wegen der Bücherpreise für die Auction zu senden habe, und ersuche Sie, solchen nebst den zwei Bänden von Montesquieu die neulich zurückgeblieben, an die Behörde abgeben zu lassen. Die Preise, die ich auf dem Zettel angemerkt, sind die niedrigsten, unter denen ich die Bücher nicht lasse, doch steht es dem Besorger frei, wenn er ein vorhergegangenes Buch über dem, von mir angesetzten Preis angebracht hat, eins der folgenden alsdann auch etwas wohlfeiler zu lassen, wenn nur die Summe im Ganzen herauskommt.

Morgen hoffe ich zu erfahren, wann wir Sie erwarten können. Ich sehne mich recht nach einem längern Zusammensein. Meyern viele Grüße. Die Frau empfiehlt sich Ihnen herzlich. Leben Sie recht wohl und heiter.

Sch.


617. An Schiller.

Zwar kann ich heute noch nicht sagen wann ich kommen werde, doch habe ich mich schon so ziemlich losgemacht und hoffe nicht lange mehr zu verweilen.

Die kurzen Augenblicke unsers letzten Zusammenseins wollte ich mit der Geschichte nicht verderben, die Ihnen nun auch einen unangenehmen Eindruck gemacht hat. Unterdessen geht die Sache so natürlich zu daß man sich darüber gar nicht verwundern soll. Denn man sollte ja doch das Ganze das man nicht kennt, aus den vielen integrirenden Theilen schätzen die man kennt. Wenn wir zusammen kommen wird sich näher überlegen lassen was zu thun ist.

Die Bücher und die Liste sollen besorgt werden. Wollten Sie doch bald möglichst Wallensteins Lager und die Piccolomini an Kirms schicken. Den Wallenstein habe ich von dem Prinzen zurück erhalten. Wir wollten die Stücke gern einigemal in Lauchstädt geben. Der Souffleur hat sich ad protocollum mit seinem sämmtlichen Vermögen verbürgt daß er für die Stücke stehen wolle.

Bei dieser warmen Jahrszeit ist freilich Ihr Gartenhaus den Sonnenstrahlen und der heißen Luft zu sehr ausgesetzt, ich wünsche bald Regen und angenehme Kühlung, nichts aber so sehr als bald wieder in Ihrer Nähe zu sein. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 6. Juli 1799.


618. An Goethe.

Jena den 9. Juli 1799.

Ohne Zweifel hat Ihnen der Hofkammerrath seine Noth geklagt, und die Bedingung notificirt, unter welcher ich ihm die Aufführung meiner Stücke zu Lauchstädt accordiren kann. Er wird nun schwerlich mehr Lust dazu haben, aber ich mußte auf diesem Aequivalent bestehen, da die Bequemlichkeit der Hallenser und Leipziger die Stücke in Lauchstädt zu sehen meiner Negotiation mit Opitz nachtheilig werden kann. Die Neugier des Publikums ist das einzige wovon was zu hoffen ist, und wenn diese abgeleitet ist, ist auf nichts mehr zu rechnen. Uebrigens bestehe ich nicht gerade auf der Einnahme für die Vorstellungen, mir ist jede Auskunft lieb, welche zugleich mit der Convenienz des Theaters und der meinen bestehen kann. Ich habe noch einen Wunsch wegen Besetzung der Thekla hinzugesetzt, den Sie ohne Zweifel gut heißen werden, und die Ansprüche die etwa eine andere daran hätte machen mögen, glaube ich dadurch entfernt zu haben.

Uebrigens bin ich, seit meiner Zurückkunft von Weimar, nicht viel weiter vorgerückt; die große Hitze wirkte gleich nachtheilig auf meine Stimmung und meine Gesundheit; so viele Anstalten zu Gewittern auch am Himmel indeß gewesen, so hat uns noch kein Regen erquickt; das Gras in meinem Garten ist ganz wie verbrannt.

Ich bin begierig zu erfahren, was Sie in Absicht auf die Propyläen beschließen werden. Alles wohl erwogen und die nöthige Rücksicht auf das von Cotta zugesetzte Geld genommen hielt ich es doch fürs beste, zu versuchen, ob man die Schrift nicht jetzt noch poussiren und dadurch die erstern Hefte zugleich flott machen kann. Bei der gehörigen Hinsicht auf dasjenige, was das Publicum vorzüglich wünscht und sucht, sollte dieß däucht mir nicht fehlschlagen. Man macht fürs erste kleinere Auflagen, um die Unkosten zu vermindern, Sie lassen vielleicht von dem Preise nach, man sucht dem Journal durch Zeitungen und andere Blätter mehr Publicität zu geben. Bei der ersten Ansicht verlor ich die Hoffnung zu bald; man muß aber doch nicht zu schnell das Feld räumen. Wenn Sie etwas von dem Faust hineinrückten, so würde es viel gute Folgen haben. Gegen Ende des Jahrs, nicht früher, erschiene das fünfte Stück; zu diesem könnte ich vielleicht auch etwas aus der Maria hergeben, wodurch der darstellende Theil, der immer am meisten Liebhaber findet, ein Uebergewicht bekäme. Lassen Sie uns das wohl zusammen überlegen, ein festes Beharren gewinnt endlich vielleicht doch den Prozeß. Leben Sie recht wohl. Herzliche Grüße von meiner Frau.

Sch.


619. An Schiller.

Leider muß ich durch dieses Blatt anzeigen daß ich noch nicht kommen kann. Durchlaucht der Herzog glauben daß meine Gegenwart beim Schloßbau nützlich sein könne, und ich habe diesen Glauben, auch ohne eigne Ueberzeugung, zu verehren. Darneben giebt es denn freilich so mancherlei zu thun und zu besorgen daß die Zeit, wo nicht angewendet doch wenigstens verwendet werden kann. Ich trinke meine Portion Pyrmonter Brunnen und thue übrigens was so vorkommt. Möge Ihnen die Muse günstiger sein, damit ich, wenn ich früher oder später komme, Ihre Arbeit brav vorgerückt finde. Lassen Sie mich bald von sich hören, damit ich angefrischt werde mich wenigstens schriftlich mit Ihnen zu unterhalten, wozu ich heute weder Stoff noch Stimmung finde. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 9. Juli 1799.

G.


620. An Schiller.

Sie haben sehr wohl gethan bei der Gelegenheit die sich zeigte einige Bedingungen zu machen, welche der sonst so ökonomische Freund sowohl als ich mit Vergnügen erfüllen wird. Man ist so gewohnt die Geschenke der Musen als Himmelsgaben anzusehen, daß man glaubt der Dichter müsse sich gegen das Publikum verhalten wie die Götter gegen ihn. Uebrigens habe ich Ursache zu glauben daß Sie bei dieser Gelegenheit von einer andern Seite noch was angenehmes erfahren werden.

Wegen der Propyläen bin ich völlig Ihrer Meinung. Verfasser, Herausgeber und Verleger scheinen mir sämmtlich interessirt daß die Schrift nicht abreiße. Verminderung der Auflage, Nachlaß am Honorar, Zaudern mit den nächsten Stücken, scheint das erste zu sein wozu man sich zu entschließen hätte. Alsdann läßt sich das weitere überlegen und ausführen. Es ist der Fall von dem verlornen Pfeil, dem man einen andern nachschießt, nur freilich kann man dem Verleger nicht zumuthen ihn allein zu riskiren.

Ich wünsche nun gar sehr bald wieder bei Ihnen zu sein, so wie ich unserer Gegend Regen wünsche damit mein inneres wie das äußere gedeihe.

Leben Sie indessen recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 10. Juli 1799.

Goethe.


621. An Goethe.

Jena den 12. Juli 1799.

Die Vortheile, die Sie mir so freundschaftlich bewilligen, kommen mir bei meiner kleinen Haushaltung so erquicklich und erwünscht, wie der Regen der seit vorgestern unser Thal erfreut und erfrischt hat. Auch die Facilität des Hofkammerraths erfreut mich, insofern sie mir beweist, daß er mit meiner Theatralischen Gabe nicht unzufrieden war. Daß uns ein schönes Geschenk von Silberarbeit von Seiten der regierenden Herzogin erwarte, haben wir auch schon vernommen. Die Poeten sollten immer nur durch Geschenke belohnt, nicht besoldet werden; es ist eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Glücks: beide fallen vom Himmel.

Ich habe die Aufsätze über Akademien und Zeichenschulen nun mit Aufmerksamkeit durchlesen und große Freude daran gehabt, ja ich konnte nicht davon wegkommen bis ich am Ende war. Außerdem, daß sie so richtig gedacht und so praktisch überzeugend sind, sind sie auch äußerst anziehend geschrieben und müßten nothwendig, wenn man das Publikum nicht ganz und gar widerstrebend annehmen muß, für sich allein schon die Propyläen in Aufnahme bringen. Jetzt müssen wir vorerst nur an die möglichste Verbreitung und Bekanntmachung der Propyläen denken, und es würde zu diesem Zwecke nicht übel gethan sein, einige Dutzend Exemplare an die rechten Plätze zu verschenken. Auch wollen wir, wenn Sie hieher kommen, zusammen ein halbes Dutzend Anzeigen des Journals für die öffentlichen Blätter aufsetzen; Cotta wird sie schon anzubringen wissen.

Mit meiner Arbeit geht es zwar nicht sehr schnell, aber doch seit einiger Zeit ohne Stillstand fort. Die nöthige Exposition des Prozesses und der Gerichtsform hat, außerdem daß solche Dinge mir nicht geläufig sind, auch eine Tendenz zur Trockenheit, die ich zwar überwunden zu haben hoffe, aber doch nicht ohne viel Zeit dabei zu verlieren, und zu umgehen war sie nicht. Die englische Geschichte von Rapin Thoyras, die ich seit dieser Arbeit lese, hat den guten Einfluß mir das englische Local und Wesen immer lebhaft vor der Imagination zu erhalten.

Möchten Sie nur auch bald hier sein können. Selbst mein Garten, wo die Rosen und Lilien in der Blüthe stehen, würde Sie reizen.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Meyern. Von meiner Frau viel schöne Grüße.

Sch.


622. An Schiller.

Heute nur ein Wort! da es überhaupt in diesen Tagen wieder nur auf Zerstreuung angelegt ist. Durch das neue Verhältniß in das wir gekommen sind, wird es nöthig den Schloßbau zu betreiben. Um den ersten Anstoß zu geben und alles nach der neuen etwas eiligern Mensur einzuleiten, werde ich doch noch immer acht bis vierzehn Tage nöthig haben und Sie also wohl vor Anfangs August nicht sehen. Auch heute sage ich nur ein flüchtiges Lebewohl, um das Paket fortzubringen.

Weimar am 13. Juli 1799.

G.


623. An Goethe.

Jena den 15. Juli 1799.

Es waltet ein unholder Geist über Ihren guten Vorsätzen und Hoffnungen für diesen Sommer, der sich, besonders nach der glücklichen Entledigung vom Musenalmanach, so gut anließ, und noch dazu läßt sich's gewissen Leuten nicht einmal begreiflich machen, welches das Opfer ist, das Sie bringen. Wenn Sie indessen nur gewiß in vierzehn Tagen loskommen und für eine längere Zeit, so ist noch immer Hoffnung, daß etwas wesentliches noch geschehen kann.

Ihre lange Abwesenheit macht, daß auch ich keine Anregung von außen erhalte und bloß in meinem Geschäft lebe. Mit den Philosophen, wie Sie wissen, kann man jetzt nur in der Karte spielen, und mit den Poeten wie ich höre nur kegeln. Denn man sagt, daß Kotzebue, der aber jetzt abwesend ist, dieses einzige gesellschaftliche Vergnügen hier genossen habe.

Senden Sie doch recht bald ein Exemplar der Propyläen nach Berlin, um dort, ehe es durch den Weg des Buchhandels dahin kommt, einen Rumor zu erregen. Man sollte wirklich suchen, Gegenschriften zu veranlassen, wenn sie nicht von selbst kommen; denn an der Schadenfreude faßt man die Menschen am sichersten. Es würde deßwegen auch nicht übel sein, wenn man den Aufsatz vom Kunstsammler auch schon in der Anzeige, die man im Posselt davon macht, als etwas Polemisches darstellte.

Haben Sie denn über den Dilettantism indessen nicht weiter nachgedacht? Ich sehnte mich nach einer solchen Anregung und würde gern meine Gedanken dazu beisteuern, wenn ich den activen Zustand des gesammelten Materials vor Augen hätte. Wenn es abgeschrieben ist und Sie es nicht brauchen, so senden Sie mir's doch.

Sie werden vielleicht davon gehört haben, daß der hiesige Postverwalter Becker den Botenweibern ihr Postwesen legen will, und diese jetzt keine Pakete, bloß Briefe, die sich verbergen lassen, mitnehmen können. Wenn man ihnen doch ihr altes Gewerbe wieder herstellen könnte. Dieser Becker ist ein miserabler Patron, und auch außer seinen Chicanen als Postmeister ein böses Mitglied des hiesigen gemeinen Wesens, da er allen Ordensunfug und andre Liederlichkeiten hegt.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns diese paar Wochen vom Juli wo möglich noch etwas vom Dilettantismus in Ordnung bringen.

Die Frau grüßt aufs beste.

Sch.


624. An Schiller.

In dem Falle, in welchem ich mich gegenwärtig befinde, ist die Ueberzeugung das beste, daß das, was gegenwärtig geschehen muß, durch meine Gegenwart gefördert wird; und wäre es auch nur Täuschung daß ich hier nöthig bin, so ist auch schon mit dieser genug gewonnen. An alles Uebrige, es sei poetisch oder literarisch, naturhistorisch oder philosophisch, wird nicht gedacht, meine Hoffnung steht auf den Anfang des Augusts, wo ich Sie wieder zu sehen gedenke. Bis dahin wird auch wohl meine Roßlaer Gutssache in Ordnung sein, denn ich habe noch die Lehn zu empfangen und was dergleichen Dinge mehr sind.

Madame la Roche ist wirklich in Osmannstädt angekommen und da ich mich gegenwärtig im Stande der Erniedrigung befinde, so brauche ich den Beistand der Unglücksburgemeisterin nicht, um diesem Besuch gehörig zu begegnen.

Uebrigens ist, wie schon gesagt, nichts neues, erfreuliches und seelenerquickliches vorgekommen und ich bin genöthigt diesen Brief abermals zu schließen, ehe er noch etwas enthält.

Leben Sie recht wohl; halten Sie sich an Ihr Geschäft und bereiten mir dadurch einen schönen Empfang. Ihrer lieben Frau viele Grüße.

Weimar am 17. Juli 1799.

G.


625. An Goethe.

Jena den 19. Juli 1799.

Ich habe mir vor einigen Stunden durch Schlegels Lucinde den Kopf so taumelig gemacht, daß es mir noch nachgeht. Sie müssen dieses Product wundershalber doch ansehen. Es charakterisirt seinen Mann, so wie alles darstellende, besser als alles was er sonst von sich gegeben, nur daß es ihn mehr ins fratzenhafte malt. Auch hier ist das ewig formlose und fragmentarische, und eine höchst seltsame Paarung des Nebulistischen mit dem Charakteristischen, die Sie nie für möglich gehalten hätten. Da er fühlt, wie schlecht er im poetischen fortkommt, so hat er sich ein Ideal seiner selbst aus der Liebe und dem Witz zusammengesetzt. Er bildet sich ein, eine heiße unendliche Liebesfähigkeit mit einem entsetzlichen Witz zu vereinigen, und nachdem er sich so constituirt hat, erlaubt er sich alles, und die Frechheit erklärt er selbst für seine Göttin.

Das Werk ist übrigens nicht ganz durchzulesen, weil einem das hohle Geschwätz gar zu übel macht. Nach den Rodomontaden von Griechheit, und nach der Zeit, die Schlegel auf das Studium derselben gewendet, hätte ich gehofft, doch ein klein wenig an die Simplicität und Naivetät der Alten erinnert zu werden; aber diese Schrift ist der Gipfel moderner Unform und Unnatur, man glaubt ein Gemengsel aus Woldemar, aus Sternbald, und aus einem frechen französischen Roman zu lesen.

Zum Aufsatz über den Dilettantism haben die Weimarischen Herren und Damen gestern wie ich höre neuen Stoff dargereicht, da ein Privattheater dort eröffnet wurde. Man wird sich also wenig Freunde unter ihnen machen, aber die Jenenser können sich trösten, daß man eine gleiche Justiz ergehen läßt.

Von der Maria Stuart werden Sie nicht mehr als Einen Akt fertig finden. Dieser Akt hat mir deßwegen viel Zeit gekostet und kostet mir noch acht Tage, weil ich den poetischen Kampf mit dem historischen Stoff darin bestehen mußte und Mühe brauchte, der Phantasie eine Freiheit über die Geschichte zu verschaffen, indem ich zugleich von allem was diese brauchbares hat Besitz zu nehmen suchte. Die folgenden Akte sollen wie ich hoffe schneller gehen, auch sind sie beträchtlich kleiner.

Sie brauchen also das Unglück aus Lobeda nicht? Desto schlimmer hätte ich bald gesagt. Mir ist bei dieser Nähe der betagten Freundin schlecht zu Muthe, da ich für alles was drückt und einengt, gerade jetzt sehr empfindlich bin.

Beiliegendes Buch bitte ich an Vulpius abgeben zu lassen.

Leben Sie aufs beste wohl.

Die Frau grüßt Sie. Den August haben wir gestern hier gehabt.

Sch.


626. An Schiller.

Ich danke Ihnen daß Sie mir von der wunderlichen Schlegelischen Production einen nähern Begriff geben; ich hörte schon viel darüber reden. Jedermann liest's, jedermann schilt darauf und man erfährt nicht was eigentlich damit sei. Wenn mir's einmal in die Hände kommt will ich's auch ansehen.

Die Greuel des Dilettantismus haben wir in diesen Tagen auch wieder erlebt, die um so schrecklicher sind als die Leute mitunter recht artig pfuschen, sobald man einmal zugiebt, daß gepfuscht werden soll. Unglaublich ist's aber, wie durch diesen einzigen Versuch schon die ganze gesellschaftliche Unterhaltung, an der zwar überhaupt nichts zu verderben ist, eine hohle, flache und egoistische Tournüre nimmt, wie aller eigentliche Antheil am Kunstwerk durch diese leichtsinnige Reproduction aufgehoben wird.

Uebrigens hat mir diese Erfahrung, so wie noch andere in andern Fächern, die Ueberzeugung erneuert: daß wir andern nichts thun sollten als in uns selbst zu verweilen, um irgend ein leidliches Werk nach dem andern hervorzubringen. Das übrige ist alles vom Uebel.

Deswegen gratulire ich zum ersten Act, wünsche mich bald wieder zu Ihnen und kann die Hoffnung nicht fahren lassen, daß dieser Nachsommer auch für mich noch fruchtbar sein werde. Leben Sie recht wohl. August hat sich sehr gefreut Carl und auch Ernsten wieder zu sehen, von dem er viel erzählt hat.

Weimar am 20. Juli 1799.

G.


627. An Goethe.

Jena den 23. Juli 1799.

Ich höre, daß Sie in Roßla sind, woraus ich zu meinem großen Vergnügen schließe, daß Ihre Hieherkunft nicht mehr weit entfernt ist. Es wird auch meiner Existenz einen ganz andern Schwung geben, wenn wir wieder beisammen sind, denn Sie wissen mich immer nach außen und in die Breite zu treiben; wenn ich allein bin, versinke ich in mich selbst.

Tieck aus Berlin hat Sie besucht; ich bin begierig wie Sie mit ihm zufrieden sind, da Sie ihn länger gesprochen haben. Mir hat er gar nicht übel gefallen; sein Ausdruck ob er gleich keine große Kraft zeigt ist fein, verständig und bedeutend, auch hat er nichts kokettes noch unbescheidenes. Ich hab' ihm, da er sich einmal mit dem Don Quixote eingelassen, die spanische Literatur sehr empfohlen, die ihm einen geistreichen Stoff zuführen wird, und ihm, bei seiner eigenen Neigung zum Phantastischen und Romantischen, zuzusagen scheint. So müßte dieses angenehme Talent fruchtbar und gefällig wirken, und in seiner Sphäre sein.

Mellisch hat mir von seiner Burg einige Fragmente aus den Piccolominis in der allgemeinen Zeitung in Jamben übersetzt zugeschickt, die, wenn sie der englischen Sprache ganz gemäß sind, die Gedanken gut ausdrücken und auch das eigenthümliche der Diction gut nachahmen. Er hat Lust das Ganze zu übersetzen, wenn für ihn und mich der gehörige Vortheil dabei zu gewinnen ist, und hat deßwegen an Sheridan geschrieben.

Mit dem Ersten Akt der Maria hoffe ich zu Ende dieser Woche ganz im Reinen zu sein. Ich sollte freilich schon weiter vorwärts gekommen sein, aber dieser Monat war mir nicht so günstig als der vorige. Ich bin zufrieden, wenn ich den dritten Akt mit in die Stadt bringe.

Das Ungewitter aus Osmannstädt scheint sich zu verziehen. Wenigstens höre ich, daß Anverwandte der La Roche, die hier wohnen, dorthin seien berufen worden, um sie zu sehen.

Wenn Sie nach Weimar zurückkommen, so haben Sie doch die Güte, das was von dem Gedicht der Fräulein Imhof fertig ist, an Gädike zu geben und ihm den Almanach von 1797 und 1798 zur Norm vorzuschreiben, nur mit dem Unterschied, daß er auf jede Seite nur neun Hexameter setzt und vor jedem Gesang ein Blatt leer läßt, worauf nichts steht als der wievielte Gesang es ist. Leben Sie recht wohl; die Frau grüßt Sie aufs allerschönste.

Sch.


628. An Schiller.

Ich kann nun hoffen daß ich bald zu Ihnen kommen werde; Sonnabend oder Sonntag wird es möglich sein von hier abzukommen. Frau von la Roche habe ich zweimal, erst in Tiefurt, dann in Osmannstädt gesehen und sie eben gerade wie vor zwanzig Jahren gefunden. Sie gehört zu den nivellirenden Naturen, sie hebt das Gemeine herauf und zieht das Vorzügliche herunter und richtet das Ganze alsdann mit ihrer Sauce, zu beliebigem Genuß an; übrigens möchte man sagen daß ihre Unterhaltung interessante Stellen hat.

Tieck hat mit Hardenberg und Schlegel bei mir gegessen; für den ersten Anblick ist es eine recht leidliche Natur. Er sprach wenig, aber gut und hat überhaupt hier ganz wohl gefallen.

Morgen habe ich ein großes Gastmahl und dann will ich mich zur Abfahrt bereiten.

Gädike soll die zwei ersten Gesänge ehe ich weggehe erhalten. Ich gehe sie nochmals durch; es ist und bleibt aber eine böse Aufgabe. Das Werk ist wie eine bronzene Statue, artig gedacht und gut modellirt, wobei aber der Guß versagt hätte. Je weiter man in der Ausführung kommt, je mehr giebt's zu thun. Freilich hilft's nun nichts weiter, man muß machen daß man durchkommt. Leben Sie recht wohl; ich hoffe nun nicht mehr zu schreiben und freue mich von Herzen Sie und Ihre liebe Frau wieder zu sehen.

Weimar am 24. Juli 1799.

G.


629. An Schiller.

Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten, wahrscheinlich weil Sie glauben daß ich kommen werde: ich muß aber meine alte Litanei wieder anstimmen und melden daß ich hier noch nicht loskomme. Die Geschäfte sind polypenartig: wenn man sie in hundert Stücke zerschneidet, so wird jedes einzelne wieder lebendig. Ich habe mich indessen drein ergeben und suche meine übrige Zeit so gut zu nutzen als es gehen will. Aber jede Betrachtung bestärkt mich in jenem Entschluß: blos auf Werke, sie seien von welcher Art sie wollen, und deren Hervorbringung meinen Geist zu richten und aller theoretischen Mittheilung zu entsagen. Die neusten Erfahrungen haben mich aufs neue überzeugt: daß die Menschen statt jeder Art von ächter theoretischer Einsicht nur Redensarten haben wollen, wodurch das Wesen was sie treiben zu etwas werden kann. Einige Fremde die unsere Sammlung besuchten, die Gegenwart unserer alten Freundin, und über alles das sich neu constituirende Liebhabertheater haben mir davon schreckliche Beispiele gegeben und die Mauer, die ich schon um meine Existenz gezogen habe, soll nun noch ein Paar Schuhe höher aufgeführt werden.

Im Innern sieht es dagegen gar nicht schlimm aus. Ich bin in allen Zweigen meiner Studien und Vorsätze um etwas weniges vorgerückt, wodurch sich denn wenigstens das innere fortwirkende Leben manifestirt, und Sie werden mich in gutem Humor und zur Thätigkeit gestimmt wieder sehen.

Ich dachte Sie auf einen Tag zu besuchen: dadurch ist uns aber nicht geholfen; denn wir bedürfen nun schon einiger Zeit, um uns wechselseitig zu erklären und etwas zu Stande zu bringen.

Heute drohet Ihnen, wie ich höre, ein Besuch der la Rochischen Nachkommenschaft. Ich bin neugierig wie es damit abläuft. Was mich betrifft bin ich diese Tage so ziemlich in meiner Fassung geblieben: erlustigen aber wird Sie das unendliche Unglück in welches Meyer bei dieser Gelegenheit gerathen ist, indem diese seltsamen und, man darf wohl sagen, unnatürlichen Erscheinungen ganz neu und frisch auf seinen reinen Sinn wirkten.

Damit ich aber diesmal nicht ganz leer erscheine, lege ich ein Paar sonderbare Producte bei, davon Sie das eine wahrscheinlich mehr als das andere unterhalten wird.

Leben Sie recht wohl, gedenken mein und geben mir Nachricht von Ihrem Befinden und Thun.

Weimar am 27. Juli 1799.

G.


630. An Goethe.

Jena den 30. Juli 1799.

Ich habe Sie am Sonnabend mit fester Zuversicht erwartet, und deßwegen auch den Philosophenklubb absagen lassen, um den ersten Abend desto ungestörter mit Ihnen zuzubringen. Desto betrübter war ich als ich aus Ihrem Brief meine Hoffnung zerrinnen und ganz ins unbestimmte wieder sich verlieren sah.

Mir bleibt nun nichts übrig, als mich, so lang es gehen will, in das Produciren zu werfen, weil die Mittheilung mangelt. Ich bin auch schon ganz ernstlich im zweiten Akte bei meiner königlichen Heuchlerin. Der erste ist abgeschrieben und erwartet Sie bei Ihrer Ankunft.

Sie haben wohl recht, daß man sich der theoretischen Mittheilung gegen die Menschen lieber enthalten und hervorbringen muß. Das theoretische setzt das praktische voraus und ist also schon ein höheres Glied in der Kette. Es scheint auch, daß eine selbstständigere Imagination dazu gehört, als um die wirkliche Gegenwart eines Kunstwerks zu empfinden, bei welchem der Dichter und Künstler der trägern oder schwächern Einbildungskraft des Zuhörers und Betrachters zu Hülfe kommt, und den sinnlichen Stoff liefert.

Auch ist nicht zu läugnen, daß die Empfindung der meisten Menschen richtiger ist als ihr Raisonnement. Erst mit der Reflexion fängt der Irrthum an. Ich erinnre mich auch recht gut mehrerer unserer Freunde, denen ich mich nicht schämte, durch eine Arbeit zu gefallen, und mich doch sehr hüten würde, ihnen Rechenschaft von ihrem Gefühl abzufordern.

Wenn dieß auch nicht wäre, wer möchte ein Werk ausstellen mit dem er zufrieden ist? Und doch kann der Künstler und Dichter dieser Neigung nicht Herr werden.

Die zwei Damen haben mich neulich wirklich besucht und für sie zu Hause gefunden. Die kleine hat eine sehr angenehme Bildung, die selbst durch ihren Fehler am Aug nicht ganz verstellt werden konnte. Sie gaben mir den Trost, daß die Furcht vor der Schnecke die alte Großmutter wohl von der Herreise abschrecken würde. Von dem eleganten Diner bei Ihnen wußten sie viel zu erzählen. Der Relation, welche Meyer von diesen Erscheinungen machen wird, seh' ich mit Begierde entgegen.

Die Frau grüßt Sie aufs beste. Sie ist auch in einer Krisis, auf ihre Weise, und wird mir um einige Monate zuvorkommen. Leben Sie recht wohl und möge ein guter Geist uns bald zusammen führen.

Ich vergaß von den neulich überschickten Sachen zu schreiben. Das Jacobische Werk habe ich noch nicht recht betrachtet, aber das Gedicht ist lustig genug und hat scharmante Einfälle.

Sch.


631. An Schiller.

Es ist recht hübsch daß ich Ihnen, in dem Augenblick da ich die Productionen ausschließlich preise und anempfehle, auf eine doppelte Weise dazu Glück wünschen kann. Möge in beiden Fällen alles glücklich von Statten gehen.

Ich konnte voraussehen daß Parny Ihnen Vergnügen machen würde. Er hat aus dem Sujet eine Menge sehr artiger und geistreicher Motive gezogen, und stellt auch recht lebhaft und hübsch dar. Nur ist er, dünkt mich, in Disposition und Gradation der Motive nicht glücklich, daher dem Ganzen die Einheit fehlt. Auch scheint mir der äußere Endzweck, die christkatholische Religion in den Koth zu treten, offenbarer als es sich für einen Poeten schicken will. Es kam mir vor als wenn dieses Büchlein expreß von den Theophilanthropen bestellt sein könnte.

Allerdings passen diese und ähnliche Gegenstände besser zu komischen als zu ernsthaften Epopöen. Das verlorne Paradies, das ich diese Tage zufällig in die Hand nahm, hat mir zu wunderbaren Betrachtungen Anlaß gegeben. Auch bei diesem Gedichte, wie bei allen modernen Kunstwerken, ist es eigentlich das Individuum, das sich dadurch manifestirt, welches das Interesse hervorbringt. Der Gegenstand ist abscheulich, äußerlich scheinbar und innerlich wurmstichig und hohl. Außer den wenigen natürlichen und energischen Motiven ist eine ganze Partie lahme und falsche, die einem wehe machen. Aber freilich ist es ein interessanter Mann der spricht, man kann ihm Charakter, Gefühl, Verstand, Kenntnisse, dichterische und rednerische Anlagen und sonst noch mancherlei Gutes nicht absprechen. Ja der seltsame einzige Fall daß er sich, als verunglückter Revolutionair, besser in die Rolle des Teufels als des Engels zu schicken weiß, hat einen großen Einfluß auf die Zeichnung und Zusammensetzung des Gedichts, so wie der Umstand daß der Verfasser blind ist auf die Haltung und das Colorit desselben. Das Werk wird daher immer einzig bleiben und, wie gesagt, so viel ihm auch an Kunst abgehen mag, so sehr wird die Natur dabei triumphiren.

Unter andern Betrachtungen bei diesem Werke war ich auch genöthigt über den freien Willen, über den ich mir sonst nicht leicht den Kopf zerbreche, zu denken; er spielt in dem Gedicht, so wie in der christlichen Religion überhaupt, eine schlechte Rolle. Denn sobald man den Menschen von Haus aus für gut annimmt, so ist der freie Willen das alberne Vermögen aus Wahl vom Guten abzuweichen und sich dadurch schuldig zu machen; nimmt man aber den Menschen natürlich als bös an, oder, eigentlicher zu sprechen, in dem thierischen Falle unbedingt von seinen Neigungen hingezogen zu werden, so ist alsdann der freie Wille freilich eine vornehme Person, die sich anmaßt aus Natur gegen die Natur zu handeln. Man sieht daher auch wie Kant nothwendig auf ein radikales Böse kommen mußte und woher die Philosophen, die den Menschen von Natur so scharmant finden, in Absicht auf die Freiheit desselben so schlecht zu rechte kommen und warum sie sich so sehr wehren wenn man ihnen das Gute aus Neigung nicht hoch anrechnen will. Doch mag das bis zur mündlichen Unterredung aufgehoben sein, so wie die Reinholdischen Erklärungen über den Fichtischen Atheismus.

Den Brief an Lavatern hierüber habe ich angefangen zu lesen. Reinholds Ausführung scheint mir überhaupt psychologisch sehr unterrichtend und läuft wie mir scheint am Ende auf das alte Dictum hinaus: daß sich jeder seine eigne Art von Gott macht und daß man niemand den seinigen weder nehmen kann und soll.

Um meiner von allen Seiten geräuschvollen Nachbarschaft zu entgehen, habe ich mich entschlossen in den Garten zu ziehen, um dort die Ankunft des Herzogs und Geheimen Rath Voigts zu erwarten, welche mich hoffentlich von meinem gegenwärtigen Posten ablösen wird.

Ob die Einsamkeit des Ilmthals zu dem Einzigen was Noth ist viel helfen wird, muß die Zeit lehren.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Unsere nächste Zusammenkunft wird desto erfreulicher werden, je mehr sie bisher gehindert worden ist; denn wir haben indeß jeder für sich doch wieder manches erfahren dessen Mittheilung interessant genug sein wird.

Weimar am 31. Juli 1799.

G.


632. An Goethe.

Jena den 2. August 1799.

Ich wünsche Ihnen Glück zum Auszug in den Garten, von dem ich mir gute Folgen für die productive Thätigkeit verspreche. Nach der langen Pause die Sie gemacht, wird es nur der Einsamkeit und ruhigen Sammlung bedürfen, um den Geist zu entbinden.

Indem Sie Miltons Gedicht vor die Hand genommen, habe ich den Zeitraum in dem es entstanden und durch den es eigentlich wurde, zu durchlaufen Gelegenheit gehabt. So schrecklich die Epoche war, so muß sie doch für das dichterische Genie erweckend gewesen sein; denn der Geschichtschreiber hat nicht unterlassen mehrere in der englischen Poesie berühmte Namen unter den handelnden Personen aufzuführen. Hierin ist jene Revolutionsepoche fruchtbarer als die französische gewesen, an die sie einen sonst oft erinnert. Die Puritaner spielen so ziemlich die Rolle der Jakobiner, die Hülfsmittel sind oft dieselben und eben so der Ausschlag des Kampfs. Solche Zeiten sind recht dazu gemacht Poesie und Kunst zu verderben, weil sie den Geist aufregen und entzünden, ohne ihm einen Gegenstand zu geben. Er empfängt dann seine Objekte von innen und die Mißgeburten der Allegorischen, der Spitzfindigen und Mystischen Darstellung entstehen.

Ich erinnere mich nicht mehr, wie Milton sich bei der Materie vom freien Willen heraushilft, aber Kants Entwicklung ist mir gar zu mönchisch, ich habe nie damit versöhnt werden können. Sein ganzer Entscheidungsgrund beruht darauf, daß der Mensch einen positiven Antrieb zum Guten, so wie zum sinnlichen Wohlsein habe; er brauche also auch, wenn er das Böse wählt, einen positiven innern Grund zum Bösen, weil das Positive nicht durch etwas bloß Negatives aufgehoben werden könne. Hier sind aber zwei unendlich heterogene Dinge, der Trieb zum Guten und der Trieb zum sinnlichen Wohl völlig als gleiche Potenzen und Quantitäten behandelt, weil die freie Persönlichkeit ganz gleich gegen und zwischen beide Triebe gestellt wird.

Gottlob, daß wir nicht berufen sind, das Menschengeschlecht über diese Frage zu beruhigen, und immer im Reich der Erscheinung bleiben dürfen. Uebrigens sind diese dunkle Stellen in der Natur des Menschen für den Dichter und den tragischen insbesondre nicht leer, und noch weniger für den Redner, und in der Darstellung der Leidenschaften machen sie kein kleines Moment aus.

Sagen Sie mir doch in Ihrem nächsten Brief, wann man ohngefähr den Herzog in Weimar zurück erwartet und also Ihre eigene Hieherkunft in Jena bestimmen kann. Ich wünschte es darum zu wissen, weil eine kleine Reise davon abhängen könnte, die ich vielleicht mit meiner Frau auf ein paar Tage mache, und um derentwillen ich nicht gern einen Tag Ihres Hierseins versäumen möchte.

Die Frau dankt Ihnen herzlich für Ihren Antheil.

Leben Sie recht wohl und erfreuen Sie mich bald mit der Nachricht, daß die poetische Stunde geschlagen hat.

Sch.


633. An Schiller.

Meine Einsamkeit im Garten wende ich vor allen Dingen dazu an, daß ich meine kleinen Gedichte, die Unger nunmehr zum siebenten Band verlangt hat, noch näher zusammenstelle und abschreiben lasse. Zu einer solchen Redaction gehört Sammlung, Fassung und eine gewisse allgemeine Stimmung. Wenn ich noch ein paar Dutzend neue Gedichte dazu thun könnte, um gewisse Lücken auszufüllen und gewisse Rubriken, die sehr mager ausfallen, zu bereichern so könnte es ein recht interessantes Ganze geben. Doch wenn ich nicht Zeit finde das Publikum zu bedenken, so will ich wenigstens so redlich gegen mich selbst handeln, daß ich mich wenigstens von dem überzeuge was ich thun sollte, wenn ich es auch gerade jetzt nicht thun kann. Es giebt für die Zukunft leitende Fingerzeige.

Miltons verlornes Paradies, das ich Nachmittags lese, giebt mir zu vielen Betrachtungen Stoff, die ich Ihnen bald mitzutheilen wünsche. Der Hauptfehler den er begangen hat, nachdem er den Stoff einmal gewählt hatte, ist daß er seine Personen, Götter, Engel, Teufel, Menschen, sämmtlich gewissermaßen unbedingt einführt und sie nachher, um sie handeln zu lassen, von Zeit zu Zeit, in einzelnen Fällen, bedingen muß, wobei er sich denn, zwar auf eine geschickte, doch meistens auf eine witzige Weise zu entschuldigen sucht. Uebrigens bleibt's dabei daß der Dichter ein fürtrefflicher und in jedem Sinne interessanter Mann ist, dessen Geist des Erhabenen fähig ist, und man kann bemerken daß der abgeschmackte Gegenstand ihn bei dieser Richtung oft mehr fördert als hindert, ja dem Gedicht bei Lesern, die nun einmal den Stoff gläubig verschlucken, zum großen Vortheil gereichen muß.

Uebrigens hat es noch manches gegeben wovon ich schweige, weil der Brief in die Stadt soll. Wann ich kommen kann, darüber will ich lieber nichts sagen, weil ich es noch nicht genau bestimmen kann. Lassen Sie sich daher von Ihrer kleinen Reise nicht abhalten. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 3. August 1799.

G.


634. An Goethe.

Jena den 6. August 1799.

Ich habe mich heut in meiner Arbeit verspätet, und habe nur noch Zeit, Ihnen einen freundlichen Gruß zu sagen. Es freut mich zu hören, daß Sie an Ihre Gedichte gegangen sind und daß diese Sammlung nun gedruckt wird. Das Fach der Episteln und Balladen ist's allein, so viel ich weiß, worin Sie noch keine Masse haben, wenn Sie nicht etwa noch die Idyllen zu vermehren wünschen. Die Elegien, Epigramme und Lieder sind aber desto reicher besetzt. Hoffentlich bleiben Sie bei Ihrem Vorsatz, jedes Ihrer Lieder, wo es auch in größern Werken vorkommt, in die Sammlung aufzunehmen. Es wird eine reiche und erfreuliche Sammlung werden, wenn sie auch nicht nach Ihrer eignen höhern Forderung ausgeführt wird, und was jetzt nicht geschieht, kann ein andermal geschehen, da ein solches Werk ohnehin in drei bis vier Jahren vergriffen ist.

Ich hätte gern diesen neuen Almanach auch noch mit einigen Kleinigkeiten begabt, aber es fehlt mir an aller Stimmung dazu, weil die dramatische Arbeit jede andre ableitet. In dieser geht es bis jetzt in seiner Ordnung fort und wenn meine kleine Reise nach Rudolstadt, die ich projectirt habe, mir keine zu starke Diversion macht, so kann ich den zweiten Akt noch in diesem Monat beschließen.

Leben Sie bestens wohl in Ihrer Einsamkeit. August hat vorgestern meinen Kleinen eine recht große Freude mit seinem Besuch gemacht. Die Frau grüßt Sie schönstens. Parny folgt hier mit vielem Dank zurück.

Sch.


635. An Schiller.

In meiner Garteneinsamkeit fahre ich an meiner Arbeit recht eifrig fort und die reinliche Abschrift fördert gleichfalls. Noch kann ich selbst nicht sagen wie es mit der Sammlung werden wird, eins fordert das andere. Mein gegenwärtiger Aufenthalt erinnert mich an einfachere und dunklere Zeiten, die Gedichte selbst an mannigfaltige Zustände und Stimmungen. Ich will nur sachtehin immer das nächste thun und eins aus dem andern folgen lassen.

Die Epigramme sind, was das Sylbenmaß betrifft, am liederlichsten gearbeitet und lassen sich glücklicherweise am leichtesten verbessern, wobei oft Ausdruck und Sinn mitgewinnt. Aus den Römischen Elegien habe ich manchen prosodischen Fehler und ich hoffe mit Glück weggelöscht. Bei passionirten Arbeiten wie z. B. Alexis und Dora, ist es schon schwerer, doch muß man sehen wie weit man's bringen kann und am Ende sollen Sie, mein Freund, die Entscheidung haben. Wenn man solche Verbesserungen auch nur theilweise zu Stande bringt, so zeigt man doch immer seine Perfectibilität, so wie auch Respect für die Fortschritte in der Prosodie welche man Vossen und seiner Schule nicht absprechen kann.

Ueberhaupt müßte diese Sammlung in manchem Sinne wenn es mir gelingt als ein Vorschritt erscheinen.

Meyer will ein halb Dutzend Zeichnungen dazu liefern, etwa nur ein Paar unmittelbaren Bezugs, oder wie man sagen möchte historischen Inhalts, z. B. die Katastrophe der Braut von Corinth. Andere müßten einen entfernteren symbolischen Bezug haben.

Indem ich nun dergestalt aus dem Alten nach dem Neuen zu arbeite, ist mir die Hoffnung gar erfreulich daß mich bei Ihnen etwas ganz Neues erwarte, wovon ich so gut als gar keine Idee habe. Sein Sie fleißig, wenn es die Umstände erlauben wollen, und vollbringen glücklich Ihre Rudolstädter Fahrt. Lassen Sie August manchmal bei sich gut aufgenommen sein; da ich nicht nach Jena entweichen konnte, so mußten die Meinigen weichen; denn dabei bleibt es nun einmal: daß ich ohne absolute Einsamkeit nicht das mindeste hervorbringen kann. Die Stille des Gartens ist mir auch daher vorzüglich schätzbar.

Nochmals ein Lebewohl und einen Gruß an Ihre liebe Frau.

Weimar am 7. August 1799.

G.


636. An Goethe.

Jena den 9. August 1799.

Zu den prosodischen Verbesserungen in den Gedichten gratulire ich. Zu dem letzten Artikel in unserm Schema, zur Vollendung, gehört unstreitig auch diese Tugend und der Künstler muß hierin etwas vom Punktirer lernen. Es hat mit der Reinheit des Silbenmaßes die eigene Bewandtniß, daß sie zu einer sinnlichen Darstellung der innern Nothwendigkeit des Gedankens dient, da im Gegentheil eine Licenz gegen das Silbenmaß eine gewisse Willkürlichkeit fühlbar macht. Aus diesem Gesichtspunkt ist sie ein großes Moment und berührt sich mit den innersten Kunstgesetzen.

In Rücksicht auf den jetzigen Zeitmoment muß es jeden der für den guten Geschmack interessirt ist, freuen, daß Gedichte, welche einen entschiednen Kunstwerth haben, sich auch noch diesem Maßstab unterwerfen. So wird die Mittelmäßigkeit am besten bekämpft, denn sowohl der welcher kein Talent hat als correcte Verse zu machen und bloß für das Ohr arbeitet, als auch der andre, welcher sich für zu original hält, um auf das Metrum den gehörigen Fleiß zu wenden, werden dadurch zum Schweigen gebracht.

Weil aber die prosodische Gesetzgebung selbst noch nicht durchaus im klaren ist, so werden immer bei dem besten Willen streitige Punkte in der Ausführung übrig bleiben und da Sie einmal über die Sache so viel nachgedacht, so thäten Sie vielleicht nicht übel, wenn Sie in einer Vorrede oder wo es schicklich ist, Ihre Grundsätze darüber aussprächen, daß man das für keine bloße Licenz oder Uebertretung halte, was aus Principien geschieht.

Der Gedanke einige Kupfer zu dem Werke zu geben ist recht gut. Sie können gut bezahlt und folglich auch gut gemacht werden; aber ich wäre dafür, daß Sie der allgemeinen Neigung so weit nachgäben und keine andre als individuelle Darstellungen wählten. Die Katastrophe der Braut ist sehr passend, auch aus Alexis und Dora, aus den römischen Elegien und den venetianischen Epigrammen ließen sich Gegenstände wählen, wofür unser Freund Meyer vorzüglich berufen wäre.

Ich bin recht verlangend zu erfahren, wie weit Sie, wenn Sie hieher kommen, in diesem Redactionsgeschäft gelangt sind. Einzelne Streitfragen in Absicht auf das metrische werden uns angenehm und lehrreich beschäftigen.

Nicht weniger verlangend bin ich, Ihnen alsdann auch meine bisherigen Acta vorzulegen, worüber ich selbst noch keine gültige Stimme habe. Lebhaft aber fühle ich mit jedem Tage das Bedürfniß theatralischer Anschauungen und werde mich schlechterdings entschließen müssen, die Wintermonate in Weimar zuzubringen. Die ökonomischen Mittel zu Realisirung dieser Sache sollen mich zunächst beschäftigen.

Leben Sie nun recht wohl in Ihrer Einsamkeit. Ob und wann ich meine kleine Reise antrete, kann ich heut noch nicht bestimmen. Die Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.


637. An Schiller.

Nachdem ich diese Woche ziemlich in der Einsamkeit meines Gartens zugebracht, habe ich mich wieder auf einen Tag in die Stadt begeben und zuerst das Schloß besucht, wo es sehr lebhaft zugeht. Es sind hundert und sechzig Arbeiter angestellt, und ich wünschte daß Sie einmal die mannigfaltigen Handwerker in so einem kleinen Raume beisammen arbeiten sähen. Wenn man mit einiger Reflexion zusieht, so wird es sehr interessant die verschiedensten Kunstfertigkeiten, von der gröbsten bis zur feinsten, wirken zu sehen. Jeder thut nach Grundsätzen und aus Uebung das seinige. Wäre nur immer die Vorschrift, wornach gearbeitet wird, die beste; denn leider kann auf diesem Wege ein geschmackvolles Werk, so gut als eine barbarische Grille zu Stande kommen.

An den Gedichten wird immer ein wenig weiter gearbeitet und abgeschrieben.

Durch das Steinische Spiegelteleskop habe ich einen Besuch im Monde gemacht. Die Klarheit mit welcher man die Theile sieht ist unglaublich; man muß ihn im wachsen und abnehmen beobachten, wodurch das Relief sehr deutlich wird. Sonst habe ich noch mancherlei gelesen und getrieben. Denn in einer so absoluten Einsamkeit, wo man durch gar nichts zerstreut und auf sich selbst gestellt ist, fühlt man erst recht und lernt begreifen wie lang ein Tag sei.

Es ist keine Frage daß Sie unendlich gewinnen würden wenn Sie eine Zeit lang in der Nähe eines Theaters sein könnten. In der Einsamkeit steckt man diese Zwecke immer zu weit hinaus. Wir wollen gerne das unsrige dazu beitragen um das Vorhaben zu erleichtern. Die größte Schwierigkeit ist wegen eines Quartiers. Da Thouret wahrscheinlich erst zu Ende des Septembers kommt, so wird man ihn wohl den Winter über festhalten. Das wegen Gespenstern berüchtigte Gräflich Wertherische Haus, das für jemanden, der das Schauspiel fleißig besuchen will bequem genug liegt, ist so viel ich weiß zu vermiethen; es wäre wohl der Mühe werth das Gebäude zu entzaubern.

Lassen Sie uns der Sache weiter nachdenken. Leben Sie indessen recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 10. August 1799.

G.


638. An Goethe.

Jena den 12. August 1799.

Sie hätten mich durch Ihre Beschreibung des lebhaften Baugeschäftes bald verführt, auf einen Tag hinüber zu reisen, und die Einförmigkeit meiner bisherigen Lebensweise wieder einmal durch etwas ganz heterogenes zu unterbrechen. Aber so noth es mir auch vielleicht thäte, mir eine Zerstreuung zu machen, so sitze ich doch jetzt zu fest in meiner Arbeit und muß mich doppelt zusammennehmen weit darin vorwärts zu kommen, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit und Stimmung das häusliche Evenement im Herbst mir rauben kann. Die Reise welche ich, um meiner Frau und mir selbst eine Veränderung zu machen, nach Rudolstadt vorhatte, bleibt auch auf einige Wochen verschoben, weil das Vogelschießen dort jetzt gerade einfällt und meine Schwiegermutter mit dem Hofe bisher entfernt gewesen. Wenn Sie also jetzt kommen können und wollen, so finden Sie uns zu Ihrem Empfange bereit. Wir haben hier die schönen Tage recht genossen und benutzt.

Daß ich die Wintermonate künftighin in Weimar zubringe, ist bei mir nun eine beschlossene Sache; die sinnliche Gegenwart des Theaters muß mir eine Menge faux frais ersparen, die mir jetzt unvermeidlich sind, weil ich die Vorstellung der lebendigen Masse nicht habe, und auch der Stoff soll mir alsdann reichlicher zufließen. Diesen Winter werde ich zwar später dazu kommen, vielleicht erst mit Ende Januars, wegen der Frau und dem Kleinen. Vor der Hand hoffe ich mit der Charlotte wegen des Logis eine Uebereinkunft treffen zu können, will mich aber doch auch wegen des Wertherischen Hauses erkundigen, weil es nicht übel für die Komödie gelegen ist. Auf dem Markte wohnte ich am liebsten, so wär ich Ihnen und meinem Schwager gleich nahe.

Der Herzog hat mir in diesem Frühjahr seinen Wunsch zu erkennen gegeben, daß ich öfters nach Weimar käme und länger da bliebe. Da ich ihm nun zugleich sehr leicht begreiflich machen kann, wie sehr ich mich selbst dabei besser befinden würde, so will ich mich mit geradem Vertrauen an ihn wenden und ihn bitten, daß er mir für die dadurch zuwachsende größere Kosten etwas zulegen möchte. Das Versprechen einer Zulage habe ich ohnehin seit fünf Jahren her von ihm und er ist immer gnädig gegen mich gewesen. Könnte ich übrigens durch meine Gegenwart in Weimar dem Theater Nutzen schaffen, wozu ich mich von ganzem Herzen erbiete, so würde die Sache sich noch einfacher abthun lassen.

Ich wünschte nur ein Wort von dem Gange des Druckes, den Almanach betreffend, zu erfahren, denn die Zeit bis Michaelis geht nun schon klein zusammen. Auch ist Meyer wohl so gut und läßt die Hexameter des ganzen Gedichtes zählen, daß ich bestimmt weiß wie viel Bogen es giebt. Etwas werde ich wohl für den Almanach geben müssen, um Cotta mein Wort zu halten, wenn auch die Glocke daran müßte.

Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt Sie bestens und sehnt sich auf Ihre Wiederkunft so wie ich.

Sch.


639. An Schiller.

Der erste Bogen des Almanachs ist nun unter der Presse, der Druck nimmt sich ganz artig aus. Der dritte Gesang ist nunmehr in meinen Händen und ich will auch noch mein mögliches daran thun. Freilich da ich selbst gegenwärtig an einer strengen Revision meiner eignen Arbeiten bin, so erscheinen mir die Frauenzimmerlichkeiten unserer lieben kleinen Freundin noch etwas loser und lockerer als vorher, und wir wollen sehen wie wir uns eben durchhelfen. Das Ganze soll überschlagen werden und es wird sich zeigen daß wir auf alle Fälle noch etwas dazu geben müssen. Lassen Sie sich allenfalls die Glocke nicht reuen, ich will auch mein mögliches thun einen Beitrag zu schaffen, ob ich gleich bis jetzt weder wüßte was noch wie.

Da die obwaltenden Umstände Ihren Winteraufenthalt in Weimar diesmal sehr zweifelhaft machen, wenigstens in der ersten Zeit nicht daran zu denken ist, so läßt man freilich am besten die Sache vorerst noch auf sich beruhen; denn wäre es möglich gleich mit dem October hier einzutreffen, so sollte es an Moyens Ihren hiesigen Aufenthalt zu erleichtern von keiner Seite fehlen.

Der Aufenthalt im Garten wird von mir auf allerlei Weise so zweckmäßig als möglich benutzt, und ich habe das Vergnügen in manchem Sinne vorwärts zu kommen wovon mich künftig die Mittheilung herzlich freuen soll.

Lassen Sie es ja an Concentration auf Ihre angefangene Arbeit nicht fehlen. Es ist doch im Grunde nichts wünschenswerther als eine große Masse zu organisiren.

Da ich so eben in das Schloß gehen muß und nicht weiß ob ich zur rechten Zeit wieder komme, so will ich für diesmal meinen Brief schließen und Ihnen beiderseits recht wohl zu leben wünschen.

Weimar am 14. August 1799.

G.


640. An Goethe.

Jena den 16. August 1799.

Die Schlegels haben, wie ich heute fand, ihr Athenäum mit einer Zugabe von Stacheln vermehrt und suchen durch dieses Mittel, welches nicht übel gewählt ist, ihr Fahrzeug flott zu erhalten. Die Xenien haben ein beliebtes Muster gegeben. Es sind in diesem literarischen Reichsanzeiger gute Einfälle, freilich auch mit solchen die bloß naseweise sind stark versetzt. Bei dem Artikel über Böttigern, sieht man, hat der bittre Ernst den Humor nicht aufkommen lassen. Gegen Humboldt ist der Ausfall unartig und undankbar, da dieser immer ein gutes Verhältniß mit den Schlegeln gehabt hat, und man sieht aufs neue daraus, daß sie im Grunde doch nichts taugen.

Uebrigens ist die, an Sie gerichtete Elegie, ihre große Länge abgerechnet, eine gute Arbeit, worin viel schönes ist. Ich glaubte auch eine größere Wärme darin zu finden als man von Schlegels Werken gewohnt ist, und mehreres ist ganz vortrefflich gesagt. Sonst habe ich noch nichts in diesem Hefte gelesen. Ich zweifle nicht, daß es auf dem nunmehr eingeschlagenen Weg Leser genug finden wird, aber Freunde werden sich die Herausgeber eben nicht erwerben, und ich fürchte es wird bald auch der Stoff versiegen, wie sie in den Aphoristischen Sätzen auch auf einmal und für immer ihre Baarschaft ausgegeben haben.

Wenn es möglich wäre, daß Sie noch einiges in den Almanach stiften könnten und ich auch meinen Beitrag geben kann, so würde ich auch Matthissons, Steigenteschs und noch einige andre Beiträge darin aufnehmen und so dem Almanach seine gewöhnliche Gestalt verschaffen. Um Cottas willen wäre mir's lieb, daß ihm nicht auch hier ein Unglück begegne, wiewohl ich von den Kupferstichen das beste hoffe.

Bei Gelegenheit Ihrer Gedichtsammlung ist mir eingefallen, ob Sie nicht etwa das Fach didaktischer Gedichte, wozu die Metamorphose der Pflanzen gehört, noch zu bereichern hätten und vielleicht fände sich zu solchen Gedichten am schnellsten die Stimmung, da die Anregung von dem Verstande kommt. Wenn Sie hieher kommen und wir uns darüber unterhalten, so entsteht vielleicht schnell etwas, wie das Gedicht von der Metamorphose auch schnell da war. Es gäbe zugleich einen Beitrag für den Almanach.

In meiner dramatischen Arbeit geht es noch immer frisch fort und wenn nichts dazwischen kommt, so kann ich vor Ende Augusts den Zweiten Akt zurückgelegt haben. Im Brouillon liegt er schon da. Ich hoffe daß in dieser Tragödie alles theatralisch sein soll, ob ich sie gleich für den Zweck der Repräsentationen etwas enger zusammen ziehe. Weil es auch historisch betrachtet ein reichhaltiger Stoff ist, so habe ich ihn in historischer Hinsicht auch etwas reicher behandelt und Motive aufgenommen, die den nachdenkenden und instruirten Leser freuen können, die aber bei der Vorstellung, wo ohnehin der Gegenstand sinnlich dasteht, nicht nöthig und wegen historischer Unkenntniß des großen Haufens auch ohne Interesse sind. Uebrigens ist bei der Arbeit selbst schon auf alles gerechnet was für den theatralischen Gebrauch wegbleibt und es ist durchaus keine eigne Mühe dazu nöthig wie beim Wallenstein.

Leben Sie wohl und machen Sie uns bald Hoffnung Sie hier zu sehen. Die Frau grüßt Sie, sie hofft unsre Verpflanzung nach Weimar soll nicht länger als bis in die Mitte Januars aufgehalten werden. Vielleicht kann ich für meine Person früher kommen. Leben Sie recht wohl. Viele Grüße an Meyern.

Sch.


641. An Schiller.

Wenn ich Ihnen künftig etwas ausführlichere Briefe schreiben will, so muß ich im voraus schreiben, denn wenn ich wie heute abermals früh in die Stadt muß, so kann ich nicht wieder leicht zur Besinnung kommen.

Ich muß Sie ersuchen den Almanach ja etwas mehr von sich auszustatten; ich will das meinige thun, welches ich so gewiß verspreche als man dergleichen versprechen kann. Auch von Steigentesch, Matthisson bringen Sie ja das mögliche bei, damit der Almanach sich der alten Form nähere. Das Gedicht, je mehr man es betrachtet, läßt fürchten daß es nicht in die Breite wirken werde, so angenehm es für Personen ist die einen gewissen Grad von Cultur haben. Die barbarische Sitte als Gegenstand, die zarten Gesinnungen als Stoff und das undulistische Wesen als Behandlung betrachtet, geben dem ganzen einen eignen Charakter und besondern Reiz, zu dem man gemacht sein oder sich erst machen muß. Das allerschlimmste ist: daß ich wegen der Kupfer fürchte. Der Mann ist ein bloßer Punctirer und aus einem Aggregat von Puncten entsteht keine Form. Nächstens sollen Sie hören wie viel das Ganze betragen wird; die zwei ersten Gesänge machen drei Bogen.

Wegen des Schlegelischen Streifzugs bin ich ganz Ihrer Meinung. Die Elegie hätte er in mehrere trennen sollen, um die Theilnahme und die Uebersicht zu erleichtern.

Die übrigen Späße werden Leser genug herbeilocken und an Effect wird es auch nicht fehlen. Leider mangelt es beiden Brüdern an einem gewissen innern Halt der sie zusammenhalte und festhalte. Ein Jugendfehler ist nicht liebenswürdig als insofern er hoffen läßt daß er nicht Fehler des Alters sein werde. Es ist wirklich schade daß das Freund Böttigern zugedachte Blatt nicht heiterer ist. Einige Einfälle in den andern Rubriken sind wirklich sehr gut. Uebrigens läßt sich auch im persönlichen Verhältniß keineswegs hoffen daß man gelegentlich ungerupft von ihnen wegkommen werde. Doch will ich es ihnen lieber verzeihen, wenn sie etwas versetzen sollten als die infame Manier der Meister in der Journalistik. Böttiger hat die Canaillerie begangen der Propyläen zweimal auf dem blauen Umschlag des Merkurs zu gedenken, dafür es ihm denn wohl bekommen mag daß ihm die Gebrüder die Haut über die Ohren ziehen, und es scheint als wenn sie Lust hätten, von vorn anzufangen wenn sie ihm wieder wachsen sollte.

Die Impietät gegen Wieland hätten sie unterlassen sollen. Doch was will man darüber sagen, hat man sie unter seiner Firma doch auch schlecht tractirt.

Leben Sie wohl, ich bin zerstreut und ohne Stimmung. Grüßen Sie Ihre liebe Frau. Ich wünsche uns auf irgend eine Weise bald ein längeres Zusammensein und Ihnen zur Arbeit allen Segen, um mich mit Madame la Roche auszudrücken.

Weimar am 17. August 1799.

G.


642. An Goethe.

Jena den 20. August 1799.

Ich bin dieser Tage auf die Spur einer neuen möglichen Tragödie gerathen, die zwar erst noch ganz zu erfinden ist, aber, wie mir dünkt, aus diesem Stoff erfunden werden kann.

Unter der Regierung Heinrichs VII. in England stand ein Betrüger, Warbeck, auf, der sich für einen der Prinzen Eduards IV. ausgab, welche Richard III. im Tower hatte ermorden lassen. Er wußte scheinbare Gründe anzuführen, wie er gerettet worden, fand eine Parthie, die ihn anerkannte und auf den Thron setzen wollte. Eine Prinzessin desselben Hauses York, aus dem Eduard abstammte, und welche Heinrich VII. Händel erregen wollte, wußte und unterstützte den Betrug, sie war es vorzüglich, welche den Warbeck auf die Bühne gestellt hatte. Nachdem er als Fürst an ihrem Hof in Burgund gelebt, und seine Rolle eine Zeitlang gespielt hatte, manquirte die Unternehmung, er wurde überwunden, entlarvt und hingerichtet.

Nun ist zwar von der Geschichte selbst so gut als gar nichts zu gebrauchen, aber die Situation im Ganzen ist sehr fruchtbar, und die beiden Figuren des Betrügers und der Herzogin von York können zur Grundlage einer tragischen Handlung dienen, welche mit völliger Freiheit erfunden werden müßte. Ueberhaupt glaube ich, daß man wohl thun würde, immer nur die allgemeine Situation, die Zeit und die Personen aus der Geschichte zu nehmen, und alles übrige poetisch frei zu erfinden, wodurch eine mittlere Gattung von Stoffen entstünde, welche die Vortheile des historischen Dramas mit dem erdichteten vereinigte.

Was die Behandlung des erwähnten Stoffs betrifft, so müßte man, däucht mir, das Gegentheil von dem thun, was der Komödiendichter daraus machen würde. Dieser würde durch den Contrast des Betrügers mit seiner großen Rolle und seine Incompetenz zu derselben das Lächerliche hervorbringen. In der Tragödie müßte er als zu seiner Rolle geboren erscheinen, und er müßte sie sich so sehr zu eigen machen, daß mit denen, die ihn zu ihrem Werkzeug gebrauchen und als ihr Geschöpf behandeln wollten, interessante Kämpfe entstünden. Es müßte ganz so aussehen, daß der Betrug ihm nur den Platz angewiesen, zu dem die Natur selbst ihn bestimmt hatte. Die Katastrophe müßte durch seine Anhänger und Beschützer, nicht durch seine Feinde, und durch Liebeshändel, durch Eifersucht und dergleichen herbeigeführt werden.

Wenn Sie diesem Stoff im Ganzen etwas Gutes absehen und ihn zur Grundlage einer tragischen Fabel brauchbar glauben, so soll er mich bisweilen beschäftigen, denn wenn ich in der Mitte eines Stücks bin, so muß ich in gewissen Stunden an ein neues denken können.

Für den Almanach geben Sie mir keine tröstlichen Aussichten. Was die Kupfer betrifft, so habe ich meine Hoffnung nicht auf die Güte des Kupferstichs gebaut, man ist ja hierin gar nicht verwöhnt, und da diese Manier im Ganzen gefällt, die Zeichnung zugleich verständig entworfen ist, so werden wir uns doch damit sehen lassen dürfen.

Die Bemerkung, die Sie über das Gedicht selbst machen, ist mir bedenklicher, besonders da mir etwas ähnliches selbst dabei geschwant hat. Noch weiß ich nicht wie Rath geschafft werden soll, denn meine Gedanken wollen sich noch gar nicht auf etwas Lyrisches wenden.

Auch ist es ein schlimmer Umstand, daß wir zu den anzuhängenden kleinen Gedichten einen sehr kleinen Raum übrig behalten, der also nothwendig mit bedeutenden Sachen muß ausgefüllt werden. Sobald ich meinen zweiten Akt fertig habe, werde ich ernstlich an diese Sache denken.

Leben Sie wohl, meine Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.


643. An Schiller.

Mein stilles Leben im Garten trägt immerfort wo nicht viele doch gute Früchte.

Ich habe diese Zeit fleißig Winckelmanns Leben und Schriften studirt. Ich muß mir das Verdienst und die Einwirkung dieses wackern Mannes im Einzelnen deutlich zu machen suchen.

An meinen kleinen Gedichten habe ich fortgefahren zusammen zu stellen und zu corrigiren. Man sieht auch hier daß alles auf das Princip ankommt woraus man etwas thut. Jetzt da ich den Grundsatz eines strengeren Sylbenmaßes anerkenne, so bin ich dadurch eher gefördert als gehindert. Es bleiben freilich manche Punkte, über welche man ins Klare kommen muß. Voß hätte uns schon vor zehn Jahren einen großen Dienst gethan, wenn er, in seiner Einleitung zu den Georgiken, über diesen Punkt etwas weniger mystisch geschrieben hätte.

Diese Woche bin ich wider meine Gewohnheit meist bis Mitternacht aufgeblieben, um den Mond zu erwarten den ich durch das Auchische Teleskop mit vielem Interesse betrachte. Es ist eine sehr angenehme Empfindung einen so bedeutenden Gegenstand, von dem man vor kurzer Zeit so gut als gar nichts gewußt, um so viel näher und genauer kennen zu lernen. Das schöne Schröterische Werk, die Selenotopographie, ist freilich eine Anleitung durch welche der Weg sehr verkürzt wird. Die große nächtliche Stille hier außen im Garten hat auch viel Reiz, besonders da man Morgens durch kein Geräusch geweckt wird, und es dürfte einige Gewohnheit dazu kommen, so könnte ich verdienen in die Gesellschaft der würdigen Lucifugen aufgenommen zu werden.

So eben wird mir Ihr Brief gebracht. Der neue tragische Gegenstand, den Sie angeben, hat auf den ersten Anblick viel Gutes und ich will weiter darüber nachdenken. Es ist gar keine Frage daß wenn die Geschichte das simple Factum, den nackten Gegenstand hergiebt und der Dichter Stoff und Behandlung, so ist man besser und bequemer dran, als wenn man sich des Ausführlichern und Umständlichern der Geschichte bedienen soll; denn da wird man immer genöthigt das besondere des Zustands mit aufzunehmen, man entfernt sich vom rein Menschlichen und die Poesie kommt ins Gedränge.

Von Preiszeichnungen ist erst Eine eingegangen, welche in Betrachtung kommt und lobenswürdige Seiten hat; einige andere sind unter aller Kritik und es fällt einem der durch jenes Räthsel aufgeregte deutsche Pöbel ein.

Wegen des Almanachs müssen wir nun einen Tag nach dem andern hinleben und das mögliche thun. Der dritte Gesang, den ich mit den Frauenzimmern durchgegangen, ist nun in der Druckerei und wir wollen nun dem vierten nachzuhelfen suchen. Es ist immer keine Frage daß das Gedicht viel Anlage und viel Gutes hat, nur bleibt es in der Ausführung zu weit hinter dem zurück was es sein sollte, obgleich inzwischen daß Sie es nicht gesehen haben viel daran geschehen ist.

Frau von Kalb läßt wirklich ihre Sachen wegschaffen und das Quartier wird also leer. Freilich wird es nur an jemand gegeben werden können, der es aufs ganze Jahr miethet. Indessen müßte man einen Entschluß fassen und wir hätten von Seiten des Theaters alle Ursache Ihnen diese Expedition zu erleichtern.

Der Bergrath Scherer, der sich zu verheirathen denkt, macht, höre ich, Speculation darauf; geschähe diese Veränderung, so würde bei Wolzogen die obere Etage leer, wo Ihre Familie wohnen könnte. Ihnen gäben wir das Thouretische und würden, wenn Sie mit diesem hier zusammenträfen, für diesen schon ein ander Quartier zu finden wissen. Das muß man denn alles hin und her bedenken und bereden bis man zur Entschließung genöthigt wird. Und hiermit leben Sie für heute wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 21. August 1799.

G.


644. An Goethe.

Jena den 23. August 1799.

Aus allen Umständen fange ich an zu schließen, daß wir vor Eintritt des Herbstes kaum auf Ihre Hieherkunft hoffen können. So geht dieser Sommer ganz anders hin als ich mir versprochen hatte, und ob ich mich gleich ernstlich zu meinem Geschäft halte und darin vorwärts komme, so fühle ich doch im Ganzen meines innern Zustands diese Beraubung sehr, und sie verstärkt mein Verlangen nicht wenig, den Winter in Weimar zuzubringen. Zwar verberge ich mir nicht, daß sich von dem Einfluß der dortigen Societät eben nicht viel ersprießliches erwarten läßt, aber der Umgang mit Ihnen, einige Berührungen mit Meyern, das Theater und eine gewisse Lebenswirklichkeit, welche die übrige Menschenmasse mir vor die Augen bringen muß, werden gut auf mich und meine Beschäftigungen wirken. Meine hiesige Existenz ist eine absolute Einsamkeit und das ist doch zu viel.

Ich erwarte mit jedem Tag Antwort von der Frau von Kalb des Quartiers wegen, das ich, wenn es zu haben, ohne Anstand gleich von Michaelis an auf ein Jahr miethen werde. Kann ich es machen, mit meiner Familie bequem zusammen zu wohnen, so werde ich das immer vorziehen; ging es nicht an, so ist mir das Anerbieten wegen des Thouretischen Logis willkommen. Wenn meine Frau mit ihren Wochen glücklich ist, so wäre ich geneigt, Ende Novembers hinüber zu gehen, anfangs allein, bis die Familie nachkommen kann. Es läge mir auch deßwegen viel daran, daß ich die zwei letzten Akte meines Stücks unter dem Einfluß der theatralischen Anschauungen ausarbeiten könnte.

Wenn Sie binnen zehn Tagen nicht, wenigstens auf einige Tage hierher kommen können, so hätte ich große Lust auf einen Tag zu Ihnen hinüber zu kommen und meine zwei Akte mitzubringen. Denn jetzt wünschte ich doch Ihr Urtheil darüber, daß ich mich überzeugt halten kann, ob ich auf dem rechten Wege bin.

An Ihren Mondbetrachtungen wünschte ich wohl auch Theil zu nehmen. Mir hat dieser Gegenstand immer einen gewissen Respekt abgenöthigt, und mich nie ohne eine sehr ernste Stimmung entlassen. Bei einem guten Teleskop wird das körperliche der Oberfläche sehr deutlich, und es hatte mir immer etwas furchtbares, daß ich diesen entfernten Fremdling auch mit einem andern Sinn als dem Aug zu erfassen glaubte. Es sind auch schon einige Distichen darüber entstanden, die vielleicht das Bedürfniß für den Almanach zur Reife bringen hilft.

Gelegentlich wünscht' ich doch zu wissen, ob mir von den zur Auction geschickten Büchern viele liegen geblieben, denn es sagte neulich jemand in Weimar, daß ich so viele Bücher erstanden hätte, welches kein gutes Zeichen wäre.

Leben Sie recht wohl in Ihrer geschäftigen Einsamkeit. Ihre Genauigkeit in der Metrik wird die Herrn Humboldt und Brinkmann nicht wenig erbauen.

Die Frau grüßt Sie freundlich und hat auch ein groß Verlangen Sie wieder zu sehen.

An Meyern viele Grüße.

Sch.


645. An Schiller.

Da es uns mit dem Sommerplane nicht nach Wunsch gegangen ist, so müssen wir hoffen daß uns der Winter das bessere bringen wird. Sobald Sie wegen Ihres Quartiers einig sind wollen wir für Holz sorgen, ein Artikel an den man in Zeiten denken muß.

Es vergeht mir kein Tag ohne einen gewissen Vortheil wenn er auch klein ist, und so kommt denn doch immer eins zum andern und es giebt am Ende etwas aus, da man sich doch immer nur mit würdigen Dingen beschäftigt.

Lassen Sie uns noch acht Tage zusehen, alsdann wird sich entscheiden, ob ich kommen kann und wie bald.

Leider sind von Ihren Büchern, die Sie in die Auction gegeben haben, viele zurückgeblieben. Sie war im Ganzen nicht ergiebig, obgleich einzelne Werke theuer genug verkauft wurden. Die Auszüge werden nunmehr gemacht und das Geld eincassirt.

Von Zeit zu Zeit werden Conferenzen wegen der Schwestern von Lesbos gehalten, die denn, wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, die Hoffnung bald vermindern bald beleben.

Ich freue mich auf Ihre Arbeit und auf einige ruhige Wochen in Ihrer Nähe. Heute sage ich aber nichts mehr, denn ein Morgenbesuch im Schloß hat mich zerstreut und ich fühle mich nicht fähig mich auf irgend einen Gegenstand zu concentriren.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 24. August 1799.

G.


646. An Schiller.

Nach Ueberlegung und Berechnung aller Umstände fühle ich mich gedrungen Ihnen zu melden daß ich in den nächsten Tagen nicht kommen kann, um so mehr aber wünschte ich Sie hier zu sehen, besonders wegen des Quartiers.

Es verhält sich damit folgendermaßen: Frau von Kalb scheint mit Bergrath Scherer abgeschlossen zu haben, daß er in ihre Miethe treten solle. Wenigstens lassen es die Umstände vermuthen. Der Hausherr aber Perückenmacher Müller braucht sich, wenn er nicht will, diese Sublocation nicht gefallen zu lassen und will auf mein Zureden Ihnen das Quartier geben, jedoch wünscht er daß Sie es auf ein Paar Jahr nähmen, welches man gar wohl thun kann, weil man immer wieder jemanden hier findet der es wieder abnimmt. Die Hauptsache wäre nun daß Sie das Quartier sähen, daß man sich bespräche und entschlösse. Sie brächten Ihr Stück mit und ich hätte von meiner Seite wohl auch etwas mitzutheilen. Ich wohne noch im Garten und Sie könnten nur gerade bei mir anfahren; Meyer wird schon für Ihr Unterkommen sorgen. Es ist das nöthige deshalb bestellt; das übrige würde sich finden.

Ich schicke diesen Brief mit der Post und sage heute nichts mehr. Leben Sie recht wohl.

Weimar am 27. August 1799.

G.


647. An Goethe.

Jena, 27. August 1799.

Ich bin heute früh bei meinem Aufstehen durch ein schweres Paket vom Herrn Hofkammerrath sehr angenehm überrascht worden und wiederhole Ihnen meinen besten Dank dafür, daß Sie diesen Geldstrom in meine Besitzungen geleitet haben. Der Geist des alten Feldherrn führt sich nun als ein würdiges Gespenst auf, er hilft Schätze heben. Auch in Rudolstadt, schreibt man mir, ist viel Zulauf zum Wallenstein gewesen. Ich wünschte zu wissen, wie sich das artige Weibchen, die Vohs, aus dem Handel gezogen hat.

Meinen zweiten Akt habe ich gestern geendigt, aber nach einem wohlgemeinten und dennoch vergeblichen Bemühen, mir eine lyrische Stimmung für den Almanach zu verschaffen, habe ich heute den dritten angefangen. Das einzige Mittel mich jetzt von der Maria weg und zu einer lyrischen Arbeit zu bringen ist, daß ich mir eine äußere Zerstreuung mache. Dazu ist die achttägige Reise nach Rudolstadt gut. Sobald ich von Ihnen bestimmt weiß, ob ich Sie hier oder in Weimar sehen kann und wann, so werde ich meinen Plan machen. Vor dem achten September aber gehe ich nicht, weil die fremden Gäste dort nicht früher wegreisen.

Ueber dem vielen Nachdenken, welche neue Form von Beiträgen man zu dem Almanach brauchen könnte, ist mir der Gedanke an eine neue Art Xenien, für Freunde und würdige Zeitgenossen, gekommen. Der Jahrhunderts Wechsel gäbe einen nicht unschicklichen Anlaß allen denen, mit welchen man gewandelt und sich verbessert gefühlt hat und auch denen, die man nicht von Person kennt, aber deren Einfluß man auf eine nützliche Art empfunden, ein Denkmal zu setzen. Freilich vestigia terrent. Das Tadeln ist immer ein dankbarerer Stoff als das Loben, das wiedergefundene Paradies ist nicht so gut gerathen als das verlorene, und Dantes Himmel ist auch viel langweiliger als seine Hölle. Außerdem ist der Termin gar zu kurz für einen so lobenswürdigen Vorsatz.

Leben Sie für heute wohl. Ich habe mich bei meinem Geschäfte verspätet. Die Frau grüßt Sie aufs beste. Alles wartet auf Sie, auch die Kinder.

Sch.


648. An Schiller.

Mein gestriger Brief hat Sie hoffe ich determinirt auf einige Tage herüber zu kommen, und ich dictire daher diese Zeilen nur um Sie darin zu bestärken. Sie sollen mancherlei erfahren von den Wallensteinischen Aufführungen und was dem anhängig ist.

Sie sollen auch die Preisstücke sehen und sich über die Helena in mancher Gestalt verwundern. Es sind ihrer doch nun neun zusammengekommen.

Wegen dem Almanach und manchen andern Dingen alsdann auch mündlich das mehrere. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau, die Sie doch auch wohl mitbringen.

Weimar am 28. August 1799.

G.


649. An Goethe.

Jena den 28. August 1799.

Charlotte Kalb hat nun auch geschrieben und erklärt, daß das Quartier zu unsrer Disposition sei, wenn wir in ihren Contract treten wollten. Sie hat Scherern noch nichts zugesagt.

Leider kann ich wegen Zahnweh und geschwollnem Backen nicht sogleich hinüber kommen, dieß hat indessen des Quartiers wegen nichts auf sich. Meine Frau hat das ganze Quartier schon einmal gemustert, und die vordern Zimmer des Herrn und der Dame kenn' ich auch. Die Einrichtung ist ganz nach unserm Bedürfniß und ich nehme keinen Anstand gleich zuzusagen. Wollen Sie also die Gütigkeit haben und Müllern sagen, daß er nur den Contract aufsetzt. Wenn er nur auf zwei Jahre geht, ist mir's freilich lieber als auf längere Zeit; doch ein Jahr auf oder ab macht nichts, da das Quartier immer Liebhaber finden wird. Uebrigens setze ich voraus, daß die Miethe bleibt wie bei der Frau von Kalb, 122 Reichsthaler, den Laubthaler à 1 Reichsthaler 14 Groschen.

Wenn ich alsdann hinüberkomme, so werden Sie mir erlauben Ihnen meine Wünsche und Calculs in Absicht dieser neuen Einrichtung vorzutragen.

Mein Zahnübel sollte mich nicht abhalten, gleich morgen zu kommen, wenn es nicht unglücklicherweise beim Sprechen und Lesen zunähme, denn sonst ist es wohl zu ertragen.

Ich bin recht verlangend auf das was Sie mir zu zeigen und zu sagen haben, und überhaupt sehne ich mich herzlich nach dieser so lang entbehrten Communication.

Die Frau wird sich nicht abhalten lassen mitzukommen. Ich nehme die Erlaubniß bei Ihnen zu logiren mit großem Vergnügen an, und wenn es irgend möglich komme ich auf den Sonnabend.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


659. Schiller an den Herzog Karl August.

Durchlauchtigster Herzog,            
            Gnädigster Fürst und Herr,

Die wenigen Wochen meines Aufenthalts zu Weimar und in der größern Nähe Eurer Durchlaucht im letzten Winter und Frühjahr haben einen so belebenden Einfluß auf meine Geistesstimmung geäußert, daß ich die Leere und den Mangel jedes Kunstgenusses und jeder Mittheilung, die hier in Jena mein Loos sind doppelt lebhaft empfinde. So lange ich mich mit Philosophie beschäftigte, fand ich mich hier vollkommen an meinem Platz; nunmehr aber, da meine Neigung und meine verbesserte Gesundheit mich mit neuem Eifer zur Poesie zurückgeführt haben finde ich mich hier wie in eine Wüste versetzt. Ein Platz, wo nur die Gelehrsamkeit und vorzüglich die metaphysische im Schwange gehen, ist den Dichtern nicht günstig: diese haben von jeher nur unter dem Einfluß der Künste und eines geistreichen Umgangs gedeihen können. Da zugleich meine dramatische Beschäftigungen mir die Anschauung des Theaters zum nächsten Bedürfniß machen und ich von dem glücklichen Einfluß desselben auf meine Arbeiten vollkommen überzeugt bin, so hat alles dieß ein lebhaftes Verlangen in mir erweckt, künftighin die Wintermonate in Weimar zuzubringen.

Indem ich aber dieses Vorhaben mit meinen ökonomischen Mitteln vergleiche, finde ich daß es über meine Kräfte geht die Kosten einer doppelten Einrichtung, und den erhöhten Preis der meisten Notwendigkeiten in Weimar zu erschwingen. In dieser Verlegenheit wage ich es, meine Zuflucht unmittelbar zu der Gnade Eurer Durchlaucht zu nehmen, und ich wage es mit um so größerem Vertrauen, da ich mich, in Ansehung der Gründe die mich zu dieser Ortveränderung antreiben, Ihrer höchst eigenen gnädigsten Beistimmung versichert halten darf. Es ist der Wunsch der mich antreibt, Ihnen Selbst, gnädigster Herr, und den Durchlauchtigsten Herzoginnen näher zu sein, und mich durch das lebhafte Streben nach Ihrem Beifall, in meiner Kunst selbst vollkommener zu machen, ja vielleicht etwas weniges zu Ihrer eigenen Erheiterung dadurch beizutragen.

Da ich mich in der Hauptsache auf die Früchte meines Fleißes verlassen kann und meine Absicht keineswegs ist, darin nachzulassen, sondern meine Thätigkeit vielmehr zu verdoppeln, so wage ich die unterthänigste Bitte an Eure Durchlaucht mir die Kosten Vermehrung, welche mir durch die Translocation nach Weimar und eine zweifache Einrichtung jährlich zuwächst, durch eine Vermehrung meines Gehalts gnädigst zu erleichtern.

Der ich in tiefster Devotion ersterbe                                          
Eurer Herzoglichen Durchlaucht                        
meines gnädigsten Herrn
                                unterthänigst treugehorsamster

Fr. Schiller.

Jena, 1. September 1799.


651. An Goethe.

Jena den 3. September 1799.

Ich habe keine weitere Nachricht des Quartiers wegen von Ihnen erhalten, und rechne nun ganz darauf, daß es für mich gemiethet ist. Die Umstände nöthigen mich, die Rudolstädter Reise acht Tage früher anzutreten, wir gehen morgen von hier und ich denke auf den Dienstag oder Mittwoch in Weimar sein zu können. Ihr Brief fände mich also morgen nicht mehr hier. Leider werde ich also in den nächsten acht Tagen nichts von Ihnen hören, wenn mir nicht die Theaterdepeschen von Weimar nach Rudolstadt ein paar Zeilen bringen.

Ich werde nun in meiner dramatischen Arbeit eine Zeitlang pausiren müssen, wenn noch an den Almanach gedacht werden soll. Der Abschnitt ist auch schicklich, ich habe die Handlung bis zu der Scene geführt, wo die beiden Königinnen zusammen kommen. Die Situation ist an sich selbst moralisch unmöglich; ich bin sehr verlangend, wie es mir gelungen ist, sie möglich zu machen. Die Frage geht zugleich die Poesie überhaupt an und darum bin ich doppelt begierig sie mit Ihnen zu verhandeln.

Ich fange in der Maria Stuart an mich einer größern Freiheit oder vielmehr Mannigfaltigkeit im Silbenmaß zu bedienen, wo die Gelegenheit es rechtfertigt. Diese Abwechslung ist ja auch in den griechischen Stücken und man muß das Publicum an alles gewöhnen.

Sehr freue ich mich Ihnen nun, obgleich durch einen großen Umweg, mich wieder zu nähern, denn ich werde unmittelbar von Rudolstadt nach Weimar gehen.

Leben Sie recht wohl für diese acht Tage.

Die Frau grüßt aufs beste.

Sch.


652. An Schiller.

Da eben eine Theaterdepesche nach Rudolstadt geht, so will ich den Boten nicht ohne ein Paar Worte an Sie abfertigen.

Wegen des Hauses habe ich mit Müllern abgeschlossen; Charlotte will einiges darin lassen, woran sie ganz freundlich handelt.

Kommen Sie glücklich hierher! Der Weg nach Rudolstadt ist den Weimaranern diesmal nicht günstig gewesen.

Ueber Ihre Marie wird es mir eine Freude sein mit Ihnen zu verhandeln. Was die Situation betrifft so gehört sie, wenn ich nicht irre, unter die romantischen. Da wir modernen nun diesem Genius nicht entgehen können, so werden wir sie wohl passiren lassen, wenn die Wahrscheinlichkeit nur einigermaßen gerettet ist. Gewiß aber haben Sie noch mehr gethan. Ich bin äußerst neugierig auf die Behandlung.

Unsere Preiszeichnungen sind nun ausgestellt, der Saal ist noch nicht eröffnet und es haben sie wenige gesehen; allein es scheint mir daß der Kreis von Urtheilen schon ziemlich durchlaufen ist.

Ueber das Absurde schreit jedermann auf und freut sich etwas so tief unter sich zu sehen. Ueber das Mittelmäßige erhebt man sich mit Behaglichkeit. Den Schein lobt man, ohne Rückhalt und ohne Bedingung; denn der Schein ist eigentlich in der Empirie das allgemein Geltende. Das Gute, das aber nicht vollkommen ist, übergeht man mit Stillschweigen; denn das ächte, was man am Guten bemerkt, nöthigt Achtung ab, das unvollkommene das man daran fühlt, erregt Zweifel und wer den Zweifel nicht selbst heben kann, mag sich in diesem Falle nicht compromittiren, und thut auch ganz wohl daran. Das Vollkommene, wo es anzutreffen ist, giebt eine gründliche Befriedigung, wie der Schein eine oberflächliche, und so bringen beide eine ähnliche Wirkung hervor.

Wir wollen sehen ob das Publicum sich noch mannigfaltiger beweist. Geben Sie doch auch auf Ihrer gegenwärtigen Excursion acht, ob Sie das Schema nicht completiren können. Es wäre doch hübsch, wenn man es dahin brächte daß man wüßte was die Leute urtheilen müssen.

Leben Sie wohl und vergnügt, grüßen Ihre liebe Frau und kommen glücklich zu uns; es verlangt mich so sehr Sie wieder zu sehen, als ich in meiner jetzigen Lage wünschen muß wieder eine Epoche zu erleben, da meine Zustände ein wenig zu stagniren anfangen.

Weimar am 4. September 1799.

G.


653. An Goethe.

[Jena den 21. Sept. 1799].

Das Paket überrascht mich nicht wenig, und ob es gleich meine alte Unentschlossenheit wieder zurückruft (denn ich habe mich heute schon ernstlich entschlossen gehabt, den Beitrag zum Almanach aufzugeben und mich deßwegen schon wieder an die Maria gemacht), so belebt es doch auch wieder meinen Muth, vielleicht hat es diese Wirkung auch bei Ihnen. Leben Sie recht wohl; ich hoffe Sie heute bald zu sehen, wenn gleich das Wetter die vorgehabte Gartenpartie aufhebt.

Sch.


654. An Goethe.

Jena den 15. October 1799.

Unsre kleine Caroline ist diesen Vormittag getauft und ich fange wieder an in eine Ruhe zu kommen. Meine Frau befindet sich für die Umstände recht leidlich und mit dem Kind ist es diese zwei Tage auch recht gut gegangen.

Ich habe nun auch den Anfang gemacht den Mahomet zu durchgehen und einiges dabei anzumerken, was ich auf den Freitag schicken will. So viel ist gewiß, wenn mit einem französischen und besonders Voltairischen Stück der Versuch gemacht werden sollte, so ist Mahomet am besten dazu gewählt worden. Durch seinen Stoff ist das Stück schon vor der Gleichgültigkeit bewahrt, und die Behandlung hat weit weniger von der französischen Manier als die übrigen Stücke, die mir einfallen. Sie selbst haben schon viel dafür gethan und werden, ohne große Mühe, noch einiges bedeutende thun können. Ich zweifle daher nicht, der Erfolg wird der Mühe des Experiments werth sein. Demohngeachtet würde ich Bedenken tragen, ähnliche Versuche mit andern französischen Stücken vorzunehmen, denn es giebt schwerlich noch ein zweites, das dazu tüchtig ist. Wenn man in der Übersetzung die Manier zerstört, so bleibt zu wenig poetisch menschliches übrig, und behält man die Manier bei und sucht die Vorzüge derselben auch in der Uebersetzung geltend zu machen, so wird man das Publicum verscheuchen.

Die Eigenschaft des Alexandriners sich in zwei gleiche Hälften zu trennen, und die Natur des Reims, aus zwei Alexandrinern ein Couplet zu machen, bestimmen nicht bloß die ganze Sprache, sie bestimmen auch den ganzen innern Geist dieser Stücke, die Charaktere, die Gesinnungen, das Betragen der Personen. Alles stellt sich dadurch unter die Regel des Gegensatzes und wie die Geige des Musikanten die Bewegungen der Tänzer leitet, so auch die zweischenkligte Natur des Alexandriners die Bewegungen des Gemüths und die Gedanken. Der Verstand wird ununterbrochen aufgefordert, und jedes Gefühl, jeder Gedanke in diese Form, wie in das Bette des Prokrustes gezwängt.

Da nun in der Uebersetzung mit Aufhebung des Alexandrinischen Reims die ganze Basis weggenommen wird, worauf diese Stücke erbaut wurden, so können nur Trümmer übrig bleiben. Man begreift die Wirkung nicht mehr, da die Ursache weggefallen ist.

Ich fürchte also, wir werden in dieser Quelle wenig Neues für unsre deutsche Bühne schöpfen können, wenn es nicht etwa die bloßen Stoffe sind.

In diesen zwei Tagen seit Ihrer Abreise habe ich noch nichts gearbeitet, hoffe aber morgen wieder dazu zu kommen.

Haben Sie doch die Güte mir mit der Botenfrau die sämmtlichen Bogen des Almanachs, oder wenn er zu haben ist einen gehefteten Almanach zu überschicken.

Meyern viele Grüße. Leben Sie recht wohl.

Sch.


655. An Schiller.

Ich freue mich herzlich daß die Wöchnerin und das Kleine sich nach den Umständen wohl befinden. Möge es zunehmend so fortgehen.

Ich bin wieder in die Zerstreuung meines weimarischen Lebens gerathen, so daß auch keine Spur von einem Jamben in meinem Kopfe übrig geblieben ist. Ich wollte die erste Scene gestern ein wenig durchsehen, ich konnte sie aber nicht einmal lesen. Haben Sie ja die Güte mir bald etwas über das Stück zu sagen und mir meine Uebersetzung zuzuschicken, damit ich wenigstens drüber denken könne, um sobald als möglich das Ganze zusammen zu arbeiten, wozu ich mir aber wohl einen jenaischen Aufenthalt wieder wählen muß.

Hiebei schicke ich der liebwerthen Frau Wöchnerin ein Glas Eau de Cologne zur Erquickung, um welches ich die Bogen des Musenalmanachs, die Ihnen fehlen, geschlagen habe.

Leben Sie recht wohl, mit den nächsten Boten werden die Almanache folgen und es mag sich dann für diesen Winter eins aus dem andern entwickeln.

Weimar am 16. October 1799.

G.


656. An Goethe.

Jena den 18. October 1799.

Meine Frau fängt nun an sich von ihrer großen Schwäche wieder zu erholen und ist nach den Umständen recht leidlich, das Kleine befindet sich sehr wohl. Sie dankt Ihnen herzlich für Ihr Andenken und für die Herzstärkung die Sie ihr geschickt.

Hier folgt der Mahomet nebst einigen Bemerkungen, die ich im Durchlesen gemacht. Sie betreffen größtentheils das Original selbst und nicht die Uebersetzung, ich glaubte aber, daß man dem Original hierin nothwendig nachhelfen müsse.

Was die Anordnung des Ganzen betrifft, so scheint es mir durchaus nöthig, diesen Ammon handelnd einzuführen, und die Erwartung des Zuschauers immer in Athem zu erhalten, daß derselbe das Geheimniß mit den Kindern dem Sopir offenbaren werde. Er muß mehrmal an ihn zu kommen suchen, er muß ihm Winke geben und dergleichen, so daß diese Sache dem Zuschauer niemals aus dem Gedächtnis kommt und daß die Furcht genährt wird, worauf doch alles beruht. Man muß diesen Ammon mit seiner Entdeckung bei den Haaren herbei zu ziehen wünschen, alle Hoffnung auf seine zeitige Erscheinung setzen u. s. w.

Die Scene, worin Seïde dem Ammon den vorhabenden Mord entdeckt, und welche im Stück bloß erzählt wird sollte auf dem Theater wirklich vorkommen. Sie ist fürs Ganze zu wichtig und dabei ein großer Gewinn für den theatralischen Effekt. Ammon braucht darum nicht sogleich mit seinem Geheimniß gegen den Seïde herauszugehen, er hat andre Mittel die That zu hindern, ohne sich in Gefahr zu setzen. Mahomet erführe von Omar bloß, daß dieser den Seïde mit dem Ammon bei einer leidenschaftlichen Unterredung überrascht und letztern sehr consternirt gefunden habe. Auch könnte er einen Versuch Ammons, den Sopir geheim zu sprechen, erfahren. Dieß reichte hin ihn zu Hinwegschaffung des Ammon zu bewegen, dieser entdeckte dann sterbend dem Phanor alles und es erfolgte so wie es im Stück schon ist.

Meine Idee wäre ohngefähr diese. Wenn Mahomet (im II Aufzug, 4. Scene) dem Omar seine Liebe zu Palmire entdeckt hat, träte Ammon auf, Omar würde schicklich entfernt, und nun brächte Ammon das Anliegen vor, daß Mahomet endlich die Kinder ihrem Vater wieder geben und dadurch Friede mit Sopir und mit Mecca machen möchte. Die entdeckte Liebe beider zu einander und die Furcht vor einem Incest könnte ein neuer Antrieb für ihn sein. Mahomet müßte ihn nicht geradezu refusiren und ihm bloß das strengste Schweigen auferlegen.

Zum zweitenmal würde ich den Ammon auftreten lassen am Anfang des dritten Akts zwischen den beiden Kindern. Sie müßten ihm ihre Liebe zu einander zeigen, er müßte einen gewissen Schauer dabei zeigen. Auch könnte ihm hier Seïde schon die Entdeckung machen, daß Mahomet ihn zu einer blutigen That berufen. Ammon würde von Furcht erfüllt, Mahomets Eintritt müßte ihn verscheuchen.

Das drittemal würde ich den Ammon mit Vater und Sohn zusammenbringen, aber eh er sich erklärte, trät' Omar ein und entfernte den Seïde. Ammon bliebe mit Sopiren, ein Theil der Entdeckung, die jetzt durch des Arabers Brief gemacht wird, geschähe durch ihn selbst, Sopir erführe daß seine Kinder noch leben, aber nicht wer sie sind, weil Ammon verhindert würde seine Entdeckung zu beendigen. Er hätte bloß Zeit, ihm die nächtliche Zusammenkunft vorzuschlagen.

Unterdessen hätte Mahomet die Untreue des Ammon geargwohnt und alles erfolgte wie im Stück.

Ich muß abbrechen, man unterbricht mich. Leben Sie recht wohl, ich wünschte sehr daß Sie in den nächsten acht Tagen über die Veränderungen welche in dem Mahomet noch nöthig sind, vollkommen sich entscheiden möchten, um hier gleich an die Ausführung zu gehen.

Von den Schwestern zu Lesbos fehlt mir der sechste und siebente Bogen. Sie haben vielleicht vergessen sie zu senden.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


657. An Schiller.

Für Ihre Bemerkungen zu meiner Uebersetzung danke schönstens. Ich werde sie bei meinem Studium des Stücks, das ich mir nun zur Pflicht mache, immer vor Augen haben. Der Gedanke den Ammon dreimal auftreten zu lassen ist sehr gut, und ich will sehen daß ich eine etwas bedeutende Maske für ihn finde. Uebrigens da die Sache so weit ist, so wird es nicht schwer sein das Interesse daran bis zum Ende zu erhalten.

Diese acht Tage gehen mir noch in mancherlei Geschäften hin, dann aber werde ich mich wohl entschließen müssen Sie noch einmal zu besuchen.

Der Herzog hat mir die Geschichte des Martinuzzi zugeschickt, ich lege sein Billet bei, woraus Sie sehen werden daß er von der Idee selbst abgeht und bald ein Schema Ihrer Maltheser zu sehen wünscht. Möchten Sie es doch gelegentlich ausfertigen können.

Ich lege den Vossischen Almanach bei, wenn Sie ihn noch nicht gesehen haben sollten; Meyer sagt: er sähe aus als wenn niemals Poesie in der Welt gewesen wäre.

Zugleich folgen auch acht gute und sechs geringe Exemplare des Almanachs.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Ich freue mich daß ich, auf eine oder die andere Weise, bald Hoffnung habe Sie wieder zu sehen.

Weimar am 19. October 1799.

G.


658. An Goethe.

Jena den 22. October 1799.

Es geht mit der Erholung der kleinen Frau etwas langsam, doch ist sie von übeln Zufällen verschont geblieben und das Kleine nimmt täglich zu und zeigt sich als einen frommen ruhigen Bürger des Hauses. Unter diesen Umständen habe ich indeß mein Gemüth noch nicht recht sammeln können, da ich mich nicht isoliren kann und auch zu oft abgerufen werde.

Um doch etwas zu thun, habe ich über die Disposition meiner Maltheser-Tragödie nachgedacht, damit ich dem Herzog sogleich bei meiner Ankunft etwas bedeutendes vorzulegen habe. Es wird mit diesem Stoff recht gut gehen, das punctum saliens ist gefunden, das Ganze ordnet sich gut zu einer einfachen großen und rührenden Handlung. An dem Stoff wird es nicht liegen, wenn keine gute Tragödie, und so wie Sie sie wünschen, daraus wird. Zwar reiche ich nicht aus mit so wenigen Figuren, als Sie wünschen, dieß erlaubt der Stoff nicht; aber die Mannigfaltigkeit wird nicht zerstreuen und der Einfachheit des Ganzen keinen Abbruch thun.

Die vom Herzog vorgeschlagene Geschichte des Martinuzzi liefert nichts brauchbares für die Tragödie. Sie enthält bloß Begebenheiten, keine Handlung und alles ist zu politisch darin. Es ist mir recht lieb daß der Herzog selbst nicht weiter darauf besteht.

Vossens Almanach zeigt wirklich einen völligen Nachlaß seiner poetischen Natur. Er und seine Compagnons erscheinen auf einer völlig gleichen Stufe der Platitüde und in Ermanglung der Poesie waltet bei allen die Furcht Gottes.

Ich wünsche morgen von Ihnen zu hören, daß Sie dem Mahomet unterdessen etwas abgewonnen haben.

In der Erlanger Zeitung soll Herder sehr grob recensirt worden sein.

Unser Almanach nimmt sich noch ganz gut und neben seinen Kameraden vornehm genug aus.

Ich habe in den neuen Band von Schlegels Shakespeare hineingesehen und mir däucht, daß er sich viel härter und steifer liest als die ersten Bände. Wenn Sie es auch so finden, so wär's doch gut, ihm etwas mehr Fleiß zu empfehlen.

Die Frau grüßt Sie freundlich.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


659. An Schiller.

Ich wünsche Glück zu den fortdauernden guten Aspecten, die über die Wochenstube scheinen; vielleicht mache ich darin selbst noch einen Besuch. Mein hiesiges Wesen ist gegenwärtig so prosaisch wie der Vossische Almanach, und ich sehe auch keine Möglichkeit in meinen hiesigen Verhältnissen eine Arbeit zu fördern, die doch eigentlich eine zarte Stimmung erfordert. Gerade das was jetzt am Mahomet zu thun ist, darf am wenigsten mit dem bloßen Verstand abgethan werden.

Seitdem mir Humboldts Brief und die Bearbeitung Mahomets ein neues Licht über die französische Bühne aufgesteckt haben, seitdem mag ich lieber ihre Stücke lesen und habe mich jetzt an den Crebillon begeben. Dieser ist auf eine sonderbare Weise merkwürdig. Er behandelt die Leidenschaften wie Kartenbilder die man durch einander mischen, ausspielen, wieder mischen und wieder ausspielen kann, ohne daß sie sich im geringsten verändern. Es ist keine Spur von der zarten chemischen Verwandtschaft, wodurch sie sich anziehen und abstoßen, vereinigen, neutralisiren, sich wieder scheiden und herstellen. Freilich gewinnt er auf seinem Weg Situationen, die auf jedem andern unmöglich wären. Uns würde überhaupt diese Manier unerträglich sein, allein ich habe gedacht ob man sie nicht zu subalternen Compositionen, Opern, Ritter- und Zauberstücken mit Glück brauchen könnte und sollte. Was ich darüber gedacht, wird uns Gelegenheit zu einem Gespräch und zur Ueberlegung geben.

Es soll mich sehr freuen wenn Sie den Plan zu den Malthesern mitbringen. Wenn ich es möglich machen kann, besonders aber wenn ich keinen Weg sehe den Mahomet hier fertig zu machen, so komme ich den ersten November hinüber, bis dahin wird alles hier was sich auf mich bezieht wieder ziemlich für eine Zeit eingeleitet sein.

Von Frankfurt erhalte ich die Nachricht daß Schlosser gestorben ist. Die Franzosen und sein Garten sind die nächsten Ursachen seines Todes. Er befand sich in demselben als jene sich Frankfurt näherten, er verspätete sich und fand das nächste Thor schon verschlossen, er mußte bis zu dem folgenden eilen, das weit entfernt ist, kam in eine sehr warme Stube, wurde von da aufs Rathhaus gerufen, worauf er in ein Fieber verfiel das tödtlich wurde und ihn in kurzer Zeit hinraffte. Unsere botanische Korrespondenz hat sich also leider zu früh geschlossen.

Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns die Tage gebrauchen die uns noch gegeben sind.

Weimar am 23. October 1799.

G.


660. An Goethe.

Jena, 25. October 1799.

Seit dem Abend als ich Ihnen zuletzt schrieb ist mein Zustand sehr traurig gewesen. Es hat sich noch in derselben Nacht mit meiner Frau verschlimmert und ihre Zufälle sind in ein förmliches Nervenfieber übergegangen, das uns sehr in Angst setzt. Sie hat zwar für die große Erschöpfung die sie ausgestanden noch viel Kräfte, aber sie phantasirt schon seit drei Tagen, hat diese ganze Zeit über keinen Schlaf und das Fieber ist oft sehr stark. Wir schweben noch immer in großer Angst, obgleich Starke jetzt noch vielen Trost giebt. Wenn auch das Aergste nicht erfolgt, so ist eine lange Schwächung unvermeidlich.

Ich habe in diesen Tagen sehr gelitten, wie Sie wohl denken können, doch wirkte die heftige Unruhe, Sorge und Schlaflosigkeit nicht auf meine Gesundheit, wenn die Folgen nicht noch nachkommen. Meine Frau kann nie allein bleiben und will niemand um sich leiden als mich und meine Schwiegermutter. Ihre Phantasien gehen mir durchs Herz und unterhalten eine ewige Unruhe.

Das Kleine befindet sich gottlob wohl. Ohne meine Schwiegermutter, die theilnehmend ruhig und besonnen ist, wüßte ich mir kaum zu helfen.

Leben Sie recht wohl. Ich würde sehr getröstet sein, Sie bald zu sehen, ob ich Sie gleich bei so unglücklichen Umständen nicht einladen darf.

Schiller.


661. An Schiller.

Ihr Brief, werthester Freund, hat mich auf das unangenehmste überrascht. Unsere Zustände sind so innig verwebt daß ich das, was Ihnen begegnet, an mir selbst fühle. Möge das Uebel sich bald ins bessere wenden und wir wollen die unvermeidlichen Folgen zu übertragen suchen.

Ich würde Sie gleich besuchen, wenn ich nicht gegenwärtig von so vielerlei Seiten gedrängt wäre. Ohne Ihnen hülfreich sein zu können würde ich in Jena mich nur unruhig fühlen, indem hier so manches Geschäft an meine Mitwirkung Anspruch macht.

Ich wünsche nichts sehnlicher, als bald etwas tröstliches von Ihnen zu hören. Möge nur nicht auch Ihre Gesundheit bei diesen Umständen leiden! Schreiben Sie mir doch auch zwischen den Botentagen, wenn Sie Gelegenheit finden.

Weimar am 26. October 1799.

G.


662. An Goethe.

Montag Abends 28. October 1799.

Ich finde nur ein paar Augenblicke Zeit um Ihnen zu melden, daß es sich seit gestern Abend ruhiger anläßt, daß die Nacht erträglich gewesen und die Phantasien nicht mehr so unruhig sind, obgleich die liebe gute Frau noch immer im Delirio ist. Der Friesel ist heraus und die Kräfte sind noch gut. Starke giebt gute Hoffnung und meint daß es sich auf den Donnerstag wohl anfangen werde zu bessern.

Mit meiner Gesundheit geht es noch recht gut, obgleich ich in sechs Tagen drei Nächte ganz durchwacht habe.

Leben Sie recht wohl, ich schreibe übermorgen wieder.

Sch.


663. An Goethe.

Jena, 30. October 1799.

Ich ergreife die Gelegenheit die ich eben erhalte, nach Weimar zu schreiben, Ihnen wissen zu lassen, daß nach Starkens Urtheil meine Frau jetzt zwar außer Gefahr ist, das Fieber fast ganz aufgehört hat, aber leider die Besinnung noch nicht da ist, vielmehr heftige Accesse von Verrückung des Gehirns öfters eintreten. Indessen auch darüber beruhigt uns der Arzt, aber Sie können denken, daß wir uns in einem traurigen Zustand befinden. Ich habe mich zwar bis jetzt noch erträglich gehalten, aber heute nach der vierten Nacht, die ich binnen sieben Tagen durchwacht habe, finde ich mich doch sehr angegriffen.

Leben Sie recht wohl, und geben Sie mir auch einmal wieder Nachricht von Sich.

Sch.


664. An Schiller

Sie haben mir durch die Nachricht daß es mit Ihrer lieben Frau wo nicht besser doch hoffnungsvoller stehe, eine besondere Beruhigung gegeben, so daß ich diese paar Tage der Kirchweihe in Niederroßla mit einiger Zufriedenheit beiwohnen konnte. Heute will ich nach Buttstädt fahren, wo Pferdemarkt ist und komme Abends wieder nach Hause, wo ich in Ihrem Briefe von gestern gute Nachrichten zu finden hoffe.

Sobald es die Umstände einigermaßen erlauben besuche ich Sie, denn ich habe mancherlei mit Ihnen abzureden und wenn Mahomet fertig werden soll, so muß ich wieder einige Zeit in Jena zubringen. Ich wünsche daß die Sachen so stehen daß Sie der Kranken meinen Gruß wieder bringen können. Möchte diese Sorge keinen Eindruck auf Ihre eigne Gesundheit machen.

Niederroßla am 31. October 1799.

G.


665. An Goethe.

Jena, 1. November 1799.

Der ein und zwanzigste Tag der Krankheit ist jetzt vorbei, das Fieber hat sehr abgenommen und ist oft ganz weg, aber die Besinnung ist noch nicht wieder da, vielmehr scheint sich das ganze Uebel in den Kopf geworfen zu haben und es kommt oft zu völlig phrenetischen Accessen. Wir sind also zwar wegen des Lebens meiner Frau nicht mehr in Sorgen, aber können uns der Furcht nicht erwehren, daß ihr Kopf leiden möchte. Indessen glaubt Starke noch immer uns hierüber ganz beruhigen zu können. An wirksamen Mitteln hat er es von Anfang an nicht fehlen lassen, und ist, nach Maßgabe der Krankheit immer damit gestiegen. Jetzt werden kalte Umschläge um den Kopf gebraucht, die nicht ohne guten Effekt zu bleiben scheinen, denn seitdem diese applicirt werden, hat meine Frau mich und ihre Mutter auf Augenblicke wieder erkannt.

Ich thue das mögliche, um mich von der Qual bei Tag und Nacht auf Stunden zu erholen und kann mich bis jetzt über meine Gesundheit nicht beklagen. Aber die Sache droht langwierig zu werden, und für diesen Fall weiß ich noch keinen Rath.

Leben Sie recht wohl. Ich werde abgerufen.

Sch.


666. An Schiller.

Indem mich Ihr Brief von einer Seite beruhigt da er mir die Nachricht von der Besserung Ihrer lieben Frauen giebt so entstehen von der andern Seite freilich wieder neue Sorgen wegen der Dauer des Uebels.

Ich will suchen mich die nächste Woche los zu machen um einige Zeit mit Ihnen zuzubringen obgleich mancherlei Umstände, wie ich befürchte, mir entgegenstehen werden.

Diese Tage habe ich mehr zweckmäßig als zum Vergnügen auf dem Lande zugebracht; in der Stadt komme ich über lauter Kleinigkeiten gar nicht zur Besinnung. Bury, ein alter Römischer Freund ist hier, der, nachdem er siebzehn Jahre in Rom zugebracht, sich auch wieder nach Norden zurückziehen müssen.

Für heute sage ich nichts mehr als ein Lebewohl.

Weimar am 2. November 1799.

G.


667. An Goethe.

Jena den 4. November 1799.

Mit meiner Frau steht es leider noch ganz auf demselben Punkt, wie vor drei Tagen und es ist noch gar nicht abzusehen, was daraus werden will. Seit vorgestern spricht sie keine Silbe, obgleich mehrere Umstände vermuthen lassen, daß sie uns kennt und die Zeichen der Liebe erwiedert, die wir ihr geben. Sie hat in diesen drei Tagen reichlich geschlafen, aber fast nichts zu sich genommen und das wenige mit großer Mühe. Eine hartnäckige Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Abwesenheit des Geistes ist das Symptom das uns am meisten quält und ängstigt. Gott weiß, wohin all dieß noch führen wird, ich kenne keinen ähnlichen Fall aus dem sich dieser judiciren ließ, und ich fürchte, Starkens Erfindungskunst wird auch bald erschöpft sein. Opium. Moschus, Hyoscyamus, China, Kampher, Zinkblumen, Vesicatorien, Sinapismen, kalte Salmiakumschläge um den Kopf, starke Oele zum Einreiben sind nach und nach an der Reihe gewesen, und heute soll mit der Belladonna noch ein Versuch gemacht werden.

Weil der immerwährende quälende Anblick mich ganz niederdrückt, so habe ich mich entschlossen, vielleicht auf einen halben Tag nach Weimar zu fahren, und mein Gemüth zu zerstreuen. Auch meine Schwiegermutter bedarf dieser Veränderung, wir wissen meine Frau während der kurzen Abwesenheit unter den Augen der Griesbachin, die uns bisher große Dienste geleistet hat.

Haben Sie doch die Güte, von Wallensteins Lager und den beiden hier zurückkehrenden Stücken aufs allerschnellste eine Abschrift besorgen zu lassen. Ich habe hier in meinem Hause jetzt keinen Raum für die Abschreiber und aus dem Hause mag ich die Stücke hier nicht geben. Sie erweisen mir eine große Gefälligkeit, wenn Sie mir recht bald Copien davon schaffen.

Uebrigens liegen noch alle Geschäfte bei mir und liegen vielleicht noch lange.

Mögen Sie selbst indessen wohl und heiter sein. Daß ich Bury neulich nicht sehen konnte, habe ich beklagt, aber es war unter den Umständen ganz unmöglich.

Ein herzliches Lebewohl.

Sch.

P.S. Die zwei Stücke bringt morgen das Botenmädchen, weil die reitende Post sie nicht annahm. Wallensteins Lager aber hat Seyfart, und dieß könnte also gleich angefangen werden. Auch bitte ich um die Melodien 1) zu dem Anfangslied in Wallensteins Lager, 2) dem Rekruten-, 3) dem Reiterlied und 4) des Mädchens Klage. Loder hat die Stücke an das Theater zu Magdeburg verhandelt, wohin ich sie eilig schicken muß. Seyfart hat mir zwar Wallensteins Lager kürzlich copiren lassen, aber ich brauche noch eine Copie.


668. An Goethe.

Jena, 5. November 1799.

Ich begleite die hier folgenden Stücke nur mit ein paar Worten zum Gruß. Meine Frau zeigt heute merklich mehr Besinnung und scheint sich überhaupt etwas besser zu befinden, als seit acht Tagen.

Vielleicht komme ich morgen nach Weimar, meine Schwiegermutter zurückzubringen, die heute mit meinem Schwager hinüber ist. Es wird mich herzlich freuen, Sie wieder zu sehen.

Sch.


669. An Goethe.

Jena, 8. November 1799.

Ich habe meine Frau vorgestern bei meiner Zurückkunft gefunden wie ich sie verließ, der gestrige Tag ist gut und vielversprechend gewesen, aber diese heutige Nacht kam die Unruhe unter heftigen Beängstigungen zurück und die Besserung scheint wieder weit hinausgeschoben.

Und so ist es denn auch mit mir selbst noch beim alten, ich kann mich mit nichts erfreulichem beschäftigen.

Meinem Schwager habe ich den bewußten Auftrag gegeben und hoffe bald Wirkungen davon zu sehen.

Leben Sie bestens wohl und grüßen mir den Karl. Seine kleinen Bedürfnisse bringt eine Gelegenheit morgen mit.

Sch.


670. An Schiller.

Mein Wunsch Sie zu sehen, wird hoffe ich morgen erfüllt werden und wenn meine Gegenwart gleich keine Hülfe bringen kann, so ist die Ableitung der Gedanken, bei einem dauernden Uebel, doch immer schon etwas.

Karl befindet sich in seinem neuen Zustand ganz leidlich, nur beim Eintritt der Nacht tritt auch, wie es bei Kindern immer geschieht, die Sehnsucht nach dem gewohnten Zustande ein.

Ich wünsche daß Sie sich wie bisher erhalten mögen.

Ich habe vieles, worüber ich Ihre Gedanken zu vernehmen wünsche.

Weimar am 8. November 1789.

G.


671. An Schiller.

Da ich heute Abend zu Loders eingeladen bin und wenn ich früher käme Sie in Ihrer Arbeit zu stören fürchte, so will ich mich schriftlich nach dem Befinden unserer lieben Kranken erkundigen.

Morgen kommt Geheimde Rath Voigt. Wenn es Ihnen nicht unangenehm wäre Egloffstein und Milkau in der Gesellschaft zu finden, so sollten Sie uns bei Tische sehr willkommen sein. Wenigstens soll ein Couvert für Sie bereit stehen.

Loder läßt anfragen ob Sie, mit dem Anerbieten der Magdeburger zufrieden, Ihre Stücke dorthin geben wollten? oder ob man den dortigen Theaterfreunden etwas mehr abfordern sollte? Leben Sie recht wohl und schicken mir den zweiten Theil der Prinzeß Conti wenn Sie ihn gelesen haben.

[Jena] Am 19. November 1799.

G.


672. An Goethe.

[Jena] Den 19. November 1799.

Die Nacht ist ganz leidlich gewesen, den Tag über aber hat die arme Frau wieder viel mit ihren Einbildungen zu thun gehabt und uns oft sehr betrübt. Etwas zu thun war mir den Vormittag deßwegen ganz unmöglich; ich will versuchen ob mir der Abend einige Stimmung bringt und Ihnen eine heitre Unterhaltung wünschen.

Die Magdeburger Herren sind Lumpenhunde, sagen Sie dieß Lodern von meinetwegen, und daß ich diesem Herrn Rathmann Fritze an den er mich gewiesen, meine Meinung gestern geschrieben. Die Belege zu meinem Urtheil will ich morgen schicken, da ich jetzt eben die Briefe nicht gleich zur Hand habe.

Hier den zweiten Theil der Conti, den ich mir, sobald Sie damit fertig, zurückerbitte. Schlafen Sie recht wohl.

Sch.


673. An Goethe.

[Jena, 2. December 1799.]

Ich muß Ihnen heut einen schriftlichen guten Abend sagen, denn meine Packanstalten und übrigen Arrangements werden mich wie ich fürchte bis um zehn Uhr beschäftigen. Morgen nach zehn Uhr hoffe ich Sie noch einen Augenblick vor der Abreise zu sehen. Mit der Frau ist es gottlob heute gut geblieben. Ich selbst aber besinne mich kaum.

Anbei sende ich was Ihnen gehört. Beiliegende Karten bitte auf Büttners Bibliothek zu senden.

Schiller.


674. An Goethe.

Weimar den 4. December 1799.

Unsre Reise ist gut von Statten gegangen und meine Frau, die bei Frau von Stein wohnt, hat auf die Troubles des vorigen Tags recht gut geschlafen, ohne eine Spur ihrer alten Zufälle. Der Anfang ist also glücklich gemacht und ich hoffe das beste für die Zukunft.

Uebrigens habe ich von hiesigen Personen, außer meinen Anverwandten und Frau von Stein noch niemand zu sehen Zeit gehabt.

Leben Sie recht wohl und kommen Sie nur bald.

Schiller.


675. An Schiller.

Die Paar Tage nach Ihrer Abreise habe ich in der beliebten, beinah absoluten Einsamkeit zugebracht. Ein Besuch bei Mellisch, ein Abend bei Loders und eine Vorlesung der Genoveva von Tieck auf meinem Zimmer haben einige Diversion gemacht.

Dem alten englischen Theater bin ich um vieles näher. Malones Abhandlung über die wahrscheinliche Folge in welcher Shakespeare seine Stücke gedichtet, ein Trauer- und ein Lustspiel von Ben Johnson, zwei apokryphische Stücke von Shakespeare und was dran hängt, haben mir manche gute Ein- und Aussichten gegeben.

Wie Eschenburg sich hat entgehen lassen seiner neuen Ausgabe diesen kritischen Werth zu geben, wäre nicht zu begreifen, wenn man nicht die Menschen begriffe. Mit sehr kurzen Einleitungen in jedes Stück, theils historischen theils kritischen, wozu der Stoff schon in der letzten englischen Ausgabe von Malone bereit liegt, und die man mit einigen wenigen Apperçus hätte aufstutzen können, war der Sache ein großer Dienst geleistet und mit dieser Art Aufklärung hätte jedermann denken müssen neue Stücke zu lesen. Wahrscheinlich wird er das, und vielleicht umständlicher als nöthig ist, wie schon vormals geschehen, in einem eignen Bande nachbringen. Aber wie viele Menschen suchens und lesens dahinten.

Sie sehen daß ich noch der reinen Jenaischen Ruhe genieße, indem die Weimarische Societätswoge wahrscheinlich schon bis an Sie heranspült. Sonntag Nachmittag lasse ich anfragen wo ich Sie treffe. Leben Sie recht wohl und grüßen die Ihrigen.

Jena am 6. December 1799.

G.


676. An Goethe.

Weimar, 7. December 1799.

Es war mir sehr erfreulich heute noch von Ihnen zu hören. Die Pole an unserer magnetischen Stange haben sich jetzt umgekehrt und was Norden war ist jetzt Süden. Die Ortveränderung habe ich übrigens noch nicht viel empfunden, weil es in den ersten Tagen so viel theils in meinem eigenen Hause zu thun gab, theils noch alte Reste von Briefen und andern Expeditionen mußten abgethan werden, damit ich die neue Existenz auch neu beginnen kann. Nur dem Herzog habe ich mich vorgestern präsentirt und eine Stunde dort zugebracht. Den Inhalt des Gesprächs mündlich.

Die Frau hat sich in diesen fünf Tagen gleichförmig wohl befunden, ohne die geringste Spur der vorigen Zustände: Gott gebe nun daß es auf dem guten Wege bleibe und die eintretenden Perioden kein Recidiv bewirken.

Das bekannte Sonett hat hier eine böse Sensation gemacht und selbst unser Freund Meyer hat die Damenwelt verführt, es in Horreur zu nehmen. Ich habe mich vor einigen Tagen sehr lebhaft dafür wehren müssen. Mich soll es im geringsten nicht befremden, wenn ich hier auch keine andere Erfahrung mache, als die des Widerspruchs mit dem Urtheil des Tages.

Den Werth, welchen Eschenburg seiner neuen Ausgabe Shakespeares nicht gab, wird nun wohl Schlegel der seinigen zu geben nicht zögern. Dadurch käme gleich ein neues Leben in die Sache und die Leser, die nur aufs curiose gehen, fänden hier wieder so etwas wie bei dem Wolfischen Homer.

Fichte ist wie ich gehört nun in Jena angelangt, ich bin neugierig ob mit Ihrem Fuhrwerk.

Wenn es nicht eine große Gefälligkeit mißbrauchen heißt, so wünschte ich wohl mich der Wegbau-Pferde noch einmal bedienen zu dürfen, um alle meine in Jena noch zurückgebliebene Schränke und andre Sachen noch herüber zu schaffen: denn das hiesige Local fordert solche, und die weibliche Regierung besonders vermißt diese Bequemlichkeiten ungern. Ist es aber auch jetzt nicht sogleich thunlich, so kann es noch einige Wochen damit anstehen.

Mit großem Verlangen erwarte ich Sie morgen.

Leben Sie recht wohl und haben die Güte mich Griesbachs und Loders freundschaftlich zu empfehlen.

Sch.


677. An Schiller.

Als ich heute frühe ausging hoffte ich bei Ihnen einzusprechen, es war mir aber nicht möglich. Mittags bin ich bei Hofe und bitte Sie mir zu sagen wie Sie es diesen Abend halten, damit ich mich einrichten kann Sie zu sehen.

Weimar am 9. December 1799.

G.


678. An Goethe.

Weimar, 10. December 1799.

Das Stück folgt hier zurück; das beste, was zu seinem Vortheil gesagt werden kann, ist gestern gesagt worden. Je tiefer man in die Handlung hineinkommt, desto schwächer erscheint das Werk. Die Motive sind schwach, zum Theil sehr gemein und plump. Antonius ist gar zu einfältig, und es ergiebt sich aus der Vorrede, daß der Dichter diesen Einwurf voraussah, und sonderbar genug sich durch die Zeugnisse der Geschichte entschuldigt glaubte. Cleopatra ist nur widerwärtig, ohne Größe, selbst Octavia begreift man nicht; das Motiv mit den Kindern kommt immer wieder, in jeder Gestalt und muß die Armuth an andern Mitteln ersetzen.

Es bleibt also bei unserm gestrigen Ausspruch, der rednerische Theil ist brav, der poetische und dramatische insbesondere wollen nicht viel heißen.

Sch.


679. An Schiller.

Ich danke für das was Sie mir über das Stück sagen wollen. Ich bin völlig damit einverstanden. Je weiter man kommt, je weniger gefällts.

Ich bin heute bei der Herzogin Mutter zur Tafel, nachher lass' ich bei Ihnen anfragen ob Sie zu Hause sind.

Weimar am 11. December 1799.

G.


680. An Schiller.

Sagen Sie mir doch, mein Bester, wie es mit der lieben Frau steht und grüßen Sie sie herzlich von mir.

G.


681. An Schiller.

Da ich Sie gestern nicht in der Komödie gesehen so wünschte ich zu wissen, wie es heute mit Ihnen steht und ob Sie etwa Abends ein wenig zu mir kommen möchten.

Weimar am 15. December 1799.

Goethe.


682. An Schiller.

Der Herzog und die Herzogin werden heute den Thee bei mir nehmen und der Vorlesung des Mahomets ein, wie ich hoffe, günstiges Ohr leihen. Mögen Sie dieser Function beiwohnen, so sind Sie schönstens eingeladen.

Weimar am 17. December 1799.

G.


683. An Schiller.

Wenn Sie mich heute Abend um sechs Uhr besuchen und zu Tische bei mir bleiben mögen, so wird es mir sehr erfreulich sein.

Am 20. December 1799.

G.


684. An Schiller.

Gestern hoffte ich Sie gegen Abend zu sehen, welches mir aber nicht gelang. Heute kann ich nicht wohl ausgehen und diesen Abend wird Sie das prophetische Uebermaß wohl von unsern Zirkeln abhalten. Schicken Sie uns indessen Ihre liebe Frau und schreiben mir ob die Musen günstig sind. Ich befinde mich in einem ganz zerstückelten Leben.

Am 23. December 1799.

G.


685. An Goethe.

[Weimar, 23. Dec. 1799.]

Ich hatte gestern Abend den Anschlag gefaßt Sie noch zu besuchen, vertiefte mich aber zu sehr in mein Geschäft und die Stunde wurde versäumt. Weil ich morgen die drei ersten Akte Mellischen lesen will, so war und ist noch in diesen Tagen viel zu thun, was mich zu Hause gehalten; denn nichts ist, wie Sie selbst aus Erfahrung wissen werden, zeitverderblicher als die kleinen Lücken, die man in der Arbeit gelassen, auszustopfen. Sollte Ihnen aber heute Abend nach ausgestandenem Abenteuer noch Lust und Zeit zu einem Gespräch übrig bleiben, so lassen Sie michs wissen und ich komme. Leben Sie recht wohl. Die Frau wird Ihre Einladung dankbar benutzen, wenn sie irgend ausgehen kann.

Sch.


686. An Schiller.

Ich dächte Sie entschlössen sich auf alle Fälle um halb neun Uhr zu mir zu kommen. Sie finden geheizte und erleuchtete Zimmer, wahrscheinlich einige zurückgebliebene Freunde, etwas Kaltes und ein Glas Punsch. Alles Dinge, die in diesen langen Winternächten nicht zu verachten sind.

Am 23. December 1799.

G.


687. An Schiller.

Sie lassen sich also heute um zwei Uhr nach Hof tragen wo wir in dem Zimmer des Herzogs zusammen treffen werden. Den Abend heute bringen Sie wohl bei mir zu.

Am 27. December 1799.

G.


688. An Schiller.

Ich frage an ob Sie mich heute ein wenig besuchen wollen? Sie können sich ins Haus bis an die große Treppe tragen lassen, damit Sie von der Kälte weniger leiden. Ein Gläschen Punsch soll der warmen Stube zu Hülfe kommen, ein frugales Abendessen steht nachher zu Befehl.

Am 29. December 1799.

G.


689. An Goethe.

30. December 1799.

Ich hoffte Sie heute entweder in der Komödie oder nach derselben zu sehen, aber die warme Stube hielt mich zu fest und bis nach sechs Uhr hatten wir Besuch, daß ich nicht abkommen konnte. Empfangen Sie also noch eine freundliche gute Nacht, und lassen sich das Schlafmachende Mittel welches Cotta schickt empfohlen sein. Meyern wenn er morgen ausgeht bitte, auf einen Augenblick bei mir einzusprechen.

Sch.


690. An Schiller.

Hier schicke ich ein Exemplar der Propyläen mit der Anfrage ob Sie wohl heute Abend mich mit Ihrer Gegenwart erfreuen wollen. Ich bin seit gestern nicht recht wohl und fast befürchte ich daß der kürzeste Tag noch Lust hat mir hinterdrein noch Händel zu machen.

Am 31. December 1799.

G.


691. An Goethe.

31. December 1799.

Ich beklage Ihre Unpäßlichkeit von Herzen und hoffe, Sie werden sie nicht in das neue Jahr mit hinübernehmen. Nach sechs Uhr stelle ich mich ein, zwischen jetzt und dem Abend will ich suchen einen meiner Helden noch unter die Erde zu bringen, denn die Keren des Todes nahen sich ihm schon.

Diesen Vormittag ist mir eine große Lieferung von Papier und andern Sachen zugefertigt werden, die ich Ihrer Güte zu danken habe.

Sch.



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