Salomon Geßner
Evander und Alcimna
Salomon Geßner

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Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Chloe, Alcimna, ein Bedienter des Arates.

Alcimna. Sieh, Mutter! da sind die Gezelte. Mir ist recht bang, zu solchen Leuthen zu gehn.

Chloe. Ja, da sind wir; fasse nur Muth; die Herren aus der Stadt sind freundlich mit den Mædchen.

Alcimna. Eben darum.

Bedienter. Bleibet nur hier; ich will zu meinem Herrn ins Gezelt gehn, und eure Ankunft melden. (Er geht.)

Alcimna. Aber, mein Kranz steht doch recht? Du liessest mir nicht einmal Zeit, einen frischen zu flechten, oder in der Quelle zu sehen, ob er gut steht. Die Herren werden sagen, ich sey – –

Chloe. Ich muß lachen. Es ist doch den Mædchen wie angebohren, daß sie allem gefallen wollen, was nur Augen hat.

Alcimna. Nun, ja, wenn ich nur meinem Hirten gefalle. Aber sag mir – –

Chloe. Ja, mein Kind! er steht dir ganz gut.

Alcimna. Aber, was haben wir auch hier zu thun, sag mir? Ich wollte, daß es schon geschehen wære.

Chloe. Du wirst hier Sachen vernehmen, die dich in Erstaunen sezen, mein liebes Kind. Du wirst diese Gegenden und meine Hytte bald verlassen.

Alcimna. O Gœtter! Das werd ich nicht, wie du mir bang machst.

Chloe. Du wirst mit diesen Herren nach der Stadt gehen, mein Kind!

Alcimna. Das werd ich nicht. Laß mich fliehen, ich will an dem wildesten Ort mich vor diesen Leuthen verbergen; komm eh jemand kœmmt, oder ich entfliehe allein.

Chloe. So warte doch.

Alcimna. Um der Gœtter willen! laß mich.

Chloe. So hœre doch, was ich dir zu sagen habe. Du wirst hier deinen wahren Vater finden.

Alcimna. Wie? meinen Vater finden!

Chloe. Ja. Ich bin deine Mutter nicht, wenn ich dich gleich mehr liebe, als wenn du mein eigen Kind wærest.

Alcimna. Und du kannst so grausam seyn, und das sagen!

Chloe. Ich bins nicht, mein Kind! Du bist von hohem Hause aus der Stadt. Es ist nun sechszehn Jahre, daß eben der Mann, der uns hieher fyhrte, dich zu mir gebracht hat, weil ein Traum es deinem Vater befohlen hat; izt ist er hier, um dich abzuholen.

Alcimna. Gœtter! Wie sezest du mich in Erstaunen, ich bin ganz verwirrt; aber es muß wahr seyn; warum solltest du ein so wunderliches Spiel mit mir haben? Wenn dies alles so ist, so must doch du und Evander mit nach der Stadt gehen. Nicht wahr, ihr gehet mit? Sonst werd ich nicht gehen! Gewiß nicht! Sieh! Dort kœmmt jemand aus jenem Gezelt, ein Herr in glænzendem Kleid. Wie er so freundlich ist! Mein Herz pocht. Wenn einer hier mein Vater seyn soll, so wynsch ich, daß es dieser sey.

Zweyter Auftritt.

Arates, Bedienter, zwo Aufwærterinnen, die vorigen.

Arates. (Indem er aus dem Gezelt geht.) Du, mein Getreuer! sollst so wichtige Dienste nicht umsonst gethan haben. Es ist also gewiß das Weib, der du das Kind ybergabest.

Bedienter. Ganz gewiß, mein Herr. Ich hætte noch ihre Gesichts-Zyge gekannt, wenn sie mir auch den Ring nicht mehr hætte aufweisen kœnnen, den ich dir ybergeben habe. Auch ist deine Tochter so liebenswyrdig, daß du sie gern dafyr erkennen wirst. Dort steht sie.

Arates. (Geht auf sie zu.) Seyd mir gegrysst, ô sey mir gegrysst, meine Tochter! bestes Geschenke der Gœtter! Umarme mich, geliebtes Kind!

Alcimna. Du bist mein Vater! das sagt mir mein aufwallendes Herz.

Arates. Ich glyklicher Vater! O welche Freude!

Alcimna. O mein Vater!

Arates. Den Gœttern seys gedankt, die alles so zum glyklichen Ende leiten! O geliebtes Weib! wie wol war deine Sorge angewandt!

Chloe. Mein Herr! Die Gœtter haben meine Myhe gesegnet; ich ybergebe dir die liebenswyrdigste Tochter.

Arates. O wie die Unschuld der Sitten und des Herzens so schœn ist! Weib! deine Sorge soll nicht unbelohnt bleiben. Noch einmal, umarme mich, geliebtes Kind!

Alcimna. Ich umarme dich, geliebter Vater!

Arates. Chloe mag izt zu Hause ihre Geschæfte besorgen, bis ich sie wieder rufen lasse; ich eile zum Fyrsten, ihm meine Freude zu sagen. Indeß, mein Kind! bleibe du bey diesen, die ich zu deiner Bedienung mitgenommen habe; ich werde dich bald in unserm Gezelt wieder finden.

Chloe. Lebe wol, meine Tochter! Ich werde dich immer so nennen. Ich will izt nach meiner Hytte gehen.

Alcimna. Lebe wol, meine Mutter! Aber verlaß mich nicht fyr lange. Nicht wahr, du kœmmst bald wieder zuryk?

Chloe. Ich werde nur meine wenigen Geschæfte besorgen – –

Dritter Auftritt.

Alcimna, zwo Aufwærterinnen.

Erste Aufwærterin. Sind wir glyklich, daß wir es sind, die man zu deinen Diensten bestimmt hat!

Zweyte Aufwærterin. Ja wahrhaftig glyklich, wenn du uns mit deiner Gewogenheit ehrest.

Alcimna. Ihr seyd sehr gutherzig, daß ihr mir so sehr gewogen seyd, da ihr mich doch nur den Augenblik zum ersten mahl sehet, ihr Jungfern!

Erste Aufwærterin. Wir sind ganz allein zu deinen Befehlen da; dazu hat dein gytiger Vater uns bestimmt.

Alcimna. Aber wenn ich auch alles ausdæchte, so wißt' ich doch izt nichts zu befehlen. Wie kann einer Person so viel fehlen, daß zwo nur dafyr bey ihr seyn myssen, um ihr zu gehorchen; entweder myssen die gar nichts zu thun haben, als sie anzugaffen, oder die andre muß sehr unruhig und wunderlich seyn.

Zweyte Aufwærterin. Ein vornehmes Frauenzimmer muß sich niemals als nur mit Artigkeiten beschæftigen; das ybrige kœmmt immer uns zu. Dein Blik befiehlt, und wir fliegen; es giebt immer tausend Kleinigkeiten, die man zu befehlen hat.

Alcimna. Das begreif ich nicht. Ich muß lachen; Das wære so, wie wenn ich ein Veilgen haben wollte, das ich neben mir blyhen sæhe, und statt es mit kleiner Myhe selbst zu brechen, mysst' es meine Gespielin thun.

Erste Aufwærterin. Ja so ists, und wenn das Veilgen auch noch so nahe wære.

Alcimna. So unverschæmt und so træge kann ich nimmer seyn.

Zweyte Aufwærterin. Erlaube, daß ichs dir sage; du must die einfæltigen Sitten an die Sitten der Hœfe vertauschen. Ein Frauenzimmer vom Stande muß seinem Stande gemæß leben. Fyrhin werden wir dich nimmer verlassen, um dir Lehren zu geben.

Alcimna. Aber – – mir deucht die einfæltigen Sitten, so wie wir sie hier haben, sind darum bequemer und darum auch besser, weil sie sich von selbst geben, und nicht so myhsam myssen gelernt werden, wie wenn man einen Vogel einen fremden Gesang lehren will. Sagt mir noch was von den Sitten der Stadt; ich fyrcht, ich fyrcht, sie werden mir sehr beschwerlich seyn.

Zweyte Aufwærterin. Am Morgen, wenn du erwachest, und das ist, wenn der Mittag kœmmt; ein Frauenzimmer von Stande erwacht nicht mit den Handwerks-Leuthen – –

Alcimna. Wenn der Mittag kœmmt? Ich sollte also den muntern Morgen-Gesang der Vœgel nicht mehr hœren, und die Sonne nicht mehr aufgehen sehn; das wære mir artig.

Erste Aufwærterin. O! Das sind Kleinigkeiten, yber die vornehme Leuthe lachen.

Alcimna. Das ist nærrisch geredet, ihr Jungfern! Das wird mir eine artige Lebens-Art seyn, wenn sie sich schon so schœn anfængt. Nun weiters.

Zweyte Aufwærterin. Darnach werden wir beyde da seyn, und dich ankleiden; und das muß Anstands halber mehr als eine Stunde dauern; und du wendest denn das ybrige des Vormittages an zum Ausbessern.

Alcimna. So muß mir das eine wunderliche Kleidung seyn, wenn ich zwo Gehylfinnen haben muß, um in einer Stunde nicht fertig zu werden. So wie ich hier bin, bin ich doch so reinlich und so gut gekleidet, als irgend ein Mædchen auf dieser Trift; und ich habe mir doch alle Morgen in der Quelle mein Gesicht gewaschen, die Haare aufgebunden, und frisch aufgeblyhete Blumen vor den Busen und in die Haare gepflanzt; und doch war ich alle mal fertig, wenn die Sonne kam.

Erste Aufwærterin. Das steht den Mædchens vom Lande gut.

Zweyte Aufwærterin. Nach diesem wirst du Besuche annehmen; wenn du nach der Stadt kœmmst, wirst du das Gespræch aller Gesellschaften seyn; die ganze Jugend des Hofes wird sich zudrængen, die neu Angekommene zusehen; man wird dir tausend Lustbarkeiten anbieten, Music, Tanz, Gastereyen, alles, alles was die Wollust erfinden kann.

Alcimna. Nun, die Leuthe sind sehr gefællig; aber sie werden mir doch zur Last seyn, wenn ich immer soll was sie wollen, und nicht kann was ich will.

Erste Aufwærterin. Deine Schœnheit wird eine Menge Liebhaber anloken; da, bemerke das, must du, gegen alle gefællig, keinen zu viel hoffen lassen; je mehr schmachtende Liebhaber ein Frauenzimmer hat, je beneidenswerther ist sie. Bedenke, wie schmeichelhaft das ist, wenn einer den andern an Wiz, Pracht und Eifer, dir Vergnygen zu machen, zu ybertreffen sucht. Das sind fyr eine Schœne die beneidenswyrdigsten Tage.

Alcimna. O! Fyr mich werden sie es nicht seyn; nein, gewiß nicht!

Zweyte Aufwærterin. Warum? Das dynkt dich nicht angenehm; von allen jungen Herren angebetet, und von allen Schœnen beneidet zu seyn?

Alcimna. Nein, das dynkt mich nichts weniger als angenehm; weil ich mich nicht verstellen kann, und mich nicht verstellen will; weil ich niemanden kan glauben lassen, ich sey ihm gewogen, dem ich doch nicht gewogen bin; und weil mir die schmachtenden Herren alle zur Last seyn werden, weil ich keinen andern lieben kan, als den ich wirklich liebe.

Zweyte Aufwærterin. Wie! Du liebest schon?

Alcimna. Ja, ja, ich scheu mich nicht, es zu gestehen; einen Hirten lieb ich, den lieb ich ohne Verstellung yber alles, und er liebet mich auch yber alles. Er ist schœn wie die aufgehende Sonne, und angenehm wie der Fryhling. Wie er, singt kaum die Nachtigall – –

Erste Aufwærterin. Ha! Ha! Ha! Verzeihe, wir myssen lachen; verzeihe, gnædige Gebieterin! du wirst nicht lange in der Stadt seyn, um einen Hirten zu vergessen. Du wirst, ich wette, in kurzem yber dich selbst lachen, wenn du die muntre Jugend der Stadt erst gesehen hast, ihren Wiz, ihre Artigkeit. O wie leicht wird es dir seyn, einen einfæltigen Hirten zu vergessen! Ihm wird der Verlust nimmer ersezt werden; wie wird er in einfæltigen Tœnen den Bæumen seine Schmerzen klagen!

Alcimna. Lachet nicht; ich beschwœr euch, eh ich ihn vergesse, werd ich mein selbst vergessen. Weg mit euern unertræglichen Artigkeiten! Ihn werd ich lieben, ihn allein; ja, du Geliebter! eh sollen diese Bæume verderben, ehe die Wiese verdorren; eh soll dein erquikendes Licht verlœschen, du Sonne! eh ich ihm ungetreu werde. Ja, du Geliebter! ich schwœr es dir – –

Erste Aufwærterin. Schwœre nicht; dein Vater wird nicht zugeben, daß du deine edle Geburt so verschmæhest.

Alcimna. (Zornig.) Was ist das: Edle Geburt? Ist nicht jede ehrliche Geburt edel? O! ich versteh eure wizigen Lehren nicht, die so wenig natyrlich sind; und ich will sie auch nie verstehen. Mein Vater! ich weiß es, er ist billiger; er wird nicht wollen, daß ich verlasse was ich am meisten liebe, und liebe was ich hasse; mit Unwillen verlaß ich euch, ihr stillen Schatten! angenehme Gegenden! angenehme, unschuldige Geschæfte! euch an jenes Gewimmel zu vertauschen; aber ich verlaß euch, einem geliebten Vater zu folgen. Er wird mich hier nicht gesucht haben, um mich unglyklich zu machen; und das wyrd ich seyn, unaussprechlich myßt ichs seyn, wenn er von dir mich trennen wollte, den ich unendlich liebe. O! macht mir nicht bange, meine Freundinnen! Nicht wahr, er wirds nicht thun?

Zweyte Aufwærterin. (Bey Seite.) Sie wird nicht wollen mit nach der Stadt gehen, wenn man ihr alle Hofnung raubt; sie ist zu sehr verliebt, das gute Kind! (Zu Alcimna.) Dein Vater war immer gytig; ich hoff es selbst.

Alcimna. Ich hoffes nicht nur, ich glaub es; wenn ich ihn sehe, dann will ich mit Thrænen ihn umarmen, ich will so vest ihn umschlingen, wie das Epheu den Stamm umwindet; dann will ich ihn flehen und weinen, und gewiss – – – Doch laßt mich gehn; mein Hirt wird recht ungedultig seyn, daß ich so lange nicht komme.

Erste Aufwærterin. Aber erlaube; du wirst ihn izt noch nicht sehen kœnnen.

Alcimna. Wie! Noch nicht sehen kœnnen?

Erste Aufwærterin. Ja.

Alcimna. O laßt mich doch. Warum sollt ich ihn nicht sehen kœnnen?

Zweyte Aufwærterin. Wir haben Befehl, dich in dein Gezelt zu fyhren, um dir deinem Stande geziemende Kleider anzuziehen.

Alcimna. Aber das wird mich zu lange aufhalten; ihr myßt mir versprechen, daß es keine Stunde dauern soll.

Zweyte Aufwærterin. Nur wenige Augenblike.

Alcimna. Nun denn, geschwind! oder – –

Vierter Auftritt.

Evander. (In fyrstlichem Kleid.)

Wie sehr werd ich aller Orten aufgehalten; was das fyr ein unruhiges Gewimmel ist! Wie lange ist es schon, daß ich meine Alcimna nicht gesehen habe! Schon ists Abend; und wer weiß, wie lange sie schon wieder an der Quelle mich erwartet hat; ich eilte zu spæt hin, und suchte sie umsonst da. Ich suchte sie in allen Schatten, die wir unsrer Liebe geheiligt haben, umsonst. Ach daß ich sie nicht finden kann! Weiß sie wol, was in der Zeit mit mir vorgegangen ist? Weiß sie es nicht? Wie sehr verlangt mich dann, ihr alles zu sagen; ihr zu sagen, daß ich nur allein durch sie glyklich seyn kann! Ja, Geliebte! nur durch dich; in deinem Arm will ich mich aus der so wunderbaren Verwirrung erholen. Zwar mein Vater weiß noch nicht, daß ich liebe; aber warum sollte er mich auch hindern, das schœnste, das beste Mædchen zu lieben? Das thut er nicht. Er wird die Schwyre nicht brechen, die ich ihr an jedem Altar der Gœtter schwur; denn unter allen von fyrstlichem Hause Gebohrnen ist keine liebenswyrdig wie sie. Ich will sie suchen; dann soll sie ihr festliches Kleid anziehen, das weiß ist wie Schnee, und einen frischen Kranz in die geflochtnen Haare winden; dann will ich sie vor meinen Vater fyhren, wills ihm sagen, wie oft ich vor den Gœttern ihr geschworen, daß ich sie immer lieben werde. Aber wird sie mir auch willig folgen; wird es ihr nicht schmerzlich seyn, diese stillen Schatten zu verlassen? doch sie liebet mich ja, und die Begierde dem Geliebten zu folgen, yberwindet jedes andre Verlangen. Izt will ich hingehn; wie wird sie erstaunen, mich in dieser Pracht zu sehen! Wie viel erfinden die Menschen? Was fyr Pracht hab ich in meines Vater Gezelt gesehen? Kœnnen die Menschen so viel bedœrfen? Wie wenig haben wir hier nœthig, und doch sind wir zufrieden; ich habe von dem allem nichts gemißt, und doch scheints diesen nothwendig zu seyn. Aber kann der auch glyklich seyn, dem so vieles nœthig ist? Bisher waren meine Kleider mir bequem und schœn, und ein Ziegen-Fell, ganz weiß oder schœn geflekt, stand schœn um meine Schultern; aber diese da schmyken sich so bunt wie die Wiesen im Fryhling. Ich fyrcht, ich fyrcht, die Tage der Ruhe und der sanften Freude seyn bey mir vorybergegangen. Man ruft mich zu grossen Geschæften; die Gœtter mœgen mir beystehn! Wie ich sehe, so sind diese Menschen ganz anders beschaffen; sie suchen etwas, das sie Glyk und Freude heissen, auf wunderlichen Wegen; hier finden wirs, es ist bey uns, ohne daß wirs gesucht haben. Ja, ihr stille Schatten, ihr sanft-rieselnde Quellen, liebliche Gegenden, in denen die Jahre meiner Jugend so sanft vorbeyflossen, euch verlaß ich an ein Leben, das ich nicht kenne; ihr Herden, die ich mit wachsamer Sorge pflegte, euch verlass ich, um, wie sie sagen, einst yber zahlreichere Herden von Menschen zu herrschen, die ihr Glyk mir anvertrauen, das ist schœn, es in seiner Macht zu haben, so vieler Glyk zu besorgen; aber wird diese Last meinen Schultern nicht zu schwer seyn? O ihr angenehmsten Tage! Euch werd ich nimmer vergessen. So oft ein Fryhling zurykkœmmt, will ich diese Gegenden besuchen; und du, Alcimna, begleitest mich dann; dann wollen wir an jeder Stætte, die uns mit angenehmen Schatten gekyhlt hat, den Gœttern opfern. O Alcimna! ich eile, izt eil ich in deinen Arm, bey dir erhollt sich mein vor Verwirrung pochendes Herz, bey dir – –

Fynfter Auftritt.

Pyrhus, Evander.

Pyrhus. Mein Sohn! Es ist so lange, seit ich dich gesehen habe; warum hast du so lange dich von mir entfernt?

Evander. Ich besuchte noch einmal jede der stillen Gegenden, die ich izt verlassen muß.

Pyrhus. So verlæssest du sie denn ungern? Sag mir: Haben diese Reichthymer, dieses Glyk, mit dem die Gœtter dich izt beschenkt haben, fyr dich keinen Reiz?

Evander. Diese schimmernde Pracht sezt mich zwar in Erstaunen; dein Gezelt glænzt fast so bunt, wie eine Thau-benezte blumigte Wiese an der Morgen-Sonne glænzt, doch so schœn ists nicht. Ich habe tausend Sachen gesehen, deren Namen und deren Gebrauch mir unbekannt sind. Aber sage mir, mein Vater: Wird ein Fyrst immer von so einer Menge verdrießlicher Leuthe umringt?

Pyrhus. Wo Macht und Reichthymer sind, da versammeln sich immer Gute und Bœse.

Evander. Es ist also, wie wo ein Baum blyhet, da sumst mit den Bienen auch das Ungeziefer her?

Pyrhus. So ists.

Evander. Aber das ist mir verdrießlich, daß sie mich immer umschwermen wollen, um mir Dienste zu thun, die ich nicht nœthig habe. Ich kann diese Unterthænigkeit nicht leiden, als wær ich nicht ein Mensch wie sie sind.

Pyrhus. Mein Sohn! Das sind die Vorrechte der Fyrsten, die nur schlecht die Myhe belohnen, die ein solcher auf sich nihmt, ihre Geseze zu verwalten und ihr Wol zu besorgen.

Evander. Mein Vater! Aber wenn sie einen aus ihnen zu ihrem Fyrsten wehlen, so werden sie den wehlen, der der weiseste und der beste ist; darum werden sie auch dich gewehlt haben. Aber wie sind sie thœricht, da sie sagen, ich werde einst yber sie herrschen, noch ehe sie wissen, ob ich weise und gut bin. Wird einer seinen Weingarten einem zu bauen yberlassen, von dem er nicht weiß, ob er die Pflege des Weinstoks versteht?

Pyrhus. Das ist nun einmal so angenommen. Du wirst noch unzæhlige Sachen zu fragen haben. Aber sage mir, du scheinst mir so unruhig, als wenn du mir unwillig nach meinem Palaste folgtest?

Evander. Ich folge dir willig, mein Vater! wenn nur – –

Pyrhus. Wenn nur?

Evander. Wenn nur Alcimna, ach!

Pyrhus. Du seufzest, mein Sohn! (Fyr sich) Er weiß die Geschichte seiner Alcimna noch nicht; ich will ihn mit dem angenehmsten Entzyken yberfallen.

Evander. Wenn nur Alcimna mir folgen darf!

Pyrhus. Alcimna! Ich habe von deiner Liebe gehœrt, mein Sohn! aber erst sollst du des Arates Tochter sehen, die hab ich zu deiner Gemahlin bestimmt.

Evander. Ach Vater!

Pyrhus. Wie sehr wyrdest du meine Wynsche betriegen, wenn du mir unwillig gehorchtest.

Evander. Ach Gœtter! wie bin ich unglyklich!

Pyrhus. Du darfst sie nur sehen, um sie zu lieben; sie ist schœn wie der Tag.

Evander. O mein Vater! Erlaube, – ach mein Vater! Unmœglich werd ich – –

Pyrhus. Still! Da kœmmt ihr Vater.

Sechster Auftritt.

Arates, die vorigen.

Arates. Erlaube mir, mein Prinz! daß ich meine Tochter vor dich fyhre, die so æhnliche Schiksale mit dir gehabt hat. Aber – – warum so traurig, mein Prinz?

Evander. Ich muß sie sehen, weils mir mein Vater befiehlt. (Bey Seite.) Ach ihr Gœtter! Mein Vater hat mein Elend beschlossen!

Arates. I.ch hoffe doch, es werde kein Unglyk diese Tage der Freude gestœrt haben.

Pyrhus. Die Liebe machts, daß er diese Gegenden so ungern verlæßt.

Arates. Der Prinz wird unter den Schœnsten von fyrstlichem Stamme zu wæhlen haben.

Pyrhus. Ich habe mit der besten Sorge fyr ihn gewæhlt; und eben das macht ihn untrœstlich. Wo ist deine schœne Tochter?

Arates. Da kœmmt sie.

Siebender Auftritt.

Alcimna, mit ihren Aufwærterinnen hinten auf dem Theater; die vorigen.

Alcimna. O ihr Gœtter! so muß ich izt dem Prinz zur Schau zugeschleppet werden, und dich nicht sehn, den ich allein liebe, den ich allein lieben werde.

Evander. (Steht ganz traurig, die Hand vor seinem Gesicht.) Sie kœmmt; ich hœr es, ich Elender!

Alcimna. Ach! da bin ich; ich vermag vor Schmerzen nicht zu reden.

Evander. (Sieht erstaunt auf) Wie! was tæuscht mich? Diese traurige Stimme kenn ich. Ist – –

Alcimna. Gœtter! Haltet mich, Freundinnen! haltet mich! Ist das der Prinz? O Evander!

Evander. Verwirrung! Was seh ich! O Entzyken! Bist du Alcimna?

Arates. Gœtter! Was seh ich! Welch Entzyken schwebt auf ihren Gesichtern!

Evander. (Læuft zu Alcimna, und umarmt sie.) O! mich tæuscht doch kein Traum; du bist es, du bist meine Alcimna.

Alcimna. O Evander! Mein Geliebter! Was fyr Entzyken! Wie wunderbar haben wir uns wieder gefunden!

Evander. Den Augenblik noch hielt ich mich fyr den Elendesten; izt bin ich der Glykseligste auf Erde.

Alcimna. Den Augenblik dacht ich, vor Schmerzen zu sterben; und izt faß ich mein Entzyken nicht.

Pyrhus. Eure Liebe, ihr Kinder! sey von den Gœttern gesegnet! Sie haben euch fyr einander bestimmt. Du bist es zufrieden, mein Freund?

Arates. Ich muß mich von meinem Erstaunen erholen, um meine Freude und meinen Dank dir zu sagen.

Pyrhus. Laßt uns gehen, Kinder! Die Hirten der Gegend mœgen euer Freuden-Fest feyern.


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