Hermann von Gilm
Gedichte
Hermann von Gilm

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Das kranke Kind.

        Der Vater ist seit Jahren blind –
blind sein, ist mehr als sterben!
Die Mutter hat ein krankes Kind
und kann nicht viel erwerben.

Die Stube war noch nie so warm,
obgleich das Fenster offen,
seitdem des Winters harter Arm
die Erde hat getroffen.

Die Sonne küßt das bleiche Kind
zum erstenmal im Jahre;
es spielt ein weicher, warmer Wind
mit seinem feuchten Haare.

Und wie sein Blick am Himmel hängt,
als möcht's dahin entfliehen,
im Wangengrübchen langsam fängt
ein Röslein an zu blühen.

Und – süßes Wunder! – plötzlich, als
sei alles Leid zu Ende,
schlingt lächelnd um der Mutter Hals
es seine beiden Hände.

Die Mutter weiß vor Freud' nicht Rat,
bricht aus in lautes Weinen, –
Das war des Frühlings erste Tat
und keine von den kleinen.

 


 


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