Adolf Glaßbrenner
Die Insel Marzipan
Adolf Glaßbrenner

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                  Na, da sitzt ja, still und stumm,
Mit gespannten Mienen,
Schon mein kleines Publikum!
Na, nun ist erschienen
Muhme Rählen, und nun sitzt
Sie, und nun gibt Clärchen
Ihr ein Küßchen erst, und itzt
Fährt sie fort im Märchen.

Also: es ist finstre Nacht,
Und der Schelm, der diese
Schwarze Missetat vollbracht,
Der Jesuiten-Riese,
Wächst zurück nun, schrumpft nun ein
(Welchen Ausdruck wähl' ich?)
Da der bitt're Tränenwein
Ja verrinnt allmählich.

Aber, aber! Eben als
Er vom Himmel rückrutscht,
Sitzt ihm einer auf dem Hals,
Der mit ihm zurückkutscht,
Der – wie Krittel auch erbost
Auf ihn losarbeitet,
Schuppt und zerrt und schimpft und stoßt –
Ruhig auf ihm reitet.

Und wer dieser Reiter war
Auf dem langen Bengel?
Aus der sel'gen Kinder Schar
Ist's ein lustiger Engel.
Und er scherzt und lacht und singt,
Spornet auch mitunter
Seinen Rappen – und jetzt springt,
Hops! er schnell herunter.

Und kaum steht der Engel da
Zu der Kinder Wonne,
Die sich um ihn drängen... ha!
Aufgeht hell die Sonne!
Und der Mond zeigt sein Gesicht,
Und die Sterne funkeln;
Beide holen ein bei Licht,
Was versäumt im Dunkeln.

Doch, warum der Engel kam
Auf die Kinderinsel?
Weil der liebe Gott vernahm
Nicht mehr das Gewinsel,
Nicht das Weinen und das Schrein,
Heulen und Gequengel,
Darum, darum ganz allein
Schickte Gott den Engel.

Als man nämlich, frech und roh,
Unsern guten Kindern
Fortnahm ihre Tränen, so
Doch den Schmerz noch lindern:
Da ergriff, durch sie gequält,
Zwar nicht Knirpsens Wut sie,
Doch gerechter Zorn! Beseelt
Hatte Kraft und Mut sie!

Und sie schwur'n, die Barbarei
Nicht mehr zu ertragen;
Knirps, die Ritter, heidi, hei,
Alle fortzujagen!
Da gab Gott sogleich 'nen Wink
Einem Hilfe-Engel,
Und der Engel, hops, sprang flink
Auf den schwarzen Bengel.

»Heda, Kinder, ruht Euch aus!«
Ruft der Engel eben.
»Ich will einen Götterschmaus
Euch zum Besten geben.
Schnell 'nen großen Kessel her!
Macht 'mal Feuer drunter!
Dies Gewürz hinein! Noch mehr!
Koch! mein Süppchen, munter!

Dies hier wird – bald ist sie gar –
Schwibbel-Schwabbel-Schwuppe –
Die berühmte, wunderbar-
Süße Prügelsuppe!
Pfeffer noch von Belzebub!
Schuppen, Stacheln! Braust sie?
Jetzt noch Hexensirup, schwubb,
Aufschäumt sie! Nun schmaust sie!«

Also kocht der Engel flink,
Und gibt bei den Späßen
Rasch den Kindern einen Wink,
Daß sie ja nichts äßen,
Nicht 'nen Schluck der wunderbar-
Süßen Prügelsuppe,
Die bestimmt für Knirpsen war
Und für seine Truppe.

Denn wer diese Suppe aß,
Ließ in Ruh' die Feinde,
Aber faßte Wut und Haß
Gegen seine Freunde;
Grade so war sie gewürzt,
Daß man, ungezügelt,
Los auf seine Freunde stürzt,
Und sie gräßlich prügelt.

Knirpsen, fern mit seiner Schar
Erst der Kindergruppe,
Lockt gar bald die wunderbar-
Süße Prügelsuppe;
Schnüffelnd, schnobbernd strecket er
Vor die lange Nase;
Schnüffelnd kommt das ganze Heer,
Lüstern nach dem Fraße.

Schnalzend mit der Zunge gier,
Kopf an Kopf sich dichtend,
Offnen Maul's, das Auge stier
Auf den Kessel richtend,
Schleichen sie herbei... und kaum
Ist die Suppe gar nun,
Drängt sich um den heißen Schaum
Diese schwarze Schar nun.

Schubst die Kinderchen bei Seit',
Schöpft und schlürft mit runden
Händen, bis in kurzer Zeit
Alles rein verschwunden,
Alles, was im Kessel war:
Wurzel, Stachel, Schuppe,
Kurz, die ganze wunderbar-
Süße Prügelsuppe!

Und kaum fünf Minuten... patsch!
Kriegt der böse König
Knicker-Knirps von Quitsch und Quatsch
Maulschell'n gar nicht wenig
Vom Jesuiten! Knirps, nicht faul,
Seht, wie er sich sputet!
Schlägt dem eine über's Maul,
Daß die Nase blutet!

Knuff macht über Knacksen sich,
Quiek sticht Knattern eine!
Quiek – na, ich bedanke mich! –
Kriegt auch keine kleine!
Gräßlich haut von Knorpelix
Auf den Ritter Kraller!
Ausgezeichnet prügelt Knicks
Rittern Knaller-Baller!

Knacks, der jetzt mit Knirps sich mißt,
All'n Respekt vergißt er.
Patsch! der weise Polizist
Haut den Staatsminister!
Der jedoch... o weh mir!... beißt
Rasch ihm in die Waden,
Springt dann auf, packt ihn und schmeißt
Fort ihn, fort mit Schaden!

Und wie hier die Ritter sich
Und die edlen Schranzen
Fürchterlich und emsiglich
Knuffen und kuranzen:
Knuffen, puffen, maulschell'n sich...
War das ein Geknalle!...
Fürchterlich und emsiglich
All die Schwarzen, alle!

Das geht, hastdunichtgesehn!
Der stößt mit den Füßen!
Der läßt jenen, jener den
Einen Puff genießen!
Der packt jauchzend den beim Schopf,
Freut sich seiner Werke:
Da! kriegt er 'nen Katzenkopf
Selbst von großer Stärke!

Da fliegt eine derbe Faust
Einem an die Ohren!
Ach und die! Wo die hinsaust,
Ist ein Mensch verloren!
Ach, die Maulschell', ach die schallt!
Ach, die armen Backen!
Und das Kopfstück, wie das knallt!
Und das Rippenknacken!

Nein, solch eine Prügelei,
Ha, ha, ha, wie die da,
Solche Kobolds-Keilerei,
Ha, ha, ha, war nie da!
Wie bei dieser lust'gen Schlacht
Und des Engels Schwänken,
Wie die Kinder da gelacht,
Könnt Ihr Euch kaum denken!

Aber prügelten baff! buff!
Diesen wilden Racker
Plauz! Au weih mir! Patsch und knuff!
Jetzt sich schon recht wacker,
Ward's doch ärger stets, je mehr
Ihnen lief die süße
Prügelsuppe hin und her
Durch Kopf, Bauch und Füße.

Bald war's mehr als Schupsen, Hau'n,
Zerr'n und Niederkrachen:
Bald galt's, sich einander, traun!
Den Garaus zu machen.
Nach dem Meer zu stießen, hei!
Sie sich prügelnd immer,
Und hier ward die Prügelei
Schlimmer, immer schlimmer.

Und das Ende war von all'
Diesem Tigerspringen,
Schlangenschlingen und Gekrall,
Walken, Boxen, Ringen:
Daß der ein' den andern Kauz
Rasch empor am Bein riß,
Über'n Kopf sich warf und... plauz!
In das Meer hineinschmiß.

Und der Knirps, der ganz zuletzt
Übrig war geblieben,
Der traktirte selbst sich jetzt
Mit gewalt'gen Hieben;
Tät, nachdem er ganz zerzaust
Zopf und Haar, sich bücken,
Und durchbläute mit der Faust
Seinen dicksten Rücken.

Dann stieß Seine Majestät
Sich gewaltsam nieder!
Dann zerrt' Seine Majestät
Auf am Ohr sich wieder,
Stieß sich hin und stieß sich her,
Bis er, selbstverständlich,
Über's Ufer und ins Meer,
Plumps! hineinflog endlich.

Hei, juchhei! Die Tyrannei
War gestürzt! Die lieben
Kinder waren wieder frei,
Und sind's auch geblieben. –
Knicker-Knirps war abgetan,
Fort mit seiner Bande,
Und mit ihm von Marzipan
Elend, Schmach und Schande!

Und dort, wo der Engel war
Mit der Prügelsuppe,
Stand das heil'ge Menschenpaar
In der Kindergruppe.
Frohen Sangs und frohen Blicks
Pries es mit der Jugend:
Gott, den Gott des Menschenglücks
Und der heitren Tugend.

Rauschend lobt' den schönen Tag
Lorbeer, Birk' und Palme;
Eine Freudenträne lag
Auf dem kleinsten Halme.
Und die Nachtigall, sie sang
Wonnevolle Lieder,
Und die Lerche sang und schwang
Auf, hinauf sich wieder.

Stieglitz, Papagei und Fink
Solche Possen machen,
Daß der bunte Schmetterling
Und die Blumen lachen;
Äpfelbäume werfen sich
Scherzend, mit den Früchten,
Daß sich Gans und Gänserich,
Schwer aufflatternd, flüchten.

Und im Abendsonnenglanz
Spieln die Kinder Reifen,
Ringel-Ringel-Rosenkranz,
Blindekuh und Greifen;
Halten noch im Blumenhain,
Hold vereint, ihr Schmäuschen,
Und dann ziehn sie singend ein
In die schmucken Häuschen.

Kurz: 's ist nun im Kinderreich
Wieder so, Ihr Lieben,
Wie's Euch Muhme Rählen gleich
Anfangs hat beschrieben:
Ganz so grün und ohne Schmerz,
Blühend, frei und fröhlich,
Und bei Arbeit, Sang und Scherz,
Ganz so liebeselig!

Und der schöne Engel guckt
Aus dem Mond hernieder:
»Heißa, jeder Wütrich schluckt
Prügelsuppe wieder!
Wer nur Gutes schafft und tut« –
So hört man ihn singen –
»Dem gibt Gottes Engel Mut,
Bosheit zu bezwingen!«

Und die liebe Kinderschar
Läßt Euch schönstens grüßen,
Und Ihr möchtet 's nächste Jahr –
Nicht zu einer süßen
Prügelsuppe! – nein, zu viel
Obst und Wein und Kuchen,
Und zu Sang und Tanz und Spiel
Sie doch 'mal besuchen.


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