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Der Krämer.
Mein Geschäft nimmt mit dem Freigeld eine Entwicklung, die wirklich ernste Beachtung verdient. Einmal zahlen meine Kunden jetzt meistens bar, weil sie unmittelbar Vorteil davon haben, möglichst schnell zu bezahlen, und weil sie selbst wieder bar bezahlt werden. Auch nimmt das Zerstückeln der Waren in kleine und kleinste Teile, der Pfennigverkauf, auffällig ab. Die Käufer trennten sich früher ungern vom Geld, einmal, weil ihnen das Geld ja Zeit ließ, dann, weil sie wohl auch Geld auf Zins in der Sparkasse hatten, dann auch wieder, weil es angenehmer war, Geld im Hause zu haben, als Waren, und schließlich, weil niemand sicher war, daß das Geld, das er ausgab, von der anderen Seite wieder eingehen würde. Der Geldumlauf war unregelmäßig, die Geldeingänge so unsicher, daß jeder, der nicht mit festem Einkommen rechnete, gern einen Geldvorrat anlegte. Und diese Rücklage suchte er dadurch zu bilden, daß er dort, wo es anging, auf Borg kaufte, daß er nur das Nötigste, für den unmittelbaren Verbrauch Bestimmte kaufte und das Gekaufte anschreiben ließ. Statt eines Kilos kaufte er ein Gramm, statt eines Sacks ein Kilo. Niemand wäre es eingefallen, sich Vorräte zuzulegen, niemand dachte daran, eine Vorratskammer in seinen Bauplan aufzunehmen. Als Vorrat galt allgemein und ausschließlich das Geld. In den neuzeitlichen Wohnungen findet man für viele Zwecke besondere Räume, wie Dunkelkammer, Teppichkammer, Kofferkammer usw., niemals aber eine Vorratskammer.
Jetzt scheint sich das zu ändern. Weil das Geld den Inhaber ununterbrochen an seine Pflichten als Zahler erinnert, sucht jeder zu bezahlen, sowie er selbst bezahlt wird. Der Geldumlauf, der jetzt zwangsweise vor sich geht, ist darum auch immer ein geschlossener. Er kann nicht mehr durch Gerüchte ins Stocken geraten. Der regelmäßige Geldumlauf bewirkt regelmäßigen Absatz, und da jeder auch gern aus Furcht vor Verlust so schnell wie möglich das Gekaufte bezahlt, so sind auch die Geldeinnahmen regelmäßig geworden. Man kann jetzt auf die Einnahmen rechnen, und es ist nicht mehr nötig, Geldvorräte anzulegen – ganz abgesehen davon, daß diese heutzutage unmöglich sind, weil sie in der Form von Freigeld sich nach und nach selbst aufzehren würden. Statt Geld zu sammeln, legt man Vorräte an, man zieht den Besitz von Waren dem Besitze des Geldes vor, wie man aus demselben Grunde jetzt auch die Barzahlung dem Borgen vorzieht. Statt in winzigen Mengen werden die Waren jetzt in Ursprungspackung und in Posten gekauft: statt eines Liters ein Faß, statt eines Meters ein Stück, statt eines Kilos ein Sack.
Man sollte nun meinen, wir Krämer lebten jetzt in Saus und Braus, sozusagen im siebenten Himmel. Aber weit gefehlt! Ich selbst habe diese Entwicklung glücklicherweise scharf beobachtet und mein Geschäft den veränderten Verhältnissen angepaßt. Anstelle meiner Krämerpreise habe ich Großhandelspreise gesetzt und so meine Kundschaft nicht nur erhalten, sondern gewaltig erweitert. Aber andere Kaufleute, denen die Einsicht fehlte, haben ihre Läden schließen müssen. Wo früher zehn Krämer waren, da ist jetzt nur mehr einer, und dieser eine hat trotz zehnfachem Absatz weniger Arbeit als früher. Mir ist die Ladenmiete schon um 90 % herabgesetzt worden, weil so viele Läden leer stehen und zu Wohnzwecken umgebaut werden müssen. Indessen, wenn ich nun auch so wenig Miete zahle und zehnmal mehr verkaufe, so ist dennoch mein Verdienst bei weitem nicht im gleichen Verhältnis gewachsen, weil infolge des so sehr vereinfachten Geschäftsganges sich auch die anderen Kaufleute mit geringem Verdienst begnügen. So rechne ich jetzt, statt mit 25% durchschnittlichem Gewinn, mit nur 1% Besorgungsgebühr. Da ich alles in Ursprungspackung abgebe und bei Ablieferung der Ware bar bezahlt werde, so kann ich scharf rechnen. Keine Buchhaltung, keine Rechnungen, keine Verluste. Außerdem ist mein Lager trotz zehnfachem Absatz nicht größer geworden. Mit meinen Kunden habe ich regelmäßige Lieferungen abgemacht, die gleich von der Bahn ab erfolgen. So ist der ganze Kramhandel zum einfachen Besorgungsgeschäft geworden.
Meine Berufsgenossen, die ihr Geschäft haben schließen müssen, sind ja zu bedauern, besonders die älteren unter ihnen, die kein Gewerbe mehr erlernen können. Da ihre Verarmung unmittelbar durch das eingeführte Freigeld, also durch einen Eingriff des Staates verursacht wurde, so wäre es meiner Ansicht nach gerecht und billig, wenn man diese Leute durch ein staatliches Jahrgeld entschädigte. Und das kann der Staat auch gut tun, denn durch die Beseitigung dieser Zwischenhändler, durch die Verbilligung der Waren ist ja die Steuerkraft des Volkes ganz außerordentlich gewachsen. Hat es der Staat seinerzeit für billig gehalten, den Grundrentnern durch die Getreidezölle ihre Renten zu sichern, so wäre in diesem Falle eine Unterstützung nicht mehr als gerecht.
Ich muß gestehen, das Krämergeschäft wird durch das Freigeld gewaltig vereinfacht. Etwas Ähnliches mußte ja auch einmal kommen. Auf die Dauer konnten der Kleinverkauf und die damit verbundenen schweren Unkosten, sowie auch der Unfug des Borgens nicht bestehen bleiben. Ein Preiszuschlag von 25% für den Kleinverkauf der täglichen Bedürfnisse! Das war ja geradezu lächerlich, unhaltbar in einer Zeit, wo die Arbeiter schwere Kämpfe führen mußten, um auch nur eine Lohnerhöhung von 5% zu erreichen.
Die Schweiz mit 3 Millionen Einwohnern beschäftigte im Jahre 1900 26837 Geschäftsreisende, die zusammen an Zulassungsgebühren 322200 Frs. zahlten. Rechnet man nur 5 Frs. auf Kopf und Tag, so kosten die Handlungsreisenden der Schweiz jährlich 48977525 Frs.
In Deutschland sind ungefähr 45000 Geschäftsreisende beständig unterwegs. (In der Schweiz wird dieses Gewerbe vielfach als Nebengewerbe betrieben; daher die verhältnismäßig große Zahl, darum habe ich auch nur 5 Frs. auf den Tag angenommen.) Von sachverständiger Seite hat man berechnet, daß jeder dieser 45000 Mann M. 14.– täglich verbraucht (Gehalt, Reise, Gasthof), was sicherlich nicht zu hoch gegriffen ist. Das macht M. 600000.– täglich und 219 Millionen jährlich. Dazu noch die sonstigen Geschäftsreisen. Man kann sagen, daß 2/3, aller Reisen »Geschäftsreisen« sind und daß 2/3 aller Gasthäuser Geschäftsreisenden dienen.
Man sagte voraus, daß mit der Einführung des Freigeldes die Käufer weniger anspruchsvoll werden würden, und ich muß gestehen, daß sich deren Benehmen schon merklich änderte. Letzten Sonnabend unterhandelte ich eine Stunde lang mit dem Käufer einer Nähmaschine, und der Mann konnte sich nicht entschließen. Immer entdeckte er an der tadellosen Maschine neue Mängel. Schließlich machte ich ihn auf den baldigen Wochenschluß für den Geldkurs aufmerksam. Das half, das brachte das Gebäude seiner Bedenken ins Wanken. Er sah nach der Uhr, betrachtete seine Geldscheine und rechnete aus, daß, wenn er noch länger zögere, er 10 Pf. einbüßen würde. Da ließ er alle Bedenken fallen, zahlte und ging. Nun verlor ich zwar die 10 Pf., aber das gewann ich an der Zeit hundertmal wieder!
Ein anderer, ein wohlhabender Mann, kaufte und sagte, er habe vergessen, Geld einzustecken; ich möchte es doch anschreiben. Auf meine Bemerkung, daß es sich doch aus Rücksicht auf den Wochenabschluß lohnen würde, nachhause zu gehen und das Geld zu holen, weil er doch sonst den Umlaufsverlust erleiden würde, dankte er mir für meine Aufmerksamkeit, ging nach Hause, und zwei Minuten später hatte ich das Geld. Und ich konnte nun meinerseits den Handwerker bezahlen, der zu gleicher Zeit Ware ablieferte. In diesem Falle wäre es also reine Bequemlichkeit von seiten meines Kunden (Käufers) gewesen, wenn er mich nicht bezahlt hätte, und diese Bequemlichkeit würde zur Folge gehabt haben, daß ich meinerseits den Handwerker nicht hätte bar bezahlen können. Wieviel Arbeit, Gefahr und Sorge ist doch durch diese Wirkung des Freigeldes beseitigt worden. Ein Buchhalter genügt mir jetzt statt zehn. – Sonderbar ist es, daß diese große Frage der Barzahlung durch die Geldreform gelöst wurde, ohne daß diese Nebenwirkung beabsichtigt war. Es war nicht Armut, was den Käufer vom Barzahlen abhielt, sondern Berechnung, und jetzt wird das Barzahlen allgemein, weil es für den Käufer vorteilhafter ist. Bekanntlich wurde der Kaufmann früher auch von den reichen Leuten nicht schneller bezahlt, als von armen Teufeln; während der Stundungszeit behielt eben der säumige Schuldner den Zinsgenuß für sich.
Übrigens, was diesen Kursverlust anbetrifft, so trage ich ihn gern; mir als Kaufmann wäre es sogar lieber, wenn der Umlaufsverlust von 5% auf 10% im Jahre gebracht würde, denn dadurch würden die Käufer sicherlich noch bescheidener werden, als sie schon geworden sind, und die Buchungen würden wohl ganz wegfallen, so daß ich auch den letzten Buchhalter entlassen könnte. Ich erkenne jetzt im Verkehr die Wahrheit des Satzes: je verachteter das Geld, um so geschätzter die Ware und ihr Verfertiger, um so leichter der Handel. Der Arbeiter kann nur dort geachtet werden, wo das Geld nicht besser ist, als er selbst und seine Erzeugnisse. Mit 5% ist das noch nicht ganz der Fall, aber wohl mit 10%, und vielleicht wird man zugunsten der Arbeiter den Umlaufsverlust von 5 auf 10%, erhöhen.
Sodann, was sind für mich 10% bei einem durchschnittlichen Barbestand von 1000 Mark! Hundert Mark im Jahr! Ein Nichts, verglichen mit meinen sonstigen Geschäftsunkosten. Ich kann ja auch noch einen erheblichen Teil dieses Betrages dadurch sparen, daß ich mich selbst immer möglichst schnell des Geldes zu entledigen suche und bar, nötigenfalls auch im voraus bezahle.
Im voraus bezahlen! Das erscheint ja auf den ersten Blick lächerlich, aber im Grunde genommen ist es nur die Umkehrung des früheren Brauchs. Da ging die Ware voraus und das Geld folgte nach. Jetzt geht das Geld voraus und die Ware folgt. Die Vorausbezahlung verpflichtet den Schuldner zur Lieferung von Ware und Arbeit – also einer Sache, über die er unmittelbar verfügt; die Nachbezahlung verpflichtet den Schuldner zur Lieferung von Geld – also einer Sache, die er nur mittelbar erlangen kann. Es ist also für beide Teile vorteilhafter und sicherer, wenn das Geld vorangeht und die Ware folgt, statt umgekehrt zu verfahren, so wie es bisher geschah.
Vorausbezahlung! Braucht man mehr, um die Handwerker glücklich zu machen, um sie mit allem nötigen Betriebsgeld zu versorgen? Wenn die Handwerker nicht auf Borg zu liefern gehabt hätten, dann wäre ihnen der Kampf mit dem Großkapital auch leichter geworden!
Der Kassenbeamte.
Bei Einführung des Freigeldes wurden wir Kassenbeamten allgemein bemitleidet. Man weissagte uns allgemein eine schreckliche Arbeitslast, regelmäßige große Fehlbeträge und was sonst noch alles! Und was muß ich sehen? Wegen Arbeitmangels wurden zuerst die Arbeitsstunden eingeschränkt. Statt 10 Stunden arbeite ich jetzt 6. Dann wurde nach und nach die Beamtenzahl eingeschränkt, die älteren erhielten ein Ruhegehalt, die jüngeren wurden entlassen. Aber auch das genügte nicht. Und so sind die meisten Bankgeschäfte und ihre Nebenstellen aufgelöst worden.
Eigentlich hätte man diese Entwicklung auch vorhersehen können. Die Bankhäuser waren aber so sehr von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt! Das Wechselgeschäft und der Scheck, diese Brotherren der Kassenbeamten, sind so gut wie verschwunden. Nach Ausweis des Reichswährungsamtes beträgt die gesamte im Umlauf befindliche Geldmasse noch nicht 1/3 unseres früheren Geldbestandes. Und zwar, weil das jetzige Geld 3mal schneller umläuft. Kaum 1% der früheren Beträge geht jetzt noch durch die Hände der Banken. Das Geld bleibt eben im Verkehr, auf dem Markte, in den Händen der Käufer, der Kaufleute, des Unternehmers. Es geht von Hand zu Hand, ununterbrochen, es hat gar keine Zeit, sich in den Banken anzusammeln. Das Geld ist keine Ruhebank mehr, wo der Erzeuger von der Mühsal des Verkaufes seiner Waren aufatmen und in Gemütsruhe abwarten kann, bis seine persönlichen Bedürfnisse ihn an den Umsatz des Geldes erinnern. Der Ruhepunkt im Warenaustausch ist jetzt die Ware selbst, allerdings nicht die eigene Ware, das eigene Arbeitserzeugnis, sondern das der anderen. Das Geld hetzt und jagt den Inhaber, genau wie früher der Erzeuger von seinen Waren gehetzt und gejagt wurde, bis er sie glücklich an den Mann gebracht hatte. Woher der Name Bank, Bankmann? Von den Bänken, auf denen die Inhaber des Geldes sichs bequem machten, während die Inhaber der Waren umherstanden oder unmutig hin und her liefen. Jetzt, mit dem Freigeld, sind es die Inhaber des Geldes, welche laufen, und die Warenverkäufer sitzen auf Bänken.
Und weil das Geld so beweglich geworden ist, weil jeder sich zu bezahlen beeilt, braucht niemand sich noch mit Wechseln zu behelfen. Das bare Geld hat die Wechsel ersetzt. Auch Vorräte an Geld braucht niemand mehr, die Regelmäßigkeit des Geldumlaufes ersetzt diese Rücklagen. Die Quelle ist an die Stelle des starren Behälters, der Zisterne, getreten.
Diese Geldvorräte aber führten wieder zur größten Torheit des Jahrhunderts, zum Scheck. Ja, wirklich, ich sag's als Kassenbeamter, der Scheck war höherer Unsinn! Das Geld ist doch zum Bezahlen da; das Gold sollte ja das denkbar bequemste Zahlmittel sein; warum benutzte man es nicht dazu? Warum den Scheck an die Stelle des baren Geldes treten lassen, wenn das bare Geld so allen Anforderungen genügt, wie man das dem Golde nachrühmte? Verglichen mit dem baren Gelde ist der Scheck doch ein außerordentlich plumpes Zahlmittel. Er ist an die Innehaltung verschiedener Förmlichkeiten gebunden, die Einlösung erfolgt an einem bestimmten Ort, und die Sicherheit der Einlösung hängt von der Sicherheit des Ausstellers und der Bank ab. Und das nannte man Fortschritt! Man hoffte sogar, es bald den Engländern nachmachen zu können, die die Droschke mit einem Scheck bezahlen! Als ob das eine Ehre oder ein Vorteil für den Droschkenkutscher wäre! Der Musterscheck ist doch, für den Empfänger wenigstens, das bare Geld, denn dieser Scheck kann in jedem Laden, in jedem Wirtshaus eingelöst werden, er ist an keine Förmlichkeiten, an keinen Ort gebunden, und seine Sicherheit steht außer Zweifel. Wir waren so stolz auf unser schönes, goldenes Geld, wir dachten damit die Vollkommenheit erreicht zu haben; wir waren so verblendet, daß wir überhaupt den Widerspruch nicht bemerkten, der in dem Gebrauch des Schecks liegt. Das Gold war für den gewöhnlichen Gebrauch zu gut, darum suchten wir ein Ersatzmittel, den Scheck. Das ist wie bei dem Mann, der mit einem alten Rock und einem neuen Regenschirm spazieren geht, und dem es leid tut, den Schirm aufzuspannen; er versteckt ihn darum unterm Rock.
Man scheute sich nicht, uns Kassenbeamten ganze Bündel von Schecks aufzuhalsen, deren Gesamtbetrag für den Kassenbeamten nur dadurch zu ermitteln ist, daß er sie in langen Reihen einzeln aufzeichnet und zusammenzählt. Eine schauerliche Arbeit fürwahr. Dagegen ist das Aufzählen des Geldes die reine Spielerei. Die Stücke braucht man nur zu zählen, da sie alle von gleichem Betrage sind.
Dabei mußten die Schecks wieder mit den verschiedenen Banken verrechnet, jeder einzelne dem betreffenden Aussteller belastet werden. Und dazu die Zinsrechnung! Am Ende des Vierteljahres mußte ein Rechnungsauszug eingesandt werden, worin jeder einzelne Scheck aufgeführt wurde. So wurde jeder Scheck zehnmal gebucht. Und das nannte man Fortschritt! Welche Verblendung! Die Schwerfälligkeit der Goldwährung und die Unregelmäßigkeit des Geldumlaufs machten die Bankguthaben nötig und diese den Gebrauch des Schecks; aber statt diesen Umstand als schweren Übelstand der Goldwährung zu bezeichnen, bildete man sich noch etwas darauf ein!
Und neben den Schecks diese schweren Säcke mit Gold, Silber, Kupfer, Nickel, und obendrein das Papiergeld! Elf verschiedene Münzsorten: 1, 2, 5, 10, 20 Mark, 1, 2, 5, 10, 20, 50 Pf.! Allein für das Kleingeld unter 1 Mark sechs verschiedene Münzen von 3 verschiedenen Metallen! Also Schecks zu Hunderten, 11 Münzsorten und 10 verschiedene Banknoten!
Jetzt mit dem Freigeld habe ich 4 Sorten und keine Schecks. Und alles federleicht, sauber, immer neu. Früher brauchte ich für meine Kasse eine Stunde, jetzt nur wenige Minuten.
Man fragt mich, wie ich den Umlaufsverlust an meinem Kassenbestand verrechne. Nun, die Sache ist ja höchst einfach. Am Wochenschluß, Sonnabends 4 Uhr, rechne ich meine Kasse zusammen, berechne den Kursunterschied nach dem, was das Geld die nächste Woche gilt und verrechne diesen Unterschied unter Ausgaben. Bei den Privatbanken geht diese Ausgabe auf Rechnung der Geschäftsunkosten, für die eine entsprechend niedrigere Verzinsung des Bankguthabens Deckung schafft.
Bei den Staatskassen besteht der Verlust nur dem Namen nach, da der Kursverlust am gesamten Geldumlauf ja dem Staate unmittelbar zugute kommt
Offen gestanden, vom Standpunkt der Kassentechnik betrachtet, finde ich im Freigeld nichts Nachteiliges, und den besten Beweis haben wir ja darin, daß neun Zehntel aller Kassenbeamten überflüssig wurden. Eine Maschine, die die Arbeiter überflüssig macht, muß doch gut arbeiten?
Der Ausfuhrhändler.
Man hatte die Goldwährung eingeführt, angeblich, um den Welthandelsverkehr zu fördern. Kaum jedoch machte sich die Wirkung der Goldwährung, übereinstimmend mit der Quantitätslehre, in einem scharfen Rückgang aller Warenpreise fühlbar, da erscholl auch schon der Ruf nach Schutz!
Und man errichtete Grenzmauern in Gestalt von Schutzzöllen, um den Handel mit dem Auslande zu erschweren. Heißt das nicht den Zweck den Mitteln opfern?
Aber selbst dann, wenn sich die Goldwährung ohne Preisrückgang, ohne Wirtschaftsstörung hätte einführen lassen, wäre sie doch für den Außenhandel von geringem Vorteil geblieben. Man macht auf die Zunahme des Außenhandels seit Einführung der Goldwährung aufmerksam und will die Ursache in der Goldwährung sehen. Aber der Außenhandel ist gestiegen, weil die Bevölkerung gestiegen ist, und er ist nicht einmal im Verhältnis zur Zunahme der Bevölkerung gestiegen. Auch trifft diese Zunahme in erhöhtem Maße die Papierwährungsländer (Rußland, Österreich, Asien, Südamerika), während der Handel gerade mit den Goldwährungsländern (Frankreich, Nordamerika) sich sehr schwer entwickelt. (England, als Durchfuhrland, kann man hier nicht einreihen.)
Die Goldwährung hätte einen Sinn, wenn man sie im Weltverkehr ohne Zölle, ohne Wirtschaftsstörung, ohne Preissturz, einführen könnte, und hierin als Erster vorzugehen, hätte Sinn für den Staat, der imstande wäre, allen Ländern die Goldwährung aufzubürden. Gibt es eine solche Macht nicht, und ist man auf Hoffnungen angewiesen, dann konnte man doch ebensogut als Erster die Einführung einer internationalen Papierwährung versuchen. Der Deutsche, der jetzt seine Waren mit Gold kauft und sie gegen Papier-Rubel, Papier-Gulden, Papier-Pesetas, Papier-Liras, Papier-Pesos, Papier-Reis usw. verkaufen muß, steht er sich besser, als wenn er seine Waren ebenfalls in Papier-Mark laufen würde? Wenn der Verkaufspreis in einer vom Einkaufspreis abweichenden Geldart berechnet werden muß, dann ist es völlig gleichgültig, ob die Geldart beim Einkauf aus Papier, Gold oder Silber bestand.
Übrigens, selbst bei allgemeiner Einführung der Goldwährung im Weltverkehr sind ihre Vorteile eigentlich von untergeordneter Bedeutung. Man dachte mit der Goldwährung die kaufmännischen Berechnungen zu erleichtern, man dachte, daß man nur eine Geldsumme zu nennen brauche, um auch gleich ihre volle Bedeutung für alle Länder ermessen zu können. Kindliche Ansichten! Erstens beseitigt die Goldwährung ja die Schwankungen im Wechselkurs nicht. Die Goldeinfuhr wechselt mit der Goldausfuhr ab in jedem Lande. Es handelt sich vielleicht nur um geringe Beträge, aber sie genügen, um bedeutende Wechselkursschwankungen herbeizuführen. Denn der Wechselkurs schwankt zwischen den Kosten der Goldeinfuhr und der Goldausfuhr, – Kosten, die bis zu 3% ausmachen können. Seefracht, Seeversicherung, Zinsverlust und Sonstiges bei der Ausfuhr des Goldes; dieselben Kosten bei der Wiedereinfuhr. Dazu noch die Kosten der Umprägung. Denn der Weg ins Ausland, sagt Bamberger ganz richtig, ist für das Gold der Weg in den Schmelztiegel. Das sind aber Kosten, die selbst bei kleineren Geschäften berücksichtigt werden müssen. Wenn aber der Kaufmann überhaupt schon mit dem schwankenden Wechselkurs rechnen muß, wo bleibt dann der Vorteil für seine Berechnungen?
Der andere vermeintliche Vorteil einer im Weltverkehr gültigen Goldwährung ist noch viel trüglicherer Natur; denn die Bedeutung einer beliebigen Geldsumme für irgend ein Land kann man doch erst dann ermessen, wenn man die Warenpreise, die Löhne usw. des betreffenden Landes kennt. Erbe ich z. B. statt Vermögen Schulden, so werde ich nicht in Deutschland bleiben, sondern dorthin ziehen, wo Geld am leichtesten zu verdienen ist. Der Betrag der Schuld nimmt mit meiner Auswanderung zwar nicht dem Nennwerte nach, wohl aber tatsächlich ab. Ein Mann mit 1000 Taler Schulden ist ein armer Tropf in Deutschland; in Amerika bedeutet diese Schuld gar wenig. Umgekehrt natürlich liegt die Sache, wenn ich statt Schulden ein Vermögen erbe. Also was bedeutet die Goldwährung hier? So fragt z. B. der Auswanderer, dem man Haufen von Gold verspricht, sofort nach den Preisen der von ihm verfertigten und der von ihm gebrauchten Sachen. Erst dann, wenn er diese kennt, kann er sich einen Begriff von der genannten Geldsumme machen. Vom Gold springen seine Gedanken gleich auf die Warenpreise; diese, nicht das Gold, liefern die Bank, auf der er ausruhen kann. Muß man aber erst Warenpreise kennen, um die Bedeutung einer Geldsumme zu ermessen, dann ist es gleichgültig, ob die Geldsumme auf Gold oder Papier lautet. Und tatsächlich weiß man heute nicht einmal ungefähr, um was es sich bei Nennung einer Geldsumme handelt, einerlei, ob vom goldenen Dollar oder vom papiernen Rubel gesprochen wird.
Aber all' diese Geschichten haben für den Kaufmann herzlich wenig Bedeutung. Was gelten diese kleinen Rechenaufgaben gegenüber den tausend unwägbaren Umständen, auf denen die Wahrscheinlichkeitsrechnung des Kaufmanns sich aufbaut? Die Abschätzung des Bedarfs an einer Ware, die Bestimmung ihrer Güte, ihre Wettbewerbsfähigkeit mit hundert anderen Warengattungen, die Schwankungen des Geschmackes, die Aussichten in der Zollpolitik, die Tragfähigkeit der einzelnen Warengattungen in bezug auf den Gewinnsatz usw., das ist das, womit der Kaufmann rechnet; das Ausrechnen der Preise, die Umrechnung in fremde Münze usw. besorgen jüngere Beamte.
Viel wichtiger als die Münzsorten der verschiedenen Länder, mit denen der Kaufmann in Verkehr steht, sind die Zollsätze und deren Abänderungen, und wenn die einzelnen Länder, um die Goldwährung zu schützen, vom Freihandel abgegangen sind, so muß ich sagen, daß mir jede Art der Währung, selbst die Muschelwährung der Kaffern, sobald daneben Freihandel besteht, lieber wäre als Goldwährung in Verbindung mit Schutzzöllen. Und es ist doch so, daß überall, wo die Goldwährung hinkam, die Schutzzölle nachfolgten.
Im Welthandelsverkehr wird Ware mit Ware bezahlt, und ein etwaiger Saldo kann nur in verschwindend kleinem Maßstab mit Barmitteln bezahlt werden. Stundungen, Wechsel, Anleihen, Aktien vermitteln hier den Zahlungsausgleich. Viel wichtiger für den Zahlungsausgleich als das Vorhandensein zur Ausfuhr geeigneter Barmittel ist das Vorgehen der Notenbanken. Auch hier, wie überall, sollte es heißen: der Krankheit vorbeugen ist besser, als Arzneien anwenden. Die Notenbank muß an den Bewegungen des Wechselkurses ersehen, ob sie zuviel Geld ausgegeben, dadurch die Preise gehoben, die Ausfuhr erschwert, die Einfuhr erleichtert hat. Sie muß in diesem Falle rechtzeitig auf eine Herabsetzung der Preise durch Beschränkung des Geldangebots hinarbeiten. Und im entgegengesetzten Falle muß sie umgekehrt Verfahren. Tut sie das, so müssen sich die Zahlungen immer ausgleichen, und die Bildung eines Überstands wird vermieden. Somit ist die »Ausfuhrfähigkeit« der eigenstaatlichen Tauschmittel zum mindesten überflüssig. Zum mindesten sage ich, denn die Aus- und Einfuhrfähigkeit des Geldes kann schwere Schäden hervorrufen. Diese Ausfuhrfähigkeit entzieht ja den Notenbanken das Meinrecht der Geldversorgung. Es unterwirft den eigenen Markt der Herrschaft fremder, manchmal feindlicher Gewalten. Französische, in deutschen Bankgeschäften angelegte Gelder wurden in der Marokkokrise gekündigt, mit der Absicht, Deutschland zu schädigen. Der Zweck wurde auch erreicht. Jede Währungspfuscherei des Auslandes wirkt zurück auf das Inland, und unmöglich ist es, sich dagegen zu wehren – anders als mit Zöllen. Führen fremde Staaten die Papierwährung ein und vertreiben dadurch das Gold, so kommt dieses Gold, Beschäftigung suchend, hierher geströmt und treibt die Preise hoch, zu einer Zeit, wo sie ohnehin schon zu hoch stehen. Schaffen fremde Länder die Papier- oder Silberwährung ab, um die Goldwährung einzuführen, so strömt das Gold ab, oft zu einer Zeit, wo es sowieso schon daran fehlt. Welche Schwierigkeiten sind nicht durch solche Pfuschereien den verschuldeten deutschen Landwirten entstanden!
Das war übrigens durch Forschungen alles längst klargestellt, Silvio Gesell: »Die Anpassung des Geldes und seiner Verwaltung an die Bedürfnisse des modernen Verkehrs.« Buenos Aires 1897. – Frankfurth-Gesell: »Aktive Währungspolitik.« Berlin 1909. das Freigeld hat aber erst die tatsächliche Bestätigung geliefert. Wir haben doch jetzt Papiergeld, das vom Gold völlig losgelöst ist. Nicht einmal das Versprechen der Goldeinlösung enthält das Freigeld. Trotzdem ist der Wechselkurs aufs Ausland fest, wie nie zuvor. Zuerst lichtete das Währungsamt sein ganzes Streben auf die Befestigung der durchschnittlichen Warenpreise. Es zeigte sich dabei, daß, während die Warenpreise festblieben, der Wechselkurs aufs Ausland abwechselnd stieg und fiel. Das kam daher, daß die Preise im Auslande, wo noch die Goldwährung herrscht, nach alter Weise auf- und abgingen. Im Auslande wollte man diese Erklärung nicht gelten lassen und behauptete, unser Papiergeld wäre daran schuld. Nun hat das Währungsamt dem Auslande den Beweis geben wollen, daß die Schwankungen vom Golde herrühren? es hat die festen Preise im Inlande fahren lassen, um dafür die Befestigung des Wechselkurses anzustreben. Zog der Wechselkurs an, d. h. wurden die aufs Ausland gezogenen Wechsel teurer so ließ das Währungsamt den Geldstand vermindern, ging der Wechselkurs zurück, dann wurde der Geldstand vergrößert. Und da mit dem Freigeld das Geld selbst die Nachfrage nach Waren darstellt, so folgten die Preise der Waren und ebenso der Wechselkurs am Schnürchen. So hat man nun dem Auslande gezeigt, daß ein fester Wechselkurs zusammen mit stetigen Warenpreisen von der Goldwährung unmöglich erwartet werden kann und daß beides sich nur vereinigen läßt, wenn in allen Ländern die Warenpreise festbleiben. Also auf die Befestigung der Inlandwarenpreise muß man überall hinarbeiten, um einen festen Wechselkurs aufs Ausland zu erzielen. Nur eine in allen Ländern nach gleichen Grundsätzen geleitete Inlandwährung kann den festen Wechselkurs im Weltverkehr und zugleich eine nationale Währung herbeiführen. Das scheint man jetzt endlich auch im Auslande begriffen zu haben, und es heißt, daß eine Papierwährungstagung aller Länder einberufen und ein Weltwährungsamt gegründet werden soll.
Irgendwas muß geschehen. Wir wollen Freihandel, festen Wechselkurs aufs Ausland und feste Warenpreise fürs Inland. Durch einseitig nationale Einrichtungen lassen sich diese Wünsche vereint nicht erfüllen; wir müssen uns mit dem ganzen Ausland verständigen. Und das Freigeld scheint mir berufen zu sein, den Boden für eine solche Verständigung zu liefern. Denn das Freigeld ist gehorsam, anpassungsfähig, willig. Man kann damit machen, was man will, kann mit ihm irgend einem Ziele zustreben.
Der Unternehmer.
Absatz, Absatz, das ist es, was wir Unternehmer brauchen, regelmäßigen, gesicherten Absatz, Aufträge auf lange Zeit im voraus, denn auf Regelmäßigkeit des Absatzes der Waren ist die Industrie angewiesen. Wir können doch nicht jeden Augenblick unsere eingearbeiteten Leute entlassen, jedesmal, wenn der Absatz stockt, um kurze Zeit darauf neue, ungeschulte Leute einzustellen. Auch können wir nicht aufs Geratewohl fürs Lager arbeiten, wenn die festen Bestellungen fehlen. Absatz, gesicherten Absatz! Verschaffe man uns nur regelmäßigen Absatz, passende öffentliche Einrichtungen für den Tausch unserer Erzeugnisse – mit den Schwierigkeiten der Technik werden wir dann schon fertig werden. Absatz, Barzahlung, währende Preise – das übrige können wir selbst schaffen.
Das waren unsere Wünsche, als von der Einführung des Freigeldes die Rede war. Und diese Wünsche sind erfüllt worden.
Was ist Absatz? Verkauf. Was ist Verkauf? Tausch der Waren gegen Geld. Woher das Geld? Vom Verkauf der Waren. Also ein Kreislauf!
Wenn nun, wie das mit dem Freigeld der Fall ist, das Geld den Inhaber sozusagen zum Kaufe zwingt und ihn durch den Verlust, den er durch jede Verzögerung des Kaufes erleidet, unausgesetzt an seine Pflichten als Käufer erinnert – so folgt der Kauf dem Verkauf auf dem Fuße, und zwar zu allen Zeiten, unter allen denkbaren Verhältnissen. Wenn jeder so viel kaufen muß, wie er selbst verkauft hat – wie könnte da der Absatz noch stocken? Das Freigeld schließt also den Kreislauf des Geldes.
Wie die Ware das Angebot darstellt, so stellt jetzt das Geld die Nachfrage dar. Die Nachfrage schwebt nicht mehr in der Luft, sie wird nicht mehr wie ein Rohr im Winde von jedem politischen Lufthauch hin- und herbewegt. Die Nachfrage ist keine Willensäußerung der Käufer, der Bankhäuser, der Wucherspieler, sondern das Geld ist jetzt die stoff- und fleischgewordene Nachfrage. Jetzt laufen die Geldbesitzer neben der Nachfrage einher; das Geld führt den Geldbesitzer wie einen Hund an der Leine.
Und es ist nur gerecht und billig, daß es so ist. Denn geht es uns Warenerzeugern oder Warenbesitzern etwa besser? Beherrschen wir das Angebot unserer Erzeugnisse oder werden wir umgekehrt durch deren Natur zum Angebot gezwungen? Befiehlt uns nicht die Natur unserer Waren, der Gestank, der ihnen entströmt, der Raum, den sie beanspruchen, die Feuersgefahr, die Fäulnis, der sie unterworfen sind, der Wechsel des Geschmacks, die Zerbrechlichkeit und tausend andere Umstände, daß wir sie verkaufen, und zwar immer sofort nach ihrem Entstehen? Wenn also das Angebot von Waren so unter einem natürlichen stofflichen Zwang steht, fordert es da nicht die Billigkeit, daß auch die Nachfrage nach Waren, das Angebot von Geld unter Zwang gestellt werde?
Eine mannhafte Tat war es, als man mit dem Freigeld diese Frage bejahte. Bis dahin hatte man immer nur an die Käufer gedacht, jetzt hat man sich darauf besonnen, daß auch die Verkäufer Wünsche haben, und daß alle Wünsche des Käufers nur auf Kosten der Verkäufer erfüllt werden können. Lange genug hat es gedauert, bis man zu dieser so einfachen Erkenntnis gelangte!
Fehlt es jetzt an Absatz, und neigen die Preise nach unten, so sagt man nicht mehr, es sei zu viel gearbeitet worden, wir hätten Überproduktion. Es fehlt an Geld, an Nachfrage, sagt man jetzt. Dann setzt das Reichsgeldamt mehr Geld in Umlauf, und da das Geld jetzt die verkörperte Nachfrage ist, so steigen die Preise auf ihren richtigen Stand. Wir arbeiten und werfen unsere Waren auf den Markt – das Angebot; das Reichswährungsamt prüft das Angebot und wirft eine entsprechende Geldmenge auf den Markt – die Nachfrage. Nachfrage und Angebot sind jetzt Arbeitserzeugnisse. Von willkürlicher Handlung, von Wünschen, Hoffnungen, wechselnden Aussichten, von Wucherspiel ist bei der Nachfrage keine Spur mehr. So groß wir die Nachfrage haben wollen, genau so groß wird sie bestellt und gemacht. Unser Erzeugnis, das Warenangebot ist die Bestellung für die Nachfrage, und das Reichswährungsamt führt die Bestellung aus.
Und der Teufel holt den Leiter des Reichswährungsamtes, wenn er schläft, wenn er seine Pflichten versäumt! Er kann sich nicht mehr, wie unsere Reichsbankverwaltung, hinter der eine unbeschränkte Vollmacht darstellenden, hohlen Phrase der »Verkehrsbedürfnisse« verbergen. Haarscharf sind dem Reichswährungsamt die Pflichten vorgeschrieben worden, haarscharf sind auch die Waffen, womit wir das Amt ausgerüstet haben. Die Mark deutscher Reichswährung war bisher ein unbestimmbares, breiartiges Ding. Jetzt ist die Mark deutscher Reichswährung ein fester Begriff geworden, und für diesen Begriff sind die Reichsbeamten verantwortlich.
Wir sind nicht mehr ein Spielball in den Händen der Geldmänner, der Bankleute, der Glücksritter; wir brauchen nicht mehr in untätiger Gottergebenheit zu warten, bis, wie man zu sagen pflegte, die »Konjunktur« sich besserte. Wir beherrschen jetzt die Nachfrage, denn das Geld, dessen Herstellung und Angebot wir in unserer Macht haben, ist an sich die Nachfrage. Das kann nicht oft genug wiederholt, nicht nachdrücklich genug betont werden. Wir sehen jetzt die Nachfrage, wir können sie greifen und messen, – wie wir auch das Angebot sehen, greifen und messen können. Viel Ware – viel Geld, wenig Ware – wenig Geld. Das ist die Richtlinie des Reichswährungsamtes.
Eine ganz erstaunlich einfache Sache.
Woher es kommt, daß mit Einführung des Freigeldes auch die festen Bestellungen so reichlich einlaufen, daß der Betrieb auf Monate im voraus gesichert ist? Der Kaufmann sagt, der Käufer ziehe jetzt den Besitz von Waren dem des Geldes vor; man warte jetzt mit dem Kauf nicht mehr bis zum unmittelbaren Bedarf, sondern schaffe sich jetzt die Sachen an, wenn gerade das Geld dazu da sei. In jedem Hause befindet sich eine besondere Vorratskammer, und wer zu Weihnachten z. B. Geschenke zu machen hat, der wartet nicht mehr mit dem Kauf bis zum Weihnachtsabend, sondern er kauft dann, wenn er gerade die Gelegenheit hat. Darum werden die Weihnachtssachen jetzt wahrend des ganzen Jahres gekauft, und für meine Puppenfabrik treffen Bestellungen jetzt während des ganzen Jahres ein. Das frühere Hasten und Jagen während der Weihnachtszeit verteilt sich jetzt auf das ganze Jahr. Und so geht es in allen Gewerben. Wer einen Winterrock braucht, wartet nicht bis zum ersten Schneefall; er bestellt ihn, wenn er gerade das Geld dazu liegen hat, auch wenn das Quecksilber an dem Tage 30 Grad im Schatten zeigt. Denn das Geld brennt dem Käufer in der Tasche, wie dem Schneider das Tuch auf Lager brennt. Das Geld läßt dem Inhaber keine Ruhe, es schmerzt und juckt und erinnert ihn unausgesetzt daran, daß der Schneider nichts zu tun hat, daß er froh wäre, wenn man ihm jetzt schon für den kommenden Winter einen Anzug bestellte, – selbst wenn man diesen Anzug mit noch schlechterem Gelde, als das Freigeld ist, zahlte. Denn kein Geld ist so schlecht, daß es nicht noch besser wäre als unverkauftes Tuch.
Infolge dieses eigentümlichen Verhaltens der Käufer ist der größere Teil der kaufmännischen Niederlagen überflüssig geworden; denn wenn die Käufer lange Zeit im voraus sich mit allem versehen und nicht mehr auf unmittelbarer, sofortiger Lieferung bestehen, so hat der Kaufmann nicht mehr nötig, die Waren auf Lager zu nehmen. Er hält ein Musterlager, und jeder bestellt ihm das Gewünschte. Der Kaufmann sammelt so die Bestellungen, und treffen dann die Waren ein, so liefert er sie gleich von der Bahn aus ab. Natürlich verkauft er sie um so billiger.
Dieser Wegfall der Läden, wo man bisher immer alles vor dem unmittelbaren Bedarf kaufen konnte, bewirkt, daß auch die saumseligsten Käufer gezwungen werden, rechtzeitig zu überlegen, was sie an Waren wohl brauchen werden, um sich diese Waren durch Vorausbestellung rechtzeitig zu sichern. Und so haben wir nun durch das Freigeld es endlich erreicht, daß die Abschätzung des Warenbedarfs nicht mehr von den Kaufleuten, sondern von den Käufern selbst vorgenommen wird. Ein ganz gewaltiger Vorteil für alle Beteiligten! Der Kaufmann mußte bisher merkwürdigerweise im voraus den Bedarf der Käufer abschätzen, um seine Bestellungen zu machen. Daß er sich dabei irren konnte, ist klar. Jetzt schätzt der Käufer selbst seinen Bedarf ab, und da jeder schließlich den eigenen Bedarf, sowie die Mittel dazu besser kennt als der Kaufmann, so kommen Irrtümer sicherlich seltener vor.
So ist nun der Kaufmann ein bloßer Musterreiter geworden, und der Fabrikant ist sicher, daß die Aufträge, die ihm vom Kaufmann zugehen, nicht dessen persönliche Ansicht über den Warenbedarf widerspiegeln, sondern den unmittelbaren Bedarf der Verbraucher, den wirklichen Warenbedarf. Er hat jetzt in den Bestellungen ein untrügliches Bild der Wandlungen, die im Geschmack, in den Bedürfnissen des Volkes vorgehen, und er kann sich immer rechtzeitig diesen Wandlungen anpassen. Früher, als die Bestellungen immer nur die persönliche Ansicht der Kaufleute wiedergaben, waren plötzliche Umschläge, war der sogenannte Modenwechsel an der Tagesordnung.
Auch dadurch hilft mir das Freigeld über manche Schwierigkeiten hinweg.
Aber schließlich, wenn die Arbeit des Unternehmers so sehr erleichtert wird, wenn der Unternehmer nur mehr Techniker, nicht mehr Kaufmann zu sein braucht, so wird doch der Unternehmergewinn darunter leiden müssen. An tüchtigen Technikern fehlt es ja nicht, und wenn die kaufmännische Leitung eines gewerblichen Unternehmens so wenig Schwierigkeiten mehr bietet, so wird jeder brauchbare Techniker auch ein brauchbarer Unternehmer. Nach den Gesetzen des Wettbewerbs muß dann aber auch wieder der Unternehmergewinn auf den gleichen Stand des Technikerlohnes herabgehen. Eine unangenehme Nebenerscheinung für so viele Unternehmer, deren Erfolge von ihrer kaufmännischen Begabung herrühren! Mit dem Freigeld ist die schöpferische Kraft auf kaufmännischem Gebiet überflüssig geworden, denn die Schwierigkeiten sind verschwunden, für deren Überwindung die vergleichsweise seltene, aber gerade darum so schwer bezahlte kaufmännische Begabung nötig war.
Wem wird nun der Wegfall des hohen Unternehmergewinnes zugute kommen? Irgendwo muß er zum Vorschein kommen. Entweder in herabgesetzten Warenpreisen oder, was schließlich auf eins hinausläuft, in heraufgesetzten Löhnen. Ein anderes gibt es nicht.
Der Wucherer.
Es war und ist auch heute nicht unehrenhaft, sich einen Regenschirm, ein Buch zu borgen; ja, selbst wenn man diese Gegenstände zurückzugeben vergaß, so wurde es gar so übel nicht genommen, und der Geschädigte suchte selbst nach einer Entschuldigung für den Übeltäter. Eine Buchführung über verborgte Gegenstände bestand in keiner Familie.
Aber wie ganz anders war es früher, wenn jemand Geld »auf Pump« haben wollte, und wenn es auch nur 5 Mark waren! Welch verlegene Gesichter auf beiden Seiten! Wie wenn man dem »Angepumpten« einen Zahn hatte ausziehen wollen, wie wenn man sich schwerer sittlicher Gebrechen bezichtigen müßte! Auf der Geldverlegenheit lastete ein Makel, ein sittlicher Makel, und man mußte schon dicker Freundschaft sicher sein, um in einer Geldverlegenheit sich freimütig an einen Bekannten wenden zu dürfen. Geld! Wie kommt der Mann in Geldverlegenheit? Regenschirme, eine Jagdflinte, selbst ein Reitpferd will ich dir leihen, aber Geld! Wie kommst du in Geldverlegenheit? Du lebst wohl liederlich?
Und doch war es so leicht, in Geldverlegenheit zu geraten! Geschäftsstockung, Arbeitslosigkeit, Zahlungseinstellungen und tausend andere Ursachen brachten jeden, dessen Vermögenslage nicht eben glänzend war, einmal in Verlegenheit. Und wer dann bei solchen Gelegenheiten nicht die nötige Dickfelligkeit besaß und sich keiner Absage aussetzen wollte, der kam zu mir, dem Wucherer, und ich machte mein Geschäft.
Und diese schöne Zeit ist jetzt vorbei. Mit dem Freigeld ist das Geld auf die Rangstufe der Regenschirme herabgesetzt worden, und die Bekannten und Freunde helfen sich jetzt gegenseitig aus, als ob es sich mit dem Gelde um eine ganz gewöhnliche Sache handele. Irgendwie größere Geldvorräte hat niemand und kann auch niemand haben, da ja das Geld unter Zwangsumlauf steht. Aber gerade weil man keine Rücklagen haben kann, braucht man auch keine. Das Geld läuft ja jetzt mit größter Regelmäßigkeit um. Der Kreislauf ist geschlossen.
Tritt jedoch einmal ein unvorhergesehener Geldbedarf ein, so wendet man sich an einen Bekannten, wie man sich an ihn um einen Regenschirm wendet, wenn man von einem Gewitter überrascht wird. Gewitter und Geldverlegenheit stehen sittlich auf gleicher Stufe. Und der Angepumpte entspricht dem Begehren ohne viel Umstände, ohne dabei schmerzlich sein Gesicht zu verziehen. Er tut es sogar gern, weil es erstens auf Gegenseitigkeit beruht, zweitens weil er unmittelbaren Vorteil davon hat. Denn das Geld schrumpft ja in seinem Besitze zusammen, während ihm sein Freund den Betrag ohne Verlust zurückzuzahlen verspricht. Daher das veränderte Benehmen.
Man kann nicht gerade sagen, daß man jetzt leichtsinnig mit dem Gelde umspringe, aber es ist doch lange nicht mehr so spröde wie früher. Man achtet es, ja, hat es doch Arbeit gekostet, es zu verdienen, aber man achtet es doch nicht höher als diese Arbeit, als sich selbst. Ist es doch als Ware nicht besser, als jede andere Ware, ist doch der Besitz des Geldes mit den gleichen Verlusten verknüpft, wie wenn man einen Vorrat an Waren besäße! Die Ware, die Arbeit ist bares Geld – und darum ist es aus, für immer aus mit meinem Geschäft.
Ebenso schlecht wie mir, geht es auch dem Pfandleiher. Jeder, der etwas Geld besitzt, für das er keinen unmittelbaren Gebrauch hat, ist jetzt bereit, Geld auf Pfand herzugeben, und noch obendrein ohne Zins. Ist doch das Geld an sich schlechter geworden als die gewöhnlichen Pfandstücke. Braucht jemand schnell 10 Mark, so hat er nicht nötig, seine Verlegenheit zu verbergen und durch Seitengassen zum Pfandleiher zu Weichen. Beim Nachbarn kehrt er ein und läßt sich auf sein Pfand das Geld vorstrecken. Und jede Ware, die man bei Geldfülle auf Vorrat kaufte, ist so gut, wenn nicht besser, als bares Geld. So ist jetzt Ware Geld, und Geld Ware, aus dem ganz einfachen Grunde, weil beide gleich schlecht sind. Ganz gemeine, vergängliche Dinge in diesem vergänglichen irdischen Jammertal. Alle schlechten, üblen Eigenschaften der Waren haben in dem Verlust, dem das Geld unterliegt, ihren natürlichen Ausgleich, und niemand zieht mehr das Geld den Waren vor.
Aber gerade darum ist auch die Arbeit immer begehrt, und weil sie begehrt ist, hat jeder arbeitsfähige, arbeitswillige Mann in seiner Arbeitskraft bares Geld in der Tasche.
O, es ist aus mit dem Wucher!
Aber ich werde mich nicht so ohne weiteres in mein Schicksal ergeben; ich werde den Staat auf Schadenersatz verklagen. Das Geld war früher, wie auch heute noch, eine staatliche Einrichtung, und ich lebte davon. Ich war also sozusagen ein Staatsbeamter. Nun hat mir der Staat durch Umgestaltung des Geldes, also durch einen gewaltsamen Eingriff, mein Gewerbe verdorben und mich um mein Brot gebracht. Ich habe also Anspruch auf Schadenersatz.
Man hat den Grundrentnern, als diese in Not gerieten, geholfen, indem man durch Kornzölle die sogenannte Not der Landwirtschaft beseitigte; warum soll ich mich nicht auch an den Staat wenden in meiner Not? Ist etwa der Brotwucher besser, ehrenhafter als der Geldwucher? Beide, ich der Jud und du der Graf, sind Wucherer – einer so schmutzig wie der andere. Im Gegenteil, mir scheint es, als ob du noch etwas schmutziger, gieriger wärest als ich. Denn der Brotwucher erzeugt oft erst die Not, die zum Geldwucherei führt. Hat man also die »Not der Brotwucherer« durch Staatshilfe beseitigt und damit den Wucher unter Staatsschutz gestellt, so wird man nicht umhin können, auch den Geldwucherer in seiner Not zu schützen. Denn Wucher bleibt Wucher, ob es sich um Land oder Geld handelt. Was verschlägt es dem Landwirt, ob er bei der Pacht des Bodens, oder aber beim Borgen des Geldes bewuchert wird? Beide, Geldwucherer und Bodenwucherer, nehmen genau so viel, wie sie erlangen können – keiner der beiden schenkt etwas. Haben die Grundrentner ein gesetzliches Recht auf Rente, so haben die Geldrentner ein gesetzliches Recht auf Zins. Aus dieser Klemme wird man sich nicht mit der Redensart retten können, daß zwischen Geld und Boden, Zins und Rente ein Unterschied liege, denn wer hätte mich daran gehindert, durch Umtauschen meines Geldes gegen Land die Not des Wucherers in eine Not der Landwirtschaft umzukehren?
Ich werde also mich einfach auf die Kornzölle berufen, und der Notschrei des Wucherers wird im Rechtsstaat nicht ungehört verhallen!
Der Wucherspieler (Spekulant).
Mit der Einführung von Freiland ist uns schon der Handel mit Baustellen, Bergwerken und Ackerland unmöglich gemacht worden, und jetzt mit dem Freigeld wird mir das Geschäft mit Börsenpapieren und Waren auch noch entrissen. Wo immer ich auch hier den Fuß hinsetze, sinke ich ein. Und das nennt man Fortschritt, ausgleichende Gerechtigkeit? Biederen, harmlosen Bürgern den Erwerb zu untergraben, und noch dazu unter Mitwirkung des Staates, desselben Staates, dem ich so treu gedient habe, wie meine ordengeschmückte Brust, meine Ehrenämter und Ehrentitel es beweisen! Ein Raubstaat, kein Rechtsstaat ist das!
Neulich ließ ich den Zeitungen auf meine Kosten die Drahtmeldung zugehen, daß zwischen zwei südamerikanischen Freistaaten (ich entsinne mich der Namen nicht mehr) ernste Reibereien ausgebrochen seien, und daß man Verwicklungen mit fremden Mächten für möglich halte. Glauben Sie vielleicht, daß die Nachricht Eindruck auf die Börse gemacht hat? Keine Spur! Ich sage Ihnen, die Börse ist unglaublich dickfellig geworden. Hat doch selbst die Nachricht von der Eroberung Karthagos durch die Japaner die Börse nicht aufzuregen vermocht! O, ich sage Ihnen, diese Gleichgültigkeit ist schrecklich anzusehen! Eigentlich ist ja nichts Wunderbares daran, aber es sticht so sehr gegen das frühere Benehmen der Börse ab, daß es schwer ist, sich damit abzufinden.
Mit dem Freigeld hat das Geld aufgehört, die Hoch- und Zwingburg der Geldmänner zu sein, wohin sie sich beim geringsten Alarm zu flüchten pflegten. Bei der geringsten Gefahr »realisierte« Durch nichts wird der ungeheure Wahn, in dem die Menschheit lebt, besser offenbart, als durch diesen in der ganzen Welt gebräuchlichen Ausdruck. Real ist allen nur das Geld. man die Papiere, d. h., man verkaufte sie gegen Geld und glaubte, sich so vor jedem Verluste gesichert zu haben.
Diese Verkäufe waren natürlich mit einem Kursverlust verbunden, der um so größer war, je größeren Umfang die Verkäufe annahmen.
Nach einiger Zeit, wenn ich glaubte, daß nichts mehr zu holen sei, verbreitete ich beruhigende Nachrichten. Die eingeschüchterten Spießbürger wagten sich wieder aus der Burg hervor, und bald trieben sie mit ihrem eigenen Geld die Kurse der Papiere hoch, die sie in überstürzter Eile zu billigen Preisen an meine Helfershelfer verkauft hatten. Das war dann ein Geschäft!
Und jetzt mit diesem unglückseligen Freigeld! Bevor der Spießbürger seine Papierchen verkauft, muß er sich fragen, was er dann mit dem Erlös, mit dem Gelde anfängt. Denn dieses Geld bietet doch keinen Ruhepunkt mehr, man kann es doch nicht mit nach Hause nehmen und einfach warten. Zum reinen Durchgangslager ist das Geld geworden. Also was wird, sagen die Leute, mit dem Erlös der Papiere, die wir gefährdet glauben, die wir verkaufen wollen? Gewiß, wir glauben Ihnen, die Aussichten sind schlecht für unsere Papiere, aber sind denn die Aussichten für das Geld, das Sie uns in Tausch geben, etwa besser? Sagen Sie uns, was sollen wir mit dem Gelde kaufen? Zuerst müssen wir das wissen, dann wollen wir verkaufen. Staatspapiere wollen wir nicht kaufen, denn andere haben sich schon darauf geworfen und den Kurs hochgetrieben. Sollen wir mit Verlust unsere Papiere verkaufen, um dafür andere zu übertriebenen Kursen, also auch mit Verlust, zu kaufen? Verlieren wir schon beim Einkauf der Reichsanleihen, so können wir ebenso gut an unseren Papieren verlieren. Besser also, wir warten mit dem Verkauf ein Weilchen.
So spricht jetzt der Spießbürger, und das ist es, was uns das Geschäft verdirbt. Dies verwünschte Warten! Denn erstens geht durch das Warten der Eindruck unserer Nachrichten verloren, die Betäubung läßt nach, und zweitens treffen in der Regel von anderer Seite beruhigende Nachrichten ein, durch die unsere Alarmmeldungen als arge Übertreibung entlarvt werden, und dann ist es überhaupt vorbei. Denn den ersten Eindruck muß man ausbeuten. Die Bauernfängerei ist recht schwierig geworden.
Und dann stecken ja unsere Betriebsmittel auch in diesem Ludergeld. Das Geld verfault uns ja in der Kasse. Ich muß natürlich mein Geld immer verfügbar halten, um im passenden Augenblick meinen Schlag zu tun. Wenn ich es dann nach einiger Zeit nachzähle, ist schon ein erheblicher Teil angefault. Ein regelmäßiger, sicherer Verlust gegenüber einem unsicheren Gewinn.
Ich hatte zu Anfang des Jahres in barem Gelde 10 Millionen. In der Meinung, es wie früher jeden Tag gebrauchen zu können, ließ ich das Kapital in barem Gelde da liegen. Jetzt sind wir schon Ende Juni angelangt, und es war mir nicht möglich, die Börse zu Verkäufen in größerem Maßstäbe zu bewegen. Und so liegt das Geld noch da, unberührt. Was sage ich, unberührt? 250 000 Mark fehlen schon daran. Ich habe da unwiederbringlich eine große Summe verloren, und die Aussichten für die Zukunft sind nicht besser geworden. Im Gegenteil, je länger der Zustand anhält, um so dickfelliger wird die Börse. Schließlich lehrt ja auch die Erfahrung die Spießbürger, daß, wenn niemand verkauft, auch die Kurse nicht weichen, trotz der trüben Aussichten, und daß Nachrichten und Aussichten allein nicht genügen, um einen Kursrückgang zu begründen. Tatsachen sind dazu nötig.
Wie prächtig war es dagegen früher! Da liegt, als musterhafte Probe für meine Stimmungsberichte, ein Bericht vom Lokal-Anzeiger vom 9. Februar vor mir:
»Ein schwarzer Dienstag! Panischer Schrecken durchzuckte heute unsere Börse auf die Nachricht, daß der Sultan sich eine Magenstörung zugezogen habe. Große Verkaufsaufträge aus den Reihen der Provinzkundschaft trafen mit einem bedeutenden Verkaufsandrang unserer Platzspekulation zusammen, und unter der Wucht dieses Druckes eröffnete der Markt in teilweise demoralisierter und deroutierter Haltung. »Rette sich wer kann« war heute in der Eröffnungsstunde die weit verbreitete Losung!«
Und jetzt? Immer diese ewige, langweilige Frage: »Was mache ich mit dem Gelde; was soll ich kaufen, wenn ich jetzt meine Papiere verkaufe?« Dieses Ludergeld! Wie schön war es mit der Goldwährung! Da fragte niemand: Was fange ich aber mit dem Erlös an? Man verkaufte, auf Geheiß der Börsianer, die schönen Papiere ja gegen Gold, das doch noch viel schöner war; man freute sich, das ausgelegte Geld einmal wieder zu sehen, um es nachzuzählen, um mit den Händen darin zu wühlen. Hatte man Gold, dann war man sicher; am Golde konnte man unmöglich verlieren, weder beim Kauf noch beim Verkauf, das hatte ja, wie die Gelehrten sich ausdrückten, seinen »festen inneren Wert«! Dieses famose Gold mit festem, inneren Wert, dem gegenüber alle übrigen Waren und Papiere auf- und niedergingen, wie das Quecksilber des Barometers. Famoser »innerer Wert« des Goldes! Wie gut ließ sich damit spekulieren!
Jetzt sitzen die vermögenden Leute aus ihren Papieren, als ob sie darauf angenagelt wären, und ehe sie verkaufen, immer die gleiche Frage: »Bitte, sagen Sie mir zuerst, was ich mit dem Ludergeld, dem Erlös meiner Papiere, anfangen soll?« Die alte Börsenherrlichkeit hat jetzt ein Ende, mit dem Golde ist die Sonne am Himmel der Spekulation untergegangen.
Ein Trost bleibt mir jedoch, ich bin im Unglück nicht allein. Auch meinen in Waren arbeitenden Berufsgenossen ist es ähnlich ergangen; auch ihnen hat das Freigeld das Geschäft verdorben. Früher waren die gesamten Warenbestände des Landes bis zum Augenblick des unmittelbaren Verbrauchs immer verkäuflich; sie waren in den Händen der Kaufleute. Kein Mensch dachte daran, über den unmittelbar fühlbaren Hunger hinaus sich Vorräte anzulegen. Man hatte ja Gold mit »festem inneren Wert«, das alle Vorräte ersetzte, an dem man niemals etwas verlieren konnte. Wer Gold vorrätig hatte, der hatte alles, was er brauchte, zu seiner Verfügung. Also wozu Vorräte anlegen, die die Motten fressen?
Aber gerade weil alles, alles immer feilgehalten wurde, konnte man so vortrefflich spekulieren; denn auf der einen Seite, beim Verbraucher, waren nicht für 24 Stunden Vorräte, auf der anderen Seite lagen alle Vorräte bei den Kaufleuten zum Verkauf ausgebreitet. Die Sache war also einfach, man kaufte, was da war, und ließ dann die Nachfrage an sich herantreten. Der Gewinn war meistens sicher.
Und jetzt? Die Waren, die früher in den Läden feilgehalten wurden, sie sind auf Millionen von Vorratskammern verteilt, und wie könnte man diese wieder in den Handel zurückbringen? Und womit diese Vorräte bezahlen? Mit Freigeld? Aber, um sich des Geldes zu entledigen, haben ja die Verbraucher die Vorräte gekauft. Diese Vorräte sind keine Waren mehr, es sind unverkäufliche Güter. Und gelänge es auch dem Spekulanten etwa, die neuerzeugten Waren an sich zu reißen, so würden darum doch die Preise nicht gleich anziehen, denn die Vorräte sind ja da; man lebt nicht mehr wie früher von der Hand in den Mund. Bevor diese Vorräte aufgezehrt sind, hat sich die Nachricht verbreitet, daß die Wucherspieler sich gewisser Bestände bemächtigt haben. So ist dann jeder auf der Hut, und ehe noch die Wucherspieler ihre Waren absetzen konnten, haben die Erzeuger den Ausfall anderweitig gedeckt. Dabei ist noch zu bedenken, daß auch die Betriebsmittel der Warenspekulanten immer in der Geldform flüssig gehalten werden müssen und durch den Kursverlust des Freigeldes zusammenschrumpfen. Zinsverlust, Kursverlust, Lagergelder einerseits und kein Profit anderseits – wer soll das aushalten?
Wie konnte man doch eine Neuerung einführen, die den Staat unmittelbar schädigt? Denn ich, Rockefeller, bin doch der Staat, und mit meinem Freund Morgan vereinigt, bilden wir die Vereinigten Staaten. Wer mich schädigt, schädigt den Staat.
Woher nur der Staat das Geld für die Wohlfahrtseinrichtungen holen wird, ist mir ganz rätselhaft. Der Staat hat da den Ast abgesägt, der die besten Früchte trug. Das Gold hatte nach Aussage unserer Fachmänner und Gelehrten einen »festen inneren Wert«. Das Publikum, das mit Gold Waren eintauschte, konnte niemals etwas verlieren. Denn, nach Aussage der Gelehrten, heißt tauschen so viel wie messen, Wertmaß!? Werttransportmittel, Wertspeicher, Wertstoff, Wertbrei und Weitschwindel! und wie ein Stück Leinwand immer das gleiche Maß ergibt, ob man an dem einen Ende anfängt oder an dem anderen, so muß beim Kauf und Verkauf der Waren immer die gleiche Goldmenge herauskommen. Denn das Gold hat ja, das kann nie scharf genug betont werden, einen »festen inneren Wert«?!? Solange wir also Gold hatten, war das Publikum durch den inneren festen Wert des Goldes vor jedem Betrug geschützt. Wir Spekulanten, die wir uns bereicherten, konnten das also niemals auf Kosten des Publikums tun! Woher unsere Vermögen kamen, weiß ich nicht, aber kommt nicht alles vom Himmel?
Und solche himmlischen Gaben hat man mit Freigeld zunichte gemacht!
Der Sparer.
Das Freigeld wirft alle Vorhersagungen über den Haufen; alles, was seine Gegner von ihm erwartet hatten, erweist sich als falsch. Man hatte gesagt, niemand könne mehr sparen, und der Zins würde, Gott weiß wie hoch, steigen. Das Gegenteil ist eingetreten.
Wenn ich jetzt eine Summe Geld erübrigt habe, so mache ich es genau wie früher – ich bringe sie zur Sparkasse, und die Sparkasse schreibt mir die Summe in mein Buch ein. In dieser Beziehung hat sich nichts geändert. Man sagte, das Geld würde auch im Sparkassenbuch den Umlaufsverlust mitmachen, aber das ist Unsinn. Die Sparkasse schuldet mir so und soviel Mark deutscher Reichswährung, nicht aber die Zettel, die ich ihr lieferte. Und die Mark der Reichswährung steht über den Zetteln, Wenn ich jemandem einen Zentner Kartoffeln für ein Jahr borge, so wird er mir doch nicht dieselben, inzwischen verfaulten Kartoffeln zurückgeben, sondern einen Zentner neue. Ebenso ist es mit der Sparkasse. Ich borge ihr 100 Mark, und sie verpflichtet sich, mir 100 Mark zurückzuerstatten. Und das kann die Sparkasse auch tun, denn auch sie gibt das Geld zu den gleichen Bedingungen wieder aus, und auch die Handwerker und Bauern, die sich in der Sparkasse mit Geld für ihr Gewerbe versehen, behalten das Geld nicht zu Hause. Sie laufen damit das, was sie brauchen, und der Umlaufsverlust verteilt sich auf diese Weise auf sämtliche Personen, durch deren Hände das Geld im Laufe des Jahres gegangen ist.
Also in bezug auf die zurückzuerstattende Summe ist alles beim alten geblieben. Aber ich sehe, daß ich jetzt bedeutend mehr sparen kann, als früher.
Der Sozialdemokrat erklärte die Erscheinung mit einem allgemeinen Rückgang des Mehrwertes, der, mit dem Rückgang des Zinsfußes schritthaltend, das gesamte Kapital (Mietskasernen, Eisenbahnen, Fabriken usw.) betroffen habe. Der Konsumvereinsbeamte erklärte mir, daß mit dem Freigeld die Handelsunkosten merkwürdigerweise von durchschnittlich 40%, auf knapp 10% gefallen seien, so daß ich dadurch allein bei meinen Einkaufen 30% spare. Der Sozialpolitiker wiederum wollte meine größere Sparkraft mit der Beseitigung der Wirtschaftsstörungen erklären. Sie mögen wohl alle drei recht haben. Tatsache ist nun einmal, daß ich statt 100 Mark jetzt 2000 Mark spare und besser lebe als früher. Tatsache ist also, daß das Freigeld das Sparen überhaupt für viele erst möglich gemacht hat.
Wie ging es mir früher mit meinem Sparkassenbuch? Bei jedem politischen Gerüchte stockte der Absatz, fehlte die Arbeit; dann mußte ich zur Sparkasse gehen und Geld abheben. Das warf mich dann immer weit zurück, und manchmal waren Jahre nötig, um die Lücken auszufüllen, die eine Geschäftsstockung in mein Sparkassenbuch gerissen hatte. Die reine Sisyphus-Arbeit! Jetzt habe ich regelmäßige Arbeit, und es kommen keine Rückschläge mehr vor, die mich zwingen, das sauer ersparte Geld wieder von der Sparkasse abzuholen.
Mit erstaunlicher Regelmäßigkeit bringe ich jetzt monatlich meinen Überschuß zur Kasse. Aber wie es mir ergeht, so scheint es allen zu ergehen, denn es herrscht immer ein ganz ungewöhnliches Gedränge an der Kasse. Die Sparkasse hat schon wiederholt den Zinsfuß herabgesetzt, und sie kündigt eine neue Ermäßigung für nächsten Monat an. Sie begründet das damit, daß die Eingänge die Abgänge fortgesetzt übersteigen. Von 4% ist der Zinsfuß in dieser kurzen Zeit seit Einführung des Freigeldes schon auf 3% gefallen, und es heißt, daß bei Einführung unseres Freigeldes im Weltverkehr der Zins auf Null fallen wird! – Und es wird wohl auch so kommen, wenn die jetzigen Verhältnisse andauern.
Denn während die Eingänge an der Sparkasse fortgesetzt zunehmen, gehen die Gesuche um Darlehn zurück, weil die Handwerker, Bauern und Unternehmer aus denselben Gründen, die mir das Sparen erleichtern, jetzt mit den eigenen Überschüssen ihren Wirtschaftsbetrieb erweitern können.
Die Nachfrage nach Leihgeld geht zurück, das Angebot wächst, – natürlich muß da der Zins fallen. Denn der Zins gibt uns das Verhältnis an, in welchem bei Darlehen das Angebot zur Nachfrage steht.
Der Rückgang des Zinsfußes ist ja bedauerlich vom Standpunkt der schon beschriebenen Seiten meines Sparkassenbuches, aber um so erfreulicher ist er vom Standpunkt der unbeschriebenen. Und diese sind bei weitem in der Mehrzahl. Denn Zins, – was ist denn Zins? Wer bezahlt den Zins? Was ich heute spare, das ist das, was mir von meinem Lohn übrigbleibt, nachdem ich in meinen persönlichen Ausgaben meinen Teil entrichtet habe von den Zinsen, die der Staat und die Gemeinde ihren Gläubigern zahlen müssen, und die von den Kapitalisten gefordert werden für die Benutzung der Häuser, Maschinenanlagen, Vorräte, Rohstoffe, Eisenbahnen, Kanäle, Gas- und Wasser-Anlagen usw. Fällt der Zins, so wird alles entsprechend billiger, und ich werde entsprechend größere Summen sparen können. Meinen Verlust an Zinsen auf die schon gesparten Summen werde ich also tausendfach wiedergewinnen durch meine größeren Ersparnisse. Meine Wohnungsmiete beträgt 25% meines Lohnes und besteht zu zwei Dritteln aus Zins für das Baugeld. Geht nun der Zinsfuß von 4 auf 3, 2, 1 oder 0 v. H. zurück, so spare ich dann ¼, ½, ¾ usw. der Wohnungsmiete, oder 4–16% meines Lohnes – allein am Hauszins! Das Häuserkapital macht aber kaum ein Viertel aller Kapitalien aus, deren Zins ich mit meiner Arbeit aufbringen muß. Industrie-, Handels- und landwirtschaftliches Kapital, Staatsschuldenkapital, Verkehrsmittelkapital. Durch den Rückgang des Zinses auf 0 würde ich also 4 x 16 % = 64 % meines Lohnes sparen können. Was geht mich da noch der Zins an?
Von meinem Einkommen von M. 1000 konnte ich jährlich M. 100 sparen. Das machte bei 4% mit Hilfe von Zinseszins in 10 Jahren M. 1236,72.
Seit Wegfall des Zinses stieg mein Lohn auf das Doppelte, und so kann ich statt M. 100 nun M. 1100 sparen. Das macht in 10 Jahren M. 11 000. Hier wird vorausgesetzt, daß die Warenpreise vom Währungsamt auf gleicher Höhe erhalten werden. Die Ersparnis an den Zinsen, die heute die Preise belasten, drückt sich dann nicht in niedrigen Warenpreisen aus, sondern in steigenden Lohnsätzen. Wenn dagegen mit dem Zins auch die Warenpreise fielen, so würden die Löhne auf gleicher Höhe bleiben. Wegen der fallenden Preise könnten dann die Ersparnisse sich mehren. Aber die so gesparte Summe ließe sich nicht unmittelbar mit der früheren Sparsumme vergleichen, da dieser höhere Warenpreise gegenüberstanden.
Also weit entfernt, mir zu schaden, würde mir der völlige Wegfall des Zinses das Sparen ganz außerordentlich erleichtern. Rechne ich, daß ich 20 Jahre lang arbeite und spare, um dann in den Ruhestand zu treten, so würde ich
mit 4 % Zins und Zinseszins.............M. 3024.48
nach Wegfall des Zinses aber...........M. 38000.–
besitzen. Und wenn ich nun von dem ersteren Betrage 4% beziehe, so macht das 120 Mark im Jahre aus. Überschreite ich diese Summe und greife das Vermögen an, so ist bei einer jährlichen Ausgabe von 360 Mark in 10 Jahren das Vermögen erschöpft, während ich mit den M. 38 000 zehn Jahre lang jährlich M. 3800 ausgeben kann.
So erweist sich also die alte Anschauung, daß das Gold und der Zins das Sparen erleichtern, als Schwindel. Der Zins macht das Sparen für die große Mehrzahl unmöglich. Fällt der Zins auf Null, so wird jeder sparen können, während jetzt nur besonders Befähigte oder Entsagungsmutige diese bürgerliche Tugend üben können.
Genau umgekehrt verhält es sich natürlich bei reichen Leuten oder Rentnern, wenn der Zins auf Null fällt. Da ihr Eigentum keine Zinsen mehr einträgt, und da sie gleichzeitig von den durch die Beseitigung des Zinses erhöhten Löhnen keinen Vorteil haben (weil sie selbst ja nicht arbeiten), so müssen sie notgedrungen von ihrem Besitze zehren, bis er aufgezehrt ist. Zwischen Sparer und Rentner liegt eben ein großer Unterschied. Der Arbeiter spart, und der Zins muß von der Arbeit aufgebracht werden. Rentner und Sparer sind keine Berufsgenossen, sondern Gegner.
Um Zinsen von meinen Ersparnissen von M. 3024.48 beziehen zu können, muß ich meinerseits erst M. 34 976.– (also M. 38 000 – M. 3024) Zinsen an die Rentner bezahlen!
Die Rentner mögen den Rückgang des Zinses beklagen; wir Sparer oder sparenden Arbeiter müssen dagegen ein solches Ereignis freudig begrüßen. Wir werden niemals von Renten leben können, wohl aber von unseren Ersparnissen, und zwar mit Behaglichkeit bis an unser Lebensende. Wir werden unsern Erben auch keinen Quellschatz (Kapital) hinterlassen; aber haben wir für unsere Nachkommen nicht genug gesorgt, wenn wir ihnen wirtschaftliche Einrichtungen hinterlassen, die ihnen den vollen Arbeitsertrag sichern? Allein die Freilandreform verdoppelt das Einkommen des Arbeiters, und Freigeld verdoppelt das Einkommen noch einmal. Dadurch allein, daß ich für die Einführung dieser beiden Neuerungen gestimmt habe, erschloß ich meinen Nachkommen einen Schatz, der ihnen so viel einbringt wie ein Kapital, das dreimal meinen früheren Lohn abwirft.
Im übrigen möge man folgendes nicht vergessen: wenn die Sparsamkeit eine Tugend ist, die man vorbehaltlos allen Menschen predigen kann und soll, so muß diese Tugend auch von allen Menschen geübt werden können, ohne daß daraus jemandem ein Schaden erwachse, oder Widersprüche sich in der Volkswirtschaft zeigen.
Nun heißt in der Einzelwirtschaft sparen = viel arbeiten, viele Waren erzeugen und zu Markte tragen, aber nur wenig Waren kaufen. Der Unterschied zwischen dem Erlös der verkauften eigenen Erzeugnisse und dem Betrag der gekauften Waren bildet die Ersparnis, das Geld, das man zur Sparkasse bringt.
Rechne nach, was geschehen muß, wenn jeder für M. 100 Arbeitserzeugnisse auf den Markt wirft, aber nur für M. 90 kauft, also M. 10 zu sparen wünscht. Wie kann man diesen Widerspruch lösen und allen Menschen die Möglichkeit geben, zu sparen?
Jetzt ist die Antwort da, der Widerspruch ist durch das Freigeld gelöst. Das Freigeld bringt den christlichen Satz: tue anderen, was du willst, daß man dir tue, auf seinem Gebiet zur Anwendung. Es sagt: willst du deine Sachen verkaufen, so kaufe auch du deinem Nächsten seine Sachen ab. Hast du für 100 verkauft, so kaufe auch du für 100. Wenn alle so handeln, wird jeder sein volles Erzeugnis verkaufen, jeder wird sparen können. Andernfalls aber nehmen sich die Sparer gegenseitig die Möglichkeit, ihr Vorhaben auszuführen.
Der Genossenschaftler.
Seit Einführung des Freigeldes hat das öffentliche Eintreten für unsere Bestrebungen merkwürdig abgenommen, und fast täglich höre ich von neuen Auflösungen von Einkaufsgenossenschaften. Es ist das wieder eine jener überraschenden Folgen des Freigeldes, an die man wohl ursprünglich gar nicht gedacht hat. Eigentlich ist aber gar nichts Wunderbares an der Sache. Der Verbraucher kauft bar, legt sich Vorratskammern an, kauft die Waren in Posten, in Ursprungspackung. Der Kaufmann braucht nichts mehr zu stunden; er führt keine Bücher und hat auch kein Lager, weil die Waren meistens geradeswegs von der Bahn aus abgeliefert werden.
Natürlich hat durch das Zusammenwirken all dieser Umstände der Handel sich ganz außerordentlich vereinfacht, und während früher nur die tüchtigsten unter den Geschäftsleuten den Gefahren des Borgwesens entgingen und für sich die Vorteile der Stundung genossen; während man früher überhaupt nur die wirtschaftlich tüchtigsten Bürger, fleißige, sparsame, ordnungsliebende, rührige Männer für den Handel gebrauchen konnte, kann jetzt eigentlich auch der einfachst begabte Mensch Handel treiben. Kein Lager, keine Wage, keine Irrtümer, keine Buchführung, keine Abschätzung des Bedarfs. Dabei Barzahlung, bares Geld bei Ablieferung der Ware; keine Wechsel, keine Schecks, kein Humbug, sondern bares Geld! Nicht einmal eine Rechnung wird verlangt. Hier die Kiste, der Sack, hier das Geld; die Sache ist erledigt, vergessen, und nach neuen Geschäften kann der Kaufmann ausschauen.
Eine solche Arbeit kann schließlich jeder Handlanger verrichten, und nach den Gesetzen des Wettbewerbs muß damit auch der Lohn dieser Arbeit auf den Lohn der Handlangerarbeit fallen!
Was soll also noch der Konsumverein? Sein Zweck, die Verminderung der Handelsunkosten, ist mit der Geldreform erledigt. Wen soll noch der Verein vereinen? Unser Verein bestand aus einer Auslese derjenigen Verbraucher, die imstande waren, bar zu bezahlen, und deren Einkäufe gleichzeitig bedeutend genug waren, um den weiten Weg zu unserer Niederlage zu rechtfertigen. Durch die Entwicklung, die der Handel genommen hat, ist aber keine solche Auslese mehr möglich, weil jeder heute als Verbraucher diese Eigenschaften besitzt, weil alle bar zahlen, weil alle ihre Einkäufe postenweise besorgen. Wäre etwa in Afrika ein Verein von Negern, in München ein Verein von Biertrinkern möglich? Aus demselben Grunde hat die Geldreform den Konsumvereinen die Daseinsbedingungen entzogen.
Übrigens geht auch nicht viel mit den Einkaufsgenossenschaften verloren. Als Pflanzstätte gemeinsinniger Gedanken haben sie sich nicht bewährt, weil sie schon als Verein sich in Gegensatz zum übrigen Volke setzten. Früher oder später wären sie auch mit dem natürlichen Gegengewicht, mit dem Verein der Erzeuger in Kampf geraten, und dabei würden in Lehre und Ausübung Fragen aufgeworfen worden sein, die allein mit allgemeiner Gütergemeinschaft, mit der Abschaffung des Eigentums in allen Ländern hätten gelöst werden können. Welchen Preis z. B. wird der Verband deutscher Konsumvereine dem Verbände deutscher Pantoffelfabrikanten bewilligen wollen? Allein die Polizei könnte diese Frage beantworten.
Und konnten wir eigentlich auf unsere Erfolge stolz sein? Mich beschleicht jedesmal eine leise Beschämung, wenn ich überlege, daß wir zwar vielen kleinen und kleinsten selbständigen Menschen das Brot genommen, daß wir aber nicht einen einzigen Börsenspekulanten, Getreidehändler usw. verdrängt haben. Dort aber hätten wir unsere Kraft zeigen sollen – an der Börse!
Wer denkt hier nicht an L. Richters Bild von der Käsehändlerin! Und wer verwünscht nicht eine »gemeinsinnige Gesellschaft«, die ihre Macht nur nach unten, an den Kleinen zeigt? Na lobe ich mir das Freigeld, das zwar auch die Kleinkrämer beseitigt, aber auch in gleichem Maße nach oben, und namentlich an der Börse sich fühlbar macht.
Auch kann man nicht leugnen, daß der Einrichtung im ganzen höchst bedenkliche Triebkräfte der Sittenverderbnis anhaften, denn wo die Verwaltung von öffentlichen bzw. Vereinsgeldern nicht wirksam beaufsichtigt werden kann, da stellt sich leicht mit der Zeit auch der Dieb ein. Und man kann doch nicht erwarten, daß die Vereinsmitglieder jede Rechnung nachprüfen und die Übereinstimmung der Lieferung mit dem Muster untersuchen. Auch Sonderabmachungen können nicht vermieden werden, durch die den Vereinsbeamten zum Schaden des Vereins Vorteile zugewendet werden. Wenn es sich immer nur um Waren ohne Artunterschiede, wie z. B. das Geld, handeln würde, dann wäre die wirksame Beaufsichtigung der Beamten schon leichter, aber wo gibt es neben dem Gelde noch eine Ware, bei der es neben der Menge nicht auch noch auf die Beschaffenheit ankäme?
Also einerseits Gütergemeinschaft, Abschaffung des Eigentums; anderseits Verderbnis der Beamten, das ist es, was wir von einer Verallgemeinerung des Systems zu erwarten gehabt hätten, und darum begrüße ich es als einen Fortschritt, daß wir den Zweck der Konsumvereine, die Verbilligung der Handelsunkosten, mit dem Freigeld erreichen können, einfach durch veränderte Handelsgebräuche. Jetzt werden die Waren wieder den Händen ihrer unmittelbaren Eigentümer übergeben. Ware und Eigentum sind unzertrennlich; die Einschiebung unbeteiligter Personen, die Bestimmung der Preise, der Beschaffenheit usw. durch Mittelspersonen für Rechnung Dritter führt nicht allein zur Bestechung, sondern ist an sich schon ein Verderb des Begriffs Ware, ein Verderb der Preisbestimmung durch Nachfrage und Angebot.
Und ist es nicht merkwürdig, daß das natürliche Ziel des Konsumvereins, der Verein sämtlicher Vereine, einfach durch die Auflösung der Vereine erreicht wurde? Denn der beste Konsumenten-Verein ist immer der offene Markt, wo Eigentümer mit Eigentümer unterhandelt, wo die Güte der Waren von den Beteiligten selbst abgeschätzt wird, wo man nicht an einzelne Niederlagen, Dörfer, Städte gebunden ist, wo die Vereinszahlmarken (das Geld) für das ganze Reich gelten und wo jedes Mißtrauen schwindet, jede Bestechung ausgeschlossen, jede öffentliche Aufsicht überflüssig ist, weil keine Privatpersonen mit Sonderbelangen den Tausch für Rechnung Dritter und Abwesender vermitteln. Vorausgesetzt natürlich, daß der offene Markt die Waren nicht stärker verteuert, als dies die Verwaltung des Konsumvereins tut! Und diese Voraussetzung ist mit der Geldreform erfüllt worden. Der Handel ist durch das Freigeld derart beschleunigt, gesichert und verbilligt worden, daß der Handelsgewinn vom gemeinen Arbeitslohn nicht mehr zu unterscheiden ist. Also was wollen jetzt noch die Konsumvereine?
Der Gläubiger.
Daß ich nicht gut auf das Freigeld zu sprechen bin, wer kann es mir verdenken; hat mir doch diese Neuerung den Zinsfuß herabgedrückt, droht sie sogar bei Einführung im Weltverkehr den Zins ganz zu beseitigen! Aber ich muß gestehen, sie hat auch für mich Gutes geleistet, mir manche Sorge verscheucht. Ich kann wenigstens wieder schlafen.
Was war früher die »Mark deutscher Reichswährung«, die mir der Staat, die Gemeinden, der Privatmann schuldeten in Form von Staatsschuldscheinen, Wechseln, Pfandforderungen, Schuldverschreibungen? Niemand wußte darüber Auskunft zu geben, und wenn man mich gefragt hätte, ich hätte es auch nicht sagen können.
Der Staat machte aus Gold Geld, solange die Mehrheit im Reichstage damit einverstanden war. Aber er konnte auch eines Tages sagen: wir heben das freie Prägerecht für das Gold auf und erklären das Gold als Geld außer Gebrauch; wie es übrigens mit dem Silber geschah, und wie man es jetzt bei Einführung des Freigeldes getan hat. Man hat sich bei beiden Neuerungen zu der Ansicht bekannt, daß der Taler kein Häufchen Silber und die Mark kein Körnchen Gold war, sondern Geld, und daß bei Aufhebung des Prägerechtes der Staat die Inhaber und Gläubiger des Geldes vor Schaden zu bewahren hat.
Der Staat hätte auch anders handeln können; er braucht für seine Zwecke das Gold nicht, er übernimmt es nur, um die Münzen einzuschmelzen und dann meistbietend für gewerbliche Zwecke zu verkaufen. Und dieser Verkauf, trotzdem er sehr vorsichtig betrieben wird, bringt dem Staat bedeutend weniger Papiergeld ein, als er selbst dafür gegeben hat. Jedoch liegt nicht hierin die Bedeutung der Sache, sondern in der Anerkennung, daß auch unsere Geldforderungen (Staatsanleihen, Grundschulden, Schuldverschreibungen, Wechsel usw.), die die baren Metallbestände vielleicht 100 mal übersteigen, und von denen manche erst in 100 Jahren fällig sind, auch in Papiergeld bezahlt werden sollen, und zwar auf Heller und Pfennig, eine Mark in Freigeld für eine Mark in Gold.
Ich bin also in dieser Beziehung völlig sichergestellt. Ich weiß jetzt, was eine Mark d. R.-W. ist, daß ich das, was ich in Waren für eine Mark gegeben, auch immer in Waren dafür erhalten soll, heute, morgen, immer. Ich erhalte weniger Zins als früher, und vielleicht erhalte ich mit der Zeit gar keinen Zins mehr, aber mein Eigentum ist mir wenigstens sichergestellt. Was nützen die Zinsen, wenn das Kapital immer auf dem Spiele steht? Wie gingen doch mit den Preisen der Waren auch die Kurse der Industriepapiere auf und ab, und allgemein anerkannt war der Satz, daß es schwerer hielt, ein Vermögen zu erhalten, als ein Vermögen zu erwerben. Die großen Vermögen der Wucherspieler setzten sich aus den Trümmern der Vermögen anderer zusammen. Und von den Goldfunden, von der Möglichkeit großer Goldfunde wollen wir gar nicht reden. Die Wissenschaft konnte jeden Tag der Herkunft des Goldes auf der Erdoberfläche auf die Spur kommen und dann diese Spur verfolgen. Auch wurde von der Einheit des Stoffes gesprochen, und man versicherte, daß das Gold nur eine besondere Form dieses Stoffes sei. Man mußte also darauf gefaßt sein, daß man eines schönen Tages jeden beliebigen Stoff in Gold »umformen« würde. Eine heikle Geschichte! »Neunzig Tage von heute ab zahlen Sie an meine Order die Summe von tausend Mark d. R.-W.«, so lauteten die Wechsel in meiner Mappe. »Warten Sie«, sagt nun der Schuldner, »hier ist etwas Asche im Ofen, ich will Ihnen die M. 1000 d. R.-W. gleich anfertigen. Ich brauche hier nur auf den Knopf zu drücken. Hier, sehen Sie, hier sind die M. 1000 in Gold, es ist sogar etwas mehr geworden!«
Und dabei unsere Gesetze, die für ähnliche Fälle nichts vorgesehen hatten und eine in Zukunft vielleicht notwendig werdende neue Begriffsbestimmung für die »Mark d. R.-W.« dem Ermessen der Volksvertretung überließen, einer Vertretung, die vielleicht in der Mehrheit aus unseren Schuldnern bestehen könnte. Diese Verhältnisse finden sich eingehend behandelt in meiner Schrift: Das Monopol bei schweizerischen Nationalbank. Bern 1901.
Noch gefährlicher erschien mir meine Lage als Gläubiger, wenn ich an die Möglichkeit dachte, daß andere Staaten die Goldwährung abschaffen könnten, während unser Staat die freie Prägung aufrechterhielte. Denken wir uns nur den Fall, die Vereinigten Staaten hätten die widerspruchsvolle Frage, ob Silber oder Gold zum Ausmünzen nach den Gesetzen zugelassen werden soll, in dem Sinne entschieden, daß, um unparteiisch den Gläubigern und Schuldnern gegenüber zu bleiben, beide Metalle entmünzt werden müßten, falls sie beide miteinander sich nicht vertragen konnten. Dies wäre sicherlich das Vernünftigste gewesen, um die Widersprüche in den Währungsgesetzen der Vereinigten Staaten zu beseitigen und um das Gesetz vor dem Vorwurf der Parteilichkeit zu schützen. Aber wohin hätte das geführt? Die in Amerika nutzlos gewordenen Goldmassen würden sich über Deutschland ergossen und hier alle Preise in die Höhe getrieben haben, vielleicht um 50 %, möglicherweise auch um 100 und 200 %, so daß ich an meinem Kapital durch die allgemeine Preissteigerung einen größeren Verlust erlitten hätte, als ich jetzt durch den Rückgang des Zinsfußes erleide.
Es war also eine gefährliche Kapitalanlage, die Anlage in Papieren, die in Mark d. R.-W. zahlbar waren. Doch jetzt ist alle Gefahr vorüber. Ob die Vereinigten Staaten zur Papierwährung oder Doppelwährung übergehen, ob die Bank von England ihre Goldbestände in Umlauf setzt, ob Japan und Rußland die Goldwährung aufrecht erhalten, was ficht uns das an? Ob viel, ob wenig Gold »gefunden« wird, es wird dafür kein Pfennig mehr, kein Pfennig weniger Geld in Umlauf gesetzt; ob das vorhandene Gold angeboten wird oder nicht, was kann das der deutschen Währung noch verschlagen? Unter allen Umständen erhalte ich für eine Mark d. R.-W. an Waren soviel, wie ich selbst dafür gab, denn so ist der Begriff »Mark d. R.-W.« jetzt gesetzlich und wissenschaftlich bestimmt worden. Und wenn die Volksvertretung schließlich auch in ihrer Mehrheit aus Schuldnern bestünde, die einen persönlichen Vorteil davon hätten, die Mark zu verkleinern, sie könnten ihren Gelüsten nicht ohne offenen Treubruch und ohne Diebstahl frönen. »Hier ist der Durchschnittspreis aller Waren, ein fester unveränderlicher Maßstab für das Geld. Nun habt ihr die Mark verkleinert, jedermann sieht's und kann es nachmessen. Ihr tatet das zu eurem persönlichen Vorteil, um weniger zurückzugeben, als ihr schuldet! Diebe seid ihr, Diebe, Diebe!«
Aber bei hellichtem Tage, vor jedermanns Auge stehlen, das tut man nicht. Im trüben, heißt es, ist gut fischen! Trüb war die Währung früher, ein Goldland für Diebe; jetzt ist das Wasser geklärt und für jedermann durchsichtig.
Der Schuldner.
Man mußte schon der Familie der Dickhäuter entstammen, wenn man sich nicht beleidigt fühlen sollte durch die Schimpfnamen, womit wir Agrarier Agrarier = der verschuldete Grundbesitzer, der sich der Schulden auf gesetzlichem Wege entledigen will. im Reichstage, in den Zeitungen und im gewöhnlichen Leben betitelt wurden: Brotwucherei, Spitzbuben, Bettler!
Daß die Arbeiter über uns herfielen, weil wir ihnen das Brot verteuerten, läßt sich begreifen. Ihnen gegenüber spielten wir die Rolle der Angreifer; sie hatten uns nichts getan, was unseren Angriff auf ihre an sich schon magere Kasse rechtfertigte. Daß aber auch die anderen Parteien, die uns durch so manches Gesetz schwer geschädigt hatten, um sich selbst zu bereichern, in das Lied der Arbeiter einstimmten, das finde ich einfach lächerlich. Das beweist, daß diese Parteien überhaupt noch nicht wissen, was Politik ist. Politik ist Macht, und wer die Macht hat, macht die Politik und beutet sie aus zu seinen Gunsten. Früher hatten die liberalen Parteien die Macht und beuteten sie aus; jetzt ist die Reihe an uns. Also wozu die Schimpfnamen; sie fallen ja auf alle zurück, die jemals die Macht gehabt haben und die sie in Zukunft haben werden.
Dabei waren die Liberalen entschieden die Angreifer in diesem Streite. Sie griffen uns mit der Goldwährung an; wir suchten die Doppelwährung wieder herzustellen, um uns zu verteidigen. Als uns das nicht gelang, nahmen wir Zuflucht zu den Zöllen. Warum hatte man uns die Doppelwährung genommen, auf die unsere Grundschuldurkunden lauteten; warum zwang man uns, mehr zurückzuzahlen, als wir erhalten hatten? Warum fälschte man Sinn und Inhalt unserer Schuldurkunden, indem man uns die Wahl zwischen Gold und Silber nahm? Warum nahm man uns zugunsten unserer Gläubiger die Möglichkeit, unsere Schulden mit dem billigeren von zwei Metallen zu bezahlen? Ob ich nach freier Wahl meine Schuld mit 1000 Kilo Kartoffeln oder mit 100 Kilo Baumwolle zahlen kann, oder ob ich dagegen nur mit Kartoffeln zahlen muß, ist doch durchaus nicht gleichgültig. Ohne irgendeine Entschädigung hatte man uns die Gewinnmöglichkeiten dieser Vertragsbestimmung genommen. Nach freier Wahl hätte ich sonst mit 160 Pfd. Silber oder mit 10 Pfund Gold bezahlen können, und mit dem billigsten der beiden Stoffe hätte ich natürlich bezahlt, wie man auch mir mit dem damals billigsten der beiden Stoffe das Darlehn auszahlte. Wieviel diese Gewinnmöglichkeiten bedeuteten, das sahen wir nachher am Preisstand des Silbers im Vergleich zum Gold. Um 50 % war das Gold im Vergleich zum Silber teurer geworden: statt 100 000 Mark betrugen meine Schulden 200 000 Mark – nicht nach dem Nennwert, sondern, was viel schlimmer ist, der Wirkung nach. Doppelt soviel meiner Erzeugnisse mußte ich jährlich aufbringen für die Verzinsung meiner Schuld. Statt 50 Tonnen Weizen mußte ich der Darlehnsbank jährlich 100 Tonnen fronen. Wären wir bei der Silberwährung geblieben, so hätte ich die 50 Tonnen, die ich an Zins mehr zahlen mußte, für die Schuldentilgung verwenden können, und ich wäre jetzt schuldenfrei.
Ist nun eine solche Behandlung der Schuldner, die die Liberalen guthießen, kein unerhörter Betrug?
Wenn nicht alle Schuldner wie ein Mann sich dagegen verwahrten, wenn der Widerspruch auf die Agrarier und sonstigen Pfandschuldner beschränkt blieb, so ist das damit zu erklären, daß die meisten anderen Schuldner, die Gelder ohne Sachdeckung aufgenommen hatten, in dem bald nach Einführung der Goldwährung eingetretenen großen Krach durch Zahlungseinstellung sich ihrer Schulden entledigten und darum an der Sache nicht mehr beteiligt waren.
Als wir dann, unter Berufung auf den Umstand, daß der Weizenpreis unter der Goldwährung von M. 265 auf M. 140 heruntergegangen war, die Wiedereinführung der Silberwährung forderten, weil wir für unsere Pfandbriefe ja Silber und kein Gold erhalten hatten, da lachte man uns aus und fügte, wir verständen nichts von der Währung, von den Bedürfnissen des Handels. Die Goldwährung hätte sich vortrefflich bewährt (Beweis: der große Krach und der Rückgang der Preise!) und man dürfe nachträglich nichts mehr daran ändern, sonst wäre Gefahr, daß das ganze Wirtschaftsgebäude einstürzen könnte und daß die Eigentumsbegriffe gänzlich verwilderten. Wenn es uns wirtschaftlich schlecht ginge, trotz den Segnungen der Goldwährung, so läge das an unserer rückständigen Betriebsweise; wir sollten die neuen Maschinen versuchen, mit Kunstdünger arbeiten, Handelsgewächse bauen, um so mit geringeren Kosten mehr Erträge zu gewinnen und trotz niedrigerer Preise bestehen zu können. Wir wären im Irrtum; der »Wert« des Goldes wäre fest, nur der »Wert« der Waren wäre gefallen infolge verminderter Erzeugungskosten! Denn das Gold habe einen »festen, inneren Wert«, und alle Preisschwankungen kämen von den Waren her!
Wir suchten die guten Ratschläge auszuführen und mit geringeren Erzeugungskosten zu arbeiten. Auch der Staat half uns mit billigen Bahnfrachten und niedrigen Fahrpreisen für die polnischen Arbeiter. Und wir erzielten auch tatsächlich mit gleicher Arbeit größere Ernten. Aber was half das, wenn mit den größeren Ernten die Preise fielen, von M. 265 auf M. 140, wenn wir für die größeren Ernten weniger Geld lösten? Geld brauchten wir, Geld forderten unsere Gläubiger; keine Kartoffeln und Zuckerrüben! Sie bestanden auf ihrem, gesetzlich zu ihren Gunsten gefälschtem Schein und forderten Gold!
Geld, mehr Geld, billiges Geld, dazu hätte uns die Silberwährung verholfen, aber da man uns diese versagte, so suchten wir nach anderen Mitteln, um aus unseren Erzeugnissen mehr Geld herauszuschlagen. Und so verfielen wir auf die Zölle.
Hätte man uns die Silberwährung gelassen, so wären die Zölle nicht nötig gewesen, und die ganze Verantwortung für die Zölle wälzen wir darum von uns ab auf die, die uns Brotwucherer, Bettler, Diebe nannten; auf die, die uns mit der Goldwährung bestohlen haben.
Diese ganze häßliche und schmutzige Geschichte, die soviel böses Blut gemacht und so volksverhetzend gewirkt hat, wäre vermieden worden, wenn man sich die Mühe gegeben hätte, bei der Münzneuerung den Begriff Taler oder Mark gesetzlich festzulegen, wenn man die Fälle aufgezeichnet hätte, die den Staat zur Entmünzung des Silbers oder Goldes berechtigen sollten.
Bei der gewaltigen Bedeutung der Sache war es leichtsinnig, liederlich von beiden Seiten, so blindlings den Taler und nachher die Mark als Grundlage ihrer Geschäfte zu benutzen und die Beantwortung der Frage: »Was ist eine Mark d. R.-W.?« zu einer politischen Frage, zu einer Machtfrage zu machen. Doch jetzt weiß ich mich sicher; das Reichswährungsamt wacht, und das Freigeld ermöglicht es ihm, den Gegensatz zwischen Gläubiger und Schuldner gerecht auszugleichen.
Im Versicherungsamt gegen Arbeitslosigkeit.
Seit Einführung des Freigeldes hat die Anmeldung von Arbeitslosen auf einmal aufgehört, und ich und meine Beamten sind überflüssig geworden. Das Geld selbst sucht jetzt die Ware auf, und Ware ist Arbeit. Wer Freigeld hat, sucht es jetzt unter allen Umständen unterzubringen, sei es durch Kauf von Waren, durch neue Unternehmungen oder durch das Verleihen an andere, die es persönlich gebrauchen können. Und zwar (und hierin liegt der Unterschied gegen früher) geschieht dies unter allen Umständen, ohne irgendwelche Rücksicht auf persönliche oder politische Verhältnisse; ja selbst der Rückgang im Zinsfuß, der völlige Wegfall des Zinses und des Gewinnes kann das Angebot des Freigeldes nicht verhindern. Selbst den Fall angenommen, daß die kaufmännische Anschaffung von Waren einen Verlust statt Gewinn brächte, könnte dies das Angebot des Freigeldes nicht verhindern. Es verhält sich mit dem Freigeld jetzt genau wie mit den Waren im allgemeinen; auch diese werden angeboten, selbst wenn der Verkauf Verlust bringt.
Wer in den Besitz von Freigeld gelangt ist, muß es wieder in Umlauf setzen, einerlei, was dabei herauskommt, ob Gewinn, ob Verlust. Das Freigeld befiehlt, es duldet kein Gefängnis, es zerbricht die Ketten. Den Spekulanten, den Bankmann, der das Geld zum Zwecke des Angriffs oder auch nur zur eigenen Verteidigung am Umlauf verhindern will, schlägt es nieder. Mit der Kraft des Sprengstoffes zertrümmert es die Geldkasten, die Gewölbe der Banken, wie auch den Koffer des Stallknechts, um die Freiheit zu erlangen und sich auf den Markt zu stürzen. Daher der Name »Freigeld«. Wer Ware verkauft und Freigeld dafür eingelöst hat, muß dieses Geld wieder in Waren umsetzen. Und Warenumsatz heißt Warenabsatz, und wo Waren abgesetzt werden, da ist Arbeit.
Das Freigeld ist jetzt verkörperte Nachfrage, und Nachfrage ist Absatz, Absatz aber ist Arbeit. Die Geldreform hat uns also eine selbsttätig wirkende Arbeitsversicherung gebracht. Keine behördliche, vom Unternehmertum gespeiste Arbeitsversicherung, sondern die Versicherung, die der Arbeitsteilung von Natur aus anhaftet, weil ja die Arbeit Waren erzeugt und die Waren nur danach streben, sich gegenseitig auszutauschen. Durch das Dazwischentreten des Goldes war der Tausch zwei fremden Gewalten, dem Zins und der Gewinnsucht, abgabepflichtig geworden, Eindringlingen, die den Tausch der Erzeugnisse störten. Zins und Abgabe waren die selbstverständliche Voraussetzung des Tausches der Waren und der Arbeit; konnte beim Tausch kein Zins oder Gewinn herausgeschlagen werden, so stockte der Warenaustausch, weil das Gold die Vermittlung versagte.
Jetzt, mit dem Freigeld, kann von solchen Bedingungen überhaupt keine Rede sein. Wie ein hungriger Löwe umgeht, suchend, wen er verschlinge, so stürzt sich das Freigeld rücksichtslos auf die Ware, und Ware ist Arbeit. Denn ob ich Ware kaufe oder einen Arbeiter unmittelbar beschäftige, bleibt sich gleich. Der Kaufmann, dem ich die Ware abkaufte, wird sein Lager zu ergänzen und sich seines Geldes zu entledigen suchen, indem er dem Unternehmer neue Waren bestellt.
Eine lächerlich einfache Arbeitsversicherung, ein lächerlich einfacher Arbeitsnachweis. Jede Mark, die der Staat in Umlauf setzt, ersetzt ein Arbeitsgesuch; je 1000 solcher Zettel ersetzen ein Arbeitsamt. Wer Ware verkauft und Geld dafür einlöst, kauft selbst oder durch den, dem er das Geld leiht, sofort wieder Ware, so daß also jeder so viel Ware kauft, wie er verkauft, und jeder so viel Ware verkauft, wie er kauft. Es kann also überhaupt kein Überschuß verbleiben. So viel Waren erzeugt werden, so viel werden auch verkauft. Wie soll da noch Absatzstockung, Zuvielerzeugung und Arbeitslosigkeit möglich sein? Alle diese Erscheinungen können doch nur da beobachtet werden, wo man zeitweise oder allgemein und regelmäßig weniger Ware kauft, als man selbst erzeugt.
Es versteht sich wohl von selbst, daß Freigeld dem einzelnen Unternehmer den Absatz der Erzeugnisse nicht gewährleisten kann, sondern nur der Allgemeinheit. Erzeugt jemand schlechte Waren, fordert er zu hohe Preise, arbeitet er darauf los, ohne die Marktbedürfnisse zu befragen, so wird ihm auch das Freigeld die Waren nicht absetzen können. Das Wort »unbegrenzter Absatz«, das hier wiederholt gebraucht wird, gilt für die Gesamtheit; weder Zinsforderungen noch wechselnde Aussichten werden nach Einführung des Freigeldes dem Absatz noch im Wege stehen können. Jeder wird sofort und genau so viel kaufen müssen, wie er selbst verkauft hat, und wenn jeder das tun muß, so kann kein Überschuß bleiben. Hat jemand für sich keinen Warenbedarf, so hört er auf zu arbeiten, oder er verleiht den Geldüberschuß an andere, die mehr Waren kaufen müssen, als sie selbst augenblicklich zu verkaufen haben. Ist der Wettbewerb in einer Ware (Zuckerrüben, Eisen, Tanzunterricht usw.) zu groß, so gehen die Preise dafür herunter. Lohnt sich die Erzeugung zu den herabgesetzten Preisen nicht, so wird jeder wissen, was er zu tun hat.
Wie war es früher? Der Kaufmann mußte für sein Geld Zins zahlen und machte also den Kauf von Waren abhängig von einem Zinsertrag. War es nach Lage der Verhältnisse nicht möglich, den Zins auf den Verkaufspreis der Waren zu schlagen, so ließ er die Erzeugnisse der Arbeiter unberührt und diese feierten dann wegen Mangels an Absatz. Kein Zins = kein Geld; kein Geld = kein Austausch der Waren; kein Tausch = keine Arbeit.
Zins war die selbstverständliche Voraussetzung des Geldumlaufes, von dem wiederum die Arbeit abhängig war. Sogar die Reichsbank hätte ohne Zins kein Geld ausgegeben, selbst dann nicht, wenn allgemein anerkannt worden wäre, daß Geld auf dem Markte fehlte, – obschon sie satzungsgemäß ihre Hauptaufgabe darin zu erblicken hatte, den Geldumlauf den Verkehrsbedürfnissen anzupassen. Auch bei der Reichsbank wurden selbstverständlich die Verkehrsbedürfnisse erst dann berücksichtigt, wenn zuvor die Zinsbedürfnisse des Geldes befriedigt waren. (Ich mache der Reichsbankverwaltung daraus keinen Vorwurf; kein Gott hätte mit ihren stümperhaft zugestutzten Vollmachten Vernünftiges schaffen können).
Heute stellt der Geldumlauf überhaupt keine Bedingungen mehr. Geld = Absatz, – einerlei, was dabei herauskommt. Geld = Warenabsatz = Arbeit = Geld. Der Kreislauf ist unter allen Umständen ein geschlossener.
Der Kaufmann hatte natürlich den Gewinn im Sinne, d. h., der Verkaufspreis mußte den Einstandspreis übersteigen. Das war die natürliche, selbstverständliche, übrigens vollberechtigte Voraussetzung jeder kaufmännischen Betätigung. Dabei war der bezahlte oder gestundete Einstandspreis in jedem Falle eine bekannte, unabänderliche Größe (ausgenommen bei auftragsweise zu besorgenden Verkäufen), während für den Verkaufspreis nur Aussichten, Möglichkeiten, Hoffnungen, kurz Wahrscheinlichkeitsrechnungen vorlagen. Der Verkaufspreis war immer ein Glücksspiel, der ganze Handel eine Spielbank wie Montecarlo. Denn zwischen Kauf und Verkauf liegt Zeit, während deren sich manches auf dem Markte ändern konnte.
Der Kaufmann bedachte vor jedem Kauf die Marktverhältnisse, die Aussichten, die Politik im Innern, die Politik im Ausland. Glaubte er, daß andere dasselbe glaubten, was er glaubte, nämlich, daß allgemein höhere Preise in Aussicht ständen, so beeilte er sich, zu kaufen, um mit möglichst großen Lagervorräten an der erwarteten Preissteigerung beteiligt zu sein. Hatte er sich nicht geirrt, hatte er viele Glaubensgenossen, und kauften darum viele, so mußte schon ganz allein darum und ohne jeden anderen Grund das eintreten, was sie von Gott weiß welchen Umständen erwarteten, nämlich eine allgemeine Preissteigerung. Denn das ist doch klar, wenn jeder an kommende höhere Preise glaubt, so kauft jeder, der einen Geldvorrat besitzt, und wenn alle Geldvorräte zu Käufen verwendet werden, so müssen die Preise steigen.
In diesem Falle hat man den unmittelbaren Beweis, daß der Glaube an und für sich schon selig macht.
Umgekehrt natürlich verhält es sich beim »Glauben« an einen Preissturz. Wenn Müller glaubte, daß die Kaufmannschaft allgemein an kommende niedrigere Preise glaube, so suchte er sich seiner Warenbestände zu entledigen, indem er einerseits den Verkauf zu erzwingen suchte, nötigenfalls durch Preisermäßigung (!), anderseits, indem er nichts bestellte und seine Aufträge auf günstigere Zeiten verlegte. Aber so wie er handelten auch wieder seine »Glaubensgenossen«, und darum, darum ganz allein traf das ein, was sie befürchteten. Ihr Glaube hatte sie betört. Denn unter der Goldwährung geschah immer alles, was man glaubte. Der Glaube regierte unbeschränkt. Der Glaube an kommende hohe oder niedrige Preise genügte vollständig zu seiner sachlichen Begründung!
Vom Glauben, von der Stimmung, vom Wetter hing es ab, ob Geld angeboten wurde oder nicht, ob die Arbeiter feiern mußten, oder ob sie mit Nachtarbeit und Überstunden arbeiten durften. Vom Glauben! Das Angebot der gesamten Geldrücklagen hing vom Glauben ab!
Jetzt, mit dem Freigeld, ist das ganz anders geworden. Das Geld fragt den Besitzer nicht nach seinem Glaubensbekenntnis, nicht nach seiner Stimmung. Das Geld befiehlt einfach, es erteilt die Bestellung selbstherrlich.
Aber gerade darum, weil der Glaube aus dem Handel ausgemerzt wurde, weil Glaube, Hoffnung und Liebe zum Gewinn ganz ohne Einfluß auf den Geldumlauf bleiben, bleibt auch die Nachfrage auf dem Markte stets sich selber gleich und erweisen sich alle kaufmännischen Hoffnungen und Befürchtungen als persönliche Vergnügungen ohne irgendwelchen Einfluß.
Die Nachfrage nach Ware und die Arbeit gehen nicht mehr neben dem Gelde als Willenssache einher, sie sind der Botmäßigkeit der Geldbesitzer nicht mehr unterstellt, sondern das Geld ist die Nachfrage selbst.
Es war früher selbstverständlich und natürlich, daß jeder Arbeiter auf »die Suche nach Geld«, d. h. nach Arbeit ging. Nur ausnahmsweise ging das Geld auf die Suche nach Arbeit. Das Geld ließ die Ware, die Arbeit an sich herankommen. Niemand stieß sich daran, niemand verwahrte sich gegen diese Verletzung der Gesetze der Gleichberechtigung. Jeder gab sich mit diesem Vorrecht des Geldes zufrieden, – wahrscheinlich weil man glaubte, daß dieses Vorrecht mit dem Geldwesen untrennbar verbunden sei. Während der Arbeiter und der Besitzer von Waren durch jeden Aufschub des Verkaufes schweren Schaden erlitten, der mit jedem Tage wuchs, heckte das Geld dem Käufer Zinsen. Also war es natürlich, ganz richtig und selbstverständlich, daß, wenn die Käufer säumten, die Verkäufer sich aufmachten, um die Käufer persönlich zum Kauf zu veranlassen!
Heute ist auch diese Anschauung nicht mehr selbstverständlich. Denn dem Geldbesitzer brennt das Geld in der Tasche ebenso sehr, wie den Arbeiter die Vergänglichkeit seiner Arbeitskraft (die sich nicht aufstapeln läßt) daran mahnt, diese möglichst bald an den Mann zu bringen. Der Geldbesitzer wartet also nicht mehr so ruhig ab, daß ihn der Warenbesitzer (Arbeiter) aufsucht. Er sieht sich um, steht früher auf, geht der Ware auf halbem Wege entgegen.
Und wenn sich zwei gegenseitig suchen, so treffen sie sich eher und sicherer, als wenn nur der eine sucht. Es stände schlecht um die ganze Tierwelt, wenn sich die Weibchen vor den Männchen zu verbergen suchten; wie würde der Unke im Teiche die Unke finden, wenn diese nicht auf seinen Ruf aus dem Schlamme hervorkröche?
Dabei hatte aber früher der Besitzer des Geldes Vorteil davon, sich vor dem Besitzer der Ware zu verbergen, denn durch langes Suchen wurde dieser noch mürber. Mit dem Schlafrock und in Hausschuhen, um sich den Anschein zu geben, daß ihn der Arbeiter oder Warenverkäufer im Schlafe gestört, daß er selbst gar keine Eile habe, so trat der Käufer dem Verkäufer entgegen.
Also das Geld sucht jetzt die Ware unter allen Umständen. Das Geld ist plötzlich hungrig geworden. Die Entfettungskur hat das Geld flink gemacht, seinen Spürsinn geschärft. Es läuft zwar den Waren nicht nach, denn die Ware verkriecht sich nicht, sie kann sich nicht verbergen; beide treffen sich aber auf halbem Wege.
Sucht die Ware das Geld, so sucht jetzt auch das Geld die Ware. Und findet das Geld keine Ware, so wartet es nicht gemächlich ab, bis der Zufall ihm das Gewünschte in den Weg wirft, sondern es geht den Spuren der Ware nach bis zur Quelle, und das ist die Arbeit.
Und so hat das Freigeld anstelle der behördlichen eine selbsttätig wirkende Arbeitslosenversicherung gesetzt. Das Freigeld wurde zum selbsttätigen Arbeitsnachweis; ich und meine 76 000 Beamten wurden arbeitslos aufs Pflaster geworfen. Welche Tücke des Schicksals: die Beamten des Arbeitslosenversicherungsamtes sind nunmehr die einzigen Arbeitslosen im Reiche!
Der Vertreter der Gegenseitigkeitslehre.
Mit der Einführung von Freigeld ist unser ganzes Programm erschöpft und erledigt. Das Ziel, wonach wir tastend strebten, ist erreicht. Was wir mittels verwickelter, unklarer Einrichtungen, durch Warenbanken und Genossenschaften zu erwirken hofften, nämlich einen vollkommenen Güteraustausch, das bringt uns in der denkbar einfachsten Weise das Freigeld. Wie sagte Proudhon: Diehl: Proudhon, S. 43 u. 90.
»In der sozialen Ordnung ist die Gegenseitigkeit die Formel der Gerechtigkeit. Die Gegenseitigkeit ist in der Formel ausgedrückt: Tue anderen, was du willst, daß man dir tue; in der Sprache der politischen Ökonomie ausgedrückt: Tauscht die Produkte gegen andere Produkte, kauft euch eure Produkte gegenseitig ab. Die Organisation der gegenseitigen Beziehungen, das ist die ganze soziale Wissenschaft. Gebt dem sozialen Körper eine vollkommene Zirkulation, d. h. einen exakten und regelmäßigen Tausch der Produkte gegen Produkte, und die menschliche Solidarität ist eingefühlt, die Arbeit organisiert.«
Gewiß, so ist es; Meister Proudhon hat recht, wenigstens soweit es sich um Arbeitserzeugnisse, nicht um den Boden handelt; aber wie hätte man das erreichen können? Das, was Proudhon selbst zur Erreichung dieses vollkommenen Umlaufs vorschlug, war ja ganz unausführbar; sogar im kleinen hätte eine Warenbank, wie sie Proudhon vorschwebte, kaum bestehen können; wie aber die ganze Volkswirtschaft auf diese Weise einrichten?
Übrigens hätten wir uns fragen müssen, warum wir uns nicht die Waren gegenseitig so abkaufen, wie es deren restloser, regelmäßiger Tausch verlangt. Diese Frage hätten wir doch vor allen Dingen beantworten müssen, ehe wir daran gingen, Vorschläge zu machen!
Zwar wußten oder ahnten wir, daß am Metallgeld etwas nicht in Ordnung sei; nicht umsonst nannte Proudhon das Gold »einen Riegel des Marktes, eine Schildwache, die die Tore des Marktes besetzt, und deren Losung ist, niemand durchzulassen«. Mülberger: Proudhon, seine Werke und sein Leben. Aber warum das so war, was eigentlich am Metallgeld falsch war, das wußten wir nicht, das haben wir nie untersucht. Und doch hätten hier unsere Untersuchungen beginnen müssen, wenn wir festen Boden unter den Füßen behalten wollten. Diese Unterlassung führte uns von vornherein auf Abwege. In dem Erheben der Arbeit, bzw. der Ware auf die Rangstufe baren Geldes (d. h. des Goldes) erblickte Proudhon die Lösung der sozialen Frage. Warum aber mußten die Waren im Range »erhöht« werden, was war denn am Gold (damals Geld), was es über die Rangstufe der Arbeit erhob?
Hier, in diesem Gedanken, die Ware auf die Rangstufe des Goldes zu erhöhen, lag der Irrtum Proudhons. Er hätte den Satz umkehren und sagen sollen: Wir wollen, daß Geld und Waren auf gleicher Rangstufe umlaufen sollen, daß das Geld den Waren in keiner Lage und unter keinen Umständen vorgezogen werde, damit so Waren zu Geld, und Geld zu Waren werden. Nun gut, so laßt uns doch
das Geld auf die Rangstufe der Arbeit herabsetzen.
Wir können doch an den Eigenschaften der Waren im allgemeinen nichts ändern, ihnen im allgemeinen nicht die Vorzüge geben, die das Gold als Ware besitzt. Wir können das Dynamit nicht ungefährlich machen, nicht verhindern, daß Glas bricht, Eisen rostet, Pelzwerk von Motten zerfressen wird. Den Waren haften ausnahmslos Mängel an, sie verderben, unterliegen den Angriffen der Zerstörungsmächte der Natur, – nur das Gold ist frei davon. Dabei hat das Gold noch das Vorrecht, Geld zu sein, daß es als Geld überall verkäuflich ist, daß es sich ohne nennenswerte Kosten von einem Ort zum anderen bringen läßt usw. Wie wollen wir da erreichen, daß die Waren dem Gold gleichgestellt werden?
Aber umgekehrt können wir verfahren und sagen: Das Geld ist anpassungsfähig, man kann damit machen, was man will, da es ja unentbehrlich ist. Setzen wir es auf die Rangstufe der Waren herunter, geben wir ihm Eigenschaften, die alle üblen Eigenschaften der Waren im allgemeinen ausgleichen.
Diesen vernünftigen Gedanken hat nun die Geldreform ausgeführt, und die Folgen zeigen zu unserer Freude und Genugtuung, wieviel Wahrheit und richtige Beobachtung doch in den kernigen Aussprüchen Proudhons steckte, wie nahe er an der Lösung der Aufgabe vorbeirannte.
Mit der Geldreform ist das Geld auf die Rangstufe der Ware herabgefetzt worden, und die Folge ist nun auch, daß die Ware dem Geld in jeder Lage, zu allen Zeiten gleichgestellt wird. Kauft euch eure Sachen gegenseitig ab, sagte Proudhon, wenn ihr Absatz und Arbeitsgelegenheit haben wollt. Das geschieht nun. Im Geld ist nun zugleich Nachfrage und Angebot verkörpert, genau wie zur Zeit des Tauschhandels; denn wer damals eine Ware auf den Markt brachte, brachte eine andere Ware heim. Es ging also immer ebensoviel Ware hinaus wie herein. Dadurch nun, daß mit der Geldreform der Gelderlös sich beim Verkauf von Waren sofort wieder in einen Kauf von Waren verwandelt, bewirkt das Angebot einer Ware eine gleich große Nachfrage. Der Verkäufer, der froh ist, das, was er abzugeben hatte, los zu sein, sieht sich durch die Beschaffenheit des Geldes gezwungen, den Erlös seiner Ware unter allen Umständen dem Verkehr wiederzugeben, entweder durch Kauf von Waren für eigenen Bedarf, durch den Bau eines Hauses, durch eine gediegene Erziehung seiner Kinder, durch Veredelung seines Viehstandes usw. usw., oder aber, wenn nichts hiervon ihn reizt, durch Verleihen seines Geldes an andere, die augenblicklichen Bedarf an Waren, aber kein Geld haben. Entweder – oder, andere Auswege, wie etwa das Aufbewahren des Geldes, das Abhängigmachen des Darlehns von einer Zinsvergütung, das Ankaufen von Waren nur für den Fall eines Gewinnes daran, das vorsichtige Verzögern des Kaufs, das berechnende Abwarten besserer Aussichten usw. usw., das alles gibt es jetzt nicht mehr. »Der Bien muß, so heißt es jetzt. Du warst durch die Natur deiner Erzeugnisse gezwungen, sie zu verkaufen; nun bist du durch die Natur des Geldes gezwungen worden, zu kaufen. Schlag auf Schlag, mit Zwangsläufigkeit folgt Kauf auf Verkauf, geht das Geld von Hand zu Hand. Regelmäßig, wie die Erde im Weltraum um die Sonne kreist, so zieht das Geld seine Kreise auf dem Markte, in guten wie in schlechten Zeiten, bei Sieg und Niederlage. Regelmäßig, wie der Arbeiter seine Kraft, sein Erzeugnis anbietet, wie die Ware nach Absatz ausschaut, ebenso regelmäßig erscheint auch die Nachfrage auf dem Markte.
Der Käufer mag sich wohl anfänglich darüber beklagt haben, daß man ihn jetzt sozusagen zwingt, sich seines Geldes zu entledigen; er nannte diesen Zwang eine Beschränkung seiner Freiheit, einen Anschlag auf das Eigentum. Es kommt eben darauf an, für was man das Geld hält. Der Staat erklärt das Geld für eine öffentliche Verkehrseinrichtung, für deren Verwaltung die Erfordernisse des Verkehrs maßgebend sein sollen. Diese bedingen, daß dem Verkauf von Waren ein entsprechender Kauf von Waren auf dem Fuße folge. Da nun der Wunsch, es möge ein jeder aus eigenem Antriebe und zum allgemeinen Besten das Geld immer gleich wieder in Umlauf setzen, erfahrungsgemäß nicht genügt, um Regelmäßigkeit im Geldumlauf zu erzielen, so hat man den unmittelbar mit dem Geld verbundenen sachlichen Umlaufszwang eingefühlt. Das hat geholfen.
Wer übrigens damit nicht einverstanden ist, wer sich die Freiheit nicht nehmen lassen will, mit seinem Eigentum nach Gutdünken und eigenem Ermessen umzuspringen, der kann ja einfach seine eigenen Erzeugnisse, sein unbezweifeltes Eigentum, bei sich zu Hause aufbewahren, um sie erst im Augenblick zu verkaufen, wo er andere Waren braucht. Wenn er lieber Heu, Kalk, Hosen, Tabakspfeifen, kurz, was auch sein Arbeitserzeugnis sein mag, aufbewahrt, als sie im voraus gegen Freigeld zu verlaufen, so kann er es ja tun, niemand hindert ihn daran, niemand wird sich darüber beklagen. Nur, wenn er durch das Geld von der Last seiner eigenen Waren befreit wurde, muß er sich der Pflichten erinnern, die er als Verkäufer und Besitzer von Geld übernommen hat, d. h., er soll auch anderen die Wohltaten des Geldverkehrs zukommen lassen. Der Gütertausch beruht doch auf Gegenseitigkeit.
Das Geld soll kein Ruhepunkt im Warenaustausch sein, sondern einfach ein Durchgangsgut. Der Staat verfertigt das Geld auf seine Kosten, und er übt die Oberaufsicht über dieses Verkehrsmittel nicht, damit es zu anderen, dem Warenaustausch völlig fremden Zwecken mißbraucht werde. Die Unentgeltlichkeit der Benützung des Geldes wäre auch eine Unbilligkeit, weil die Kosten der Instandhaltung aus den allgemeinen Staatseinnahmen bestritten werden müssen, während viele Bürger nur wenig Gebrauch vom Gelde machen (Urwirtschaftler z. B.). Darum erhebt der Staat für die Benützung des Geldes eine Gebühr von 5% im Jahre. So ist nun der Staat sicher, daß das Geld nicht zum Glücksspiel, zur Ausbeutung, als Sparmittel mißbraucht wird. Nur wer jetzt wirklichen Bedarf an Geld, an Tauschmitteln hat, wer Waren erzeugt und diese gegen andere Waren tauschen will, benutzt noch das Geld. Für alle anderen Zwecke ist es zu kostspielig geworden. Namentlich vom Sparmittel ist das Tauschmittel jetzt scharf getrennt worden.
Es ist eine billige Forderung, die die Geldreform an denjenigen stellt, der seine Waren verkauft hat: kaufe jetzt, damit auch andere die ihrigen los werden. Aber nicht allein billig ist diese Forderung, sondern auch klug. Damit man andere Waren kaufen kann, muß man seine eigenen verkaufen. Kauft also, so könnt ihr alle eure Erzeugnisse verkaufen. Will ich als Käufer Herr sein, so bin ich natürlich als Verkäufer Knecht. Ohne Kauf kein Verkauf, und ohne Verkauf kein Kauf.
Kauf und Verkauf zusammen bilden den Güteraustausch; sie gehören infolgedessen auch unmittelbar zusammen. Durch das Metallgeld waren Kauf und Verkauf oft zeitlich von einander getrennt, durch das Freigeld fallen sie zeitlich und regelmäßig wieder zusammen. Das Metallgeld trennte die Waren, indem es zwischen Kauf und Verkauf die Zeit, das berechnende Abwarten, Gewinnsucht und tausend, dem Tausche fremde Triebkräfte schob; das Freigeld vereinigt dagegen die Waren, indem es den Kauf dicht auf den Verkauf folgen und fremden Elementen keine Zeit und keinen Raum läßt. Das Metallgeld war, nach Proudhons mehrerwähntem Ausspruch, ein Riegel für den Markt; das Freigeld dagegen ist der Schlüssel.
Der Zinstheoretiker.
Das Freigeld bringt mich um mein ganzes geistiges Kapital. Meine schönsten Theorien werden durch diese wahrhaft verwünschte Neuerung zum alten Eisen geworfen. Hat doch der Zins, der sich seit geschichtlichen Zeiten immer auf gleicher Höhe erhielt, ohne alle Rücksicht auf meine Theorien den Weg auf Null eingeschlagen. Und die zinsfreien Darlehen, die uns immer als unerfüllbare Träumereien erschienen, werden jetzt als durchaus möglich, ja als wahrscheinlich betrachtet. Zinsfreie Darlehen! Das Ende des Kapitals! Geld, Maschinen, Häuser, Fabriken, Waren, Rohstoffe kein Kapital mehr! Ich muß gestehen, es flimmert mir vor den Augen!
Die so einleuchtende »Nutzungstheorie«, die bestechende »Fruktifikationstheorie«, die aufwieglerische »Ausbeutungstheorie«, die etwas spießbürgerliche, aber sehr beliebte »Enthaltsamkeitstheorie«, Diese Benennungen entlehne ich dem Buch von v. Boehm-Bawerk: Der Kapitalzins in geschichtlicher Darstellung. – Hierzu kommt neuerdings die »Ungeduld (impatience) theorie« von Irving Fisher. und wie ich sie alle benannt hatte, alle, alle gehen mit Freigeld in die Brüche!
Es war doch so einleuchtend, so natürlich, so selbstverständlich sogar, daß der Verleiher eines Arbeitsmittels sich für diese »Leistung« einen Zins ausbedingen konnte. Und doch sinkt der Zinsfuß, er sinkt, sinkt bis auf Null! Und die Kapitalisten (wenn man sie überhaupt noch so nennen kann) äußern sogar Zeichen der Freude, wenn sie jemanden finden, der ihnen das Geld abnimmt, unter der einzigen Bedingung einfacher Wiedererstattung der vollen Summe. Sie sagen, der Wettbewerb habe zugenommen und es sei für sie doch vorteilhafter, ihr Geld zu verleihen, als es zu Hause auf Vorrat für künftigen Bedarf aufzubewahren. Denn zu Hause ginge ja jährlich ein Teil des Geldes durch Kursverlust verloren. Viel besser wäre es, das Geld zu verleihen, wenn auch ohne Zins, gegen Pfand und Wechsel, die man ja gegen Bargeld wieder verkaufen oder diskontieren kann, wenn man Bargeld gebraucht. Man hat auf diese Weise zwar keinen Zins, aber man hat auch keinen Verlust am Umlaufswert des Geldes.
Zinsfreie Darlehen wären also jetzt nicht allein vorteilhaft für den Nehmer, sondern auch für den Geber. Wer hätte das jemals gedacht! Und doch ist es so. Was soll auch der Sparer machen? Man spart für künftige Zeiten, fürs Alter, für eine Reise nach Jerusalem, für Zeiten der Not, für die Hochzeit, für den Krankheitsfall, für die Kinder usw. Aber was macht man mit dem Gesparten in der Zwischenzeit, bis man es braucht?
Kauft man Tuch, Lebensmittel, Holz usw. auf Vorrat, so steht man sich nicht besser, als wenn man Freigeld aufbewahrt; denn alles das fault, rostet, verdirbt. Man denkt hier vielleicht an Gold und Edelsteine, die sich unbegrenzt und unversehrt aufbewahren lassen, aber wohin würde es führen, wenn solche Verwendung der Ersparnisse allgemein geübt würde? Wie hoch würde der Preis dieser Dinge in guten Jahren steigen, wenn jedermann Ersparnisse macht; wie tief würde dieser Preis sinken, wenn etwa bei Fehlernten und Krieg die Ersparnisse (also Gold und Edelsteine) in Menge zu Markte getragen würden? Die Edelsteine, sagt man, sind das, was man zuletzt kauft und zuerst verkauft. Den Versuch würde man nicht oft wiederholen; diese Ersparnisform würde kläglich versagen.
Dann ist es doch wahrhaftig viel besser, man legt seine Ersparnisse in Privat- und Staatsschuldscheinen, Wechseln usw. an, die, wenn sie auch keine Zinsen abwerfen, doch alle Tage und ohne Verlust wieder in Bargeld umgesetzt werden können.
Aber, wird man fragen, warum da nicht lieber Häuser, Industriepapiere kaufen? Aber das ist ja eben das Seltsame, daß man auch Häuser kauft, obschon sie ebenfalls keinen Kapitalzins mehr abwerfen; daß man auch Häuser baut, obschon man keinen Zins erwartet. Man kauft und baut Häuser und begnügt sich mit den jährlichen Abschreibungen am Baukonto, die die Mieter im Mietzins zahlen. Oft steht man sich so noch besser, als wenn man Staatspapiere kauft, denn man hat eine regelmäßige, mit dem Zerfall des Hauses (der Fabrik, Maschinenanlage, Schiffe, usw.) schritthaltende Einnahme und behält dabei noch ein Pfand des Eigentums in Händen. Darum wird, trotzdem der Mietzins nur mehr die Deckung für Instandhaltungen und Abschreibungen, Steuern und Feuerversicherung liefert, viel gebaut, und die Häuser werden als gute Sparanlage betrachtet!
Ich gestehe, der Boden wankt mir unter den Füßen; ich kann es kaum fassen, daß jemand ein Haus zum Vermieten baut, trotzdem er selbst nur Abschreibungen, aber keinen Kapitalzins als Miete erwartet. Es galt doch allgemein als wissenschaftlich erwiesen, daß das Geld nur darum Zins abwürfe, weil die Produktionsmittel Zins abwarfen, daß die zinswerbende Kraft des Geldes im Grunde eine übertragene oder erborgte sei. Und jetzt scheint es, daß es sich umgekehrt verhielt, denn wie hätte sonst eine Reform des Geldes überhaupt den Zins beeinflussen können?
Eigentlich war es ja mehr als leichtfertig, zu sagen: das Geld wirft Zins ab, weil man mit dem Geld Arbeitsmittel kaufen kann, die Zins abwerfen; denn hier fehlt ja die Erklärung, warum man Arbeitsmittel, die Zins abwerfen, gegen Geld verkauft, das man für unfruchtbar erklärt? Gibt denn ein Ochse Milch, wenn man ihn gegen eine Kuh tauscht?
Leere Worte haben hier offenbar die Stelle der Begriffe eingenommen. Es ist barer Unsinn, von übertragenen und erborgten Eigenschaften zu sprechen; solche Übertragung von Eigenschaften und Kräften ist ebenso unmöglich in der Volkswirtschaft wie in der Chemie. Wenn das Geld an sich nicht die Kraft hatte, Zinsen zu erheben, woher kamen dann die Einnahmen aus dem Banknotenmonopol?
Wenn das Geld aus eigener Kraft keinen Zins erheben konnte, dann waren zinszeugende Arbeitsmittel und unfruchtbares Geld einfach nicht miteinander meßbare Größen, Dinge, die keinen Vergleich zuließen und also nicht tauschfähig gewesen wären. Es gibt ja manches, was mit Geld nicht zu kaufen ist.
Und welchen Preis zahlte man für einen Acker, der 1000 Mark Rente abwarf? Man rechnete, daß 100 Mark 5 Mark Zins einbringen, und der Preis des Ackers war dann so oft mal 100, wie 5 in 1000 geht. Woher kam nun der Satz von 5 vom Hundert? – Hier ist der Haken!
Von übertragener Kraft kann also keine Rede sein; die zinszeugende Kraft mußte dem Gelde als Eigenschaft anhaften. Aber wo war diese Eigenschaft des Metallgeldes verborgen? Früher wäre es schwer gewesen, diese Eigenschaft zu entdecken; jetzt mit dem Freigeld als Vergleichsgegenstand muß dies leicht sein, denn da mit dem Freigeld das Geld die zinszeugende Eigenschaft offenbar verloren hat, so brauchen wir nur einfach dort zu suchen, wo beide Geldarten voneinander abweichen, um auch die Quelle des Zinses festzustellen. Das Freigeld weicht aber vom früheren Metallgeld darin ab, daß es einem ihm anhaftenden Angebotszwang unterliegt, während das frühere Geld in dieser Beziehung völlig unabhängig war.
Hier also, in der unbeschränkten Freiheit des Metallgeldbesitzers, sein Eigentum nach Belieben und Gutdünken anbieten zu können, in der Willkür der Kapitalisten und Sparer, die das Geldangebot beherrschten, hier müssen wir die Stelle finden, wohinein der Zins seine Wurzeln senkte.
Und fürwahr – lange brauchen wir nicht zu suchen!
Das Geld ist anerkanntermaßen für den Austausch der Erzeugnisse der Arbeitsteilung, für den Handel, unentbehrlich. Was machen nun die Verfertiger der Waren, wenn sie diese nicht gegen Geld verkaufen können? Legt sich der Zimmermann selbst in seine Särge, ißt der Bauer die Kartoffeln etwa alle selbst? Nichts davon; sie suchen durch Preisermäßigung den Verkauf möglich zu machen, das Geld durch Nachgiebigkeit in ihren Forderungen heranzulocken. Jeder Verfertiger oder Besitzer von Waren muß seine Waren verkaufen, und um den Verkauf zu ermöglichen, sind alle ohne Ausnahme bereit, etwas vom Preis abzulassen.
Auch dies ist unbestreitbar. Wenn nun die Kapitalisten und Sparer das Geld dem Verkehr entzogen haben, und es dem Handel, dem Warenaustausch nur gegen Zinszahlung zurückgeben, so finden sie ja in der Bereitwilligkeit der Warenbesitzer, etwas von ihrem Erzeugnis für die Benutzung des Geldes abzutreten, den Boden für die Erhebung des Zinses vorbereitet. »Ihr braucht Geld, um eure Sachen gegenseitig auszutauschen; hier in unseren eisernen Schränken ist es eingeschlossen. Wollt ihr uns etwas für seine Benutzung zahlen, wollt ihr uns Zins zahlen, so könnt ihr es bekommen, zu 4% im Jahre, sonst schließen wir es ab, und ihr könnt sehen, wie ihr dann auskommt. Zins ist unsere Bedingung. Überlegt euch die Sache; wir können warten, wir sind nicht durch die Natur unseres Geldes gezwungen, es herzugeben.«
Die Sache ist klar. Es hängt von den Geldbesitzern ab, ob sich der Handel mit oder ohne Geld behelfen muß; gleichzeitig macht man den Gebrauch des Geldes unvermeidlich, indem der Staat die Steuern in Geld erhebt; also können die Geldbesitzer einen Zins jederzeit erpressen. Es verhält sich hier genau wie mit einer Brücke über einen Fluß, die den Markt in der Mitte durchschneidet und von einem Zöllner bewacht ist. Gestützt darauf, daß die Brücke für die Verbindung der beiden Markthälften unentbehrlich ist, gestützt darauf, daß der Zöllner die Brücke öffnen und schließen kann, ist er in der Lage, von jeder Ware einen Zoll zu erheben.
Der Zins war also ein Zoll, ein Brückengeld, das die Warenverfertiger für die Benutzung des Tauschmittels an die Besitzer des Geldes zu zahlen hatten. Kein Zins = kein Geld, so hieß es. Kein Geld = kein Gütertausch; kein Tausch = Arbeitslosigkeit; Arbeitslosigkeit = Hunger. Ehe wir aber verhungern, zahlen wir lieber den Zins.
Die zinszeugende Kraft des Metallgeldes war also nicht »erborgt« oder »übertragen«; sie war eine Eigenschaft des Metallgeldes und beruhte letzten Endes darauf, daß man für Herstellung des Geldes einen Stoff ausgesucht hatte, der unter allen Stoffen der Erde eine Ausnahmestellung einnimmt, insofern als er sich unversehrt und unbegrenzt ohne Unkosten aufbewahren läßt, während alle anderen Erzeugnisse menschlichen Fleißes, alle Waren ohne Ausnahme faulen, veralten, verrosten, zerbrechen, stinken, Raum beanspruchen usw.
Und so wird es auch verständlich, nun habe ich auch die Erklärung, warum man einen Acker gegen eine Summe Geldes tauschte, denn beide, Acker und Geld, warfen, jedes aus eigener Kraft, eine Rente ab; man brauchte nur an Geld so viel zu nehmen wie nötig, um die Rente des Ackers mit dem Zins des Geldes zu decken, dann war das Tauschverhältnis beider Dinge gegeben. Acker und Geld waren also völlig ebenbürtige, miteinander meßbare Größen. Wie beim Acker keine Rede von erborgter oder übertragener Zinskraft sein konnte, so auch nicht beim Gelde.
Die fadenscheinige, hohle Redensart von »übertragener Kraft« hatte mir also einen bösen Streich gespielt; das leere Wort, das so oft an die Stelle der Begriffe tritt, hatte mich wie einen Bullen an der Nase herumgeführt.
Also das Geld, das Tauschmittel, wäre ein Kapital an sich!
Laßt uns nun einen Augenblick überlegen, wohin wir kommen müssen, wenn wir ein Kapital zum Tauschmittel aller Waren erheben.
1. Kapital kann das Geld nur auf Kosten der Waren sein, denn von den Waren erhebt ja das Geld die Abgabe, die es zu einem Kapital stempelt.
2. Wenn die Waren Zins zahlen müssen, so können sie selbst unmöglich Kapital sein, denn wäre die Ware Kapital, so gut wie das Geld, so könnte keines der beiden sich dem anderen gegenüber als Kapital aufspielen, und in ihrem gegenseitigen Verhältnis wenigstens würden sie aufhören, Kapital zu sein.
3. Wenn uns daher die Waren im Handel als Kapital erscheinen, weil sie im Verkaufspreis neben Kostenpreis und Handelsgewinn noch den Kapitalzins erheben, so muß das so erklärt werden, daß dieser Zins dem Erzeuger oder Arbeiter vom Kaufmann im Einstandspreis bereits abgezogen wurde. Die Ware spielt hier nur den Kassenboten des Geldkapitals. Ist der Verkaufspreis gleich 10 Mark, der Handelsgewinn 3, der Zins 1, so erhält der Arbeiter 6 Mark ausgezahlt.
Hieraus geht hervor, daß, wenn das Tauschmittel, das Geld, an sich kein Kapital wäre, dann auch der gesamte Warenaustausch ohne Zinsverrechnung vonstatten gehen würde. Somit hätte Proudhon doch recht gehabt, denn er hatte das immer behauptet.
Betrachten wir nun die Wirkung, die ein Tauschmittel auf die Herstellung von Arbeitsmitteln haben muß, wenn es selbst Kapital ist.
Wie sind die Arbeitsmittel (Maschinen, Schiffe, Rohstoffe usw.) entstanden? Kommt es noch vor, daß ein Mann seine eigenen Arbeitsmittel aus eigenen, auf seinem Boden gefundenen Rohstoffen verfertigt? Ausnahmsweise vielleicht noch hier und da, sonst aber ist die Regel, daß für die Beschaffung der eigenen Arbeitsmittel eine Summe Geldes ausgelegt werden muß. Das Gründungskapital aller größeren Unternehmungen besteht in einer Summe Geldes, die vorn im Hauptbuch auf dem ersten Blatte eingetragen wird. Wenn nun das Geld, das für diese Arbeitsmittel ausgelegt wird, an sich ein Kapital ist, wenn die Besitzer des Geldes durch einfaches Einschließen des Geldes das Zustandekommen irgend eines Unternehmens verhindern können, so werden sie selbstverständlich kein Geld hergeben für Unternehmungen, die keinen Zins abwerfen. Das ist klar und selbstverständlich. Wenn ich aus dem Handel mit Waren 5% meines Geldes ziehen kann, so werde ich mich doch nicht mit weniger in ihrer Herstellung begnügen. Kann man das Erz an der Oberfläche sammeln, so wird man doch keinen Stollen bauen.
Infolge dieser Umstände werden immer gerade nur so viel Häuser gebaut, daß deren Mieteertrag ausreicht, um damit Deckung für den allgemeinen Geldzins zu liefern. Hat man zufällig mehr gebaut, ist das Angebot von Wohnungen größer als die Nachfrage, so gehen natürlich die Mieten herunter, und die Häuser bringen den erforderlichen Zins nicht ein. Dann werden sofort alle Bauhandwerker entlassen, und die Bautätigkeit wird so lange unterbrochen, bis sich durch Bevölkerungszuwachs die Nachfrage nach Wohnungen so weit wieder gehoben hat, daß die Mieten den vollen Geldzins abwerfen. Dann erst kann die Bautätigkeit wieder einsetzen.
Genau so verhält es sich mit den industriellen Unternehmungen. Sind diese so zahlreich geworden, daß die Nachfrage nach Arbeitern (die sie verkörpern) die Löhne hochgetrieben hat, so daß der Unternehmer den Kapitalzins beim Verkauf der Erzeugnisse nicht herausschlagen kann, so wird die Gründung neuer Unternehmungen so lange unterbrochen, bis durch den Nachwuchs an Arbeitern und das dadurch bedingte größere Angebot von Arbeitskräften die Löhne herabgehen und so dem Geldzins Raum lassen.
Die Arbeitsmittel erscheinen uns also deshalb als Kapital, weil ihre Herstellung durch das Geldkapital vermittelt und von diesem stets so weit künstlich beschränkt wird, daß sie immer den Arbeitsuchern gegenüber eine vorherrschende Stellung einnehmen. Es sind regelmäßig weniger Arbeitsmittel als Arbeiter da, so daß schon aus Mangel an Werkstätten ein Arbeiterüberschuß verbleiben muß, der den Lohn unter den Erlös des Arbeitserzeugnisses drückt.
Das Bild erscheint noch einfacher und klarer, wenn man den Unternehmer einfach als einen Pfandleiher betrachtet, der dem Arbeiter das nötige Geld vorstreckt für Maschinen und Rohstoffe, und den der Arbeiter mit seinen Erzeugnissen bezahlt.
Das Geld beherrschte also unbedingt den Warenaustausch und die Arbeitsmittel (Produktionsmittel). Alles war dem Gelde zinspflichtig; es schob sich zwischen Verbraucher und Erzeuger, zwischen Arbeiter und Unternehmer; es trennte alle, die danach streben müssen, sich zu vereinigen, und die entstandenen Verlegenheiten beutete es aus. Die Beute nannte man Zins.
Nun wird es mir auch klar, warum mit dem Freigeld der Zinsfuß fortgesetzt fällt und sich dem Nullpunkt nähert.
Das Geld kann dem Markte nicht mehr entzogen werden; ohne Rücksicht auf den Zins muß es angeboten werden, sei es unmittelbar gegen Waren, sei es als Darlehen. Es kann sich nicht mehr trennend zwischen die Erzeuger einschieben; gegen den eigenen Wunsch, ohne Rücksicht auf seine lüsterne Raubsucht, muß es seines Amtes walten und den Austausch der Waren vermitteln. Es beherrscht den Austausch der Waren nicht mehr als Räuber und Gewaltherrscher, sondern es dient ihm, dient ihm sogar umsonst.
Nun werden die Waren nicht mehr vom Markte ausgeschlossen, die Arbeiter feiern nicht mehr, sobald der Zinsfuß fällt; ohne Rücksicht auf den Zins geht der Gütertausch vonstatten.
Und wo so regelmäßig gearbeitet wird, da wird gespart. Märchenhafte Summen werden da zurückgelegt, zur Sparkasse gebracht und als Darlehen angeboten. Und wenn das so Jahr für Jahr vorwärts geht, wenn die Arbeiter durch keine Stockung (Krise) mehr gezwungen werden, von ihren Ersparnissen zu zehren, dann kommt mit Notwendigkeit der Zeitpunkt, wo für das von den Sparkassen angebotene Geld die Abnehmer fehlen und wo es heißt: wir haben genug Häuser gebaut, es fehlen die Mieter; wir haben genug Fabriken, es fehlen die Arbeiter. Wozu noch mehr bauen, wenn wir jetzt schon Mühe haben, den Zins zu zahlen.
Aber dann wird es von der Sparkasse her heißen: wir können das Geld nicht brach liegen lassen, wir können es nicht aufbewahren. Das Geld zwingt uns, es auszuleihen. Wir verlangen nicht gerade 5–4–3% wir sind willig, auf Verhandlungen einzugehen. Wenn wir euch das Geld zu 2% (1 oder 0%) lassen, so könnt ihr die Mieten entsprechend herabsetzen, und dann werden die, die sich mit einer Stube begnügten, zwei Stuben mieten, und die fünf Stuben hatten, werden deren zehn mieten. Und dann werdet ihr wieder Häuser bauen können. Bedarf ist da, es kommt nur auf den Preis an. Also nehmt das Geld zu 2%, wenn ihr es zu 3 nicht mehr gebrauchen könnt; baut drauf los, geht mit den Mieten herunter; ihr könnt nichts verlieren, wir werden euch mit um so billigerem Gelde versehen. Und habt keine Angst, daß euch und uns das Geld ausgehen wird, denn je mehr wir mit dem Zins heruntergehen und ihr mit der Miete, um so größere Summen werden auch die Sparer beiseite legen und uns zuführen. Habt auch keine Angst, daß durch diese großen Geldmengen etwa die Preise hochgetrieben werden. Jeder Pfennig davon ist vorher dem Umlauf entzogen worden; die Geldmenge ist unverändert geblieben. Die das Geld sparten, haben mehr Ware erzeugt und verkauft als verbraucht; es ist also ein Überschuß von Waren da, der der Geldmasse entspricht, die wir euch anbieten.
Nehmt also das Geld und fürchtet euch nicht; geht der Zins herunter, den eure Mietswohnungen einbringen, so werden wir mit unserem Geldzins folgen, und sollte der Zins sogar auf Null fallen. Denn auch bei 0% müssen wir das Geld ausleihen. Habt ihr verstanden: wir müssen!
Aber nicht wir allein müssen, auch ihr müßt. Wenn ihr etwa zugunsten der bereits bestehenden Bauten eine Vermehrung nicht wünscht und darum unser Angebot ablehnt, so machen wir euch darauf aufmerksam, daß andere Unternehmer da sind, die keine Häuser besitzen und keine Rücksichten zu nehmen brauchen. Diesen werden wir das Geld zum Bauen geben, und die Neubauten werden entstehen, ob ihr es wünscht oder nicht, ob der Hauszins euch gefällt oder nicht.
Auch mit den gewerblichen Unternehmen verhält es sich so. Ist das Geld zu 0% zu haben, so ist auch kein Unternehmer mehr imstande, Zins aus seinem Unternehmen zu schlagen, sei es in Form eines Lohnabzuges, sei es in Form eines Preiszuschlages. Denn so will es das Gesetz des Wettbewerbs.
Und so hätten sich die Tatsachen wieder als der beste Lehrmeister bewährt. Alle unsere Grübeleien über die Ursache des Zinses führten zu nichts, weil uns der Vergleichsgegenstand fehlte. Jetzt mit dem Freigeld konnten wir Vergleiche anstellen, und da fand ich auch gleich, was wir bisher umsonst suchten. Zwar ist die Erklärung der Zinserscheinung noch sehr unvollständig; aber wir haben jetzt den Faden erfaßt, der uns aus dem Irrgarten dieser Erscheinungen führen wird. Wir brauchen dem Faden nur zu folgen, es ist eine sachliche Arbeit, mehr nicht, die da noch zu bewältigen ist.
Anmerkung: Der Leser findet die Theorie des Zinses im letzten Teil dieses Buches ausführlich dargestellt.
Der Krisen-Theoretiker.
Ebenso schlecht wie meinem Kollegen, dem Zinstheoretiker, ergeht es mir mit dem Freigeld; meine ganze Theoriensammlung wurde durch diese Reform zuschanden gemacht.
Es klang doch so natürlich, daß auf die Zeit der Blüte eine solche des Zerfalles folgen müsse. Da es so in der Natur ist, könne es auch nicht anders in der Volkswirtschaft sein, denn der Mensch gehört doch auch zur Natur, so wie alles, was er macht. Ist der Ameisenbau, die Bienenwirtschaft ein Naturerzeugnis, so gehört auch die Menschen- oder Volkswirtschaft zur Natur. Der Mensch wächst und vergeht, warum sollte die Volkswirtschaft nicht auch wachsen, um dann in einem Zusammenbruch zu enden? Das römische Reich ging zugrunde, darum muß auch die Volkswirtschaft regelmäßig alle paar Jahre in einer Krise zugrunde gehen. Auf den Sommer folgt der Winter, ebenso folgt in der Volkswirtschaft auf die geschäftliche Hochflut der Krach.
Das war doch eine schöne, eines Dichters würdige Theorie! Wie einfach konnte man damit das verwickelte Problem der Arbeitslosigkeit erklären! Und einfach muß eine Theorie sein; das ganze Licht unserer Wissenschaft müssen wir in einem Brennpunkt vereinigen, damit es sich Bahn brechen kann durch den Tabaksqualm und den Bierdunst. Wiegenlieder, keine Theorien braucht man für kleine Kinder.
Dazu diente uns die Krisenlehre: infolge »spekulativer Käufe« waren die Preise gestiegen, eine »fieberhafte« Tätigkeit entspann sich auf allen Gebieten; mit Überstunden und Nachtschichten suchte man der steigenden Nachfrage zu begegnen; die Löhne stiegen. Natürlich war das nur ungesunde »Treibhauszucht«; die früh oder spät mit einem Krach endigen mußte. Und der Krach, die Krise kam. Es fehlte natürlich die Nachfrage für eine so ungeheure Menge von Erzeugnissen aller Art, und wenn die Nachfrage fehlt, so sinken die Preise. Alles, ohne nennenswerte Ausnahmen, die Erzeugnisse der Industrie, der Landwirtschaft, des Bergbaues, der Forstwirtschaft, – alle gingen im Preise herunter. Damit stürzte natürlich das ganze Spekulationsgebäude ein. Die geldgierigen Arbeiter hatten eben mit ihren Überstunden den ganzen »Arbeitsvorrat« aufgezehrt. Der »Lohnfonds« war erschöpft. Darum fehlte es jetzt an Arbeit, darum mußten die Arbeiter neben einem Berg von Brot und Kleidern hungern und frieren!
Wie überzeugend klang auch die Malthusianische Krisentheorie; sie hatte nicht umsonst so viele Liebhaber gefunden: ihr habt die guten Zeiten zu nichts besserem benutzt als zum Hochzeitfeiern, und euer elendes Geschlecht habt ihr ins Maßlose vermehrt. Wohin man blickt: Kinderwäsche, Windeln, Wiegen. Es wimmelt auf den Straßen, in den Schulen, wie in einem Kaninchenstall. Jetzt sind euch in euren eigenen Kindern die Lohndrücker bei der Arbeit entstanden. Die niedrigen Löhne drücken aber wieder auf die Preise, wobei jedes Geschäft mit Verlust abschließen muß, jede Unternehmungslust im Keime erstickt wird.
Die Fortpflanzung ist an sich eine Sünde, eine verbotene Frucht; sie ist mit dem Schandfleck der Erbsünde behaftet. Aber doppelt sündhaft ist sie bei so armen Teufeln. Enthaltet euch, überlaßt die Sache den Heiden, schickt eure Töchter ins Kloster, dann werden nicht mehr Arbeiter vorhanden sein, als zur Bewältigung der Arbeit nötig sind. Dann werden auch mit den höheren Löhnen die Preise steigen, was die Unternehmungslust fördert. Maß in allem, in der Gütererzeugung wie in der Fortpflanzung, sonst haben wir eben Zuvielerzeugung an Gütern und an Verbrauchern!
Und dann noch diese neueste Theorie, mein eigentliches Glanzstück: durch die Anhäufung des Reichtums in verhältnismäßig wenig Händen, durch das Mißverhältnis zwischen Kauf- und Erzeugungskraft der breiten Massen steht der Verbrauch im Mißverhältnis zur Erzeugung. Daher die Überlastung des Marktes mit unverkäuflichen Waren, daher die sinkenden Preise, die Arbeitslosigkeit, die Unternehmungsscheu, die Krise. Die reichen Leute können ihr Einkommen nicht verzehren, und die Arbeiter haben nichts zu verzehren. Wären die Einkommen nur richtig verteilt, so würden Verbrauch und Erzeugung schritthalten, und es könnte darum keine Krise ausbrechen!
Wie einleuchtend doch das klang! Und auf den Klang, den Schall, den Rauch kommt es an. An den Verstand dieser mit der Saugflasche, mit künstlichen Nährmitteln und Bier aufgepäppelten und von Sorgen erdrückten Menge kann man sich doch nicht mehr wenden. Er hält einen herzhaften Stoß ja gar nicht mehr aus.
So hatte ich für jede Gesellschaft, für jeden Geschmack eine Krisentheorie auf Lager. Stieß ich dabei ausnahmsweise auf ernsthaften Widerspruch, so flocht ich meine Reservetheorie ein, durch die ich die Krise mit der Währung in Verbindung brachte. Gewöhnlich genügte dann schon das Wort »Währung«, um jeden Widerspruch niederzuschlagen. »Genug, genug!« hieß es; »wir wissen, was Bamberger sagte, daß neben der Liebe die Währungsfrage die meisten Verrückten gemacht hat, und wir wollen einer Krisentheorie zuliebe unseren Verstand nicht auf eine vielleicht gefährliche Belastungsprobe stellen!«
Dabei war gerade diese Theorie verhältnismäßig die einfachste und auch die beste: die Waren, so führte ich aus, werden so gut wie ausschließlich kaufmännisch verhandelt, d. h. sie müssen zum Zwecke des Austausches an Kaufleute verkauft werden. Der Kaufmann kauft aber die Waren nur unter der Voraussetzung, daß er sie teurer wird verkaufen können. Der erwartete Verkaufspreis muß höher stehen als der vom Arbeiter oder Unternehmer geforderte Einstandspreis. Wenn nun die Warenpreise Neigung zum Sinken zeigten, so wußte der Kaufmann überhaupt nicht mehr, wieviel er bezahlen oder anlegen durfte, während der Unternehmer ohne baren Verlust mit seinen Forderungen nicht unter den Kostenpreis gehen durfte. Beim Verbraucher ist es anders. Er kauft und bezahlt den geforderten Preis. Er freut sich, wenn der Preis fällt; es verdrießt ihn, wenn er steigt. Eine Grenze für den Preis liefert jedoch nur sein eigenes Einkommen. Der Kaufmann dagegen soll einen Preis erzielen, der eine bestimmte Höhe, den Einstandspreis, überragt; ob er aber diesen Preis erzielen wird, das weiß er nicht. Der Verkaufspreis ist ungewiß, der Einstandspreis ist aber mit der Übernahme der Ware eine feste, bestimmte Größe.
Wenn die Warenpreise im allgemeinen fest sind oder gar steigen, dann ist alles gut, dann wird der Erlös wahrscheinlich mit Überschuß den Einstandspreis decken, und der Kaufmann kann getrost seine Bestellungen machen. Wenn aber die Preise sinken, immer weiter sinken, um 1, 2, 5, 10, 20, 30%, wie wir das schon öfter beobachtet haben, dann verliert der Kaufmann jeden festen Boden unter den Füßen, und das Vernünftigste, was er als vorsichtiger Mann dann machen kann, ist – warten. Denn nicht blos auf Grundlage des Einstandspreises kann der Kaufmann seine Verkaufspreise berechnen, sondern er muß sich dabei auch nach dem, was erzielbar ist, richten. Und wenn in der Zeit zwischen Kauf und Verkauf der Waren die Einstandspreise fallen, so muß auch er mit den Verkaufspreisen heruntergehen, und er hat einen Verlust. Also ist das beste in solchen Zeiten niedergehender Preise, mit dem Kauf zu warten. Die Waren werden also kaufmännisch nicht durch den Bedarf als Triebkraft ausgetauscht, sondern durch die Aussicht auf Profit.
Aber dieses »Warten«, die Verzögerung in den gewohnten Bestellungen des Kaufmannes, bedeutete eine Absatzstockung für den Unternehmer, und da dieser meistens auf regelmäßigen Absatz angewiesen ist, weil er die Waren, des Raumes und der Fäulnis wegen, nicht auf Lager nehmen kann, so entließ er seine Arbeiter.
Aus Mangel an Arbeit und Geld konnten nun wiederum diese Arbeiter nicht kaufen, wodurch dann die Preise noch weiter sanken. Und so war durch den Niedergang der Preise ein »circulus vitiosus«, ein fehlerhafter Kreis entstanden.
Darum, so lautete die Nutzanwendung, müssen wir verhüten, daß die Preise sinken; wir müssen mehr Geld herstellen, damit es nicht an Geld fehlt, um die Waren zu kaufen, damit angesichts der großen Barbestände der Banken, der großen Barvorräte der Privatleute, kein Kaufmann sich mehr vor Geldmangel, vor einem Preissturz zu fürchten braucht.
Also die Doppelwährung oder Papiergeld!
Im Grunde genommen befriedigte mich selbst ja keine einzige dieser Theorien. Die erste Theorie, die die Krise als eine Art Naturereignis betrachtet, ist eigentlich zu naiv, um eine Widerlegung zu verdienen. Die zweite Theorie, die das Wucherspiel, das Gründertum für die Krise verantwortlich machen will, untersucht nicht, ob die Geldvorräte der Privatleute und Wucherspieler, ohne die ja die Gewinnjagd (Spekulation) nicht möglich wäre, nicht eigentlich die Ursache dieses Wucherspiels und infolgedessen auch Ursache der Krise sind. Was hat es für einen Sinn, eine Reichsbank zu gründen, ihr das Alleinrecht der Notenausgabe zu verleihen, damit sie »den Geldumlauf den Bedürfnissen des Verkehrs anpassen« kann, wenn es einfach von der »Spekulation« abhängt, trotz Notenmonopol und Reichsbank die Preist hochzutreiben, so oft es ihr beliebt? Und weil diese Theorie an dieser Frage vorübergeht, schlägt sie den falschen Weg ein, Wünsche statt Forderungen auszudrücken. Man möge doch in Zukunft alle Spekulation unterlassen, das ist alles, was sie als Schutz vor Krisen zu empfehlen weiß.
Diese Theorie untersucht auch nicht, wo der eigentliche Beweggrund der »fieberhaften Tätigkeit, der Überstunden und Nachtschichten« ist. Denn ohne diese gesteigerte Arbeit würde alles Wucherspielen im Sande verlaufen. Was würde es nützen, wenn der Unternehmer dem Arbeiter Überstunden vorschlüge und dieser ihm antwortete: meine jetzige Arbeitszeit genügt, um meine Bedürfnisse zu decken. Wenn also der Arbeiter sich heute zu der »fieberhaften Tätigkeit« bereit erklärt, so kommt das nur davon, daß er fieberhafte Bedürfnisse hat, die er mit dem Lohn aus den Überstunden befriedigen will. Ist aber die Nachfrage ebenso fieberhaft wie das Angebot, wie kann es dann zur Krise kommen? Die Spekulation, die die Geldrücklagen auf den Markt bringt, erklärt nur die allgemeine Preissteigerung, läßt aber die Frage unbeantwortet, warum der Verbrauch nicht schritthält mit der Erzeugung, und warum der Absatz gewöhnlich urplötzlich abfällt.
Diese Nichtbeantwortung der Frage, warum Verbrauch und Erzeugung sich nicht regelmäßig ausgleichen, ist ja der gemeinsame wunde Punkt aller meiner Theorien, aber am lautesten schreit diese Frage um Antwort bei der dritten Theorie, der Übervölkerungstheorie. Hier wird als Ursache der Krise die Überproduktion infolge Übervölkerung angegeben, was doch so viel heißt wie: die zu großen Brote kommen von dem zu großen Hunger! Offenbarer Unsinn, besonders, wenn man bedenkt, daß die Waren zum Zwecke des Austausches erzeugt werden, und daß die hungernden Arbeiter fähig und willig sind, andere Erzeugnisse für die von ihnen benötigten in Tausch zu geben. Handelt es sich nur um eine einseitige Zuvielerzeugung (z.B. Särge), so bedürfte die Sache überhaupt keiner Erklärung, aber von allem ist zuviel vorhanden, von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sowohl, wie von gewerblichen.
Ebenso unbefriedigend ist die Theorie, die den Minderverbrauch verantwortlich machte für die Krise; den Minderverbrauch infolge ungleicher Verteilung des Einkommens. Sie erklärte nicht, warum der Absatz heute ins Blaue hinein wächst, um nach einer Weile urplötzlich abzufallen, warum einer ständigen, gleichmäßigen Ursache (hier also die ungleiche Verteilung des Einkommens) eine stoßende Wirkung (geschäftliche Hochflut und Krise) gegenüberstand. Wäre jene Verteilung des Einkommens die Ursache der Krise gewesen, so müßte sich diese als eine ununterbrochene, schleichende Erscheinung dargeboten haben, als Arbeiterüberschuß von unantastbarem ehernem Bestande, also als das Gegenteil von dem, was man beobachtete.
Aber auch die Annahme, daß das Einkommen der wohlhabenden Volksschichten allgemein ihre persönlichen Bedürfnisse übersteige, war unzutreffend, wie ja die Bodenverschuldung der Groß– und Kleingrundbesitzer, die Not der Grundrentner, ihre Bettelei um Staatsschutz beweisen. Die Bedürfnisse kennen überhaupt keine Grenzen; das geht ins Unendliche. Die Bedürfnisse der Weber im Eulengebirge waren doch mit Kartoffelschalen nicht eigentlich befriedigt, und mit der Herzogswürde, die die amerikanischen Könige für ihre Töchter erwarben und mit Milliarden bezahlten, war deren Würdebedürfnis noch ungesättigt. Sie strebten nach der deutschen Kaiserkrone und häuften Milliarde auf Milliarde, arbeiteten Tag und Nacht, sparten vielleicht am eigenen und sicher am Leibe ihrer Arbeiter, um diese Krone zu erreichen. Und wenn sie diese erreicht gehabt hätten, dann wäre ein kleiner, schwarzer Pfaff gekommen und hätte gesagt, das alles wäre vergänglich, sie sollten arbeiten, sparen, Milliarden sammeln und sie der Kirche vermachen, auf daß sie würdig befunden würden, einzutreten in das Reich Gottes. Zwischen Kartoffelschalen und dem Opferstock der Kirche ist ein Meer von Bedürfnissen, das alles verschlingt, was die Menschen erzeugen können. Auch ist kein Mensch so reich, daß er nicht darauf bedacht wäre, noch reicher zu werden; im Gegenteil, die Geldgier wächst mit dem Erfolg im Erwerb. Wie wären sonst die gewaltigen Vermögen in der Neuzeit zustande gekommen, wenn ihre Besitzer bei der ersten Million gesagt hätten: wir haben jetzt genug erworben, wir wollen andere arbeiten lassen! Kein reicher Mann ließ seine Überschüsse brach liegen, solange sich Gelegenheit für eine gewinnreiche Anlage bot. Der Zins war allerdings die Voraussetzung der Geldausgabe des Kapitalisten, aber in dieser Beziehung handelte der reichste Mann nicht anders als der kleinste Sparer. Kein Zins – kein Geld, so hieß es auf der ganzen Linie. Alle machten das Wiederausgeben der Geldüberschüsse abhängig vom Zins, und wenn wir alle Bürger in bezug auf ihr Einkommen gleichgestellt hätten, so würden wir nichts an der Tatsache geändert haben, daß der Sparer, der mehr Waren erzeugte und verkaufte, als er verbrauchte, den Geldüberschuß nicht eher wieder in Umlauf brachte, bis ihm Zins bezahlt wurde. Es mußte sich also durch die Tätigkeit der Sparer jedesmal ein Warenüberschuß mit Absatzstockung und Arbeitslosigkeit zeigen, sobald Handel und Industrie keinen Zins abwarfen. Die Ursache der Krise lag also darin, daß einerseits die Kapitalisten die Geldanlage vom Zins abhängig machten, anderseits darin, daß, wenn der Vorrat an Häusern, Maschinenanlagen und sonstigen Arbeitsmitteln eine bestimmte Grenze überschritt, dann auch der Zins fiel, den diese einbringen müssen, um das in ihnen verausgabte Geld zu verzinsen. (Der Wettbewerb der Hausbesitzer den Mietern gegenüber wirkt wie der Wettbewerb der Besitzer gewerblicher Unternehmungen den Arbeitern gegenüber: er drückt auf den Zins. Hier setzt er den Mietzins herunter, dort setzt er den Arbeitslohn herauf.) Traf nun letzteres ein, so konnten die Unternehmer den geforderten Zins nicht zahlen, und die Kapitalisten hatten keinen Anlaß, das Geld ohne Zins herzugeben. Sie warteten dann lieber die Krise ab, die die Lage klären und den alten Zinssatz wieder herstellen würde und erfahrungsgemäß auch wieder herstellte. Sie zogen es vor, für kurze Zeit ganz auf den Zins zu verzichten, um dadurch in den Genuß eines höheren Zinsfußes zu gelangen, anstatt ihr Kapital zu niedrigem Zinsfuß auf lange Jahre festzulegen. Ein gewisser Mindestzins ließ sich durch einfaches Warten immer erpressen.
Also mit dem Mißverhältnis zwischen Verbrauch und Einkommen der wohlhabenden Klassen, zwischen Kaufkraft und Erzeugungskraft der Arbeiter als Ursache der Krise, ist es nichts.
Der wirklichen Ursache der Krise am nächsten kam die zuletzt erwähnte Theorie, die die Krise mit der Währung in ursächlichen Zusammenhang brachte.
Daß, solange die Preise abwärts neigten und der Verlauf der Waren nur Verluste brachte, niemand daran dachte, neue Unternehmungen zu begründen oder bestehende zu erweitern, daß auch kein Kaufmann Waren kaufte, um sie unter dem Einstandspreis losschlagen zu müssen, und daß unter solchen Verhältnissen eine Krise unvermeidlich wurde, ist ja klar und einleuchtend. Aber diese Theorie beantwortet die Frage eigentlich nur mit neuen Fragen. Sie erklärt richtig die Krise als gleichbedeutend mit einem allgemeinen Preisrückgang, aber sie gibt keine befriedigende Auskunft auf die Frage, woher der Preisrückgang kam. Zwar behauptete sie, das Sinken der Preise käme von einem Mangel an Geldvorrat, und darum schlug sie auch eine Vermehrung der Geldherstellung (Doppelwährung, Papiergeld) vor; aber der Nachweis fehlt, daß mit oder nach Vermehrung des Geldvorrats auch das Angebot dieses Geldes sich dem Angebot von Waren anpassen würde, namentlich, ob auch dann Geld angeboten werden würde, wenn der Zins herunterginge.
Und darauf käme es doch an.
Dies sah man übrigens auch ein, und darum schlug man vor, das Geld völlig von jedem Metall zu trennen (Aufhebung des Prägerechtes für Silber und Gold), um dann die Geldherstellung (nicht Geldangebot) so zu regeln, daß, wenn die Preise fielen, die Geldanfertigung vermehrt und umgekehrt bei steigenden Preisen der Geldvorrat (nicht Geldangebot) vermindert werden sollte. Man dachte auf so einfache Weise das Geldangebot der Nachfrage jederzeit anpassen zu können.
Man hat diesen Vorschlag nie ausgeführt, und es ist gut, daß man es nicht tat, denn man wäre damit nur durchgefallen. Denn die diesen Vorschlag machten, sahen Geldvorrat und Geldangebot als gleichbedeutend an, sie glaubten, daß, weil einem großen Kartoffel vorrat auch ein gleich großes Kartoffel angebot entspricht, dies auch so mit dem Gelde sein müsse. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Das Kartoffelangebot, wie überhaupt das Warenangebot entspricht genau dem Vorrat, weil die Aufbewahrung mit schweren Unkosten verbunden ist. Wäre das frühere Geld so beschaffen gewesen, wie die Waren im allgemeinen, d. h. hätte man das Metallgeld nur mit Verlust aufbewahren können, dann wäre ein Rückschluß vom Vorrat auf das Angebot ganz am Platze gewesen. Aber das war bekanntlich nicht der Fall. Über das Angebot ihres Geldes verfügten die Inhaber unumschränkt. Und es wurde kaufmännisch und kapitalistisch kein Pfennig in Umlauf gesetzt, wenn kein Zins dabei herauskam. Kein Zins – kein Geld, mag der Geldvorrat noch so groß sein, mag man den Geldvorrat verhundertfachen.
Nehmen wir nun an, daß mit einer solchen Reform der Notenbanken das Ziel (die Beseitigung der schleichenden wie auch der schnell verlaufenden Krisen) erreicht worden wäre, so würde sehr bald der Augenblick gekommen sein, wo das Land mit Häusern, Maschinenanlagen usw. derart gesättigt gewesen wäre, daß sie den gewohnten Zins nicht mehr hätten einbringen können. Dann würde das alte Spiel wieder von vorn begonnen haben: die Sparer und Kapitalisten hätten nicht mit dem Zins heruntergehen wollen und die Unternehmer würden den alten Zinsfuß nicht haben zahlen können. Durch die Erfahrung von 2000 Jahren wissen die Geldbesitzer, daß sie je nach der Anlage 3–4–5% für ihr Geld erzielen können und daß sie nur eine Weile zu warten brauchen, um diesen Zinsfuß zu erzielen. Also warten sie.
Während die Geldbesitzer nun warten, fehlt natürlich die Nachfrage nach Ware, und die Preise sinken. Dieses Sinken der Preise macht wieder den Handelsstand stutzig, der nun auch in Erwartung der Dinge, die da kommen könnten, mit den Bestellungen zurückhält.
So ist also sofort wieder die Absatzstockung, die Arbeitslosigkeit, die Krise fertig – trotz dem großen Geldvorrat.
Allerdings wurde vorgeschlagen, daß der Staat in solchen Fällen den Unternehmen das Weiterarbeiten ermöglichen solle, indem er ihnen unmittelbar Geld zu billigerem Zinsfuß, nötigenfalls zinsfrei liefere. So hätte der Staat immer wieder durch Neuausgabe das Geld ersetzt, das die Sparer und Kapitalisten dem Verkehr entzogen; aber wo hätte ein solches Vorgehen hingeführt? Auf der einen Seite bei den Kapitalisten Berge von Papiergeld, für das die Verwendung fehlt, auf der anderen Seite in den Staatskassen entsprechende Berge von Pfandbriefen und Wechseln, und zwar langfristigen Wechseln und unkündbaren Pfandbriefen, wie sie die Unternehmer brauchen!
Die bei den Privaten aufgestapelten Berge von Papiergeld (schließlich hätte das gesamte Privatvermögen diese Form angenommen) konnten jeden Tag durch irgend ein Ereignis in Bewegung geraten, und da dieses Geld nur auf dem Markte im freien Verkehr mit Waren einlösbar sein sollte, so hätte sich diese Papiergeldmasse in eine plötzliche ungeheure Nachfrage umgewandelt, gegen die der Staat mit den Pfandbriefen und langfristigen Wechseln nicht hätte ankämpfen können. So wären denn die Preise ins Blaue hinein gestiegen.
Es ist nun ein Glück, daß wir mit dem Freigeld dieser Gefahr entronnen sind, denn das klägliche Scheitern dieser Reform würde natürlich wieder ausgebeutet worden sein gegen die Theorie des Papiergeldes, und so wären wir wieder auf Jahrhunderte zurückgeworfen worden in die Barbarei des Metallgeldes.
Das Freigeld macht das Angebot des Geldes von jeder Bedingung unabhängig; so viel Geld vom Staate in Umlauf gefetzt wurde, so viel Geld wird angeboten. Was man bisher beim Gelde als selbstverständlich voraussetzte, nämlich daß, wie bei den Kartoffeln, das Angebot dem Vorrat stets entsprechen müsse, das wird mit dem Freigeld erst zur Tatsache: Geldangebot = Geldvorrat. Das Geldangebot geht nicht mehr neben dem Geldvorrat einher, es bedeutet keine Willkürsache mehr; Wille und Wünsche sind einflußlos auf das Geldangebot geworden. Die Quantitätstheorie ist jetzt vollkommen richtig, und zwar die einfache, naive, auch die »rohe« genannte Quantitätstheorie.
Wie könnte es unter solchen Umständen noch zu einer Krise kommen? Geht auch der Zins herunter, fällt er gar auf und unter Null, das Geld wird dennoch angeboten; und gehen die Preise herunter, so hebt sie der Staat einfach wieder durch Vermehrung des Geldvorrats. Die Nachfrage hält also stets und unter allen Umständen dem Angebot die Wage.
Wenn somit das Freigeld die Krisen unmöglich macht, so müssen wir notwendigerweise die Ursachen der Krisen in dem Punkte suchen, wo das frühere Geldwesen sich vom Freigeld unterscheidet. Und dieser Punkt liegt in der Verschiedenheit der Beweggründe, die das Geldangebot jetzt beherrschen, und derjenigen, die es früher beherrschten.
Der Zins war früher selbstverständliche Voraussetzung des gesamten Geldumlaufes; jetzt wird das Geld auch ohne Zins angeboten.
Bei einem eingetretenen allgemeinen Preisrückgang, der schon ein ungenügendes Geldangebot anzeigte, wurden die Privatgeldvorräte zurückgezogen (weil niemand bei fallenden Preisen kaufmännisch Waren erwirbt, noch auch ohne Verlustgefahr erwerben kann). Die Folge war, daß der allgemeine Preisrückgang oft in ein rasendes, allgemeines Zugeldemachen mit entsprechendem Preissturz übergehen mußte; jetzt dagegen wird das Geld unter allen denkbaren Verhältnissen angeboten.
Bei einer einsetzenden allgemeinen Preissteigerung, die schon ein zu großes Geldangebot anzeigte, wurden alle Privatgeldvorräte auf den Markt gebracht, weil jeder an der allgemein erwarteten weiteren Preissteigerung mit möglichst großen Beständen an Waren und Papieren beteiligt sein wollte, wodurch dann das Erwartete auch eintreten mußte und die Preise bis zu der von dem Angebot sämtlicher Privatgeldvorräte gezogenen Höchstgrenze stiegen; jetzt können die Preise überhaupt nicht mehr steigen, weil es keine Privatgeldvorräte mehr gibt.
Für die Höhe des Geldangebots, für die Beantwortung der Frage, ob der Kapitalist kaufen sollte oder nicht, waren Ansichten, Meinungen, Gerüchte, falsche und echte Nachrichten, oft nur das Mienenspiel eines Herrschers, maßgebend. Trafen gutes Wetter und gute Verdauung »tonangebender« Börsenmänner mit irgend einer günstigen Nachricht zusammen, so schlug auch schon die »Stimmung« um, und die, die noch gestern verkauften, waren heute Käufer geworden. So war das Angebot des Geldvorrats wie ein Rohr, das der Wind hin- und herbewegt. Daneben noch das Zufällige der Gelderzeugung selbst. Fand man Gold, – gut; fand man keins, so mußte man sich eben bescheiden. Während der ganzen Dauer des Mittelalters, bis zur Entdeckung Amerikas, war der Handel auf die von den Römern ererbten Gold- und Silberbestände angewiesen, weil alle damals bekannten »Fundstätten« erschöpft waren. Handel und Verkehr gingen auf das kleinste Maß zurück, weil die Arbeitsteilung sich wegen Mangels an Tauschmitteln nicht entfalten konnte. Seit der Zeit hat man ja viel Gold und Silber »gefunden«, aber wie unregelmäßig sind diese »Funde«! Es sind eben Funde.
Zu diesen Schwankungen in den »Goldfunden« traten dann noch die Schwankungen in der Währungspolitik der verschiedenen Länder, die bald die Goldwährung mittels auswärtiger Goldanleihen (Italien, Rußland, Japan) einfühlten und so den auswärtigen Märkten Riesensummen entzogen, bald aber die Papierwährung einführten und dann das Gold wieder auf die fremden Märkte abstießen.
So war das Geldangebot Spielball der verschiedensten, sich kreuzenden Umstände.
Und hierin besteht der Unterschied zwischen dem früheren Geldwesen und dem Freigeld; in diesem Unterschied müssen wir die Ursache der Wirtschaftskrisen erkennen.
Der Wert-Theoretiker.
(Diesen Abschnitt, der in früheren Auflagen 8 Seiten umfaßte, habe ich auf dem Altar der Papiernot geopfert. Das konnte ich um so leichteren Herzens tun, als die Wertlehre offenbar keine Vertreter mehr hat, daher für tot erklärt und als ausgestorben behandelt werden kann. – Unsere Arbeit ist aufbauend. Wir beschäftigen uns mit den wirtschaftlichen Irrlehren nur, solange sie uns im Wege stehen. Die Wertlehre steht uns nicht mehr im Wege, sie wanderte in das Massengrab menschlicher Irrungen: für Geschichtsschreiber der Volkswirtschaft ein hochmerkwürdiger Gegenstand, für den Maurergesellen des Zukunftsstaates nur Schutt und Abfall – »Kjökkenmöddinger«. – Der Verfasser.)
Der Lohn-Theoretiker.
Seitdem Eisenbahn, Dampfschiffahrt und Freizügigkeit den Arbeitern weite Strecken des fruchtbarsten Bodens in Amerika, Asien, Afrika, Australien zur freien Verfügung gestellt haben, seitdem auch unter dem Schutze der Handelsgesetze und im Verein mit der größeren Gesittung und Bildung der Personalkredit sich entwickelte und das Kapital dem Arbeiter zugänglich geworden ist, fehlen die wichtigsten Voraussetzungen für das Walten des Gesetzes vom ehernen Lohn.
Der Arbeiter braucht sich dem Grundbesitzer nicht mehr auf Gnade oder Ungnade zu ergeben; er kann die Sklavenketten zerreißen, den vaterländischen Staub von seinen Schuhen abschütteln. Das Landmonopol ist gebrochen. Millionen von Arbeitern haben sich durch die Auswanderung frei gemacht, und mit den Zurückbleibenden muß der Grundbesitzer verhandeln wie mit freien Männern. Denn die Möglichkeit der Auswanderung macht sie alle tatsächlich frei.
Ich mußte das Gesetz des ehernen Lohnes aufgeben; die Tatsachen sprachen zu sehr gegen mich. Moleschott und Liebig hatten berechnet, daß die Stickstoffmengen und Kohlehydrate, die zur Aufzucht und Fortpflanzung eines zwölf Stunden arbeitenden Menschen nötig sind, in ½ Liter Fischtran und 4 kg Saubohnen enthalten seien. Diese Stoffe kosten aber zusammen nur 17 Pfennig. Dazu noch 3 Pfennig für Kartoffelschalen, Kleidung, Wohnung und religiöse Bedürfnisse, das macht im ganzen 20 Pfennig. Über diese eherne Grenze könne also der Lohn nicht gehen. Trotzdem ist der Lohn darüber hinausgestiegen; folglich ist es nichts mit dem Gesetze des ehernen Lohnes.
Nun suchte ich mir aus der Verlegenheit zu helfen, indem ich sagte: das nach dem Stande der Kultur des Arbeiters zu seinem Leben und zur Fortpflanzung nötige Mindestmaß (Kultur-Existenzminimum) sei der eherne Lohn. Aber diese Redensart klang doch allzu hohl, und ich kam damit nicht weit. Denn wie kam denn der mit Saubohnen gefütterte Arbeiter überhaupt zu einer Kultur? Wie konnte der Schlingel aus dem Stalle ausbrechen? An Wächtern fehlte es doch nicht. Übrigens, was ist Kultur, was ist das Mindestmaß für den Lebensunterhalt? Fischtran und Saubohnen bilden das Festgericht der Weber im Eulengebirge am Weihnachtsabend. Mit solchen dehnbaren Begriffen kann die Wissenschaft nichts anfangen. Nach den Ansichten vieler (Naturmenschen, Cyniker usw.) ist die Bedürfnislosigkeit ein Zeichen höchster Bildung, und somit müßte der, der jeweiligen Lebensführung entsprechende »eherne Lohn« mit steigender Kultur, mit steigender Bedürfnislosigkeit herabgehen. Sind denn die Weber im Eulengebirge weniger gesittet als die Mastbürger, die den Tag mit »Frühschoppen« beginnen und fetten Schweinen mehr ähneln als menschlichen Wesen? Außerdem stimmt es nicht, daß der Lohn einfach mit der Anzahl der Schoppen, mit der Güte des Tabaks steigt.
Der Handelsminister Möller gab im preußischen Landtage folgende Durchschnittslohnsätze an, die die Bergarbeiter im Ruhrgebiet bezogen:
1900: M. 4,80
1901: M. 4,07
1902: M. 3,82
1903: M. 3,88
1904: M. 3,91
Die Löhne waren also im Zeitraum von 3 Jahren um 25 % gefallen! Waren nun die Bedürfnisse der Arbeiter in so kurzer Zeit auch um 25 % gefallen? Wir nehmen hier an, daß der Sachlohn (Reallohn) die Schwankungen des Geldlohnes mitgemacht hat. Anderenfalls müßte man ja die sogen, »deutsche Reichswährung« bankrott erklären. Oder sind vielleicht die Arbeiter der Barbarei der »Abstinenz« verfallen? Die Enthaltsamen kommen ja mit weniger Geld aus, und das wäre ja ein vortrefflicher Grund, um den Mindestlohn noch weiter auf den niedrigeren Kulturzustand der Abstinenz herabzusetzen. Aber dann fragt es sich, warum die Machthaber sich so wenig für die Bestrebungen der Abstinenten begeistern. Könnte man mit Hilfe der Enthaltsamkeit und zugunsten des arbeitlosen Einkommens den Lohn herabsetzen, wie schnell würden da Herstellung und Handel mit berauschenden Getränken verboten werden! Aber die Machthaber wissen es besser. Hütet euch vor den Abstinenten! Ohne berauschende Getränke läßt sich kein Volk »regieren«. Ein neuer Markstein in der Geschichte der Menschheit: Heute, den 15. Sept. 1918 n. Chr. hat Wilson Herstellung, Handel und Einfuhr aller alkoholhaltigen Getränke verboten. Sein Wille geschehe, wie in den Vereinigten Staaten so auch anderwärts!
Kurz, es ist nichts mit dem »Kultur-Existenzminimum«, nichts mit dem Gesetze des ehernen Lohnes. Die Lohnbewegungen vollziehen sich ohne Rücksicht auf den Bildungszustand. Dieselbe Lohnerhöhung, die die Arbeiter heute »erkämpft« zu haben glauben, verlieren sie morgen wieder, wenn die geschäftlichen Aussichten (Konjunkturen) ungünstig sind. Bessern sich dagegen die Machtverhältnisse, dann fällt ihnen die Lohnerhöhung ohne Kampf, ja sogar ohne Forderung von selber zu, wie dem Bauer der erhöhte Weizenpreis ohne Kampf zufällt, sobald aus Amerika schlechte Ernteaussichten gemeldet werden.
Lohn! Was ist der Lohn? Lohn, das ist der Preis, den der Käufer (Unternehmer, Kaufmann, Fabrikant) für die ihm vom Erzeuger (Arbeiter) gelieferten Waren zahlt. Dieser Preis richtet sich, wie der Preis aller Waren, nach dem dafür erwarteten Verkaufspreis. Verkaufspreis abzüglich Grundrenten- und Kapitalzins, das ist der sogenannte Lohn. Das Lohngesetz ist darum in dem Grundrenten- und Kapitalzinsgesetz bereits enthalten. Ware abzüglich Rente und Zins = Lohn. Ein besonderes »Lohngesetz« gibt es also nicht. Das Wort »Lohn« ist in der Volkswirtschaft überflüssig, denn Lohn und Preis sind eins. Wenn ich weiß, wie der Preis der Ware zustande kommt, so weiß ich auch, was der Arbeiter für seine Erzeugnisse erhält. Im letzten Teil d. B. »Die Zinstheorie« werde ich zeigen, wie es übrigens auch schon allgemeiner anerkannt wird, daß die Besitzer der Produktionsmittel (Fabrikanten) einfach Pfandleiher sind.
Und zu dieser Erkenntnis hat mir das Freigeld verholfen. Das Freigeld befreite mich zunächst von allen Wertflunkereien, indem ja das Dasein dieses Freigeldes eine lebendige und greifbare Widerlegung sämtlicher Werttheorien und des Wertglaubens überhaupt darstellt. Nach dem Wertglauben kam die Reihe an den für volkswirtschaftliche Untersuchungen gänzlich unbrauchbaren Begriff »Arbeit«. Denn was ist Arbeit? Die Arbeit kann man nicht an den Armbewegungen, an der Müdigkeit ermessen, sondern nur am Arbeitserzeugnis. James Watt arbeitet jetzt im Grabe noch mehr als sämtliche Pferde der Welt. Nicht auf die Arbeit, sondern auf deren Ergebnis (das Produkt) kommt es an; dieses wird gekauft und bezahlt. Wie das ja bei der sogenannten Stückarbeit klar zutage tritt. Und im Grunde ist alles Stücklohn-(Akkord)arbeit.
Waren kaufen heißt aber Waren tauschen; die ganze Volkswirtschaft löst sich so in einzelne Tauschgeschäfte auf, und alle meine Begriffe: »Lohn«, »Wert«, »Arbeit« enthüllen sich als vollkommen zwecklose Umschreibungen der beiden Begriffe »Ware« und »Tausch«.
Der Bankmann.
Immer wieder werde ich gefragt, wie es denn nun eigentlich mit dem Außenhandel wird, wenn wir zur Papierwährung übergehen. Es ist erstaunlich, in welch tiefer Unwissenheit das Volk in dieser Beziehung geblieben ist. Dabei handelt es sich doch um einfache, übersichtliche Vorgänge.
Sehen Sie dort die Zitronen im Laden der Grünkramhändlerin? Sie kommen aus Malaga. Und die Kisten, die dort dem Bahnhof zugerollt werden, kommen von der Finsterburger Sonnenschirm A.-G. und gehen nach Sevilla. Können nun diese beiden Geschäfte mit Papiergeld, deutschem und spanischem Papiergeld, unter Ausschluß von Gold abgewickelt werden?
Wäre der Händler, der die Zitronen aus Spanien einführt, zugleich derjenige, der auch die Sonnenschirme nach Spanien ausführt, so würde jedermann sofort einsehen, daß die Abwicklung der beiden Geschäfte durch das Papiergeld nicht gestört wird. Der Mann würde in Sevilla die Sonnenschirme gegen spanisches Papiergeld verkaufen und mit demselben Papiergeld in Malaga Zitronen laufen und bezahlen. Dann würde er die Zitronen nach Hamburg schicken, sie dort gegen deutsches Papiergeld verkaufen und mit dem Erlös die Sonnenschirme bezahlen. Er würde also die Zitronen mit Sonnenschirmen bezahlen. Und dieses Geschäft würde er unendlich oft wiederholen, ohne daß ihm der Umstand, daß das spanische Papiergeld in Deutschland nicht gilt, bei seinen Geschäften irgendwelche Verlegenheit bereiten könnte. Das spanische Papiergeld, das er für die Sonnenschirme bekommt, gibt er in Spanien für Zitronen aus, und das deutsche Papiergeld, das er für die Zitronen erhält, benutzt er zum Ankauf der Sonnenschirme. Sein Kapital wechselt ständig; heute besteht es aus Zitronen, morgen aus Mark d. R.-W., dann wieder aus Sonnenschirmen und aus Pesetas spanischer Währung. Dem Kaufmann kommt es ganz allein auf den Gewinn an, auf das, was der ständige Stoffwechsel des Kapitals an Überschuß abwirft. Und dafür, daß ein Gewinn aller Regel nach übrigbleibt, sorgen nicht die Währung, sondern die Gesetze des Wettbewerbs.
Aber Einfuhr und Ausfuhr sind nur ausnahmsweise in einer Hand vereint. In der Regel herrscht auch hier die Arbeitsteilung, und diese erfordert für die Abwicklung der Zahlung eine besondere Handlung. Aber auch dann steht das Papiergeld den Kaufleuten nicht im Wege. Die Dinge wickeln sich dann wie folgt ab: die am gleichen Orte wohnenden Einfuhr- und Ausfuhrhändler treffen sich auf der Börse. Dort verkauft der Sonnenschirmausfuhrhändler dem Zitroneneinfuhrhaus die Forderung, die er in Gestalt eines Wechsels auf Sevilla hat, gegen deutsches Geld. Zu welchem Preise das geschieht (Wechselkurs, Valutaschwankungen), werden wir gleich sehen. Diesen in Pesetas spanischer Währung ausgestellten Wechsel schickt das Zitroneneinfuhrhaus nach Malaga in Zahlung für die erhaltenen Zitronen.
Dieser Wechsel lautet:
30 Tage nach Sicht zahlen Sie an die Order der Hamburger Zitronen-Zentrale die Summe von 1000 Pesetas, Wert unserer Sonnenschirmrechnung vom 1. August.
Finsterburger Sonnenschirm A.-G.
An Herrn
Manuel Sanchez in Sevilla.
Der Verkauf des Wechsels durch das Sonnenschirmausfuhrhaus an die Zitronenzentrale ist durch die Ausstellung an Order der Zitronen-Zentrale im Text des Wechsels bereits beglaubigt. Der weitere Verlauf des Wechsels an das Zitronenausfuhrhaus in Malaga wird auf der Rückseite des Wechsels vermerkt. Dort steht: Für uns an die Order der Herren Cervantes y Saavedra in Malaga. Hamburger Zitronen-Zentrale.
Von Malaga wird der Wechsel durch ein Bankhaus nach Sevilla geschickt und dort vom Sonnenschirmhändler Manuel Sanchez eingelöst.
Damit ist das Sonnenschirm- und Zitronengeschäft nach allen vier Seiten erledigt. Das Sonnenschirmausfuhrhaus in Hamburg und das Zitronenausfuhrhaus in Malaga haben ihr Geld erhalten, das Zitroneneinfuhrhaus in Hamburg und das Sonnenschirmeinfuhrhaus in Sevilla haben ihre Rechnungen bezahlt. Und es war dabei doch nur deutsches und spanisches Papiergeld beteiligt. Trotzdem an dieser Ein- und Ausfuhr vier Personen beteiligt waren, wurde Ware mit Ware, deutsche Ware mit spanischer Ware bezahlt.
Ähnlich verlaufen die Dinge übrigens auch, wenn die Wechsel, statt im unmittelbaren Verkehr zwischen den Einfuhr- und Ausfuhrhäusern zu bleiben, den Banken übergeben werden, was in der Regel dann geschieht, wenn die Ein- und Ausfuhrhändler verschiedene Orte bewohnen. Doch würde es zu weit führen, diese Geschäftsabwicklung hier ebenfalls zu erklären. Wesentliche Unterschiede bestehen nicht.
Aber eine wichtige Frage ist hier noch zu beantworten: wie kommt der Kurs der Peseta-Wechsel in Hamburg zustande, d. h. welchen Preis zahlte das Zitroneneinfuhrhaus in Hamburg in deutschem Gelde für den auf eine fremde Währung lautenden Wechsel?
Auch diese Frage wollen wir beantworten. Der Preis der Wechsel wird, wie der Preis der Zitronen und Kartoffeln, ausnahmslos durch Nachfrage und Angebot bestimmt. Viele Kartoffeln, viele Wechsel –- billige Preise für Kartoffeln und Wechsel. Viele spanische Pesetawechsel werden aber in Deutschland angeboten, wenn viele deutsche Waren nach Spanien ausgeführt werden, während anderseits die Nachfrage nach Pesetawechseln in Hamburg gering ist, wenn aus Spanien wenig Waren eingeführt werden. Dann fällt der Preis (Kurs) der Peseta, wie er auch wieder steigt, wenn das Umgekehrte eintritt.
Solange in der Ein- und Ausfuhr sich nichts ändert, halten sich auch Nachfrage und Angebot von Wechseln die Wage. Die Änderung tritt aber sofort ein, sobald aus irgend einem Grunde die Preise in Spanien (um bei dem Beispiel zu bleiben) oder in Deutschland ihren allgemeinen Stand verlassen. Steigen z. B. in Spanien die Warenpreise, weil man dort verhältnismäßig mehr Papiergeld ausgegeben hat als in Deutschland, so werden durch dieselben hohen Preise ausländische Waren mehr als gewöhnlich angelockt, während zugleich die Ausfuhr spanischer Ware wegen derselben hohen Preise sich als weniger oder überhaupt nicht lohnend erweist. Dann wächst die Einfuhr in Spanien, und die Ausfuhr geht zurück. Dann wird das Angebot von Pesetawechseln in Hamburg groß, und die Nachfrage nach Pesetawechseln wird klein. Und Angebot und Nachfrage bestimmen den Marktpreis der Peseta. Dann bezahlt man für die Peseta in Hamburg statt 0,80 nur 0,75, 0,70 und weniger. Dann erhält das Sonnenschirmausfuhrhaus für den auf Sevilla gezogenen Wechsel in deutschem Papiergeld nicht mehr dieselbe Summe wie früher, sondern weniger, und was es dann an den hohen Preisen, die es in Sevilla für die Sonnenschirme erzielte, mehr als gewöhnlich verdient zu haben glaubte, das setzt es am sinkenden Pesetakurs beim Verkauf des Wechsels wieder zu. Umgekehrt wird die Zitronenzentrale das, was sie in Malaga an den hohen Preisen für Zitronen mehr bezahlt hatte, jetzt beim Kauf der Pesetawechsel in Hamburg wieder zurückgewinnen.
Dieses Spiel währt so lange, bis die durch die spanische Papiergeldpolitik hochgetriebenen Warenpreise durch einen entsprechenden Rückgang der Pesetakurse ausgeglichen sind und damit ihren Anreiz zu erhöhter Einfuhr und verminderter Ausfuhr wieder verlieren. Das Gleichgewicht zwischen Ein- und Ausfuhr stellt sich also durch die Schwankungen des Wechselkurses selbsttätig her, und dies bedeutet, daß besondere Rücklagen zum Ausgleich einer Unterbilanz bei doppelseitiger Papierwährung nicht nötig sind, weil es zu solchen Unterbilanzen nicht kommen kann.
Es erübrigt sich, zu sagen, daß, wenn in Deutschland die Preise hochgetrieben werden, während sie in Spanien auf gleicher Höhe bleiben, die Dinge genau umgekehrt verlaufen. Dann lohnt sich die Ausfuhr von Sonnenschirmen nicht, dagegen aber lohnt sich um so mehr die Einfuhr nach Deutschland aus all den Ländern, mit denen Deutschland sonst auf dem Weltmarkt in Wettbewerb steht. Dann werden in Deutschland wenig Auslandswechsel angeboten, aber viele gesucht; dann muß man für ausländische Wechsel erhöhte Preise (in Mark deutscher Papierwährung) zahlen. Dann stellt der erhöhte Preis (Kurs) dieser Wechsel das Gleichgewicht in Ein- und Ausfuhr auch selbsttätig wieder her.
Es ist zweifellos, daß die hier (also unter der doppelseitigen Papierwährung) möglichen Schwankungen des Wechselkurses jede beliebige Höhe erreichen können, daß solche Schwankungen die Kaufleute sehr ungleich begünstigen oder schädigen und dadurch die Verlustgefahr des Handels erhöhen. Aber liegt nicht in der Möglichkeit, mittels der Geldpolitik willkürlich unbegrenzt große Schwankungen des Wechselkurses herbeizuführen, auch schon die Anerkennung ausgedrückt, daß man mit der Papiergeldpolitik auch ebenso willkürlich die Wechselkurse fest auf einem Punkt erhalten kann? Kann man das Gleichgewicht in Ein- und Ausfuhr durch die Geldpolitik stören, so muß es doch auch möglich sein, durch dieselbe Geldpolitik sogar die aus natürlichen Gründen (z. B. gute und schlechte Ernten) entstehenden Schwankungen in der Ein- und Ausfuhr auszugleichen. Es ist dazu ja weiter nichts nötig, als daß die einzelnen Länder eine in allen Dingen übereinstimmende Geldpolitik, Papiergeldpolitik betreiben. Wenn wir in Deutschland, und ebenso die Spanier in ihrem Lande, das Gleichgewicht der Warenpreise durch eine entsprechende Geldpolitik aufrecht erhalten, dann bleibt auch das Verhältnis der Einfuhr zur Ausfuhr bestehen, dann bleibt auch das Verhältnis der Nachfrage zum Angebot von Wechseln unverändert, dann bleibt der Wechselkurs fest. Zur Lösung dieser Aufgabe genügt also eine Verständigung zwischen den einzelnen Ländern und eine entsprechende Tat.
Das, was wir von der hier erwähnten Verwaltung des Geldes erwarten, stellte sich früher mit der internationalen Goldwährung bis zu einem gewissen Grade selbsttätig ein. War in einem Lande der Geldumlauf (Gold und Banknoten) groß, und stiegen als Folge davon die Warenpreise über ihren natürlichen Weltverkehrsstand, so geschah genau dasselbe, was jetzt in einem Lande mit Papiergeld geschieht, wenn der Geldumlauf erhöht wird (s. oben).
Die Wechsel, die auf das Land, in dem die Preise gestiegen waren, gezogen wurden, fielen im Kurs. War es z. B. Spanien, so ging der Pesetakurs in Hamburg von 80 auf 79 oder 78 zurück und fiel schließlich so weit, daß der Verkäufer solcher Goldpesetawechsel (das wäre, um bei dem Beispiel zu bleiben, der Sonnenschirmausfuhrhändler) seinem Geschäftsfreund in Sevilla schreiben mußte: »Ich stoße beim Verkauf des für die gelieferten Sonnenschirme auf Sie gezogenen Wechsels auf Schwierigkeiten. Man bietet mir statt 80 nur 78 Pfennig für die Peseta an. Ich ziehe darum den Wechsel zurück und bitte Sie, mir den Betrag meiner Rechnung in dortigen Goldmünzen hierher zu schicken.« Unser Sonnenschirmausfuhrhändler hat nun allerdings die Kosten dieser Goldversendung zu zahlen. Diesen Ausweg wird er deshalb immer nur dann wählen, wenn der Kursverlust am Wechselverkauf die Kosten der Goldverfrachtung übersteigt. Die spanischen Goldmünzen bringt das Sonnenschirmausfuhrhaus auf die Reichsbank, die sie ihm kostenlos in Reichsmünzen umprägen läßt oder gegen Banknoten zum festen Preise von 2790 Mark das Kilo Feingold umtauscht.
Was geschieht nun hier und in Spanien als Folge dieses Geschäftsbrauches? In Spanien hatte der Geldumlauf um den Betrag der Sevillaner Goldsendung abgenommen. War das Gold dem spanischen Zentralnotenamt entzogen worden, so mußte dieses nach dem Dritteldeckungsverfahren das Dreifache der Goldsendung an Banknoten dem Verkehr entziehen. In Deutschland hatte umgekehrt der Geldumlauf um das Dreifache der spanischen Goldsendung zugenommen. Die Wirkung war, daß die Warenpreise in Spanien sanken und in Deutschland stiegen. Das dauerte so lange, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt war.
Wäre die allgemeine Preiserhöhung, die den Anstoß zu diesen Verschiebungen gegeben hatte, statt von Spanien von Deutschland ausgegangen, so würde der Zitroneneinfuhrhändler in Hamburg (statt des Sonnenschirmausfuhrhändlers) in ähnlicher Weise nach Malaga geschrieben haben, daß der hohe Pesetakurs in Hamburg ihn veranlasse, als Zahlung für die erhaltenen Zitronen diesmal anstelle des üblichen Wechsels auf Sevilla deutsche Goldmünzen einzusenden, die man sich in spanisches Geld umprägen lassen möge.
Weil solche Goldsendungen nun tatsächlich oft vorkamen, glaubte man allgemein, daß gewisse Goldrücklagen für diesen Zweck nötig seien. Das war eine falsche Ansicht. Das Gleichgewicht hätte sich auch ohne diese Goldsendungen selbsttätig wieder hergestellt, und zwar als Folge der Hemmung (bzw. Förderung), die die Einfuhr (bzw. Ausfuhr) von Waren durch die Wechselkursschwankungen erfuhr. Die Bedeutung der Goldsendungen und der diese speisenden Goldrücklagen lag auch gar nicht in der Goldsendung an sich, sondern in dem Einfluß, den diese Goldsendungen auf die Warenpreise ausübten. Diese, nicht die Goldsendungen, stellten das Gleichgewicht her. Hätte man überall dort, wo der Wechselkurs aufs Ausland stieg (wenn man also für Pesetawechsel erhöhte Markpreise zahlen mußte), den Preisstand durch Einziehen von Banknoten gedrückt, so wäre auch sofort das Gleichgewicht in der Ausfuhr und Einfuhr wiederhergestellt worden, der Wechselkurs wäre auf den Gleichstand (pari) zurückgegangen. Eine ganz einfache Handlung, bestehend in der Wechseldiskontverweigerung von seiten des Zentralnotenamts, hätte Goldsendungen und die dafür bestimmten Goldrücklagen vollkommen überflüssig gemacht.
Eine Tat an Stelle eines toten Goldklumpens, wie denn überhaupt die Währung nicht als Eigenschaft eines Stoffes, sondern nur als Tat, als Wirkung von Verwaltungsmaßregeln begriffen werden kann.
Aber das hatte man nie begriffen, Näheres in »Aktive Währungspolitik« (s. das Schriftenverzeichnis am Schluß). und wahrscheinlich begreift man es sogar heute noch nicht ganz.
Unter der Goldwährung konnten die Wechselkursschwankungen nie größer weiden, als die Kosten der Goldverfrachtung betrugen. Für einen Kulturzustand, unter dem man vom Staate überhaupt nichts Gutes, keine verständige Arbeit erwarten kann, hat ein solcher selbsttätiger Währungsausgleich Vorteile. Für unsere heutigen Staaten wäre aber das Beibehalten der Goldwährung aus solchem Grunde geradezu als Beleidigung der Staatsbeamten zu betrachten.
Bei Maschinen zieht man wohl der Menschenhand einen selbsttätigen Regulator vor. Aber in Währungsangelegenheiten wäre der Vergleich mit einem Maschinenbetrieb nicht angebracht. Außerdem geschieht die Währungsregulierung unter der Goldwährung nur in sehr beschränktem Sinne selbsttätig. Die Goldversendungen vollziehen sich nicht von selbst. Das Gold muß gezählt, verpackt, verschickt, versichert, umgeprägt werden. Das Einziehen einer entsprechenden Summe Geldes als Verwaltungsmaßregel der Notenbank würde ebenso wirken, dabei weniger Arbeit und gar keine Kosten verursachen.
Auch ist zu beachten, daß die Wechselkursschwankungen zwischen weit entfernten Ländern bei durchschnittlichem Zinsfuß bis zu 4 % und darüber betragen können.
Die Kosten einer Goldsendung von Europa nach Australien betragen z. B. reichlich 2 %. Sie setzen sich zusammen aus Zinsverlust während der Reise, Fracht, Versicherung gegen Seegefahr und Diebstahl, Verpackung und Vermittlungsgebühren. Um diese 2 % kann also der Wechselkurs zwischen Europa und Australien über den Gleichstand (pari) steigen und darunter fallen, so daß hier die Spannung 4 % übersteigen kann! Das alles nennt sich aber Währung, Goldwährung!
Der Goldwährungsautomat beugt nicht vor, er tritt immer nur dann in Tätigkeit, wenn die Schwankungen das Höchstmaß, den sogenannten Goldpunkt (das sind obige Kosten) erreicht haben, d. h. mit dem Beginn der Goldausfuhr und -einfuhr. Wenn der ganze Schaden, den die Wechselkursschwankungen überhaupt anrichten können, bereits vorliegt, dann erst setzt das Heilverfahren ein. Mit der Papierwährung dagegen, wenn alle Wachen und Horchposten der Geldverwaltung ihren Dienst gewissenhaft versehen, beginnen die vorbeugenden Maßregeln, sobald die ersten Zeichen einer Gleichgewichtsstörung beobachtet werden, so daß die Kursschwankungen auf diese Zeichen beschränkt bleiben. Freilich könnte man bei der Goldwährung auch vorbeugen, und die Reichsbank behauptet sogar von sich, daß sie kein bloßer Automat sei; aber wo bleibt dann das selbsttätig Wirksame der Goldwährung, wenn man ihr durch Taten nachhelfen muß?
Das, was ich hier sagte, bezog sich auf das gemeine, herkömmliche Papiergeld. Für das Freigeld, bei dem alle Maßnahmen der Geldverwaltung, entsprechend ihrer Zwangsläufigkeit, unmittelbar wirksam sind, hat meine Behauptung, daß zur Erhaltung fester Wechsel- oder Valutakurse Rücklagen irgendwelcher Art überflüssig sind, unbeschränkte Geltung.
Der Wechselagent.
a) Tatsachen.
(Sinn und Zweck der Münzunion war zwar ein anderer gewesen. Die Gründer der Union wußten nicht, daß das Silbergeld zum Kreditgeld aufsteigen würde. Nur von der Theorie des Papiergeldes aus kann man den Mechanismus des beschriebenen Arbitrageautomaten begreifen.)
b) Folgerungen
1. Das oben beschriebene Spiel der Kräfte stimmt voll überein mit der Quantitätstheorie und liefert für diese zugleich den Beweis ihrer Richtigkeit.
2. Es leuchtet ein, daß sich am genannten Spiel der Kräfte nichts ändern kann, wenn wir anstelle des silbernen Fünffrankenstückes ein solches aus Papier setzen, da das Fünffrankenstück sich ja nicht kraft seines Silbergehaltes als Geld betätigte. Das ihm durch internationale Verträge verbriefte Vorrecht machte es zu internationalem Geld.
3. Gibt man ein solches unter Aufsicht der beteiligten Staaten verfertigtes Geld in einer nur für den Zweck bestimmten Menge aus, und nur in einer einzigen Stückelung – etwa 5 Franken –, so würde dieses internationale Geld, wie jetzt die Fünffrankenmünze, überall frei ein- und ausgehen, überall selbsttätig auf Warenein- und Ausfuhr regelnd wirken und überall die Valutakurse auf dem Gleichstand (pari) erhalten.
4. Ungewöhnliches Einströmen von solchen Fünffrankennoten wäre der Beweis, daß zu wenig eigenes, nationales Papiergeld im Umlauf ist. Am Ausströmen würde man merken, daß zuviel nationales Geld umläuft.
5. Der vollkommene Abfluß der internationalen Noten und das folgende Auftreten eines Agios wäre der Warnungsschuß für die Notwendigkeit einer kräftigen Drainage des Geldmarktes, die so lange anzudauern hat, bis das Agio (Aufgeld) verschwindet und die internationalen Noten wieder einströmen.
6. Umgekehrt würde ein starkes Zuströmen der internationalen Noten beweisen, daß zu wenig nationales Geld im Umlauf ist, – vorausgesetzt, daß man nicht annehmen will, daß aus allen anderen Ländern die internationalen Noten durch zu viel nationales Geld vertrieben wurden. Letztere Annahme führt auf die eigentliche Währungsfrage, die nicht mit der Valutafrage zu verwechseln ist.
In nachstehendem Abschnitt geben wir nunmehr eine Übersicht der Grundsätze für den nach unseren Vorschlägen zu begründenden Weltwährungsverein (Internationaler Valutabund).