Salomon Geßner
Evander und Alcimna
Salomon Geßner

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Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Die Scene stellt eine einsame Gegend mit Gestræuch und Bæumen vor.

Lamon und Chloe.

Chloe. Woher so ernsthaft, mein Nachbar? Zwar wir Leuthe haben immer was zu thun, wenn wir die Herde recht pflegen, und unser kleines Gut, wie man thun soll, besorgen wollen.

Lamon. Du hast recht, redliches Weib! die Tage kommen und gehen bey der Arbeit viel muntrer. Ich komme von einem heiligen Werk, die ich niemals unterlasse; ich habe dem Pan die Erstlinge von fynf jungen Bæumen im Hain geopfert, die ich an dem Tag zum Andenken pflanzte, da Evander, mein Pfleg-Sohn mir ybergeben ward. Sie stehn izt achtzehn Jahre; und sie wuchsen so schœn, daß es scheint, die Gœtter wollen uns eine gute Vorbedeutung geben.

Chloe. Du bist ein frommer Mann, drum bist du so gesegnet; man ist immer wol zu Muthe, wenn man redlich ist und die Gœtter ehrt; besonders sollen Leute fromm seyn, die in ihrem Leben noch grosse Geschichten erwarten. Was wird endlich aus der Sache werden? Wir dœrfen hier uns wol von unserm Geheimniß unterhalten; (sie sieht um sich her) wenn ich nur noch erlebe, was mit Alcimna, meiner Pflege-Tochter, geschehen soll; es ist izt sechszehn Jahre, daß sie mir ist anvertrauet worden. Pflege sie wol; es wird einst dein Glyk seyn; und verschliesse das Geheimniß in dein innerstes. So sprach der Mann, der mir sie ybergab.

Lamon. Die Gœtter haben was grosses mit ihnen vor; Evander ist der schœnste, weit umher; er ist so schœn, wie die Bild-Sæule, die in dem Delphischen Tempel steht; er ist weise, wie sonst Mænner sind, von viel mehr Jahren und Erfahrung. Kyhnheit hat er, wie Hercules; er wyrde mit Lœwen streiten, und wer ybertrift ihn im Ringen, im Wett-Lauf, in jeder Ybung, die Stærke und Schnelligkeit fodert? seine Lieder sind die besten, als hætte sie Apoll ihm im Traum gegeben.

Chloe. Eben so sehr ybertrift Alcimna die andern Mædchen; sie ist schœn, wie die Gratien sind; und besizt jede Anmuth, die ein Mædchen zieren, in vollestem Maasse; sie ybertrift die andern alle, wie die Rose gemeine Gras-Blumen ybertrift.

Lamon. Ich fyrchte und hoffe immer wechselweise von ihrer Liebe, vielleicht habens die Gœtter gefyget, daß sie sich lieben sollen; aber – – wir wissens doch nicht. Immer hoff ich, das Schiksal werde sie nie trennen; aber – – wir haben doch yber ihr Schiksal nicht so zu entscheiden, wie wenn sie unsre eigenen Kinder wæren; man wird sie wieder von uns fodern; vielleicht geschieht es bald, wir kœnnen doch nicht zugeben, daß der Gott der Ehen sie verbinde; wir myssen noch ihre Hofnungen entfernen.

Chloe. Gewiß! du hast recht, Lamon! Ich hoffe, wir werden die Geheimnisse bald am Tag sehen; ich wynsch es mit grœsserer Ungeduld als du, ich bin drum auch ein Weib.

Lamon. Die Gœtter werden die Sache beym besten leiten. Wie schmerzhaft wyrd' es fyr mich seyn, wenns nicht so wære; wie sehr verdienen beyde, glyklich zu seyn! Es quælt mich, daß ich den Wunsch seiner zærtlichen Liebe nicht erfyllen darf. Ich lyge ungern; und was soll ich ihm fyr Ursachen lygen? Ich hab es immer verabscheut; die Gœtter wollens uns verzeihen. Wir wollen sagen, du und ich haben in der gleichen Nacht einen warnenden Traum gehabt.

Chloe. Du bist schlau; es sey in einer guten Stunde geredet, wenn wir durch lygen sie betriegen myssen, so seys eben wie du gesagt hast. Wir kœnnen auf keine andre Art ihrem bestændigen Flehen entrinnen. Aber lebe wol; ich muß in meinen Garten gehn; sieh! da kœmmt dein Sohn; ich will hier durchs Gebysche schlypfen.

Lamon. Ich geh auch; ich will seinen sæhnlichen Bitten entfliehn.

Zweyter Auftritt.

Evander, Alcimna.

Evander. Ich suche sie schon lange umsonst; sie ist hier nicht, am Wasser-Fall nicht; und unter den Haselstauden hab ich sie umsonst gesucht; doch hieher wird sie wol kommen. Hælt sie die geschæftige Mutter auf? (Er sieht umher.) Da hab ichs. Er weicht mich aus; mein Vater weicht mich aus, so oft er fyrchtet, ich wolle von meiner Alcimna ihm reden. Gœtter! Ich weiss nicht, was ich von allem denken soll. Was kann es ihm zuwieder seyn, daß ich das beste Mædchen im ganzen Land liebe? denn jeder, er selbst, gestehet ihr den Vorzug vor allen zu. Das macht mir bang, recht bang. Aber wo ist sie? Sie kœmmt noch nicht. Hier an diesen Baum von so glatter Rinde will ich ihren Namen schneiden. (Er langt ein Messer aus seiner Hirten-Tasche) Du sollst ihren Namen tragen, und den meinen; dann wachse hoch auf; dich soll kein Beil verlezen; dieser Baum ist der Liebe heilig, wird, der vorybergeht, sagen. (Da er anfængt in die Rinde schneiden, kœmmt Alcimna, leise hinter ihn gehypft; sie dekt ihm die Augen mit beyden Hænden.)

Alcimna. Wer bin ich?

Evander. O Alcimna! O Geliebte!

Alcimna. Du triegst dich.

Evander. Nein, ich triege mich nicht; wo bliebst du so lange?

Alcimna. Wenn du dich nicht triegest, so kysse mich. (Sie læßt ihn; und sie kyssen sich.)

Alcimna. O! wenn er mich nur nicht bis hieher verfolgt; mich hielte Milon, der Ziegen-Hirt auf. Wie sehr ist seine Liebe mir zur Last.

Evander. Gœtter! da ist er.

Dritter Auftritt.

Milon, die vorigen.

Milon. O das dacht ich, du werdest Evandern hier finden. Evander gewinnt in allem, im Ringen, im Wett-Lauf, im Singen, und bey den Mædchen. Evander! du hast schon manch schœnes Lamm gewonnen.

Alcimna. Das wissen wir ja schon.

Milon. Ich muß des einfæltigen Battus lachen, daß er mit dir, dort bey der alten Eiche –

Alcimna. Daryber haben wir schon lange ausgelacht. Aber – was willst du denn hier?

Milon. O sey doch freundlich! Ein guter Blik von dir, ist – –

Alcimna. (Læchelt ihn spœttisch an.) Da hast du ihn; izt geh – –

Milon. So spœttisch! Laß mich dir nicht so unwerth seyn; ich muß dir ein Lied singen, das ich heute fryh – –

Alcimna. Wenn ichs aber nicht hœren will.

Milon. So sing ichs doch.

Alcimnao halt ich die Hænde vor die Ohren.

Milon. Du magst kœnnen was du willst, Evander, so kannst du mich doch im Flœten nicht ybertreffen; ich habe eine hier; diese da; ich hab sie erst vorgestern geschnitten; die tœnt fyrtreflich, ich habe schon zwo Ziegen darmit im wetten gewonnen; und ich will dich gewiß ybertreffen; da hœre – –

Evander. Ich glaub es, so lang ichs nicht hœre.

Milon. O! ich wette die beste Ziege.

Alcimna. Und ich die ganze Herde, daß du der beschwerlichste Mensch bist im ganzen Land; wirst du denn ewig schwazen? Du bist wie ein Ast voll Dœrne, der sich dem Vorybergehenden anhængt; du schleppst dich immer mit.

Milon. Ich glaube bald, ihr wollt allein seyn.

Evander. Du hasts langsam errathen.

Milon. So geh ich. (Er geht ab, und kœmmt wieder.) Nun, ich habe noch was rechtes vergessen; ich muß euch was erzehlen: Gestern, die Sonne war schon im Meer, da gieng ich am Ufer, und – –

Alcimna. Ists noch nicht zu Ende?

Milon. Zu End, eh' ich angefangen habe. Nun, da ich am Gestad war, da sah ich Asphalion, den Fischer; er hieng eben sein Neze auf, der sprach, er habe vor Sonnen-Untergang fynf grosse Schiffe auf dem hohen Meer gesehen, und er glaube, sie werden an unserm Ufer landen, wenns nur nicht – –

Alcimna. Aber – – – sie mœgen immer an unserm Ufer landen. Du vergissest ja immer zu gehen.

Milon. So seyd denn allein. (Er geht.)

Vierter Auftritt.

Evander, Alcimna.

Alcimna. Ist er auch gewiß weg, der Schwazhafte? (Sie sieht sich um.) Ja; und sollt er auch hinter jenem Gebysche noch horchen, was hinderts mich, mein Geliebter! dir's zu sagen, daß nach deiner Gegenwart mich mehr verlangt hat, als die Zeisig zu ihren Jungen zurykverlangt, wenn ein muthwilliger Knab auf dem Felde sie fieng; er mag ihr liebkosen wie er will, so sizt sie traurig da, und lauert wie sie entwischen kœnne; sie flieht mit nicht begierigerer Eile ihren Jungen zu, als ich dir zuflog., da Milon mich auffieng, und ich ihm entwischte.

Evander. O meine Geliebte! wie bin ich beglykt, daß du so mich liebst! Als ich hieher gieng, an jenem Rosen-Zaun vorbey, siehe, da fand ich diese Rosen, so neben einander gewachsen, und Brust an Brust zugleich aufgeblyhet. Vereint streuen sie die syssen Geryche umher, vereint werden sie verwelken. Pflanze, meine Geliebte! pflanze dies Bild unsrer Liebe vor deinen Busen.

Alcimna. Ja, ich pflanze sie vor meinen Busen; sieh! wie schœn sie stehen. So blyheten wir neben einander auf.

Evander. So vereint wollen wir unsre Stunden leben; sie werden lieblich seyn wie Rosen-Geryche.

Alcimna. So werden wir neben einander verblyhen. Aber sag mir: Hast du mich lang erwartet?

Evander. Nein; aber mir ist, wenn ich dich nicht sehe, jede Minute viel zu lang.

Alcimna. Ich war recht erschroken, als ich, da ich dort bey jenen Buchen voryber hypfte, den Milon fand; er war mir so werth, wie die Hummeln den Bienen sind. Er stand da mitten im Weg. Jedes Mædchen, sprach er, das diese Strasse gehen will, muß mir hier einen Kuß geben; so laß mich doch gehen, sprach ich unwillig; aber er hætte mich bis izt nicht gehen lassen; sieh, sprach ich da, wem gehœrt wol jene weisse Kuh, die dort im Sumpf wattet, die hat sich gewiß verirrt; und da er hinsah, da hypft ich hinter ihm weg; und ich war schon weit, noch eh er den Betrug gemerkt hat; und da lief der beschwerliche Mensch mir nach. Aber du stehest so tiefsinnig da.

Evander. Ich?

Alcimna. Ja du, du staunest, als hættest du was zu sagen, das du nicht gerne sagen willst. Mache mich nicht unruhig.

Evander. Ich – – Ich weiß nicht, ob ichs sagen soll.

Alcimna. Ich werde unruhiger seyn, wenn ichs nicht weiß.

Evander. Mich machen die Zœgerungen, die mein Vater immer den sehnlichsten Wynschen unsrer Liebe giebt, unruhig. Es scheint, als wich er es aus, mich allein zu sehen; und wenn er mir nicht entwischen kann, und ich ihm von unsrer Liebe rede, dann scheint er bestyrzt, und antwortet mit abgebrochenen Reden.

Alcimna. Mir ist bange; meine Mutter machts eben so.

Evander. Heute hat er von den Erstlingen der fynf Bæume, die er gepflanzt hat, da ich den ersten Fryhling erlebte, den Gœttern geopfert; ich kam von ungefehr dahin, wo er opferte, und, um seine Andacht nicht zu stœren, blieb ich im Gebysche stehen, und da hœrt' ich ihn so zu den Gœttern betten: Ihr gutthætigen Gœtter! Hœret mein Gebett, und nehmet dies mein Opfer gnædig an. Seyd gnædig meinem Sohn, und laßt die wunderbaren Schiksale, die auf ihn warten, glyklich seyn! Er bettete noch mehr; aber ein Wind machte die Blætter des Gebysches rauschen; und da verstand ich nicht mehr.

Alcimna. Ich erstaune; wie sehr wynsch ich, daß die Gœtter sein Gebett erhœren.

Evander. Was auch fyr Schiksale auf mich warten; die Gœtter geben, daß es gute sind! so wird deine Liebe allein mich zum Glyklichsten machen.

Alcimna. O mein Geliebter! Laß traurige Gedanken uns nicht unruhig machen; laß uns ein Unglyk nicht trybe Stunden machen, daß vielleicht nimmer kommen wird. Ermuntre dich, lache mich an; Hœre, wir wollen das Lied singen, das wir so gegen einander singen.

Evander. Bey dir vergess ich jeden Gram, Fang an; du singest zuerst.

Alcimna. Nun ich fang an.

              Was bin ich, mein Geliebter!
    Was ohne dich?
Was ohne Thau und Sonne
    Die Blythen sind.

Sie trauern da, und sterben,
    Der Fryhling traurt;
Und Munterkeit und Freude.
    Fliehn von der Trift.

Evander.
Mir ist, mir ist die Liebe.
    In deinem Arm,
Was Morgen-Thau und Sonne
    Den Blythen sind.

Sie schmyken jede Staude,
    Der Fryhling lacht;
Und Munterkeit und Freude
    Umhypft die Trift.

Beyde.
Ich will dich ewig lieben,
    Das schwœr' ich bey den Fluren,
Beym heilg'en Hain!
    Hœrt Nymphen, hœrt die Schwyre!
Ich schwœr' es bey den Fluren
    Beym heilgen Hain!
Alcimna.
Wie wenn der œde Winter
    Mit Frost und Schnee
Die kleine Biene traurig
    Zur Zelle jagt;

Wie sie da sizt und trauert
    Den Winter durch;
so traur' ich, bist du ferne,
    Die Stunden durch.

Evander.
Wie wenn zur traur'gen Zelle
    Die Sonne stralt,
Und dann, erwacht, die Biene
    Zur Oefnung eilt;

Wie sie des Fryhlings Wonne
    Entzyket sieht,
So, seh' ich deine Wonne,
    Bin ich entzykt.

Beyde.
Dich will ich ewig lieben,
    Das schwœr ich bey den Fluren,
Beym heil'gen Hain!
    Hœrt Nymphen, hœrt die Schwyre.
Ich schwœr' es bey den Fluren
    Beym heil'gen Hain!

Fynfter Auftritt.

Milon, die vorigen.

Milon. Ihr habt das Lied fyrtreflich gesungen.

Alcimna. Wie! Du bist schon wieder da? Oder du bist niemals weggewesen? Das wær artig.

Milon. Ja., ich bin weggewesen; nur hab ich das lezte Styk euers Lieds noch gehœrt.

Alcimna. Aber was willst du denn, Ungestymer?

Milon. Ich komm aus Liebe zu dir zuryk; ihr singet da, und sagt euch tausend Sachen, und merket nichts von allem, was um euch her geschieht; hœrtet ihr denn dies Gewimmel nicht?

Evander. Was denn?

Milon. Die Schiffe, von denen Asphalion sagte, haben wirklich gelandet.

Alcimna. Nun; und was geht uns das an?

Milon. Nichts, wenn ihr meiner nur spotten wollt.

Evander. So sag nur.

Milon. Ich habe nichts zu sagen.

Alcimna. Du bist empfindlich; so sag nur.

Milon. Sie sind ans Ufer gestiegen; und gerade neben diesem Gebysch, dort unter den Linden-Bæumen, schlagen sie Gezelte auf. Ich wollt's euch sagen, damit ihr nicht yberfallen werdet; wer weiß was sie hier wollen; ihr werdet hier nicht sicher seyn.

Alcimna. Deine Sorgfalt ist gut, Milon! wahrhaftig ich bin ganz erschroken. Laß uns gehen.


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