Salomon Geßner
Neue Idyllen
Salomon Geßner

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Thyrsis und Menalkas.

Thyrsis. Dem Amor hatt' ich ein Gelübde gebracht, im kleinen marmornen Tempel. Ein reinliches, ganz neues Körbgen hieng ich im Myrtenwäldgen auf, und einen frischen Kranz, und meine beste Flöte. O lieber Amor, sey, (so fleht' ich) sey meiner Liebe gewogen! Heute gieng ich beym kleinen Tempel vorbey, trat in den Myrtenhain, und sah nach meinem Körbgen. Und sieh, sieh, was ich da sah. Ein Vögelgen saß auf des Körbgens Rand und sang. Da trat ich näher, da flog es weg; ich sah ins Körbgen, und sieh, ein wohlgebautes Nestgen war, und Eyergen waren drinnen; und das Weibgen schmiegte sorgsam sich drüber, und blickte mich an, als wollt es mich flehn: Zerstöre, junger Hirt, o zerstöre die kleine Wirthschaft nicht! Der andre flatterte um meine Stirn und Haare. Ich gieng zurück, schnell war das Männgen wieder auf des Körbgens Rand; mit frohem Zwitschern freuten sie sich und sangen. Nun sage du mir, lieber Menalkas, der du alle Deutungen weissest, sage mir, was bedeutet das?

Menalkas. Glücklich werdet ihr, dein Mädgen und du, beysammen wohnen, und fruchtbar wird eure Liebe seyn!

Thyrsis. Bey den Göttern! Das dacht ich auch; doch wollt' ich deine Weisheit hören. Sieh, dieses junge Zickgen schenk ich dir; und diese Flasche voll Honig, süß wie meines Mädgens Lippen, und lauter wie die Luft. So sprach er, und hüpfte vor Freude, wie eine junge Ziege im Mayenthau hüpft.


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