Salomon Geßner
Daphnis
Salomon Geßner

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Daphnis.

Drittes Buch.

IN frohen Træumen schliefen sie beyde die Nacht durch. Kaum begryßte die fryhe Schwalbe unterm Dach den kommenden Morgen, als plœzlich dem Daphnis das Gesang vieler Flœten und vieler Mædchen den Traum verjagte. Die Hirten und ihre Mædchen kamen schon gesammelt Hand in Hand den Hygel hinauf, und sangen dem Daphnis ein frohes Hochzeit-Lied vor der Hytte. Voll Entzyken hypfte Daphnis auf. Sey mir gegryßt, rief er oft, sey mir gegryßt, seligster meiner Tage! Dann hypft' er bekrænzt, sein braunes Haar mit einem neuen Band aufgebunden, festlich geschmykt hypft' er unter die Mædchen und die Jynglinge, die ihm freudig zujauchzten, und bey denen Aristus und Amyntas schon stuhnden, und sich freuten, daß sie bey des Sohnes Fest erschienen.

Izt giengen sie den Hygel hinunter, und die Greisen sahen ihnen freudig nach; sie hypften an den Fluß, und in die Nachen, die schœn ausgeschmykt, jeder mit einer grynen Laube, an dem Ufer stuhnden. Sie fuhren singend an das andere Ufer, wo viele Nachen, auch mit Lauben und langen Bændern, auf die Mædchen und die Jynglinge vom andern Ufer warteten. Izt hypften sie wieder aus den Nachen, banden sie fest, und giengen mit lautem Gesang nach der Phillis Hytte, wo ein grosser Trupp von Mædchen und von Jynglingen gesammelt stuhnd. Freudig mischeten sie sich unter sie hin; aber Daphnis hypfte bald in die Hytte, wo ihn Phillis mit tausend Kyssen begryßte.

Indessen warteten die Mædchen und die Jynglinge mit Gesang vor der Hytte. Ein schœner junger Hirt mit langen goldnen Loken hatte die Jynglinge und die Mædchen von dem andern Ufer aufgefyhrt; eine Leyer von Elfenbein unter seinem Arm tragend, glich er dem schœnen Apoll, als er unter den Schæfern war; es hielten ihn auch viele fyr einen Sohn dieses jugendlichen Gottes. Auf selbigen Triften war kein Hirt so schœn, keiner so weise; er hatte eine Kenntniß von dem Einfluß des Gestirns, und von den Wyrkungen der Kræuter, und war als Jyngling schon das Orakel weit umligender Gegenden; er war der beste Lieder-Dichter, ein jedes neues Lied von ihm sang gleich die ganze Gegend; er besang die Tugend, die jugendlichen Freuden und den Amor, und seine Lieder wurden in den Tempeln bey den Festen gesungen. So oft er bey der Herde auf der Flur saß, sammelten sich die Mædchen und die Jynglinge, und baten ihn, ein Lied in die Leyer zu singen; sie lagerten sich dann um ihn her, wie die Læmmer bey der Mittags-Hize um den Stamm eines Baums sich herlagern, der Aeste mit Schatten yber sie ausstrekt. Seine Lieder tœnten so herrlich in die Saiten, daß alle sich vergassen, und unter den Gœttern zu seyn glaubten. Die Natur hatte ihm noch mehr Geschiklichkeit verliehen, denn er wußte kynstlich Bilder in Holz zu schneiden, die er in den Tempeln aufstellte; die Bilder der Nymphen in der Grotte waren von seiner kynstlichen Hand; und in den nahen Hain hatt' er das Bildniß des Pans unter die hoheste Eiche gestellt.

Einmal hatt' er den Amor gebildet; man hætte den kleinen Gott in dem Bilde gekannt, wenn er auch ohne Pfeil und Kœcher gewesen wære; das frohe Læcheln des Knaben und seine lebhafte Stellung verriethen, daß es Amor war. Er stellte dieses Bild in seinem Baumgarten in eine Laube. Einmal sang der Jyngling beym Mond-Licht in der Laube, ein bezaubernd Lied von der Liebe, da hœrt' er ein Rauschen, sanft wie wenn Zephir im Laube spielt, oder wie wenn die Bienen schwermen, und ein Geruch, lieblicher als der Rosen, verbreitete sich in der Laube. Amor ließ sich auf einer silbernen Wolke, von vielen Liebes-Gœttern umflattert, vor der Laube nieder. Sie sassen theils auf die Aestchen, die um die Laube winkten, oder auf Blumen, wie Bienen auf die Blyte.

Jyngling! sagt' indessen Amor, ich bin es, dem die ganze Welt Altære baut; ich bin es, den alle Gœtter ehren; ich war es, der Apollens Aufenthalt unter den Hirten den Gœttern beneidens-wyrdig machte; ich bin es, der den Wiz schærft, und die Sterblichen menschlicher, und die Redlichen selbst in der Tugend fyhlender macht; mich ehret der Fyrst auf dem Thron, und der Hirt auf der Flur; das Feuer des Lasterhaften entflamm' ich, um ihn zu strafen; und dem Redlichen beselige ich sein Leben, mit der grœssesten Wollust, die den Sterblichen gewæhrt ist; wollystiges Verlangen, holde Wehmuth, schmachtend Entzyken. Aber noch wenig Sterbliche haben mich so fyhlend verehret wie du; ich will dich beglyken; kein Sterblicher soll beglykt seyn, wie du. So sprach Amor, und verschwand.

Izt fyhlte der Jyngling, zærtlicher als zuvor. Eine sanfte Sehnsucht nach einer Schœnheit, die er nur noch dachte, unterhielt ihn in einer wollystigen Schwermuth. Izt gieng er, wenn die Vœgel den fryhen Morgen gryßten, und wenn der Mond schien in die Laube des Gottes der Liebe. So oft er des Morgens kam, so oft fand er einen frischen Blumen-Kranz auf dem Haupte seines Amors; er sah es erstaunt, und hielt es fyr eine glykliche Ahnung. Einsmals war er des Abends in der Laube, und dacht' an die Krænze, und entschloss sich, die Nacht bey dem Bilde zu wachen; er wachete lang, bis zur Stille der Mitternacht, da hœrt' er rauschen. Leise verbarg er sich hinter das Bild, und ein Mædchen schlich sich durch das Gebysche, das seinen Garten umkrænzte; mit leisen Schritten schychtern eilt' es der Laube zu; ein weisses Kleid dekte flatternd den schlanken Leib, und braune Loken walleten auf dem weissen Gewand und den entblœßten Schultern. Ein Mædchen von schlanker Længe, sie glich der Juno, aber ihr Ernst war læchelnder. Sie trat hinein in die Laube, und sah mit schmachtendem Auge die Bild-Sæule an. Amor! sagte sie, und seufzte, wie lang soll ich nur deine Schmerzen fyhlen? Ach! mein Herz yberfließt von Liebe, ich seufze, ich schmachte! Damon! ach, sæhest du die Thræne, sæhest du die zærtlichste Thræne, die von meinem schmachtenden Aug izt rollt! du wyrdest sie von den Wangen kyssen! du wyrdest seufzen, und mich lieben! Ach! wann soll ich, in seinen Arm hingesunken, glyklich seyn, und Amor, dich mit Freuden-Thrænen loben?

So sagte sie, und wand einen Blumen-Kranz um das Haupt des Amors. Damon hatte sie ganz entzyket behorcht, die Liebe saß mæchtig in sein bebendes Herz; er seufzte, und trat zitternd hinter der Bild-Sæule hervor, und sank mit umschlingenden Armen stumm an des Mædchens Busen, und fyhlte, daß er der seligste Sterbliche sey. Dieß war der Hirt, der die Mædchen und die Jynglinge von dem andern Ufer anfyhrte.

Izt stieg die Sonne hinter dem Berg hervor, und die Fluren lachten ihr entgegen, und Phillis trat izt aus ihrer Hytte hervor, und die Hirten und die Mædchen lachten ihr auch entgegen; Daphnis fyhrte sie an der Hand, schœn wie der junge Bachus, und læchelnd wie ein Liebes-Gott; die Mutter folgte ihnen auch, freudig und fast jugendlich læchelnd. Gepaart giengen sie izt alle in die Nachen; eine grosse Flotte schwamm izt yber den Fluß. Man sagt, es haben Liebes-Gœtter in den Lauben auf den Nachen geschwærmt; das sanfte Schyttern der Blætter, der Rosen-Geruch, und die muthwilligen Spiele auf den Busen mit Bændern und Blumen haben sie verrathen. Jeder hob izt sein Mædchen sanft drykend aus dem Nachen; Daphnis und Phillis giengen voran, und fyhrten sie auf den Hygel, wo Amyntas der Phillis Mutter voll zærtlicher Freude, und mit offenen Armen entgegen gieng. Sey mir gegryßt, sagt' er, beyde Hænde ihr drykend, sey mir gegryßt, ô Weib des besten Freundes! welche selige Tage haben auf unser graues Alter gewartet! sey mir gegryßt! Und Aristus und Philetas, dem Amyntas die Hytte geschenkt hat, eilten der Phillis entgegen, und segneten und umarmten sie.

Die Jynglinge und die Mædchen stellten sich izt in rundem Kreis, wie ein Blumen-Kranz um den Altar her, der dem Amor aufgebaut war, und sangen Hochzeit-Lieder. Daphnis und Phillis stuhnden vor den Altar hin; kein schœneres, kein zærtlicheres Paar hat noch dem Amor geopfert; Krænze von weissen und rothen Rosen wanden sich um ihre Hæupter, und eine bunte Kette von Blumen hieng von ihren Schultern herunter, und wand sich um ihre Hyften. Daphnis hielt einen Dauber auf der Hand, und Phillis eine Daube; sie wyrgten izt die Dauben, die die wyrgenden Hænde mit sanften Flygeln schlugen. Phillis zitterte mitleidig beym Wyrgen, und izt legten sie selbige auf den Opfer-Stein, bedekten sie mit wol riechenden Gestræuchen, und gossen Honig und Oel daryber; jedes Paar von den Mædchen und Jynglingen trat herbey, und legte einen Blumen-Kranz auf das Opfer; es brannt' izt, und eine Wolke voll sysser Geryche stieg mit den Hochzeit-Gesængen zum Olymp.

»O Amor! (sangen sie von Flœten begleitet) du sysser Gott der Liebe! ô wie syss ist es, lieben und geliebet seyn! Es lieben die Gœtter in den Hainen und die Gœtter in den Flyssen; und die Nachtigall singt von dir die stillen Næchte durch! Alles liebet, ô Amor! sysser Gott der Liebe!

»Keimt nicht die Liebe schon im kleinen stammelnden Kind, das læchelnd mit den Blumen spielt? Ja sie keimt wie eine junge Blume am ersten Fryhlings-Tag in der Knospe? O Amor! sysser Gott der Liebe!

»Wer nicht liebt, der lebt im œden Winter, der ist wie ein træger Bach, der nicht rauschet, wie ein stummer Vogel, der nicht singt, und wie ein dyrrer Baum, der nimmer blyhet. O Amor! sysser Gott der Liebe!

»Ihr, die ihr liebet und geliebet seyd, riechen euch die Blumen nicht lieblicher? Rauschen euch die Quellen nicht angenehmer? Singen euch nicht alle Vœgel Braut-Lieder? O Amor! sysser Gott der Liebe!

»Daß Pan eure Herden beschyze, und Ceres und Bachus eure Frychte und eure Reben, und daß die Haus-Gœtter freundlich in euern Hytten wohnen! Und du schwing deine Fakel yber sie, daß ihre Liebe nimmer erkalte, ô Hymen! sysser Gott der Ehen, ô Hymen!

Indessen hatten des Daphnis Vater und Aristus und Philetas an der Seite des Hygels dem Pan, dem Schuz-Gott des Feldmanns und der Herden, einen jungen Widder, die Hœrner mit Epheu und Tannreisern umwunden, geopfert; und die Mutter der Phillis thate stille Gebete der Gœttin der hæuslichen Geschæfte, und der weiblichen Geheimnisse.

Alle sammelten sich izt in der Laube, wo der Phillis Mutter wirthschaftlich einen langen Tisch mit schmakhaften Speisen, und Frychten und Blumen geschmyket hatte. Izt umkrænzten sie den Tisch, und Phillis und Daphnis sassen oben an, wie in einem wol gemachten Kranz die Lilie und die Rose mitten auf der weissen Stirne des Mædchens stehen soll. An ihrer Seite mußte des Philetas kleines Kind sich sezen; Anmuth und Freude læchelten auf seinen Wangen; es læchelte immer zu ihr auf, und kyßte ihre Hand. Dann saß das Alter, Aristus und der Phillis Mutter, und Amyntas und Philetas; Freundlichkeit und Freude verjyngten ihre Stirnen. Sanftes Lachen, Geschichten, die man dem nahe Sizenden erzehlte, flystern in des Mædchens Ohr, herrscheten um die Tafel her; bald aber verlies die muntre Jugend die Laube, um frohere Spiele anzufangen. Theils tanzten sie alle im langen Kreis, mit vest gehaltenen Hænden. Daphnis war der erste im Kreis, und Phillis die lezte, dann schloß sich der Kreis, und dann kamen sie beyde zusammen, und kyßten sich, und dann tanzte der Kreis im Zirkel. Oder Phillis und Daphnis mußten mitten in dem Kreis allein tanzen, und die Mædchen und die Jynglinge tanzten um sie her; oder die besten Tænzer und Tænzerinnen traten auf und tanzten, die Tænze der Schnitter, oder des Sæmanns, oder des Winzers, oder der Schiffer, und ahmeten im Tanz eines jeden Bewegung nach, und die ybrigen sangen ihnen die Lieder des Schnitters, des Sæmanns und des Winzers und der Schiffer dazu. In hurtigen Wendungen schwangen die Jynglinge die lachenden Mædchen im Zirkel, daß ihnen das leichte Kleid in die Luft flog. Ermydet vom Tanz giengen sie dann in die Laube, im kyhlen Schatten mit Frychten sich zu erfrischen, zu scherzen, oder sich Geschichte zu erzehlen.

Mein Schæfer hat sich einmal ybel betrogen, so sagt' ein Mædchen, und streichelte seinen Schæfer am Kinn; ybel hat er sich betrogen, so erzehlte sie der Phillis: Ich hatte ihm versprochen, zur gewissen Stunde ihn im Gebysche zu finden, aber der gute Schæfer mußte lang lang auf mich warten; endlich kam ich gelaufen, ohne Blumen, die Loken waren unordentlich, und der Kranz zerrissen. – Ja, unterbrach sie der Hirt, und der ganze Busen entblœßt. – – Ich wollt' ihm in die Arme hypfen, fuhr das Mædchen schamroth fort, da trat er zuryk, Schæfer! sagt' ich, ich konnte nicht eher kommen; Damœt, der liebe Damœt lief mir nach, als ich zu dir eilte, da hypft' er in meinen Schoos, und zerriß mir muthwillig den Kranz, und nahm die Blumen vom Busen, und riß die Bænder los; so sprach ich, und wollt' ihn umarmen; aber er floh, ganz zornig floh er. Schæfer flieh nicht, rief ich, er wird mir andre Blumen bringen! Da floh er noch schneller; ich sah ihm nach, er stampft' auf die Erde, und – – ja, unterbrach sie der Schæfer wieder, ich war zornig; die Grausame, sagt' ich, sie ist mir ungetreu, vielleicht schon lang, und sie betrog mich noch immer, izt hat sie es mir gesagt, und doch wollte sie mich umarmen, recht als ob es mir gleich viel wære; ich sagte noch viel, und lief zornig hin und her; irrend und mir unvermuthet stand ich wieder vor ihr; ich zitterte und weinte vor Zorn und Wehmuth; ich sah sie an, und sah ein kleines Kind auf ihrer Schoos spielen, und ihre Bænder zuschnyren, und Blumen auf ihren Busen pflanzen. Siehst du bœser Hirt, sagte sie traurig und zærtlich mich ansehend, siehst du, der kleine Damœt hat mir andre Blumen gebracht. Ist dieß Damœt, rief ich erstaunt, der dir die Bænder abgerissen? und war voll Scham und voll Entzyken yber den entdekten Betrug. – – Ja, sagt ich; ja, fuhr das Mædchen wieder fort, dieß ist Damœt, warum hast du dich erzyrnt, lieber Schæfer? aber gewiß, gewiß soll mich kynftig nichts aufhalten, weil du so bœse wirst. Da kamest du næher, und dryktest mir die Hand, und verbargest weinend dein Haupt in meine Schoos; je mehr ich sagte: heb dich auf Schæfer, daß ich dich kysse; je mehr weintest du, und sagtest, ich bin nicht werth, daß du mich kyssest. So erzehlte das Mædchen, und wandte sich zum Hirten, und kyßt' ihn.

Ach! wie syß ist es dann, sich so wieder zu versœhnen, sagte Phillis, indem sie den Daphnis kyßte; ja, sagte Daphnis, nie war ich entzykter, mein Kind! als da wir uns versœhnten, da uns Lamon betrog.

Mich hat einst mein Mædchen betrogen, sagt' ein Hirt, sein Mædchen auf der Schoos haltend, das bey der Erzehlung lachte. Ich lag einst am Fluß und schlief; plœzlich wekte mich eine Stimme. Hirt! sagte die liebliche Stimme, ach! so oft du hier am Fluß gehest, dann seh ich dir seufzend nach, und wenn du dich von dem Ufer entfernest, dann gleichet nichts meinem Schmerz; aber wenn du an dem Fluß schlæfst, ach wie froh bin ich dann! ich geh dann ans Ufer und kysse dich; ich kanns nicht længer verhelen, ich liebe dich, eine Nymphe liebet dich, ach! daß ichs gestehen muß! eine schœne junge Nymphe! Willst du mich nicht wieder lieben, junger Hirt? Ich kann, ich kann dich nicht lieben, Nymphe, sagt' ich, ich liebe schon ein schœnes Mædchen. Aber, fuhr die Nymphe fort, wenn du mich sehen wyrdest, wenn du meine grynen Loken sehen wyrdest, wie sie um den schneeweissen Ryken und um die schlanken Lenden flattern, wenn du die rothen Wangen, den Mund, die blauen Augen sehen wirst, dann wirst du gern dein Mædchen an eine Nymphe vertauschen. Ich kann dich nicht lieben, sagt' ich wieder, Nymphe, zyrne nicht, und wenn du schœn wærest wie eine Huld-Gœttin, und wie die Venus selbst; ich liebe meine Cloe, und wyrde sie nicht fyr die ganze Welt verlassen; ich will, du arme Nymphe, ich will den Fluß verlassen, und nicht wiederkommen, bis dich deine Liebe verlæßt. Du Grausamer! sagte die Nymphe, ich will dich auf dem Land verfolgen, die Wald-Gœtter sollen dir die Schafe rauben, und dich in den Fluß tragen. Ach! sagt' ich, und wenn mir die Wald-Gœtter auch das Leben rauben myssen, so kann ich doch niemand als meine Cloe lieben; sie myssen dir die Cloe rauben, wollte die Nymphe fortfahren, als die Worte sich in ein lautes Gelæchter verlohren; da trat meine Cloe, beyde Seiten haltend, laut lachend hervor; ich konnt' es nicht længer, sagte sie, lieber Hirt! – – Ja, unterbrach ihn izt das Mædchen, ich mußte lachen, bald wær er yber die Nymphe bœse geworden; aber wie entzykt war ich da, als ich deine zærtliche Treu so erfuhr, sagte sie, ihn an die Brust drykend.

Unter solchen Freuden næherte sich der Abend, und der Mond trat still herauf; da sammelten Daphnis und Phillis alle Mædchen und alle Hirten wieder in die Laube von Wachholder-Gestræuch. Die Melone im grynen Nez, in einem Kranz von Trauben, lachete ihnen von der Tafel entgegen; roth-wangichte Aepfel und Birnen; der Granat-Apfel mit der grynen Krone und der gespaltenen Brust; die sysse Feige, und alle Frychte, die der milde Herbst anbot, Frychte in glatten und wollichten Hylsen, oder in harten Schaalen, stuhnden da in langer Reihe, in Schysseln, mit Blumen und wolriechenden Kræutern vermischet, und Kryge voll Wein und Most, mit dem geheiligten Epheu des Reben-Gottes umkrænzet, stunden hoch aus den Schysseln empor.

Als sie sich um die Tafel her lagerten, da trat Damon zum Daphnis, der Jyngling mit der elfenbeinernen Leyer und der den Amor geschnizt hatte; Da, Freund! (sprach er, indem er ihm einen geraumen Becher gab,) da nimm den Becher; ich hab ihn fyr dich geschnizt, er soll das Zeichen unsrer Freundschaft seyn, er soll voll Wein um die Tafel hergehn; und jeder, der trinkt, soll ein Lied singen. Daphnis nahm den Becher voll Freude: Deine Freundschaft ist mir sehr schæzbar; Damon! sprach er, den Becher in der Hand drehend, die kynstliche Arbeit zu bewundern; der frohe Lyeus war da herausgeschnitten, auf seinem Wagen von schmeichelnden Tigern gezogen; seinem Wagen folgte Silen, possirlich lachend, und lachende Faunen hielten ihn auf beyden Seiten unter den Achseln aufrecht auf dem Esel. Ein durch einander hypfender Trupp von Nymphen und Satyren und Faunen folgte muthwillig dem Silen, mit Thyrsusstæben, und Zaubertrommeln, und Klapperschalen und Flœten, oder mit Weinschlæuchen auf den Achseln. Ueber ihnen an dem Blumen-Kranz, der an dem obern Rand des Bechers geschnizt war, flatterten Liebes-Gœtter, die Blumen herunterstreuten; Amor flatterte in ihrer Mitte, und schoß Pfeile nach den Nymphen, die ihm theils muthwillig entgegen lachten, theils ihn zu fliehen schienen, aber schalkhaft sich umsahn, ob sie noch nahe genug wæren, von ihm bemerket zu werden.

Izt goß Daphnis voll Freude schæumenden Wein in den Becher, und sang: – – »Du Wein! (so sang er) ô wie bist du lieblich, in den Armen meines Mædchens! und wenn dich sein Kuß begleitet, ach! dann trink ich lauter Freude; denn der Kuß des lieben Mædchens, œffnet schnell mein Herz der Freude. Ich will an dem Fuß des Hygels eine heilige Laube pflanzen, fyr Lyeen und fyr Amorn, und will sie von Reben pflanzen, und dann will ich in der Laube, in dem Schoosse meines Mædchens, Amorn mein Entzyken danken, und Lyeen meine Freude.

So sang er, und gab den Becher der Phillis, sie nahm ihn læchelnd und sang: –»Du Rose! (so sang sie) ja du riechest lieblich, wenn dich nur mein Daphnis pflyket; und wenn er mich freudig kyssend dich auf meinen Busen pflanzet, ach! dann riech ich lauter Freude; denn, der sysse Kuß des Schæfers, œfnet schnell mein Herz der Freude. Pflanze, Schæfer, eine Laube fyr Lyeen und fyr Amorn, ich will dann dem Gott der Liebe, Rosen zu den Reben pflanzen, und will dann in deinen Armen, Amorn mein Entzyken danken.

So gieng der Becher um die Tafel her, und mehrte den Muth, das Lachen und den Scherz; alle sangen lustige oder verliebte Lieder; ein loser Jyngling sang: – »Bald hætt' ich dich geliebet, du sprœdes, bœses Mædchen! doch sey nur sprœd und bœse, verachte nur die Liebe! du magst, du magst mich fliehen, seit du beym tiefen Brunnen, den Schafen Wasser schœpftest; da du dich immer bykend den Eimer aufwærts zogest, da sah ich, armes Mædchen! dir in den leeren Busen.

Ein kleines junges Mædchen sang zart, wie die junge Lerche: »Ich will nicht lieben, so sag ich immer; seh ich die Vœgel auf Aesten schnæbeln, dann sag ich immer: Ich will nicht lieben. Seh ich den Schæfer, den braunen Schæfer, dann sag ich: Schæfer! ich will nicht lieben. Ach! sagt mir, Mædchens! die ihr schon liebet, ich hab', ich habe ja nichts zu fyrchten, wenn ich gleich seufzte, so oft ich sage: Du brauner Schæfer! ich will nicht lieben.

Der Becher war izt an den Damon gekommen, der ihn geschnizt hatte. Damon! (riefen alle Mædchen und alle Jynglinge) du must das Lied auch spielen; wo ist deine Leyer? Ich mag, ich mag nicht spielen; ich will ohne die Leyer singen, sprach er, als ein loses Mædchen ihm seine Leyer læchelnd in die Arme legte; alle Mædchen und alle Jynglinge klatschten in die Hænde, und riefen: Du must, du must izt spielen; er nahm die Leyer, und stuhnd auf; alles schwieg izt aufmerksam, kaum rauschte ein Band, oder ein Blatt am Kranz, und izt hub er an, in seine Leyer zu singen.

»Ihr Mædchen und ihr Jynglinge! liebet und trinket, daß euch das Herz voll Entzyken hypft, daß Freude auf Stirn und glyhenden Wangen lacht. Denn glaubts ihr Jyngling', ich sah, ich sah Lyeen, den jugendlichen, den frohen Gott; er lag da, halb mit Schatten bedekt, in der grynen Laube; auf einen Weinschlauch hingelehnt, von Ranken umflattert; læchelnd lag er da, und Amor læhnte den einen Arm auf Lyeens Knie, und wand sich mit dem andern ein Reb-Schoß ums Haupt. Trunkene Faunen taumelten um die Laube her, und tanzten mit Nymphen, und bykten sich im Tanz, und huben die stræubenden Nymphen hoch empor, und kyßten sie ans schlagende Herz. Amor! sprach izt Lyeus, ach Amor! ja, ohne dich ist auch der Wein blœde. Ach wie müssig, wie leer ist das Herz, das nicht vor Liebe pocht! Auch der Nektar, der Nektar selbst ist blœde; laß Amor, laß mein Herz nimmer, nicht einen Augenblik ohne Liebe seyn. Ja wenn ich liebe, wenn ich liebe, dann fyhl ich, daß ich Lyeus bin, der Gott des Weins und der Freude. Lyeus! sprach izt Amor, Lyeus! dein Wein, was hab ich dem zu danken! du giebest dem Blœden Muth; die Liebe, die izt sterben will, rufst du ins Leben zuryk; selbst dem erkalteten Greis lachet beym Trunk die Liebe, wie die weichende Sonne im Abend-Roth, zuryk. Du, du schærfest die Freuden, du wyrzest den Kuß; ja wenn ich trinke, wenn ich trinke, dann fyhl ich, daß ich Amor, der Gott der Liebe und des Entzykens bin; so sprachen die Gœtter. Ihr Mædchen und ihr Jynglinge! liebet und trinket, daß euch das Herz voll Entzyken hypft, daß Freude auf Stirn und glyhenden Wangen lacht.« So sang der Jyngling, und trank.

Die Jynglinge und die Mædchen sassen lang, als ob sie noch horchten. So freuten sie sich, und sangen, und tranken, und kyßten, bis der Mond weit heraufgestiegen war; und da verliessen sie die Laube, und begleiteten den Daphnis und die Phillis vor die hochzeitliche Kammer, durch einander hypfend, und flœtend und singend, wie die Bachanten auf den Weinbergen. O Hymen! sangen sie, sysser Gott der Ehe! ô Hymen! die Dryas lispelte harmonisch im Laub, und die Nachtigallen sangen auf nahen Bæumen Brautlieder.


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