Friedrich Gerstäcker
Java
Friedrich Gerstäcker

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1. Batavia und sein erster Eindruck.

Freitag den 7. Nov. (1851) hatten wir endlich nach langer, durch die ewigen Windstillen wahrhaft verzweifelter Fahrt, Java's Höhe erreicht, und segelten nun mit günstiger Brise in die Sunda-Straße ein, die durch Java und Sumatra gebildet wird. O, wie wohl das schattige Grün der javanischen Küste, an der wir dicht vorbeihielten, dem Auge that; endlich einmal wieder Leben außer uns, endlich wieder einmal die Zeichen einer schaffenden, treibenden Menschenwelt. Ueber die stille Bay glitten die wunderlichen Prauen der Eingeborenen, mit ihren eigenthümlich gestellten Mattensegeln und scharf aufgebogenen Schnäbeln. Ein- und ausgehende Schiffe mit wehenden Flaggen zeigten sich da und dort in der Ferne, und eine Schaar munterer Tümmler, die nicht weit von uns ihre wilde Jagd durch die klare Fluth verfolgte, und manchmal mit dem ganzen glatten Körper übers Wasser schnellten, schien sich ordentlich darüber zu freuen baß wir endlich angekommen seyen, und begleiteten uns eine ganze Strecke Wegs – ohne jedoch ihre Freundschaft so weit auszudehnen daß sie in Harpunenwurfs-Nähe zum Schiff herangekommen wären.

So knapp waren wir – durch die ewig lange Windstille, und dadurch daß wir nicht ein einzigesmal einen ordentlichen Regen gehabt – mit Wasser geworden, daß der Capitän beabsichtigt hatte die Küste, Meeuven Island gegenüber, um Wasser anzulaufen; da aber die Brise so frisch und günstig wehte, gaben wir das wieder auf, denn mit dem Wind konnten wir Batavia in kurzer Zeit erreichen.

Links die Küste von Sumatra, mit ihrem ausdehnenden Gebirgsrücken, rechts die von Java, mit den spitzen kantenartigen Bergen, unter uns die ruhige, von einer günstigen Brise nur leicht bewegte See, über uns den blauen sonnigen Himmel, so fuhren wir in die Java-See ein, und mir war das Herz seit langer Zeit nicht so froh, so leicht gewesen.

Am nächsten Tag umsegelten wir Point Nicholas. Die ganze Bucht ist von hier aus wie mit kleinen Inseln besäet, und einzelne von diesen boten, mit ihren schattigen Fruchtbäumen und den tief darunter versteckten Häusern, einen wirklich reizenden Anblick. So die Insel Amsterdam, an der wir dicht vorbeifuhren, und die wahrlich mit ihren schaukelnden Prauen und Booten, den aus dem dichten Grün üppig heraussprossenden jungen Cocospalmen, den lauschigen Hütten und buntgekleideten Mädchengestalten, der leise plätschernden und doch weißbeschäumten Brandung und der ganzen sonnigen Umgebung, wie das Titelblatt zu einem wunderbaren herrlichen Märchenbuch aussah.

Am Abend landeten wir ziemlich dicht unter dem Reef einer andern unbewohnten Insel, lichteten am nächsten Morgen wieder die Anker und segelten die Rhede von Batavia an.

Es war Sonntag, und alle Schiffe flaggten! Mynheer war darunter am stärksten vertreten – überall wehte die holländische Flagge, doch zählte ich drei Amerikaner, mehrere Engländer, einen Franzosen, und dicht neben uns grüßte die Bremer Flagge vom »Ernst Moriz Arndt« herüber. Ein Hamburger der weiter draußen auf der Rhede lag, hatte nicht geflaggt.

Der Hafen von Batavia, oder vielmehr die Rhede (denn einen Hafen kann man das gar nicht nennen wo die Schiffe, weit vom Lande ab, in freier, offener See liegen müssen) bietet wenig anziehendes. Die einzeln umhergestreuten Inseln geben dem Bilde wohl einige Abwechselung, aber die javanischen Berge liegen zu weit in der Ferne, einen wirklichen Hintergrund zu bilden, und die nächste Küste, aus der nur hie und da die einzelnen Ziegeldächer der wirklichen Handelsstadt herausschauen, ist zu flach, um das Ganze selbst, dem Auge wohlthuend, einzufassen. Nur mit dem Fernrohr lassen sich die üppigen Palmenwälder der Niederung erkennen. Die Sonne brannte übrigens so gutmeinend auf uns herab, daß wir uns nicht mehr verheimlichen konnten wir hätten jetzt wirklich tropischen Boden erreicht.

Noch an demselben Tag kam ein Boot vom Wachtschiff zu uns, das Wie, Woher und Wohin des Schiffes zu erfahren – die Polizei ist überall neugierig – und schon vorher streiften die Raubvögel herüber, die kleinern Boote der Schiffsmäkler, die einander den Rang abzulaufen suchten, das Schiff für sich und ihre Besorgungen zu gewinnen.

Statt diesen »Geyern der Küste« wären mir freilich ein paar ordentlich beladene Fruchtboote lieber gewesen, es war aber Sonntag, und von diesen kam deßhalb keines an Bord, wohl aber noch eine Parthie Malayen, die sich dem Capitän zu Bootführern anbot. Es ist hier nämlich Sitte daß die Schiffe, ihre eigene Mannschaft in der Hitze zu schonen, eine Malayische Bootsbemannung mit ihrem Boot, für die Dauer ihres Aufenthalts in Batavia, engagiren. Diese Leute unterhalten dann die Communication mit dem Schiff und festen Lande, nehmen den Capitän herüber und hinüber, wie er es verlangt, bringen frisch Fleisch, Gemüse und Früchte an Bord. Dafür bekommen sie für vier Mann, wobei sie aber selbst das Boot stellen, vier Gulden Silber täglich (der Name Silber ist übrigens nur Ironie, denn der Gulden Silber ist Papier).

Ich hatte mich unterwegs tüchtig im Malayischen geübt, dennoch klangen mir hier die Worte, als ich sie wirklich und lebendig ausgesprochen hörte, wild genug durcheinander, einzelnes verstand ich aber doch davon und wußte daß das schon besser gehen würde, wenn ich nur erst einmal ordentlich in Uebung käme.

Um neun Uhr Morgens fuhren wir an Land und ich kann mir wohl denken wie ein Europäer, der noch keinen anderen Theil der Erde gesehen, und nach langer Seereise hier zum ersten Mal in dieser tropischen Welt ans Ufer steigt, erstaunt und überrascht sein muß von all dem Fremden, Wunderlichen, Neuen, das ihn umgiebt und auf ihn einbringt, that es mir doch selber wohl, einmal etwas wirklich Außergewöhnliches zu finden und nicht gleich im fremden Hafen wieder all dem alten Schlendrian der alten Welt zu begegnen, dem auf kurze Zeit zu entgehen, ich ja doch hinaus in die Welt gegangen war.

Ich glaube die Holländer fühlen sich nirgends wohl, wo sie nicht Dämme und Canäle graben und haben können – hier ist das wenigstens ebenfalls das erste, was den Fremden begrüßt und ein schmaler von Corallblöcken schwach genug aufgeführter Canal, führt durch die hier seichte See, viele hundert Schritt hinaus, den Booten eine in etwas geschützte und sichere Einfahrt zu gestatten. Bei unruhigem Wetter bricht sich die See aber hier auch mit solcher Gewalt, daß das Ein- und Auslaufen von Böten sehr häufig unmöglich oder doch so gefährlich wird, daß es nur wenige riskiren, und selbst diese wenigen selten ungestraft. Zu solchen Zeiten weht blauen Flagge, beladene Prauen dürfen dann nicht auslaufen und alle andern Fahrzeuge werden dadurch gewarnt und auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam gemacht.

Heut' hatten wir übrigens herrliches, ruhiges Wetter, die See war spiegelglatt und unsere Malayen brachten uns bald am Zollgebäude vorüber zum Landungsplatz, wo schon, durch den einen Schiffsmäkler bestellt, Wagen standen, uns in die Stadt selber hinaufzubringen.

Hier müßte ich übrigens tausend Federn und Hände haben, wollte ich zu gleicher Zeit all die verschiedenen Eigentümlichkeiten des fremden Landes, die dem Erstgekommenen weit mehr und stärker in die Augen fallen, auch zu gleicher Zeit schildern und beschreiben – Alles war mir neu und fremd, und ich gab mich deßhalb auch mit soviel größerem Wohlbehagen dem ersten Eindruck dieses eigenthümlichen südlichen Lebens hin.

Von einer Stadt war übrigens noch immer Nichts zu sehen – hie und da lange Waarengebäude, das geschäftige Leben und Treiben auf dem Kali besaar (großem Fluß) und im Canal über den man mit einiger Uebung hinüberspringen könnte – alterthümliche weitläufige Steingebäude, braune komische Gestalten in wunderliche geschmacklose Uniformen hineingesteckt; malayische Lastträger, die mit ihren Lasten – von einem mit der Schulter getragenen Stock vorn und hinten herunterhängend – langsam wenn sie leicht, rasch wenn sie schwer sind, durch die Straßen ziehen; niedere in Büschen versteckte theils Holz theils Bambushäuser, von rauschenden Cocospalmen überzweigt, von Bananen und andern Fruchtbäumen beschattet; Cabrioletartige Wagen mit Malayischen Kutschern und weißgekleideten Europäern oder »Halbracigen« sogenannten Liplaps, mit wunderbar kleinen Pferden davor – die erst in der That wieder eine natürliche Größe annehmen, wenn man eine Zeitlang in Batavia gewesen ist, und sich an sie gewöhnt hat –; langzöpfige Chinesen mit papiernen Schirmen und wunderlichen Hüten; in dem Fluß badende Eingeborene beiderlei Geschlechts, die sich das Schlammwasser mit einem Wohlbehagen in den Mund laufen lassen als ob es Nektar wäre; kleine Fruchtbuden und prachtvolle luftige Landhäuser, mit freundlichen Gärten und Veranden – das ist der erste Anblick, der erste Eindruck Batavias, und der Leser wird sich wohl denken können, daß sich dieß tolle Geräusch nicht Alles mit einem Blick auffassen, mit einem Umschauen halten läßt.

Die Stadt ist übrigens so entsetzlich weitläufig daß man schon seine Wege gar nicht zu Fuß abmachen könnte, wenn man selbst der Hitze trotzen wollte. Dazu kommt nun noch diese Heidenangst die der Fremde gewöhnlich von dem, als pestilenzialisch ausgeschrieenen Klima Batavia's mitbringt, und man kann sich denken daß ich mich selber nicht etwa über die Sitte hinweg, sondern ebenfalls in einen Wagen hineinsetzte, und dem Ort meiner Bestimmung, einem Handelshaus am Kali besaar zufuhr, an das ich von Sidney aus eine flüchtige Einführung hatte. Empfehlungsbriefe für Batavia besaß ich gar keine.

Herr Pandel empfing mich auf das freundlichste, seine Antworten auf meine Fragen aber wie und auf welche Art man am besten in das Innere kommen könne, lauteten so trostlos wie möglich. Fußtouren vor allen Dingen ganz unausführbar – Wälder undurchdringlich, außer mit Hülfe von einer unbestimmten Anzahl von Kulis; Reisen zu Pferde schwierig und in der heißen Sonne gefährlich, dabei von Europäern selten oder nie ausgeführt. Reisen mit der Post sehr leicht, aber ungemein kostspielig (hier stack die einzige Gefahr für mich) außerdem noch die Erlaubniß dazu sehr schwer von der Regierung zu erhalten; das waren nach seiner Ansicht meine Aussichten. Das entmuthigte mich aber sehr wenig – Schwierigkeiten hatte ich noch überall gefunden, wo ich das Innere eines Landes besuchen wollte, d. h. nur beim Auslaufen, an Ort und Stelle hoben sie sich aber gewöhnlich von selber, und ich hoffte denn auch bald meinen Wunsch, das Innere Java's zu sehen, in Ausführung zu bringen. Herr Pandel empfahl mir übrigens das Hotel wo er selber wohnte und Capitän Schmidt und ich fuhren den Mittag noch nach Ryswyk hinaus, zwei Zimmer zu belegen.

Die Fahrt dorthin war reizend, an dem kleinen eingedämmten Fluß, der übrigens vollkommen einem Canal gleicht, hinauf, zwischen zwei Reihen herrlicher Landhäuser hin. Dabei das frische Grün der wahrhaft wundervollen Vegetation, die Fächer und Cocospalmen, die stattlichen Waringhis oder Banianbäume und Casuarinen, die weiten reinlichen säulengetragenen Gebäude bei denen man einen freien Blick in die geschmackvoll decorirten Zimmer und Salons gewinnt; das geschäftige Leben und Treiben der arbeitenden Klasse, die hier nur unter der farbigen Bevölkerung zu suchen ist, die vielen Fruchtverkäufer mit ihren, nach langer Seereise so sehr verführerischen Lasten, der frische Luftzug beim raschen Fahren, das Alles machte einen wunderbar wohlthuenden Eindruck auf mich, und das luftige elegante Hotel der Nederlanden von Herrn Hogezand mit seinen Marmorplatten, Spiegeln und Astrallampen, schattigem Hofraum und freundlichen Zimmern und noch viel freundlicherem Gesicht das uns empfing, diente wahrlich nicht dazu den Eindruck zu schwächen.

Dieser Tag wurde aber auch zu einem Rasttag bestimmt und wir verbrachten den Abend sehr angenehm in der Gesellschaft noch mehrerer anderen Deutschen, die das Hotel ebenfalls bewohnten.

Hier fand ich auch deutsche Zeitungen – Weser und Augsburgische, doch ich ersparte mir den Schmerz sie zu lesen auf eine spätere Zeit – ich wollte mir nicht gleich den ersten Tag auf Java, auf eine so leichtfertige Weise selber verderben. Aber ich fand auch Briefe aus Deutschland, zwar all und vom Februar, aber doch von den Meinen und der Tag meiner Ankunft wurde so zu einem wirklichen Feiertag.

Dienstag den 11. Novbr. holte ich meine Sachen vom Bord der Wilhelmine und richtete mich in Batavia häuslich ein. Es that mir fast leid das alte brave Schiff zu verlassen; mein Aufenthalt darauf war so lang und so angenehm gewesen daß es mir fast vorkam als ich die Fallreepstreppe hinunterstieg, als ob ich einen lieben Freund verlasse, in dem Capitän der Wilhelmine hatte ich aber auch wirklich einen wahren Freund gefunden, und es freute mich jetzt nur noch, in Batavia einige Zeit mit ihm zusammen seyn zu können.

Am nächsten Tag geschah ebenfalls nicht viel – ich war noch zu fremd in der Stadt und mußte erst etwas bekannter werden. Das ganze Leben war mir auch noch zu neu, zu ungewohnt, ja ich möchte wohl sagen zu reich und üppig, als daß ich mich so gleich mit dem ersten Ansprung hineingefunden hätte. Wäre es ein Lager im Walde gewesen, mit einer einfachen wollenen Decke als Schutz gegen Regen und Kälte, und einem Stück Fleisch als Nachtmahl und Frühstück, ich wäre eher wieder eingewohnt gewesen; aber in die vielerlei süßen und saueren, heißen und kalten Speisen, in die complicirten Einrichtungen mit Gott weiß wie vielen paaren Messern und Gabeln, mit Fingergläsern und Servietten, in das ewige Tellerwechseln rücksichtsloser Malayen, die einem die besten Bissen unter dem Munde wegzogen, wenn man den eigenen Teller nur einen Augenblick aus den Augen oder Händen ließ, und nun noch außerdem die fremde Sprache der wunderlich genug aussehenden Kellner, die für Alles einen andern verkehrten Namen hatten, das Alles trug viel dazu bei, daß mir das Ganze in den ersten Tagen doch nicht so gemüthlich und bequem erschien wie es eigentlich wirklich war. Ich gewöhnte mich aber sehr bald daran, an das Bessere gewöhnt sich ja der Mensch so rasch, und lernte sogar in kurzer Zeit die geheimnißvollen malayischen Namen für Huhn und Fleisch, für Brod, Früchte und Gewürze. Komisch klingt übrigens das Malayisch, besonders an solcher Tafel, wo eine Unmasse Dinge vorkommen, die in gar keinem Malayischen Wörterbuch stehen, die der Malaye auch gar nicht, vor seinem Zusammentreffen mit den Europäern kannte, und deren Benennung er deßhalb auch natürlich mit den Neuerungen aus ihrer Sprache herüber nehmen mußte. Portugiesisch oder Spanisch und Holländisch haben dabei die meisten, ja fast die einzigen Benennungen gegeben und ich mußte ein paar Mal laut auflachen wenn ich die Gäste einem der aufmerksam und ernsthaft zuhorchenden Malayen zurufen hörte – Kassi bottel bier sama korktrekkassi fricadellen etc. etc. Das komischte Wort von allen aber, obgleich das hier nicht bei Tisch gebraucht wurde, und was ich selber nie mit einem ernsthaften Gesicht aussprechen konnte ist das förmlich Malayisch gewordene snapang – »und was soll das bedeuten?« fragt der Leser, weiter nichts als Gewehr, nach dem Holländischen snaphahn malayisirt; dieß snapang ist wirklich zum todtschießen.

Unangenehm war mir im Anfang das ewige api (Feuer) rufen, wenn irgend Jemand sich nicht die Mühe nehmen wollte an der brennenden Cigarre seines Nachbars oder an dem vor ihm stehenden Licht die seine anzustecken, und lieber den Jungen mit der zu diesem Zwecke wirklich vestalischen cair Lunte aus der entferntesten Ecke des Zimmers zu sich rief. Das api wird dann auch noch gewöhnlich mit einem näselnden und stets streng herrischen Befehl gerufen, und wenn ich auch zuerst glaubte der Widerwillen gegen diese fatale Angewohnheit werde sich geben, so war das doch nicht der Fall, im Gegentheil wurde er mit der Zeit stärker, und ich schaffte mir zuletzt selber ein Feuerzeug mit ächt patriotischem Stahl und Schwamm an, um nur nie selber in die Gefahr zu kommen mitschuldig an einem so häßlichen Gebrauch zu werden.

Das Leben hier in Batavia ist übrigens nicht allein sehr luxuriös, sondern auch, wie man sich leicht denken kann, sehr kostspielig und das mag auch einerlei seyn, wo die Verdienste – d. h. die Einnahmen wieder mit solchen Ausgaben in gleichen Verhältnissen stehen, wo das aber nicht der Fall ist, und es immer nur ausgeben und gar nicht einnehmen heißt, da wehe Dir Cassa. Das Leben im Hotel kostet täglich fünf Gulden (es ist der stehende Preis für alle Hotels und nur das Amsterdamer soll es in letzter Zeit auf vier herabgesetzt haben) dabei darf man natürlich, wenn man den Preis nicht überschreiten will, keinen Tropfen Wein trinken, oder andere Extravaganzen begehen. Jeder Miethwagen, und wenn man nur damit um die Ecke fährt, kostet drei Gulden, für drei Gulden kann man ihn aber auch dafür sieben Stunden behalten und gebrauchen, die schwachen Pferde fordern aber doch dabei bedeutende Schonung und die Kutscher ein Trinkgeld, oder hier vielmehr wunderbarer Weise ein Eßgeld, presentie Ketjil poer makanan, denn der Malaye ist ungemein mäßig und ich weiß mich nicht zu erinnern, je einen betrunkenen gesehen zu haben. Hat man den Wagen also von Morgens früh, und will oder muß man des Abends noch einmal ausfahren, so sind das wieder drei Gulden, ohne zu murren. Die Wäsche ist im Verhältniß nicht zu theuer – für das Stück 10 Deut von denen 120 auf einen Gulden gehen – dafür gebraucht man aber auch wieder desto mehr, und des Tags zweimal die Wäsche von Kopf bis zu Füßen wechseln, ist etwas sehr gewöhnliches.

In jedem Hotel sind Bäder, zur freien Benutzung jedes Gastes; bequem hat aber der Holländer Alles, das muß man ihm lassen, und das Urmuster aller Bequemlichkeit ist seine Morgentracht, mit der er, wenn ihn nicht Geschäfte in die Stadt rufen, den ganzen Tag bis zum Mittagsessen (Abends von fünf bis acht Uhr) verträumt. Es besteht diese in einer einfachen Cabaya und Schlafhose, alles weit und von leichtem, gewöhnlich weißen baumwollenen Zeug, die Hosen aber meistens von buntem, oft inländischem Stoff, die Cabaya vorn offen wie ein Schlafrock, doch ganz kurz. Abends wird aber dafür große Toilette gemacht, und es scheint darauf auch in den Hotels sehr viel gesehen zu werden. Hat er des Morgens etwas zu thun, daß er sich nach dem ersten Frühstück ankleiden muß, so fährt er nach dem zweiten gewiß wieder in seine Morgentracht, hält seine Siesta, badet dann und macht sich zum Mittagstisch »lecker«, wie er es nennt.

Ich erwähne hier diese Kleinigkeiten, weil sie charakteristisch sind, und dem Europäer am leichtesten eine Idee des tropischen Lebens dieser Insel geben können.

Die Bedienung besteht einzig und allein aus Eingeborenen und man gebraucht hier eine sehr zahlreiche Dienerschaft, obgleich es in dieser Hinsicht wohl noch nicht so arg getrieben wird, wie in Brittisch Indien. Demnach versteht es sich von selbst, daß kein Weißer auch nur die geringste Arbeit selber verrichtet, und wie ich das schon bei dem ewigen api Rufen erwähnte, erstreckt sich das auch auf die geringsten anderen Kleinigkeiten, in denen der Fremde sich nur zu schnell zu gefallen scheint. Man ruft einen Diener einen Stuhl zu dem zwei Schritt entfernten Tisch zu rücken, neben dem man steht, und der arme Teufel muß vielleicht fünfzig Schritt her und ebensoviel wieder zurückmachen etc. etc., das ist aber allgemeiner Gebrauch und wird den Fremden stets augenblicklich verrathen, sowie er es unternehmen sollte solche kleine Handreichungen für sich selber zu thun. Ich habe mich indessen wenig daran gekehrt.

Doch genug von den Hotels und dem Hotelleben, nur soviel noch daß ich mich im Hotel der Nederlanden bei vortrefflicher Kost und sehr freundlichen Wirthsleuten so wohl befand, wie das nur in einem Hotel möglich ist.

Die Früchte Java's sind in der ganzen Welt berühmt, leider war dieß aber gerade nicht die beste Jahreszeit für sie, denn der Mangistan, anerkannt die beste von allen, war noch gar nicht reif, und selbst der Duriang kam erst einzeln zu Markt. Andere, wie der Ramputan, und Gott weiß wie sie alle heißen, habe ich gar nicht gesehen.

Am häufigsten und allgemeinsten ist die Ananas. Wir fuhren einmal Morgens auf einen der Märkte wohin besonders viele Früchte kommen, und ich kann wohl sagen daß ich in meinem ganzen Leben nicht so viel Ananas auf einem Fleck zusammen gesehen habe als hier. Sie standen in Pyramiden von etwa 5 bis 6 Fuß Höhe aufgestapelt; die Basis derselben bildete ein Ring von ungefähr vierzig im Kreis gelegten, und so höher und höher bis zu der letzten Kuppe, steigend. Es mußten über vierhundert Ananas in einer solchen Pyramide seyn, und an manchen Stellen standen 20 bis 25 Pyramiden dicht beisammen.

Natürlich werden sie auch ungemein billig verkauft, und ehe ich Batavia verließ, konnte man Ananas, so viel man haben wollte, für 3 Deute das Stück, etwa 4 Pfennige, bekommen. Einige behaupten daß sie ungesund seyen, andere gerade das Gegentheil; natürlich nicht im Uebermaß und vollkommen reif genossen; so viel weiß ich daß ich mich nie unwohl danach befunden habe, obgleich selten ein Tag verging an dem ich nicht wenigstens zwei aß. Schade daß sie sich gar nicht halten.

Eine merkwürdige Frucht ist der Duoriang-Apfel oder Duriang, wie er gewöhnlich genannt wird. Er ist länglichrund, hat Stacheln oder Auswüchse wie unsere alten Morgensterne, und wechselt in der Größe von einer Ananas bis zu einer starken Melone. Der Stacheln wegen, da er gar keinen Stiel zum Anfassen hat, tragen ihn die Eingeborenen auch meist in ein Paar Streifen Rattan (spanisch Rohr) oder Cocosblattstreifen die oben zusammen gebunden sind, zu Markte. Des Duriangs Eigenthümlichkeit ist aber sein Geruch, denn er hat den frapantesten asafoetida Duft den man sich nur denken kann. Sein in einzelnen Abtheilungen sitzendes crêmeartiges Fleisch, das feinste an Fruchtgeschmack was es giebt, ist aber ungemein hitzig und in's Blut gehend, und Europäer die ihn wirklich essen, verzehren ihn am liebsten im Bade. Die Eingeborenen lieben ihn indessen leidenschaftlich, und haben eine eigene Art sich des Geruches, nach dem Essen desselben zu entledigen. Der Geruch verschwindet nämlich, wunderbarer Weise, augenblicklich, sowie man nach dem Genuß des Duriang Wasser aus der eigenen Schaale desselben – das heißt nur gewöhnliches, in die Schaale hineingefülltes Wasser – trinkt.

Nach der Ananas war mir die sogenannte buwa avocat, die brasilianische »Butterfrucht« die liebste. Sie sieht wie eine große grüne Birne aus, ihr Fleisch ist gelblich und weich, und kommt im Geschmack, so roh und ohne weitere Zuthat als Salz gegessen, vollkommen dem Rindsmark gleich. Eine bessere Art sie zuzubereiten ist aber mit Madeira und Zucker, wodurch sie den feinsten crêmeartigen Geschmack bekommt. Diese buwa avocat scheint mit mehren andern Früchten von Brasilien hier herüber verpflanzt zu seyn. Zu diesen gehört der »Mädchen-Apfel« (buwa nonna), den die Engländer custard apple nennen, der Tappo-Tappo der Südseeländer, eine herrliche, gleichfalls crêmeartige Frucht. Die Papaya ist hier ebenfalls heimisch, und wenn ich nicht irre auch zuerst von Brasilien herübergekommen.

Eine dem Land aber vollkommen eigenthümliche Frucht ist die sogenannte Nangka. Sie wächst zu einer enormen Größe und zu solcher Schwere, daß die Natur gleich von vornherein sie bestimmte vom Stamm selber auszuwachsen, da kein kleiner Fruchtzweig im Stande seyn würde sie zu halten. Die Frucht ist grünlich und mit unregelmäßiger Schaale, oft bis zu zwei Fuß lang und zehn bis zwölf Zoll dick, und von solchem Gewicht daß die Eingebornen, wenn sie bald reif ist, kleine Körbe, von Cocosnußblättern geflochten, unter sie hängen, um sie darin aufzufangen, weil sie sonst, wenn sie zur Erde herunterstürzte, in Stücke platzen müßte. Wo bleibt da Gellerts Fabel vom Kürbis und der Nase?

Eine ähnliche Frucht, wenigstens im Aussehen, ist der sogenannte von Brasilien stammende Suersak, den die Malayen Nangka Wolanda nennen (denn alles was außer ihrem Land liegt ist wolanda, holländisch).

Die Manga ist noch eine Hauptfrucht des Landes und ungemein süß und saftig, hat aber, um mir zu gefallen, einen zu stark terpenthinartigen Geschmack, wie denn überhaupt all die acht javanischen Früchte einen etwas scharfen Beigeschmack haben, den die Malayen und auch sehr viele Europäer besonders zu lieben scheinen.

Den Shaddok oder die Pompelnuß darf ich hier nicht zu erwähnen vergessen. Es ist dieß eigentlich eine Riesen-Orange, etwa viermal so groß als eine gewöhnliche Apfelsine, sonst aber ganz wie die Apfelsinen geformt und eingetheilt, und im Geschmack ihr auch sehr ähnlich, nur nicht so saftig als jene. Nichtsdestoweniger gehört sie zu den vorzüglicheren Früchten, und kam uns besonders auf unserer Seereise zu Statten, denn gut aufbewahrt hält sich die Frucht monatelang zur See, ohne zu faulen oder einzutrocknen.

Die Banane oder der Pisang gehört mit zu den gewöhnlichsten Früchten, ist aber von allen, wenn nicht die angenehmste, jedenfalls die gesündeste, und kann unter den Früchten als das gerechnet werden, was das Brod unter den Lebensmitteln überhaupt ist – man mag noch so viel davon genießen, man wird sich die Banane nie zuwider essen.

Da ich aber gerade von Brod rede, fällt mir auch die Brodfrucht wieder ein, von der man auf Java nichts zu hören noch so sehen bekommt, während die Südseeländer einzig und allein davon leben. Der Baum gedeiht hier allerdings, ja wächst sogar im Innern wild, aber die Früchte benutzt niemand. Die Eingebornen quälen sich lieber mit ihren Reisfeldern ab, und arbeiten daran im Schweiß ihres Angesichts, aber Brodfrucht ißt keiner von ihnen; ja ich habe sie sogar nicht ein einzigesmal auf dem Markt gesehen. Besonders die Chinesen, aber außerdem auch die Eingebornen essen ebenfalls die Kerne der Lotosblume sehr gern. Die Fruchthülsen derselben sind den Mohnkapseln nicht unähnlich, nur oben platt, und sie enthalten eine Menge nußähnlich schmeckender Kerne.

Es lagen zu dieser Zeit auf der Rhede von Batavia mehrere nach Deutschland und England und sehr viele nach Holland bestimmte Schiffe. Nun war zwar im Anfang meine Absicht gewesen, von hier nach dem Cap der guten Hoffnung zu gehen, und von dort, durch das rothe Meer hinauf, Aegypten zu durchziehen, und so in die Heimath zurückzukehren, aber lieber Gott, lange lange Monate hätten noch dazu gehört, und der letzte Brief, den ich hier von Deutschland vorgefunden, weckte die Sehnsucht nach dem Vaterland, nach den Meinen so stark im Herzen, daß ich plötzlich beschloß von hier direkt nach Deutschland zurückzukehren, und Reisen Reisen sein zu lassen. Ich hatte lange genug in der Welt herumvagabundirt, und es war Zeit daß ich wieder an die Meinen dachte.

Mit dem Entschluß kam aber auch eine unendliche, wohlthuende Ruhe über mich; es war mir plötzlich, als ob nun auf einmal alle überstandenen Beschwerden und Gefahren, all der Schmerz der Trennung, das todte, traurige Gefühl des Alleinseyns in der Welt, weit weit hinter mir lägen, und ich nun auf einmal mit raschen fröhlichen Schritten einem neuen und doch so alt und liebvertrauten Leben entgegenflöge.

Mit soviel mehr Eifer ging ich aber auch jetzt daran, noch, während meinem Aufenthalt auf Java, so viel von diesem Lande zu sehen, wie nur in der kurzen Zeit möglich war, und ich that zu diesem Zwecke die nöthigen Schritte in der Stadt, einen Paß in das Innere zu bekommen. Hierin fand ich aber weit mehr Schwierigkeiten als ich im Anfang erwartet hatte, und sah schon eine von Herrn Pandels Prophezeihungen eingetroffen; der Assistent Resident verweigerte mir sogar mit sehr selbstbewußter Haltung, geradezu einen Paß selbst nach Buitenzorg, der nächsten Provinz, wohin alle in Batavia ansäßigen Fremden total ohne Paß reisen dürfen. Ein Deutscher, Herr Wilmanns (wie ich denn überhaupt von den Deutschen Batavias auf das Herzlichste aufgenommen und behandelt bin) verschaffte mir aber endlich, mit nicht geringer Lauferei und Mühseligkeit, einen solchen – wobei er noch sogar Bürgschaft für mich leisten mußte – und in Buitenzorg, wo sich der Herzog Bernhard von Weimar aufhielt, hoffte ich schon durch dessen Verwendung einen weiteren Paß zu bekommen.

Das in Ordnung sah ich mich nach einer Gelegenheit um, so rasch als möglich die Berge zu erreichen. Buitenzorg ist etwa 39 paalen oder Pfähle, die alle Meilen stehn und meiner Rechnung nach nicht ganz eine englische Meile von einander entfernt sind. Das gewöhnliche Reisen hier geschieht mit Postpferden, ist aber ungemein kostspielig, da es für jeden einzelnen Paal anderthalb Gulden kostet. Nach Buitenzorg selbst geht aber auch dreimal in der Woche die Post für nur 10-1/2 Gulden à Person. Diese beschloß ich also bis dorthin zu benutzen, und dann zu sehen wie ich weiter käme.

Ich war bis jetzt meinem guten Sterne fortwährend gefolgt, und der hatte mich auch so vortrefflich geleitet, daß ich alle Ursache hatte ihm unbedingt weiter zu vertrauen.


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