Friedrich Gerstäcker
Californien
Friedrich Gerstäcker

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7. Goldwäscherleben.

Am achten April, an einem wahrhaft herrlichen Frühlingsmorgen, nachdem Böhm und ich alle unsere Geschäfte, was irgend vielleicht noch in der Stadt zu besorgen war, abgemacht, befanden wir uns Punkt l0 Uhr, wie die Ordre geheißen, an Bord des kleinen neuen Dampfbootes »William Robinson.« Ich hatte die Schoonerfahrt das letztemal satt bekommen, und hütete mich wohl auf einem Segelboot die unbeständige Bai noch einmal für so lange Strecke zu befahren. Unser Ziel war Stockten am San Joaquin.

Merkwürdig ist die Veränderung die doch nur wenig Jahre auf diesen abgelegenen Theil der Welt hervorgebracht haben; vor drei Sommern störte kaum ein einzelnes Segel die Ruhe der stillen Bai, jetzt haften Hunderte von Ankern in ihrem Grund, und nach allen Richtungen hin durchschneiden rasche Dampfboote und flinke Segelkähne die klare Fluth, an ihren Ufern springen Städte fast über Nacht aus dem Boden auf, und Dampfmaschinen arbeiten schon lärmend an der Stelle wo noch vor Monden der Indianer dem Hirsch und grauen Bären folgte. Schneller und gewaltsamer hat sich wohl noch nie ein Land entwickelt als Californien; es ist und bleibt aber auch deßhalb nur ein unnatürliches Verhältniß in dem hier jedes zu dem anderen steht. Der Amerikaner mag sich auch in einem solchen ewigen Drängen und Treiben gefallen – sein Hauptsinn ist das Geld, der Gewinn, und so lange er eine Muskel am Körper regen kann, so lange ist ihm das Drängen danach ein unentbehrliches Bedürfniß, der Deutsche aber hat einen ruhigeren, ja ich möchte sagen natürlicheren Charakter. Das Ziel nach dem er strebt ist nicht nur der Erwerb selber, dieser kann ihm nicht genug Ersatz bieten, auch seine Belohnung darin zu finden, nein es ist der Genuß desselben, den er sich durch denselben erringen will, und dieser wird sich deßhalb auch nie, es mag blühen und gedeihen soviel es will, auf die Länge der Zeit wohl in Kalifornien fühlen, so daß im Verhältniß unendlich wenig Deutsche es je ihre Heimath nennen werden.

Doch zurück zu unserem William Robinson. – Es war das ein neues, für die Stockton-Linie erbautes Boot, und drei solche hielten zu der Zeit regelmäßige Fahrten nach dem San Joaquin; »Capitän Sutter,« »Mint« und »William Robinson.« – Passage bis Stockton (eine Fahrt von etwa 16 Stunden, exclusive Kost, ja ohne die Möglichkeit sich zum Schlafen anders als auf ebenem, nicht unbedeutend bespucktem Fußboden auszudehnen) 25 Dollars. (Abwärts von Stockton nach San Francisco kostet die Fahrt, weil die Leute wahrscheinlich glauben die aus den Minen Zurückkommenden müßten mehr Geld haben, unter denselben vorher angegebenen Bequemlichkeiten, 30 Dollars.)

Den Sacramento befahren noch mehr und größere Dampfer, der große schöne »Senator,« der Mac Kim, Hartford, El Dorado – dann noch viele von dort weiter den Sacramento und Feather-River hinauf, wie andere wieder die nur oben im San Joaquin laufen, und wieder andere welche die Verbindung mit San Francisco und Pueblo San José unterhalten, während überall an der Bai und in den kleineren Städten noch immer wieder neue gebaut werden.

Segelboote laufen nun zwar ebenfalls nach allen diesen Punkten, und Fahrt und Fracht ist billiger auf denselben; auf diesen hat man aber nicht allein gewöhnlich gar keine Bequemlichkeit, sondern ist auch noch den größten Beschwerden und Unannehmlichkeiten ausgesetzt, während die Passage, die mit dem Dampfer doch ihre gewisse und verhältnißmäßig kurze Zeit hat, auf solchen kleinen und größeren Schoonern und Wallfischbooten, nicht selten des widrigen Windes wegen acht, ja 14 Tage dauert. Der Einwanderer sollte also deßhalb immer, falls es seine Geldmittel nur irgend erlaubten, dem Dampfboot den Vorzug geben, an Zeit und Gesundheit ersparte er jedenfalls, während selbst eine lange Schoonerfahrt mehr Geld für Provisionen aufzehrte, als man im Anfang erwartet haben mochte.

Unser William Robinson war übrigens ebenfalls ein ziemlich langsames Boot, und wir brauchten volle 24 Stunden bis wir nach Stockton hinauf kamen; nichts destoweniger war es im Innern besser eingerichtet als fast alle übrigen, und wir fanden nicht allein gute gepolsterte Sitze und gutes Essen, sondern auch angenehme Gesellschaft, daß die Reise rasch genug vorüberging.

Draußen in der Bai wehte der Wind freilich etwas scharf und zwei junge Chilenerinnen die wir an Bord hatten, wurden seekrank und mußten sich legen, das gab sich aber bald wieder; erst durch die Straße Carquines und die Bai wurde wieder glatt, denn der Wind fand dort in dem engeren Raum nicht solche Macht, die Wasser aufzuregen.

Am nächsten Morgen, um 1 Uhr etwa, liefen wir in den San Joaquin ein und mit Tagesanbruch sah es aus, als ob wir von der Bai aus kaum fünf Meilen zurückgelegt hätten. Der San Joaquin läuft, wenigstens von Stockton aus, durch eine öde, mit Binsen bewachsene Sumpffläche, und zwar so die Kreuz und Quer, in den tollsten, oft wieder förmlich zurückkehrenden Biegungen, daß es mir den Eindruck machte, als sey er hier einmal an einem neblichten Tag aus den Bergen in's Thal gekommen und habe sich so gänzlich in den Binsen verirrt, daß er zuletzt gar nicht mehr wo hinaus wußte und rechts und links hinübersuchen mußte, um wieder den Weg in's Freie zu finden.

Um 10 Uhr Morgens etwa langten wir endlich, nachdem wir die kleine Zeltstadt Stockton schon wenigstens drei Stunden vor uns gesehen hatten, dort an, landeten unsere Sachen und restaurirten uns in einem deutschen Gasthaus – das beste in der Stadt, das ein Herr Weber unter der Firma »Stockton Restaurant« hielt.

Mein Reisegefährte sah sich jetzt vor allen Dingen nach einem Fuhrmann um, seine Waaren in die Berge hinauf zu schaffen, und er brauchte deßhalb nicht lange zu suchen, denn so schwer und theuer es gewesen war in der letzten Regenzeit Fracht nach den Minen zu accordiren, wo manchmal bis zu 60 und 70 Cent also bis zu einem preußischen Thaler für das Pfund, allein Fracht bezahlt werden mußte, so leicht und verhältnißmäßig billig war es jetzt zu bekommen. Er accordirte sie für 9 Cent das Pfund bis zu Murphys Diggings, etwa 80–85 englische Meilen entfernt.

Es standen in Stockton nicht allein eine Menge mit Ochsen und Maulthieren bespannte Wagen, sondern die Mexikaner hielten auch mit einer großen Anzahl von Maulthierzügen und schafften besonders billig alle Arten von leicht zu verpackenden Provisionen in die Minen hinauf.

Diese Leute haben eine ungemeine Fertigkeit darin Maulthiere zu laden, und nicht nur Kisten und Packete, mögen sie von so ungleicher Größe seyn wie sie wollen, vertheilen sie auf das praktischste, nein, auch sogar einzelne schwere Fleischfässer, von denen eins schon die volle Ladung – bis zu 300 Pfund des Thieres macht, wissen sie so gut auf dem Packsattel zu befestigen, daß sie nur selten die Schnüre nachzusehen haben und das Lastthier mit seiner Ladung ungedrückt vorwärts schreiten kann.

Stockton selbst, obgleich die Metropolis der südlich gelegenen Minen, ist gegenwärtig noch, im Verhältniß zu Sacramento City – ihrer nördlichen Schwester – nur ein unbedeutendes Städtchen, größtentheils aus Zelten, hie und da aus hölzernen Häusern bestehend; der Verkehr soll hier aber ziemlich bedeutend seyn und im Sommer besonders glänzende Geschäfte gemacht werden. Deutsche schienen nur wenige dort zu seyn, obgleich die Kleiderbuden, wie in allen amerikanischen Städten, von deutschen Juden behauptet werden.

Am Mittwoch gegen Abend fuhren wir mit zwei Wagen, jeder mit vier Joch Ochsen bespannt, und in Begleitung mehrerer Amerikaner, die ebenfalls Fracht bei sich hatten, von Stockton ab, blieben aber schon in der ersten Slew, eine Art todten Arms des Joaquin, so gründlich stecken, daß sämmtliche acht Joch Ochsen den zweiten Wagen aus dem Schlamm nicht herausziehen konnten, und wir die halbe Fracht abladen mußten ehe wir durchkamen. Das war übrigens, und gleich zu Anfang, auch der schlimmste Fleck gewesen, und wir hatten in der Art weiter keine Schwierigkeit mehr bis Murphys Diggings.

An dem Abend lagerten wir etwa 1 ½ Meilen von Stockton dicht an der Straße, und hier lernte ich auch unsere Reisegesellschaft etwas näher kennen. Es war, außer einem jungen Burschen von 18 bis 19 Jahren, der ebenfalls einen Laden in einer der Minen hatte und mit neuen Waaren dorthin wieder zurückging, ein alter wunderlicher Kauz mit weißen Haaren, der sich Hillman nannte (wie ich später erfuhr, stammte er von Deutschen ab und hieß ursprünglich Bergmann). Er führte auf einem der Wägen eine Quecksilbermaschine mit sich, um das Goldwaschen etwas großartiger zu betreiben, hatte zu diesem Zweck noch zwei junge Amerikaner angemiethet und außerdem noch sein eigenes Faktotum, einen kleinen Irländer, Jeremias Livingston, mitgebracht, zu dem besonders ich mich gleich am ersten Tag in voller Liebe hingezogen fühlte, denn ich hatte wirklich lange keinen komischeren kleinen Gesellen, gerade in seinem trockenen, fast mürrischen Ernste gesehen, als ihn. Wir alle gingen zu Fuß neben den Wägen her, nur Herr Hillman, der seinerseits eben so ernst und feierlich aussah als Jemmy (eine etwas barbarische Abkürzung für Jeremias Livingston), hatte für sich in Stockton einen Maulesel gekauft, auf dem er, in der Sonne einen mächtigen braunseidenen Regenschirm aufgespannt, die meiste Zeit ritt und nur manchmal, wenn er des Reitens überdrüssig war, mit Jemmy abwechselte.

Böhm und ich hatten uns nun Abends unter einem der Bäume schon unseren Lagerplatz zurecht gemacht, Herr Hillman führte aber ein sehr großes Zelt bei sich und wollte unter keiner Bedingung zugeben, daß wir draußen in dem allerdings sehr starken Nachtthau schliefen, während er unter einer Decke läge. Dabei fand ich, daß er nicht allein unseren Körper, sondern auch unsere Seelen vor Schaden zu bewahren wünschte, denn Herr Hillman war Methodist, und ehe wir uns schlafen legten hielt er ein langes, lautes Gebet, wobei er aufrecht, mit geschlossenen Augen, im Bette saß und auf das lebhafteste dabei mit den Händen gesticulirte. Jemmy, obgleich jedenfalls wie die meisten Irländer Katholik, also dem Methodismus keineswegs zugeneigt, war doch, vermöge der angebornen schlauen irischen Natur, zu viel Hofmann derlei Ceremonien nicht mitzumachen; größerer Bequemlichkeit halber legte er sich dabei nur auf die Kniee und Ellbogen nieder, und lag nun so, geduldig das Ende des allerdings etwas langen Gebetes zu erwarten. Schon während dem Amen aber, dessen Nahen ihm eine Art Instinkt – oder vielleicht lange Gewohnheit – verkündigt haben mußten, rollte er auf die Seite über und war, ohne sich auszustrecken und als ob er aus Holz geschnitten gewesen wäre, gerade in derselben Stellung wie er gekniet hatte, augenblicklich eingeschlafen.

Am zweiten Tag fiel weiter nichts bemerkenswerthes vor, als daß wir eine ebenfalls im Schlamm steckende amerikanische Compagnie (Leute von Mary's Vineyard, einer kleinen Insel den nördlichen Staaten gegenüber) einholten, ihnen aus ihrer fatalen Lage halfen und in ihrer Begleitung die Reise fortsetzten.

Am 12. April, einem Freitag, erreichten wir Nachmittags den Calaveres, wo wir unsere Wägen förmlich abladen und auseinandernehmen mußten, um sie wie ihren Inhalt über den noch immer angeschwollenen Strom zu schaffen. Hier nahmen wir, in der blitzschnellen Strömung mit der wir uns ein Stück den Fluß hinuntertreiben ließen, ein herrliches Bad, das uns ungemein erfrischte und setzten gegen Abend, als wir alles am andern Ufer hatten, unsern Weg noch beiläufig fünf bis sechs Meilen weiter fort.

Der Charakter der Landschaft fing sich hier aber an wesentlich zu verändern – bis jetzt hatten wir uns noch immer in der Ebene gehalten, welche sich von Stockton ab nach allen Richtungen ausdehnt; vom Calaveres aus dagegen wurde das Land hügelicher und prairieartig. Weite wellenförmige Flächen stiegen vor uns, nur dünn mit Baumgruppen besetzt, empor und den Hintergrund bildeten bewaldete steile Hügel – die ersten Vorboten der Gebirgskette welcher wir uns näherten.

Die Natur schien sich aber heute mit ihren schönsten Gewändern geschmückt zu haben, uns zu empfangen denn die Blumenpracht, die von da aus, so weit das Auge reichte, den Boden bedeckte, ist wohl kaum zu beschreiben. Ein unendlicher Farbenschmelz deckte die Erde, und so dicht standen die Blumen, daß man nicht zwischen ihnen hinschreiten konnte ohne mit jedem Schritt zwanzig und dreißig zu zertreten. Einzelne Gattungen verbreiteten dabei einen süßen Wohlgeruch, und mit dem kühlen West, den die Abendsonne herüberhauchte, sog ich den wonnigen Balsam in wahrhaft trunkener Lust ein. Ich pflückte mir einen großen Strauß der schönsten und wohlriechendsten und sie waren die Nacht mein Kopfkissen.

Keiner von uns allen blieb unergriffen bei dem reizenden Anblick, und mehr als einmal wurde die Frage laut: »Was gäbe man darum, wenn man jetzt solch einen Strauß den Seinen in die Heimath senden könnte?«

Selbst der alte Hillman, der an der Fähre übrigens einen neuen Charakter entwickelt hatte, war gerührt, aber in seiner Art gerührt, denn er blieb mehrmals stehen, schaute mit gefalteten Händen das wunderschöne Schauspiel an und sagte endlich:

»Was für ein glorreiches Land – was für ein Blumenflor – guter Himmel, wenn ich den Garten drei Meilen von Newyork hätte, ich wollte jeden Tag meine zwanzig Thaler daraus ziehen.«

Doch ich muß des neuen Charakters erst erwähnen. An der Fähre nämlich kam er plötzlich mit einem ganzen Arm voll Streichriemen an und pries, wo er ein paar Menschen zusammenstehen fand, deren Vorzüglichkeit mit solcher Zungengeläufigkeit an, daß die Leute gewöhnlich Streichriemen und alles vergaßen und nur auf den alten »komischen Mann« hörten und über ihn lachten. Von irgend einem ließ er sich dann ein Taschenmesser geben, führte damit die merkwürdigsten Evolutionen aus, schlug gegen das Eisen der Wagenräder und gegen Steine an, stach in die Erde, strich es dann eine Weile, während er den Umstehenden Schnurren und Anekdoten erzählte, auf seinem »Patentriemen«, erwischte dann plötzlich, ohne weitere Warnung, einen der ihm Nächststehenden an der Hand, streifte ihm den Aermel auf, spuckte ihm auf den Arm, und rasirte dem über solche Behandlung natürlich aufs äußerste Erstaunten die Haare vom untern Theil seines Armes herunter.

Solcher Art war der »Streichriemenmann«, wie ich ihn bald überall nennen hörte, und Jemmy stand in der ganzen Zeit mit aufgespanntem Regenschirm in der Sonne neben ihm, und verzog bei den komischen Geschichten, die er alle gewiß schon tausendmal mit angehört, keine Miene.

Sonnabend den 18. durchwanderten wir fast den ganzen Tag einen ununterbrochenen Blumengarten; das Land wurde aber jetzt immer bergiger, und schattige Haine, durch die sich klare, murmelnde Bäche brachen, erlösten uns von der Monotonie der durchzogenen Ebenen.

An dem Abend bat der alte Streichriemenmann den lieben Gott in seinem gewöhnlichen lauten Gebet, er möchte doch so gut seyn und es ihm nicht zu sehr übel nehmen wenn er morgen, als an einem Sabbath, nicht allein auf der Landstraße wäre, sondern auch noch an Gold und irdische Güter dächte, während es doch seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit wäre, Buße zu thun und seine vielen Sünden zu bereuen.

Am Sonntag erreichten wir die ersten »Diggings« oder Minen, und versuchten nach Tisch an einer früher bearbeiteten Stelle mit der Pfanne. Wir fanden auch feines Gold, und zwar reichlich genug, um Hillmann auf den ziemlich ernstlichen Gedanken zu bringen seine Quecksilbermaschine hier aufzustellen und frisch an die Arbeit zu gehen. Vielleicht wäre das auch gar nicht so übel für ihn gewesen, die Leute, die er mithatte, schienen aber keine besondere Lust dazu zu haben, und er ging nach kurzer Debatte mit uns weiter. Abends im Zelt bekamen wir jedoch eine lange Epistel zu hören, denn wie er es dem lieben Gott gestern vorausgesagt hatte, war es richtig eingetroffen, und deßhalb mußte er ihn jetzt, in einer langen wohlgesetzten Rede um Verzeihung bitten, die aber Jemmy, der mit seinen Knien und Ellbogen zuletzt gar nicht mehr wußte wohin, fast zur Verzweiflung brachte. Laut und eindringlich, mit schnarrender Stimme und wie gewöhnlich geschlossenen Augen, während das an der mittelsten Zeltstütze angebrachte Talglicht eine eigene Beleuchtung auf seine scharfgezeichneten Züge warf, gestand er, daß er richtig am vorigen ganzen Tage nur an das nichtswürdige Gold seine Gedanken gehängt und hin und her überlegt habe, wie er am schnellsten die größtmöglichste Quantität davon zusammenbringen könnte – aber er freute sich auch zugleich, daß er sich dieser seiner Schwäche so klar bewußt gewesen wäre sie sogar vorherzusehen, und versprach noch außerdem sich gründlich zu bessern.

Am Montag hatte ich die Wägen verlassen und war mit der Büchse durch die Gebirge gegangen, fand auch dort einzelne Hirsche, aber alle so scheu daß ich keinen von ihnen, da ich nur meine Richtung beibehalten und den Fährten nicht folgen wollte, zum Schuß bekommen konnte. Abends erst spät überholte ich die Wägen wieder an dem sogenannten Engels Creek und erfuhr nun, daß sich der alte Hillman, nach darüber eingeholten Berichten, entschlossen habe hier zu bleiben. Angels camp, wie der Platz von den Amerikanern genannt wurde, schien übrigens, so weit ich in der Dunkelheit erkennen konnte, ein ganz bedeutender Minenplatz zu seyn (oder besser gewesen zu seyn, denn die ganze Fläche soll schon größtentheils ausgearbeitet seyn); eine Menge Zelten standen zwischen den Hügeln, der Grund des breiten Flußbettes war überall aufgewühlt, und die von den Hügeln niederschimmernden Lichter verriethen wie sich überall Goldwäscher herangezogen hatten, hier eine Zeitlang ihr Glück zu versuchen, und fänden sie es nicht, mit Decke, Pfanne, Spitzhacke und Schaufel weiter zu ziehen in die Berge.

Ich wanderte am nächsten Morgen wieder allein aus, um noch eine Zeitlang in den Hügeln herumzustreifen, und kam endlich, mehr zur Linken hinüberhaltend, wo ich den Pfad nach Murphy's Diggings wieder finden sollte, an den kleinen Bergstrom, der bald zwischen steilen Felsen, bald zwischen fruchtbaren Thälern von Murphys nach Angels niederrauscht. Ueberall wurde auch hier schon gearbeitet, und selbst Chinesen, von denen wir auch mehrere Zelte in Angels Camp gesehen hatten, saßen hinter der Waschmaschine und wuschen Gold nach Herzenslust.

Den Pfad, der sich dicht am Strombett steil hinaufwand, verfolgend, kam ich endlich, etwa um Mittag herum, an die sogenannte Murphys Flat; erst dicht vor dem Platz konnte ich aber einen Ueberblick darüber gewinnen, und war nun wirklich erstaunt hoch oben in den Gebirgen eine weite bewaldete Ebene zu finden, in deren Mitte sich eine förmliche kleine Stadt erhob. Eine breite Straße von großen »store« Zelten führte längs der Flat hin, Laden reihte sich hierin an Laden, und außer den nöthigen Provisionen und unnöthigen Getränken fanden sich sogar Luxusartikel, und setzten die Eingeborenen, die sich überdieß schon die Köpfe über all die wunderlichen Sachen zerbrachen, in das unbegrenzteste Erstaunen. Die Hauptstraße selbst wurde somit einzig und allein von den verschiedenen Waarenlagern und Läden eingenommen, hinter dieser aber bis an die nächsten Hügelrücken hinauf stand einzeln zerstreut eine Masse kleiner Blockhäuser und Zelte, und gab dem Ganzen ein höchst originelles und pittoreskes Ansehen. Die stattlichen Kiefern und laubigen Eichen dazwischen, das maigrüne Unterholz, aus dem die weißen und blauen Zeltgiebel hervorschauten, die hohen schönbewaldeten Berge umher mit dem ätherreinen Himmel, das geschäftige Treiben überall, und aus den Zelten heraus die flatternde blauweiß und rothe Flagge der Vereinigten Staaten, machten einen Eindruck auf mich, wie ich ihn wohl kaum wiederzugeben vermöchte.

»Hier bleibst du,« war mein erster Gedanke, »wenn nur irgend etwas in diesen Thälern zu machen ist,« und eine reizendere Gegend hätte ich mir in den Gebirgen kaum zum Aufenthaltsort wählen können.

Vor allen Dingen muß ich dem Leser jetzt aber erst eine kurze Beschreibung der »Flat« (wie derartige flache Stellen an kleineren oder größeren Wassercoursen stets genannt werden), wie der umliegenden Minen geben, denn damit sind zugleich fast alle übrigen Minen für Alluvialwäschereien, die sich im Ganzen doch immer wieder gleichen müssen, ebenfalls beschrieben.

Die sogenannte Murphysflat – ihres vermutheten Reichthums halber Rich Murphy genannt, ist eine Art Ebene, durch die sich der aus den höheren Gebirgen niederstürzende Strom in früherer, vielleicht vorsündfluthlicher Zeit gewälzt und sein Gold hier abgelagert hat. Die reiche Flat selber ist etwa 200 Schritt breit und 400 Schritt lang, wenigstens der Theil der bis jetzt angegraben ist, denn die ganze Flat hat bestimmt drei Meilen im Umkreis, und der kleine Fluß strömt jetzt etwa in dieser Entfernung, ungefähr 200 Schritte von den Hügeln ab, der Thalschlucht zu, die hinunter nach Angels führt. In dieser Ebene nun steht eine kleine Fichten- und Eichengruppe, wo mir erzählt ist, daß unter diesen Eichen in einem kleinen brunnenähnlichen Loch die ersten Amerikaner die hier heraufkamen, einen Mexikaner mit seiner Frau fanden. Diese hatten hier zwischen den Wurzeln der Fichten schon eine enorme Summe – man sagt 18,000 Dollars in grobem Golde – herausgenommen, und verließen den Ort, als die Amerikaner nur Miene machten ihnen denselben zu bestreiten, von selbst, ihre Schätze in Sicherheit zu bringen.

Die ersten Amerikaner nahmen hier ebenfalls viel Gold heraus, und nun strömten von allen Seiten die Goldwäscher herbei, den Ort auszuarbeiten. Die sehr früh einbrechende Regenzeit störte aber die Arbeiten, und man konnte für jene Jahreszeit nichts weiter thun als sich die Plätze abmarken, die in diesem Sommer, oder Herbst vielmehr, bearbeitet werden sollten. Um aber dem Mißbrauch vorzubeugen, den etwa Speculanten mit dem Abmarken treiben konnten, riefen die damaligen hier vorhandenen amerikanischen Goldwäscher eine Meeting zusammen, in der beschlossen wurde, daß niemand einen größern Fleck – und zwar nur einen auf seinen Namen – als 16 Fuß lang und 8 Fuß breit, mit 2 ½ Fuß Raum zum Erdeaufwerfen ringsherum, beanspruchen dürfe. Um dabei auch nicht verpflichtet zu seyn, stets darin zu arbeiten oder irgend ein Werkzeug – die gewöhnliche Art einen Ort im Besitz zu halten – darin zu lassen, wurde ferner beschlossen, daß man seinen also beanspruchten Claim oder »sein Loch,« wie die Leute hier sagen, könne beim Alcalden registriren lassen, wofür diesem zwei Dollars zu zahlen seyen, der Claim aber dann auch als vollkommen gültig bis zum 1. August angesehen werden solle. Wer dann freilich an seinem Fleck noch nicht begonnen hätte, oder, wenn begonnen, nicht mehr darin arbeite, der habe jedes weitere Anrecht daran verloren und wer so gesonnen sey, könne in das Loch hineinspringen und es ausarbeiten.

Die Tiefe der bis jetzt, und zwar im vorigen Herbst, ausgearbeiteten Löcher ist verschieden, keines ist jedoch wohl unter 16, viele bis zu 20–25 Fuß tief, und die, welche jetzt schon daran gegangen sind ihre Arbeiten zu beginnen, müssen mit einer und zwei Pumpen arbeiten, um das Wasser frei zu halten, und können es dann oft nicht einmal erzwingen. Der kleine Bergstrom fällt allerdings mit jedem Tag, und ist sogar, etwas weiter oben, schon vollkommen ausgetrocknet; wo man aber nur etwas tief gräbt, kommen starke Quellen vorgesprudelt und vereiteln jedes weitere Arbeiten. Ich glaubte auch deßhalb nicht, daß die Flat vor September oder Oktober mit Erfolg würde ausgearbeitet werden können.

Der Grund und Boden ist etwa zehn Fuß feste Erde, dann kommt, wo der Fluß früher gelaufen ist – und das sind die einzigen Stellen wo man viel Gold erwartet – von vier bis zehn Fuß Kies, in dessen unteren Schichten schon ziemlich schweres Gold – Stücke von drei bis vier Dollars Werth – gefunden werden, und unter dem Kies liegt dann wieder – kein gutes Zeichen – entweder der platte weiße Felsen, auf dem sich selten Gold gehalten hat, oder ein weiß oder blauer Lehm, in welchem dann die reichste Ernte bevorsteht.

Uebrigens ist es hier nicht allein die Flat, die Murphy's Diggings den Namen der reichen gegeben hat, sondern auch die kleinen in den Haupt-Creek sich ergießenden Bäche haben ihrer Zeit viel Gold gehabt, ja haben es hie und da noch; es aber in den überall durchgewühlten Betten aufzufinden, ist eine andere und allerdings höchst schwierige Aufgabe, die der Neuangekommene nur manchmal von recht gutem Glück begünstigt, lösen kann. Allerdings sind hie und da die Uferbanken noch gar nicht angegriffen und enthalten an manchen Stellen sehr viel Gold, Spitzhacken und Schaufel müssen aber da voran arbeiten, und manche zehn, zwölf Fuß Erde werden ausgeworfen, während der Gräber auch noch nicht einmal einen Cent Werth Gold darunter findet, und den Platz verlassen muß, um einen anderen, vielleicht mit nicht einmal besserem Erfolg, anzugreifen.

Früher, ja, wie die Minen noch nicht von den Tausenden förmlich von unterst zu oberst gekehrt waren, da läßt es sich denken daß ein Nachgraben unendlich viel leichter gewesen ist als jetzt; die Zeiten sind aber vorbei, und wer jetzt hierher kommt und glaubt mit leichter Mühe nicht etwa nur sein einfaches Auskommen, nein gleich ein Vermögen zu erarbeiten, der wird jedenfalls zu spät seinen Irrthum einsehen.

Trotzdem ist das gewöhnlich Angenommene, wenn man besonders in San Francisco Jemanden fragte, was wohl in den oder den Minen gewonnen würde, als fast unausbleibliche Antwort: »etwa eine Unze täglich« und die Leute sagen dieß so ruhig, als ob sechzehn Dollars täglicher Tagelohn nicht das geringste außerordentliche wäre. Der Goldwäscher aber, der oben in die Minen kommt und dort an zu arbeiten fängt, wird nur zu bald einsehen, daß die Unze Ideal war; die Tage wo der Goldwäscher – außergewöhnliche Fälle natürlich ausgenommen – eine Unze »macht«, gehören zu den glänzenden, und selbst eine halbe Unze wird allgemein, wohin ich auch gehört habe (und ich hatte hier Gelegenheit Leute von fast allen Minen zu sprechen) als ganz vorzügliches Tagwerk angenommen. Nimmt man aber die Masse der Arbeiter im Durchschnitt, dann bin ich fest überzeugt daß sie noch nicht drei Dollars täglich verdienen, während viele sogar ihr Geld zusetzen das sie mit hergebracht haben, und froh sind nur noch wieder hinunter nach Stockton oder San Francisco zu können, dort – oft freilich mit ebenso schlechtem Erfolg – Arbeit zu suchen.

Was ist aber die Rede selbst derer, die hier wirklich Gold finden, und kleine oder größere Summen im Stande sind zurückzulegen? »Sobald ich mir irgend etwas gespart habe, mache ich daß ich hier fortkomme, und verdammt, der Fuß, den ich dann wieder auf californischen Boden setze.«

Das ist die allgemeine Stimmung, und wie viele arbeiten dabei – und arbeiten hart, nur für ihr Reisegeld, um so schnell als möglich das so heiß ersehnte, mit solchen goldenen Träumen betretene Californien wieder verlassen zu können.

Das Land selber kommt mir dabei fast wie eine riesige Ratten- oder eigentlich Menschenfalle vor. Zuerst gibt sich Alles jede nur erdenkliche Mühe nach der darin aufgestellten Lockspeise hinzukommen, strampelt mit Händen und Füßen, wirft alles von sich, und nimmt die Rockschöße unter die Arme, der erste oder doch womöglich nicht der letzte in dem neuen Eldorado zu seyn – und kaum darin? – Hui wie sie sich rasch umdrehen, an den Stäben hinauf klettern und unter jeder Bedingung wieder ins Freie zu kommen suchen. Ihr armen Teufel ihr, die Sache geht nun einmal nicht so schnell, und oben liegt eure Rettung nicht; hacken und graben müßt ihr, wie die Maulwürfe euch in die Erde wühlen, und jeder Bequemlichkeit, jedem Genuß entsagen, bis ihr nach und nach mühselig, und Thaler bei Thaler, ein kleines Kapital zusammengescharrt habt, das Land eurer Sehnsucht – wieder verlassen zu können.

»Aber,« hör ich da viele sagen – »selbst drei Dollars ist ja schon ein vortrefflicher Tagelohn, wenn noch dazu die Provisionen, wie das gar nicht anders seyn kann, verhältnißmäßig herunter gehen, und jetzt auch schon in der That herunter gegangen sind – was haben denn bei uns arme Tagelöhner?« Der Leser hat ganz recht, wenn der arme Tagelöhner so viel erschwingen kann nach Californien auszuwandern, so soll er das in Gottes Namen thun – er wird dort wenigstens, bei nicht härterer Arbeit als er sie im alten Vaterland gewohnt war, seinen Lebensunterhalt und oft noch mehr finden. Mit diesem Gedanken muß er aber auch hinausgehen, wenn er sich nachher dort wohl fühlen soll, er darf keine tollen und überspannten Gedanken von Schätzen und Klumpen mitbringen.

Ich läugne dabei gar nicht daß viele hier ihr Glück gemacht haben, ja viele es selbst jetzt noch machen werden; es ist das aber nur eben als ob man ein Loos zu einer großartigen Lotterie nähme, mit dem Unterschied noch, daß man bei einer anderen Lotterie seine Niete ruhig, mit den Händen in der Tasche abwarten kann, während man sie sich hier im Schweiße seines Angesichts selber erhacken und erschaufeln muß.

Doch ich will in meiner Erzählung weiter fortfahren, manches ist darin, was den Leser dann wohl selber von dem eben Behaupteten überzeugen wird.

Die kleinen Ravinen haben sich, wie ich schon erwähnt, im letzten Winter ziemlich goldreich gezeigt; damals wurden aber nur die Betten ausgewaschen, und wir selber haben in diesem Sommer an manchen Stellen die Banken angegriffen und recht schönes Gold gefunden, im ganzen aber doch nur immer drei bis vier Thaler den Tag durchschnittlich machen können. Viele dieser Ravinen sind nun allerdings noch gar nicht angegriffen, und Millionen Dollars Werth Gold steckt hier noch überall in den Bergen, aber wie es finden? Jetzt wo man Zeit hätte in den Ravinen nachzusuchen, sind diese überall ausgetrocknet und die Erde zum nächsten Wasser zu tragen, dazu ist sie doch nicht goldreich genug; nächsten Herbst aber, wenn die Arbeiten dort wieder beginnen könnten, strömen Tausende und Tausende von neuen Ankömmlingen herbei, und füllen die Plätze an. Hat man dann wirklich eine Stelle gefunden, wo man eine kurze Zeit Arbeit hätte und Gold finden könnte, dann merken sich drüber und drunter gleich andere ihre Stellen ebenfalls ab, und man darf nicht allein nicht weiter arbeiten als das einmal Begonnene, sondern wird auch sogar noch im Erdeauswerfen gehindert.

Was die neue Uebersiedlung nach Californien betrifft, so werden in diesem Sommer allein 75,000 Menschen über die Ebenen Nordamerika's erwartet. Täglich treffen dabei Schiffe von allen Theilen der Welt ein, und selbst von Neumexiko werden in jeder Woche Zuzüge von Tausenden erwartet, welche ebenfalls zu Land das neue Dorado erreichen wollen. Wie die Minen dann überschwemmt werden müssen, kann man sich denken, und entdeckt auch dann hie und da einmal einer einen neuen guten Fleck, so kann er sich darauf verlassen, daß er ihn nicht achtundvierzig Stunden allein behaupten wird.

Das Goldgraben selber geschieht nun etwa auf folgende Weise; hat man einen Fleck sich ausgesucht zu dem man Zutrauen faßt, und wo man glaubt, daß Gold zu finden sey, so deckt man vor allen Dingen einen hinlänglich großen Raum, um sich frei darin bewegen und arbeiten zu können, ab, d.h. man gräbt so tief, bis man entweder den Felsen spürt oder auf Thon, vielleicht auch nur bis auf den mit Lehm untermischten Kies kommt, und versucht nur manchmal mit der Pfanne ob sich schon Gold zeigt und ob die Erde schon das Waschen zahlt. Ob nämlich so viel Gold darin enthalten ist, daß man bei fortwährendem Waschen den Tag über seinen Tagelohn machen könnte. Ist das nicht der Fall, so deckt man noch etwas weiter ab. Man wäscht übrigens gewöhnlich lieber einen Fuß Erde mehr, als gerade unumgänglich nöthig ist, ehe man vielleicht Gold mit hinauswirft.

Unter Waschen versteht man hier allgemein mit der Maschine oder der Wiege arbeiten, denn mit der Pfanne waschen nur die Mexikaner und Indianer. Dieß Waschen selber habe ich aber schon früher beschrieben, und durch Worte kann man dabei auch einem Andern kaum einen recht klaren Begriff geben, so etwas muß selber gesehen, selber versucht seyn und lernt sich dann ungemein schnell.

Für spätere Zeiten wird es übrigens auch interessant seyn, einen Preiscourrant der Minen für Provisionen u.s.w., wie sie in diesen Monaten standen, zu geben, denn es ändert hier Alles so rasch, daß oft jetzt bestehende Fakta in vier Wochen nur noch historische Ueberlieferungen sind. Später läßt sich deßhalb, wenn man getreue Berichte aus vergangener Zeit hat, viel leichter ein Maßstab an das dann Bestehende legen. Natürlich reducirt sich hier Alles ausschließlich auf Minenbedürfnisse, Luxusartikel kennt man hier gar nicht, denn der Wohlhabendste würde sich nicht mit Sachen befassen, die ihm bei so häufigem Umzug in den Bergen immer nur belästigen müßten. Er würde sie nicht nehmen und wenn er sie halb umsonst bekäme; während er oft jeden Preis für etwas bezahlt das ihm nützlich seyn kann. Die Leute werden hier sämmtlich ungemein praktisch.

Eine Maschine von 16 Dollars bis 32 und 40, doch kann man auch alte oft zu 8 und 10 Dollars kaufen. Schaufel 3 bis 5 Dollars. Spitzhacke mit Stiel 5 bis 7 Dollars. Brechstange (je nach der Größe) 5 bis 8 Dollars. Messer zum Gebrauch der Goldwäscher (mit Holzgriffen) 50 bis 75 Cents. Hölzerne Eimer 2 Dollars. Blecheimer 4 Dollars. Pfannen zum Waschen 4 Dollars. Lebensmittel: Mehl 20 Dollars für hundert Pfund. Frisches Fleisch, Hinterviertel 37 ½ Cents, Vorderviertel 25 Cents für das Pfund. Gesalzener Speck 40 bis 50 Cents für das Pfund. Getrocknetes Obst 50 bis 75 Cents das Pfund. Kartoffeln 50 Cents das Pfund. Nudeln 50 Cents das Pfund. Makrelen (gesalzen) 30 Cents das Stück. Weißer Schiffszwieback 25 bis 30 Cents das Pfund. Frisches Brod, der Laib (etwa so schwer wie bei uns ein Groschenbrod) 50 Cents. Butter 15 Cents das Pfund. Chocolade 1 Dollar das Pfund. In Essig Eingesetztes 2 Dollars die Quartflasche. Thee 1 ½ bis 2 Dollars das Pfund. Kaffee 62 ½ Cents das Pfund. Zucker 50 Cents das Pfund. Getränke: Rothwein 1 ½ bis 2 Dollars die Flasche. Brandy 1 bis 2 Dollars die Flasche. Whiskey 1 bis 1 ½ Dollars die Flasche. Arak 1 ½ Dollars die Flasche. Gin 1 ½ Dollars die Flasche. Portwein 2 Dollars die Flasche. Madeira 2 Dollars die Flasche.

Der einzelne »Drink«, der bis jetzt in den Minen fast überall 50 Cents gekostet hat, gilt jetzt nur noch 25 (übrigens auch genug, 10 Neugroschen für einen Schluck Brandy oder Wiskey!).

Alle welche sich hier nicht selber beköstigen wollen können sogar, wie in jeder andern Stadt, ordentlich in die Kost gehen. Sie bekommen drei Mahlzeiten von Fleisch, getrocknetem Obst, Pickles, Butter, Käse ec., Kaffee und manchmal sogar auch Kartoffeln – ein Franzose gibt Abends statt des Thees eine halbe Flasche Rothwein – und dafür zahlt man 16 Dollars die Woche. Wer sich aber selbst beköstigt, kann sich seine Provisionen recht gut mit 6 bis 7 Dollars die Woche bestreiten.

Kleidungsstücke sind ebenfalls lange nicht so theuer mehr als sie es früher waren, und im Verhältniß sogar billig. Ein paar Beinkleider kosten 2 bis 4 Dollars, ein Paar Schuhe 3 bis 5 Dollars, ein Hemde 1 bis 1½ Dollars, Strohhüte 1 bis 1½ Dollars, das alles aber natürlich von ordinärem, billigem Stoff.

Was Thiere betrifft, so kann man ein recht gutes Pferd für 80 bis 150 Dollars kaufen, Maulthiere etwa derselbe Preis, Esel zum Packen 4 bis 5 Unzen das Stück.

Die ersten Tage in Murphys Diggings benützten wir dazu ein Zelt aufzuschlagen, um sowohl Obdach zu haben als auch Böhms Waaren unterzubringen und aufzustellen, denn die Nächte waren noch bitter kalt, und es fiel ein scharfer Rauhfrost. Große Schwierigkeiten hatte das nicht, junge Stämme standen noch ziemlich in der Nähe um die Stützen aufzustellen; ein kleines Zelt bekamen wir zu kaufen, aus mitgebrachtem Zeug wurde noch ein anderes vorgestellt, und die »californische Heimath« war fertig.

Unserem ersten Plan nach sollte mein Gefährte nun den Tag über seinen Laden zubinden, denn an Verschluß war kein Gedanke, wo wir dann zusammen arbeiten wollten, schon nach den ersten Tagen fand ich aber, wie ich bei solchem Verfahren sehr zu kurz kommen müsse, indem Böhm Morgens nicht fortzubringen war, und Abends ebenfalls nichts mehr that, während wir doch den Ertrag gleichmäßig theilen sollten. Dem zu begegnen blieb kein anderer Ausweg, als daß ich ebenfalls als Mittheilhaber in das Geschäft eintrat, was ich allerdings nur höchst ungern, und wohl schon im Vorgefühl kommender Fatalitäten that. Böhm arbeitete von da an noch einmal einen halben Tag mit mir, hatte dann bald einen bösen Fuß, bald eine böse Hand und versicherte mich zuletzt daß er ernstlich unwohl sey.

Ich wühlte indessen, mit nur sehr geringem Erfolg, in den Ravinen fort; zu gleicher Zeit hatten aber auch die wenigen Waaren die Böhm heraufgebracht ziemlich bedeutend abgenommen, und wir ohnedieß keine rechte Auswahl darin gleich von Anfang an gehabt. Einer von uns mußte also wieder zurück nach San Francisco um neuen Vorrath einzukaufen, und der Weg fiel, da mein Compagnon immer noch kränkelte, auf mich.

Am 29. April Morgens machte ich mich mit einem ziemlich kleinen Capital auf den Weg, und wanderte, die nächste Richtung nehmend, durch den Wald, etwa dreißig oder vierzig Meilen, um von da den breiten weiter umführenden Fahrweg nach Stockton wieder zu berühren und dort, wo er ziemlich gerade durchschnitt, beizubehalten.

Etwa zwölf Meilen von Murphys, wo ich ein paar steile Hügel hatte hinuntersteigen müssen, von deren Gipfel sich wirklich ein prachtvolles Panorama um mich her ausbreitete, erreichte ich die ebenfalls berühmten Minen von San Antonio. Einige amerikanische Compagnien haben hier großartige Arbeiten unternommen, indem sie einen breiten tiefen Canal auswarfen, den gar nicht unbedeutenden Bergstrom da hindurch zu leiten und dann im Sommer das also trocken gelegte Bett auszuarbeiten.

Von dort aus an einer kleinen Gulch oder Ravine hinaufgehend, erreichte ich nach etwa einer halben Meile einen Platz der bedeutend ausgearbeitet zu seyn schien, sah aber nur an der linken Seite desselben, und zwar ziemlich am Berge droben, einige Neger beschäftigt. Ein schmaler Pfad der die Ravine hinaufführte lief dort dicht vorbei; es würde mich aber auch nicht gereut haben, hätte ich wirklich einen Umweg gemacht den Ort zu sehen.

Fünf Neger arbeiteten hier, und hatten das tiefste Loch gegraben, das mir bis dahin noch in den Minen vorgekommen. Es war wenigstens 36 Fuß tief, und ging wie ein Schacht gerade die Bergseite hinunter. Dabei sagten sie mir daß ihre Arbeit auch keineswegs umsonst gewesen; erst gestern hätten sie, ihrer fünf, 480 Dollars in einem ganz kleinen Raum zusammen gefunden, und ihr Taglohn muß sich, ihrer Versicherung nach, auf mehr als eine Unze täglich – in vollem Durchschnitt – belaufen haben. Das war aber auch das einzige ergiebige Loch der Art in der Umgegend, die übrigen Stellen sollten denen der Umgegend an Ertrag gleichkommen.

Die Nacht lagerte ich im Freien, und erreichte am andern Morgen, etwa 34 Meilen von Murphy's, die Straße auf der hin ich meinen Weg nun schneller fortsetzen konnte. Ich hatte von da wo ich die Nacht gelegen noch etwa 53 englische Meilen bis Stockton zu gehen, war aber sehr früh aufgebrochen, und wollte, da ich mich wohl zu Fuß fühlte, einmal versuchen ob ich nicht bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr, der gewöhnlichen Abgangszeit der Dampfboote, in Stockton seyn könnte. Viel Zeit hatte ich da freilich nicht zu verlieren, aber auch weiter nichts zu tragen als meine Decke und Büchse, und so legte ich schnell Meile nach Meile zurück.

Der Weg zwischen Stockton und den Minen wird ebenfalls rasch besiedelt – überall entstehen neue Zelte, Schenkstände, Plätze wo der Reisende übernachten kann. Auch Brunnen werden gegraben, denn Wasser soll dort im Sommer ziemlich selten werden, und alles verräth die Vorbereitung zu einem sehr bedeutenden Verkehr.

Am Calaveres lagerte ein kleiner Stamm von Indianern – bei denen ich auch beiläufig gesagt den ersten verkrüppelten und entstellten Wilden sah – und als ich mich zwischen ihnen niederließ kamen sie um mich hergedrängt und wollten allerlei Geschenke haben. Es schien übrigens gutmüthiges Volk zu seyn, und ich gab ihnen was ich an Kleinigkeiten für derartige Fälle mitgenommen hatte. Damit machte ich aber das Uebel nur ärger, denn sie wollten immer mehr haben und ich beschloß endlich, sie loszuwerden, einen Spaß mit ihnen zu machen. Ohne daß sie es bemerkten streute ich vorsichtig einen schmalen Streifen Pulver, und so dünn daß er nicht den mindesten Schaden anrichten konnte, zwischen sie hin, und nahm dann ein Brennglas heraus das ich bei mir führte, ihnen die Wirkung zu zeigen. Zuerst leitete ich den Sonnenpunkt auf ein paar ihrer braunen Hände, und machte sie dadurch schon bedeutend mißtrauisch – sie betrachteten erst das Glas und dann ihre Hände, die sie dabei unausgesetzt rieben, auf das erstaunteste, und ein paar der Frauen zogen sich mit den Kindern schon in etwas ehrerbietigere Ferne zurück, als ich aber den Strahl jetzt auf das Pulver brachte und dieses dem einen bis gerade unter die Füße in die Höhe zischte, daß der einen wohl kniehohen Satz machte, war es plötzlich aus. Wären das ein paar Pfund Pulver, in einen Felsblock hineingekeilt gewesen, die Wirkung hätte nicht schneller seyn können, so rasch und plötzlich stoben sie nämlich nach allen Richtungen auseinander, und kein Zureden, kein Winken war im Stande sie auch nur wieder auf zwanzig Schritt heranzubringen. Für dießmal hatte ich ihr Vertrauen verscherzt, und ich mußte endlich, ohne sie auch nur beruhigt oder versöhnt zu haben, meinen Weg wieder fortsetzen.

Bald nachdem ich den Calaveres gekreuzt, traf ich mehrere Wägen mit Neuangekommenen an der Straße. Die Leute selbst schlenderten meistens den langsamen Ochsenfuhrwerken voraus; einer ausgenommen, ein junger Franzose, der sich dicht vor eine angebundene Melkkuh hingestellt hatte, und der aufs äußerste bestürzten die Marseillaise auf der Klapptrompete vorblies. – Ich wollte auch, denn solche Züge sind zu häufig, an ihnen ruhig vorübergehen, als ein Mann, der sich des Staubes wegen ein Taschentuch über den Kopf gehangen hatte daß ich seine Züge nicht gleich erkennen konnte, stehen blieb und mir nachrufend sagte: »Sie muß ich doch schon irgendwo gesehen haben?«

Rasch drehte ich mich nach ihm um, mußte aber wahrhaftig laut auflachen, als ich in der staubbedeckten, erhitzten abgematteten Gestalt meinen alten Wirth aus Buenos Ayres, jenen fidelen Engländer und Wollsortirer, Mr. Davies erkannte, der mir damals all die schrecklichen Geschichten von Californien erzählt und mir fortwährend solche dringende Vorstellungen gemacht hatte, meinem Verderben doch nicht so muthwillig und blind selber in den Rachen zu laufen, daß ich nach einem Land wie Californien, noch dazu durch Strapazen und Lebensgefahr hin, auswandern wolle. Und diesen fand ich jetzt, nach einer sehr gefährdeten Reise um Cap Horn, wie er selber im Schweiße seines Angesichts den schauerlichsten Mühen und Beschwerden entgegenkeuchte – und ich mußte ihm da gerade begegnen.

Leider hatten wir Beide nicht lange Zeit uns miteinander aufzuhalten, zur Strafe seines früheren Spottes und seiner für sich selber mißachteten Prophezeihungen schilderte ich ihm aber jetzt das Minenleben – und ich galt als Autorität, denn ich kam eben daraus zurück – in aller Geschwindigkeit mit so schauerlichen Farben, daß sein Gesicht immer länger und länger dabei wurde und erst als ich ihn in einem geringen Grad von versteinerter Verzweiflung wußte, wünschte ich ihm ein herzliches Lebewohl und eine glückliche Reise, und wanderte getrost meine Straße gen Stockton zu.

Bis Dunkelwerden zog ich rüstig weiter; um Mittags verzehrte ich etwas Brod und Milch (Milch, ein kleines Glas voll 25 Cents), und kam als eben die Sterne herauszufunkeln begannen an ein kleines Blockhaus, in dem die Leute gerade ihr Abendessen nahmen. Ich befand mich jetzt noch etwa 15 Meilen von Stockton entfernt. Weiter konnte ich aber für den Augenblick gar nicht kommen, da es stockdunkel wurde, und der Mond ging erst etwa um 11 Uhr auf. Ich beschloß also an der Mahlzeit (für 1 ½ Dollars etwas trockenes Beefsteak und einen Becher dünnen Kaffee) theilzunehmen, ein paar Stunden zu schlafen, und mit Aufgang des Mondes meinen Weg weiter fortzusetzen.

Das that ich denn auch; ich warf mich wenigstens auf die Erde in eine Ecke, die Burschen im Haus hatten aber ein paar Flaschen Whiskey, und vollführten einen solchen Heidenlärm bis fast um Mitternacht, daß an wirklichen Schlaf gar nicht zu denken war.

Gegen Mitternacht stand ich auf, rollte meine Decke zusammen – meine kleine Zeche hatte ich schon den Abend vorher bezahlt – und marschirte bei dem hellen Mondlicht den breiten Weg entlang, munter drauf los.

Ein kleines Abenteuer sollte ich aber doch erleben. Es mochte ungefähr zwei Uhr seyn, als ich einen etwas schmälern Weg, der, wie ich glaubte, eine größere Biegung des Fahrwegs abschneiden sollte, einschlug, und auf diesem eine Zeitlang hinwanderte. Er wurde aber immer schmäler, das nasse, thauige Gras hing darüber hin und durchnäßte mir die Leggins, und es kam mir fast so vor als ob der Pfad mich zu weit nach der linken Seite führte. Rechts lag der breitere Weg, und dem zu schlug ich mich deßhalb auch wieder rechts, auf trockenere Bahn zu kommen, als ich unter einer großen Eiche, die gerade in meiner Richtung stand, sich etwas bewegen sah. Scharf hinblickend erkannte ich einen Mann der eben hinter den Stamm der Eiche glitt, während ein anderer neben ein dicht dabei grasendes Maulthier – dem die Vorderbeine zusammengebunden waren – trat, ihm auf die Kruppe schlug, und mich lachend auf spanisch einlud einmal dorthin zu kommen und zu sehen wie sonderbar sich das Thier da verwickelt habe. Ich hatte indessen den Hahn meiner Büchse gespannt, nahm sie in den Arm, und die Richtung ein klein wenig verändernd, daß ich die Eiche vielleicht dreißig Schritte zur Linken ließ, ging ich langsam mit einem no quiero vorüber. Der Aussprache nach schienen es mir Argentiner, denn der Mann sprach das ll wie ein weiches sch, und was den Burschen zuzutrauen ist, hatte ich schon an Ort und Stelle erfahren. Im offenen Mondschein draußen, und außer Lassowurfsweite, hatte ich aber nichts von ihnen zu fürchten, besonders als sie erst einmal gesehen hatten, daß ich Schießwaffen bei mir führte.

Es sind in neuerer Zeit mehrere Mordthaten an eben dieser Straße vorgefallen, und mit der gerühmten Ehrlichkeit Californiens ist es nicht mehr so weit her. Werkzeug das man draußen muß stehen lassen wird fortgenommen, Pferde und Maulthiere werden fast täglich gestohlen, und den Indianern wird manches in die Schuhe geschüttet, was weiße Schurken in ihrem Namen verübt hatten. Erwischen sie einen Dieb, dann geht es ihm allerdings schlecht; das Entkommen ist aber leicht.

Diese Burschen ließen mich übrigens, als sie sahen daß ich nichts mit ihnen zu thun haben wollte, ruhig weiter ziehen und ich erreichte bald nach Sonnenaufgang, nachdem ich noch gerade mit anbrechendem Tag, schon in Sicht von der Stadt, einen großen braunen Wolf geschossen hatte, der etwa dreißig Schritte vor mir über die Straße wechseln wollte, und als er mich gewahr wurde mitten auf dem Wege sichernd stehen blieb, das jetzige Ziel meines Fußmarsches, Stockton, nachdem ich in den letzten vierundzwanzig Stunden also 53 englische Meilen marschirt war.

Meine Anstrengung sollte aber umsonst gewesen seyn, denn an diesem Morgen ging gerade kein Dampfboot nach San Francisco ab. Nichts destoweniger war ich nicht böse darüber, denn ich bekam dadurch Zeit einmal einen Tag auf Stockton zu verwenden, und schlenderte deßhalb auch fast von Morgens bis Abends in der Stadt herum, bald bei einem der Maulthiertrupps stehen bleibend, die von geschäftigen Mexikanern mit nach den Minen bestimmten Provisionen beladen wurden, bald in die Spielhäuser schauend die fast den ganzen Tag besetzt waren und eine sehr bedeutende Quantität Geld umsetzten. Viele von diesen Höllen waren eben noch ganz neu und frisch aufgerichtet, manche nur eben erst nothdürftig meublirt und die kahlen Holzwände, ihnen nur ein etwas wohnlicheres Ansehen zu geben, mit grobem Kattun beschlagen. Die meisten von ihnen, ja fast alle, hatten eine Masse Bilder an den Wänden hängen, mit wenigstens einem größeren Oelgemälde, oft besser oft schlechter gemalt und eine soviel als möglich entblößte weibliche Figur darstellend. Der übrige Raum an den Wänden wurde dann, wenn nicht durch total unzüchtige Bilder, wie in einigen Häusern, durch französische Lithographien von Napoleonischen Schlachten, oder Cortez Eroberungen und Paul und Virginie ausgefüllt. Musik war fast in allen diesen Räumen.

Nur ein ganz neues Zimmer, wahrscheinlich von einem ganz jungen und unbemittelten, aber unternehmenden Anfänger begonnen, der möglicher Weise auch noch nicht einmal Zeit gehabt haben konnte seine Gemälde aufzuhängen, entbehrte aller dieser Lockspeisen für »Greenhorns.« Ein einzelner Tisch stand in der Mitte, an dem sich zwei Männer, die beiden Banquiers, mit einem sehr kleinen Haufen Silberdollars zwischen sich, einsam und friedlich einander gegenüber saßen und in Mangel besserer Beschäftigungen Karten mischten, während in einer der hinteren Ecken, um doch wenigstens eine Art von Spektakel hervorzubringen, ein kleiner Negerjunge saß, und eine Harmonika bearbeitete.

Das Bild ganz zu vollenden, waren die kahlen Wände mit hellblauem gemustertem Kattun ausgeschlagen und diese nur etwas zu decoriren, hatte der geschmackvolle Eigenthümer ein halb Dutzend colorirte Lithographien gekauft und rings im Zimmer angesteckt, die sämmtlich, nach ein und demselben Abdruck eine junge sehr schlanke und eckige Dame in grünem Kleid, ungeheuer hoher mit einem großen Bouquet geschmückter Frisur und weiten Bauschärmeln vorstellte, welche den Körper nach rechts, und den Kopf ganz bestimmt und überrascht dermaßen über die linke Schulter gedreht hatte, daß es fast aussah als trüge sie das Gesicht im Nacken. Von diesem Abdruck sechs Exemplare in dem einen kahlen Zimmer machte wirklich einen zu eigenthümlichen Eindruck.

Als ich den Raum betrat sahen sich die beiden Spieler rasch, vielleicht mit einer leisen Hoffnung nach mir um, und ich konnte mir die Freude nicht versagen langsam im Zimmer herumzugehen, und vor jedem der sechs Bilder ein paar Minuten, wie in tiefem Nachdenken versunken, stehen zu bleiben. Der kleine Neger, der jetzt eine höhere Aufgabe, einen nützlichen Kunden durch seine Töne zu fesseln, hatte, riß fast seine Pappmaschine auseinander und griff in allen Tonarten herum, aber weder das, noch das stärkere Mischen der Karten, noch die reizenden Züge der sechs Schönen konnten mich zum Spiel verführen, und als ich mich noch einmal beim Hinausgehen in der Thüre nach den Spielern und dem Negerjungen umwandte, hatten wir alle vier die Köpfe über die Schultern gedreht – gerade wie die Bilder.

Ich schlief die Nacht im Stockton Restaurant, d. h. nicht etwa in einem Bett, dazu war weder Raum noch Gelegenheit, sondern in meiner eigenen Decke, irgendwo, wo sich gerade Platz zeigte, in einer Ecke. Meine Sachen, d. h. meine Büchse, mein Messer und eben die Decke, lagen indessen noch auf einem der mit Wachstuch überzogenen Tische, an der einen Wand, als der Compagnon des Hauses zu mir kam und freundlich sagte:

Ach, dürfte ich Sie wohl ersuchen, das Gewehr von dem Tische herunter zu nehmen, der Herr da schläft auf dem Tisch – ich sah mich etwas überrascht nach dem »Herrn« um, fand aber, daß er nicht nur auf dem Tisch, sondern auch jetzt schon im Stehen schlief. Eine große vierschrötige Gestalt, mit einem blauwollenen Deckenrock an, trotz der Wärme, eine andere Decke unter dem einen und seine ausgezogenen Stiefeln unter dem andern Arm, stand er mit geschlossenen Augen da und schien nicht recht genau zu wissen, ob er warten werde, bis sein »Bett gemacht sey,« oder lieber gleich da umfallen solle, wo er stand. Der Wirth, der mein Erstaunen mißverstand, mochte glauben, ich habe den Tisch für mich belegen wollen, denn er sagte, den blauen Deckenrock entschuldigend:

Der Herr hier hat schon sieben Nächte da geschlafen, und ich kam jetzt genug zu mir selber, meine Büchse in die Ecke zu stellen, Decke, Pulverhorn und Messer aber auf einen Stuhl zu schieben und im nächsten Moment lag auch schon der Lange, der das alles durch die Augenlieder mit angesehen haben mußte, denn er öffnete diese auch nicht zu einem Blick, ausgestreckt und schnarchend auf der Tafel. Ich selber logirte die Nacht bei ihm parterre.

Am andern Morgen ging der Dampfer El Dorado, ein gutes Boot, nach San Francisco ab – und wir erreichten das lange Werft der Stadt noch Abends vor Dunkelwerden. Dießmal hatte ich übrigens zu viel selber zu besorgen, um mich in San Francisco bedeutend umsehen zu können, ich verschob das auf den letzten Tag und schlief die Nacht in Dr. Prechts, meines früheren Reisegefährten Haus, das er sich ganz kürzlich selber hatte bauen lassen. Ueberhaupt waren ihm die enormen Krankenpreise Californiens vortrefflich bekommen, er stand sich sehr gut und hatte glänzende Aussichten vor sich.

Wir waren den Abend in sehr fideler Gesellschaft bis spät zusammen aufgesessen, so daß ich am nächsten Morgen, wie nur kaum der Tag im Osten an zu grauen fing, noch keineswegs ausgeschlafen hatte, als ein wilder, fremdartiger Ruf an mein Ohr schlug. Ich fuhr in die Höhe, und während ich gerade aus meinem Fenster den hellen Feuerschein erkennen konnte, der sich flammend und zuckend die schreckliche Bahn in's Freie brach, war ich im ersten Augenblick wirklich nicht im Stande, zu sagen wo und in welchem Welttheil ich mich eigentlich befand. Das dauerte aber nicht lange, mit dem Schlaf schüttelte ich zugleich all die Traumbilder ab, fuhr in die Kleider und war in wenigen Minuten mit Dr. Precht unten auf der Straße.

Nicht weit hatten wir bis zu dem Ort wo das Feuer begonnen, und schon flackerten wieder in lichter Lohe die sämmtlichen am öffentlichen Platz gebauten Spielhäuser auf, während die Flamme mit rasender Gewalt weiter und weiter fraß. Einen Augenblick überschaute ich von der Mitte des Platzes das fürchterlich schöne Schauspiel, aber auch nur einen Augenblick, denn ich hätte es für Sünde gehalten müßig dabei zu stehen, wo Hunderte ihr Hab und Gut verloren, während ich doch im Stande war, wenigstens etwas mit zu retten.

Ein an unsere festen, aus Stein aufgeführten Gebäude gewöhnter Europäer kann sich übrigens kaum einen Begriff von der rasenden Schnelle machen, mit der das Feuer in den leichten hölzernen, durch die Sonne schon gedörrten Gebäuden um sich fraß. In einem großen Laden oder »Gewölbe,« wenn eine großartige Bretterbude so genannt werden kann, in dem ich zuerst mithalf, sah ich, nachdem den Raum selber schon glühende Hitze erfüllte, nur eben die Flamme kaum acht oder neun Zoll lang hineinlecken, als auch, wie durch einen Blitz entzündet die ganze Decke in hellen Flammen stand und alles, was sich im innern Raum noch befand, mit wilder Hast nach der Thüre stürzte. Der obere Theil der Hände, mit denen ich einen Pack auf der einen Schulter festhielt, wurde mir selbst in den wenigen Sekunden versengt.

Bis 10 oder 11 Uhr fraß das Feuer so weiter, ehe ihm ordentlich Einhalt gethan werden konnte und selbst das mußte durch das Einreißen zwischenstehender Häuser geschehen, denen wir die Stützen mit Aexten durchhieben. Der Schaden an Gütern war ungeheuer, da man Unmassen von Sachen mitten auf den Marktplatz geschleppt und dort sicher geglaubt hatte, während die Gluth selbst da hinüber ihre Beute suchte und das gerettet geglaubte verzehrte. Um 4 Uhr brannte es noch, ohne jedoch weitere Gefahr befürchten zu lassen, unter den Trümmerhaufen fort, und selbst die Nacht über schlug noch oft die helle Lohe aus den zusammengestürzten Gebäuden auf; an demselben Nachmittag hämmerten aber schon wieder, mitten zwischen den noch glühenden Balken, Zimmerleute ein neues Gestell für das Zelt einer Spielbank, übergossen den Platz, wo es zu stehen kommen sollte, mit Wasser und kehrten sich nicht an das ärgerliche Zischen des erzürnten Erdbodens, sondern schafften über Nacht rüstig weiter, so daß am nächsten Morgen schon eine neue Hölle, mit Zelttuch überspannt, gedielt und mit Schenktisch und Spielbanken reichlich versehen, fertig stand.

Ich bin gerade nicht besonders bigott, glaube auch nicht daß sich der liebe Gott um jeden Quark auf der Erde bekümmert, sondern die kleine Ameisenwelt, uns Menschen, ruhig und ungehindert gebahren läßt; hier aber hätte er mir wirklich einen Gefallen gethan, wenn er dem frechen Spielvolk, das noch aus den rauchenden Trümmern heraus und mit Violinen und Pfeifen seine Opfer heranlocken ließ, durch einen kleinen Donnerschlag die Bude über dem Kopf zusammengeschmettert hätte. Da Er es sich aber ruhig gefallen ließ, ging mich die Sache auch weiter nichts an.

Manche komische Fälle kamen übrigens auch bei dem Feuer vor, so ernst und furchtbar das entsetzliche Element auch im Anfang auftrat. So stand noch ganz zuletzt Dr. Prechts Haus schräg gegenüber, bis wo wir endlich des Feuers Herr wurden, ein kleines Holzgebäude, das einem Franzosen gehörte, der hier einen Laden von eingemachten Sachen, Pickles, Blechbüchsen und Flaschen hatte. Dieses Häuschen mit einem daneben liegenden etwas höheren Holzgebäude waren die letzten des schon fast ganz niedergebrannten Squares und konnten nicht mehr gerettet werden, blieben sie aber stehen, daß die Flamme an ihnen hoch hinaufloderte, so war es unvermeidlich, daß die über der Straße stehenden Häuser, an denen jetzt schon die Hitze dörrte, ebenfalls ein Raub des Brandes wurden, der dann neue Nahrung bekam und Gott weiß wo erst gedämmt wäre. – Diese beiden Holzhäuser mußten also niedergeworfen werden, und nur mit zwei Aexten machte ich mich und ein Amerikaner daran und hieben die Pfosten ein, während von anderen schon ein starkes Tau herbeigeschleppt und um das erste Haus gelegt war, das auch bald zusammenbrach und sich mit dem Dach flach auf den Boden warf. Das nächste war jetzt der Laden des armen Franzosen, der eben erst angekommen war, die Thür geöffnet hatte und nun in Todesangst, wo er zuerst mit dem Retten seiner Waaren beginnen sollte, gar nicht wußte was anzugreifen. Die beiden Eckpfosten hatten wir indessen schon durch, eben wurde das Tau, an dem wenigstens dreihundert Menschen hingen, auch um dieß kleine Nest gelegt und noch immer hörte ich den armen Teufel im Innern wirthschaften. Zweimal sprang ich an die Thür, und rief ihm zu sich in Acht zu nehmen, das Haus würde ihm gleich über dem Kopf zusammenstürzen – draußen zogen sie schon und die drei mittelsten Pfosten, an denen der Amerikaner mit der Art noch wüthete, fingen an zu krachen. Er war nicht herauszubringen, flog rathlos im Innern, beide Arme voll Flaschen und Büchsen, hin, und her – und hatte total den Kopf verloren. Da ergriff die Flamme auch dieß Gebäude und es mußte jetzt um. – Alles schrie nach der zweiten Axt und ich sprang zurück an meinen Posten – ein Balken schien noch besonders zäh zu seyn und den einzigen Widerstand zu leisten, kaum hatte er aber den dritten Schlag erhalten, der einen tiefen Spahn aus ihm herausholte, so gab er nach – alltogether schrie die Schaar am Tau, und prasselnd kam das Gebäude zusammen, während der Franzose, wie ein aus einer reifen Frucht gequetschter Kern, von einem ganzen Real von Weinflaschen gefolgt, dermaßen aus dem Haus schoß, daß er alles was ihm im Wege stand, mit über den Haufen rannte.

Das Haus lag aber nieder, die Flammen hatten keine Gewalt mehr und das an allen andern Stellen schon bemeisterte Feuer war auch hier gedämpft. Dieß kleine Gebäude brannte aber noch bis auf die Wurzel fort und der arme Franzose saß nachher traurig zwischen seinen gebratenen Blechbüchsen voll Sardinen und Gemüsen und zertrümmerten Flaschen.

Mein Einkauf war durch das Feuer in den nächsten Tagen sehr gestört worden, denn die Leute hatten theils die Köpfe voll, theils ihre in Sicherheit gebrachten Waaren noch nicht einmal wieder eingeräumt, dennoch gelang es mir am Mittwoch von San Francisco wieder loszukommen, und ich schiffte mich mit meinen Gütern am 8. Mai wieder nach Stockton, dießmal auf dem kleinen Dampfschiff »Capt. Sutter« ein. Das Boot war von Passagieren förmlich vollgedrängt, und wir hatten, wenn auch eine schnelle, doch sehr unangenehme Fahrt. Am nächsten Morgen erreichten wir Stockton. Die Fracht war indessen durch das gute Wetter und die besser gewordenen Straßen so heruntergegangen, daß ich sie, bis Murphys Diggings, zu 7 Cents per Pfund accordiren konnte.

Die Wege waren jetzt ausgezeichnet, alle Sumpfwasser ausgetrocknet und die Thiere schritten mit ihrer, ebenfalls nicht sehr schweren Last rasch vorwärts. So näherten wir uns wieder dem Calaveres, als uns, noch ehe wir den Fluß gekreuzt hatten, ein leerer, mit Ochsen bespannter Lastwagen begegnete, der sich langsam durch den furchtbar dicken Staub daher wälzte. Einige Leute die aus den Minen kamen saßen darauf, aber erst als ich ganz dicht neben ihnen war, konnte ich unter der wirklich entstellenden Staubkruste meine beide früheren Reisegefährten, den Streichriemenmann Mr. Hillman und seinen getreuen Sancho, Jeremias Livingston erkennen. Mr. Hillman sah bleich und niedergeschlagen, Jemmy dagegen desto fideler aus, denn die harte Minenarbeit lag hinter ihm, und er ging jetzt, wie er sich ausdrückte, wieder zu »christians

Armer Hillman, deine rosigen Pläne waren also nicht realisirt worden, Quecksilbermaschine und Provisionen, Zelt und Maulthier, alles hattest du verkaufen müssen, und von all deinen Besitztümern war dir – soweit ich es wenigstens sehen konnte – nichts als der braune Regenschirm und Jeremias Livingston geblieben. Fast hätte ich aber gelacht – was nicht halb recht gewesen wäre – als ich den alten Mann mit seinen getäuschten Erwartungen so durch und durch heiß und mit Staub bedeckt auf dem Wagen und Jemmy's grinzendes breites Gesicht daneben sah. Mir fiel das letzte Gebet ein, das er am Engelscreek, die letzte Nacht, wo wir zusammen waren, nach alter Weise laut gehalten, und wobei Jeremias – wieder auf allen Vieren – bald von dem linken auf den rechten, und dann wieder vom rechten auf den linken Ellbogen hinüber wechselte – denn es dauerte etwas lang – und worin der fromme Hillman dem lieben Herrgott eine schwache Seite abzugewinnen suchte. Er erinnerte ihn wenigstens daran, daß er doch wisse was er bis dahin für ein guter Christ, wenn auch sonst ein niederträchtiger Sünder, gewesen sey, und wie er ihm (dem lieben Gott) als er von zu Hause fortging, versprochen habe, ein Haus zu bauen, in dem , er – wieder der liebe Gott – angebetet werden solle. Das sey auch jetzt noch seine Absicht und sein fester Wille, aber er bitte nun den Herrn der Heerschaaren, ihn auch so viel Gold finden zu lassen, daß er dafür bezahlen könnte.

Das war billig genug, der liebe Gott muß abergeglaubt haben, er hätte hier unten schon Häuser genug, sich jetzt noch auf weitere Expensen einzulassen, kurz trotz diesen doch gewiß lockenden Versprechungen ließ er den alten Mann das Gold nicht finden, und ich habe jetzt meine sehr starken Zweifel, ob sich dieser, wenn wieder nach Hause zurückgekehrt, auch nun an eben jenes Versprechen gebunden halten wird, obgleich er das früher doch gewiß nur auf »sichere Rückkehr und Gesundheit« basirt hatte.

Am nächsten Tag, den l0., verließ ich den Wagen, und wanderte, nur mit meiner Decke auf dem Rücken, durch den Wald, eine nähere Richtung nach Murphy's einschlagend. Den Abend schoß ich zwei Tauben, und lagerte bei einem guten Feuer an einer klaren Quelle. Am nächsten Morgen erlegte ich einen Hirsch, der Angeschossene brach aber noch in letzter Flucht einen der hier so häufigen steilen Berge hinunter, und wenn auch die starke Schweißspur verrieth, daß er nicht weit mehr würde fliehen können, lag doch die Richtung die er genommen so außer meinem Cours, daß ich ihn lieber seinem Schicksal überließ, ehe ich den halben Tag versäumte und dann Murphys nicht einmal mehr hätte erreichen können. Eine Stunde später traf ich einen andern Jäger, dem ich die Stelle genau bezeichnete wo er die Schweißspuren finden konnte, und derselbe hat auch, wie ich später hörte, den verendeten Hirsch noch bekommen.

Für manchen der Leser wird es übrigens auch interessant seyn, ein paar Worte über die Jagd in Californien zu hören. Leider läßt sich da nicht viel besonderes darüber berichten; wenigstens habe ich selber keine großen Erfahrungen darin gesammelt. Wenn die Leute aus den Minen nach San Francisco kommen, und dort über die Jagd in den Gebirgen gefragt werden, so geben sie allerdings gewöhnlich die glänzendsten Berichte, und man sollte nachher glauben die Wälder wimmelten nur so von Hirschen und Bären. Dem ist aber nicht so, und die Ursache läßt sich auch leicht erklären. Das Wild liebt Ruhe, und will wenigstens da, wo es in Schlucht und Dickicht seinen Lagerplatz hat, wenn es sich einmal niedergethan, nicht jeden Augenblick gestört werden. Seit aber die Minen entdeckt wurden, durchstreifen »prospectende« Partien Tag für Tag die unwegsamsten und abgelegensten Theile der Gebirge, neue und reiche Stellen aufzufinden; alle diese haben Gewehre, Büchsen oder Musketen bei sich, und was sie von Wild aufscheuchten, wird jedenfalls mit einem Schuß, nicht selten mit einem Pelotonfeuer begrüßt. Was Wunder also, daß sich die Thiere des Waldes mehr und mehr von allen nur schwach besuchten Plätzen zurückzogen, und die wenigen, die doch ihre alten Gründe nicht verlassen wollten, so scheu geworden sind, daß sie schon hei einem zufälligen Rascheln der Büsche die Flucht ergreifen.

Der Goldstrich oder Golddistrikt scheint seine gewissen Grenzen im Osten sowohl wie im Westen zu haben. In einer bestimmten Höhe, gegen die Sierra Nevada zu, ist noch kein Gold gefunden worden, ebenso verschwindet es weiter in den Thälern; unter und über diese beiden Grenzen hin hat sich jedenfalls der Wildstand zurückgezogen; wenigstens ist in den Sümpfen am Sacramento, und um die Baien herum noch selbst im letzten Winter mancher Riesenhirsch und Bär erlegt, während in den Minen selbst die Hirsche gegen früher nichts weniger als zahlreich waren.

Der »grizzly bear« oder graue, ja auch »gräßliche« Bär genannt, ist das Schreckniß der hiesigen Jäger, eine Art nordamerikanischer »Königstiger«, und die im Wald Lebenden ängstigen sich selber mit den abenteuerlichsten Geschichten seiner Wildheit. Diese sind aber, wie ich fest überzeugt bin, meistens übertrieben, und der graue Pätz ist nicht halb so schlimm als er gemacht wird. Er erreicht allerdings eine sehr bedeutende Größe, und soll nicht selten an 1400 Pfund wiegen, ein Schlag seiner mit furchtbaren Krallen bewehrten Tatze muß jedenfalls vernichtend, und er selber gereizt und einmal in Wuth ein furchtbarer Feind seyn. Wie aber der asiatische Königstiger beim Nahen der Jäger die Flucht ergreift, und nur im äußersten Hunger einen Menschen anfällt, so flieht der furchtbare »Grizzly« wenn er Menschentritte im Laub hört, und die Furcht allein hat ihm schon manche Schreckensthat, an der er in Wirklichkeit ganz unschuldig gewesen, aufgebürdet. Das Fleisch des jungen grauen Bären soll ausgezeichnet seyn, und selbst das der alten wird gegessen.

Der Riesenhirsch oder Elk belebte früher die Berge und Ebenen Kaliforniens, ist aber jetzt ebenfalls auf einen sehr geringen Theil des Landes beschränkt, und wird alljährlich mehr ausgerottet. Er ist bedeutend größer als unser deutscher Hirsch.

Der virginische Hirsch, mit vorgebogenem Geweih, derselbe, der sich in den Vereinigten Staaten findet, ist noch im Verhältniß ziemlich zahlreich.

Was ich aber in den Vereinigten Staaten nicht gefunden habe, hier aber ziemlich häufig vorkommt, ist der deutsche Holzhase, nur ein wenig kleiner als der unsere; Lampe beträgt sich hier ebenso, und ich freute mich ordentlich, als ich sein altes ehrlichdummes Gesicht zuerst unter den fremden Bestien erblickte.

Rebhühnerarten gibt es zwei; eine, die gewöhnliche nordamerikanische Art, die andere, und zwar die häufigste hier, deren Hahn einen hübschen kleinen Federbusch trägt. Sonst ist kein jagdbares Geflügel im Wald, Lerchen ausgenommen.

An Raubthieren gibt es den kleinen amerikanischen Panther, gefleckte Wildkatzen und Füchse; auch der Waschbär (von dem die deutschen »Schuppenpelze« kommen), obgleich der nicht zu den Raubthieren gerechnet werden kann, ist hier heimisch.

Nach den Minen brachte ich die Neuigkeit des letzten Brandes von San Francisco, wie auch die, eines erst vor wenigen Tagen gegebenen Gesetzes der californischen Legislatur mit hinauf, das bald das ganze innere Land nicht allein in größte Aufregung bringen, sondern später auch noch sogar an vielen Stellen blutige Folgen haben sollte.

Es war dieß ein Gesetz das allen Fremden, d. h. Nichtbürgern der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die in den Minen arbeiteten – sey es nun für sich oder für Andere – eine Taxe von zwanzig Dollars per Monat auflegte.

In früheren Zeiten und in besserer Jahreszeit, mögen die Leute vielleicht im Stande gewesen seyn eine solche bedeutende Taxe bei ihren Minenarbeiten zu erschwingen, unter den jetzigen Verhältnissen war es aber wenigstens drei Viertheilen der Minenarbeiter rein unmöglich einer solchen Anforderung zu genügen, und die darüber entstehende Aufregung läßt sich kaum beschreiben.

Besonders in Murphys new Diggings bestand der größte Theil der Goldwäscher aus Franzosen (und unter diesen noch dazu die meisten Basken), die Deutschen waren weniger vertreten, auch Spanier gab es nicht viel, da in früheren Zeiten die Mexikaner schon einmal waren von hier vertrieben worden. Dagegen wimmelte das etwa 25 englische Meilen entlegene Sonora von Mexikanern, Chilenen und anderen südamerikanischen Stämmen, und es kochte und gährte überhaupt, wohin man auch hörte, im ganzen Land.

»Wir zahlen keine Taxen,« sagten die Deutschen – »wovon auch?« – »Sie sollen nur kommen und sie einfordern wollen!« riefen die Franzosen und die Mexikaner und Chilenen, überdieß nie besonders auf die Amerikaner zu sprechen, kauften Alles auf was sie von Waffen bekommen konnten, und schienen sich ganz ernstlich in Vertheidigungszustand zu setzen.

Die Amerikaner selber hielten die Taxe für zu hoch, meinten aber ganz ruhig, es sey ein einmal gegebenes Gesetz ihrer Regierung, und müsse also, schlecht oder gut, aufrecht und in Kraft gehalten werden, bis die Legislatur eines besseren belehrt, es noch einmal bedacht und geändert habe. So sprachen die vernünftigen Amerikaner, es gab aber auch noch eine Klasse anderer, wilder überspannter Burschen, die eben, nur bis über ihre eigene Nasenspitze hinaussahen und das Selbstinteresse allein im Auge hatten. Diese waren gleich Feuer und Flamme, und renommirten, das Gesetz sey noch lange nicht streng genug und man solle überhaupt die Fremden nur gleich selbander mit Gewalt zum Lande hinausjagen.

So kam der 20. Mai heran und ein Gerücht lief plötzlich im Lager um, im Sonorian Camp sey eine förmliche Revolution ausgebrochen, der Sheriff erstochen, einige Franzosen und ein Deutscher eingekerkert, und überhaupt das Oberste zu Unterst gekehrt worden. Ein Brief von dorther, an die Franzosen in Murphys gerichtet, rief diese auf ihren Kameraden rasch zu Hülfe zu eilen, und versicherte sie zugleich, daß eben solche Aufforderungen schon an alle übrigen benachbarten Plätze abgegangen wären – das ganze Land sey in Aufruhr.

Die Wirkung die dieser Brief, mit der Erzählung der Träger auf die überhaupt leicht erregbaren Franzosen machte, war wirklich fabelhaft. Von dem Augenblick an sah man weiter nichts als kriegerische Zurüstungen. Gewehre hatten fast sämmtliche Franzosen, nur Pulver, Blei und Zündhütchen, Pistolen, Messer u. s. w., mußte sich ein großer Theil noch anschaffen und der Abend rückte unter diesen Vorbereitungen heran.

Die Amerikaner blieben dabei ruhige Zuschauer, bis sich die Franzosen nach Dunkelwerden eine kurze Strecke vom Camp gesammelt hatten, und nach dem, wie sie glaubten, bedrohten Orte aufgebrochen waren. Als das kleine sonst so lebendige Zeltstädtchen nun so total verlassen schien und nur noch hie und da Einer oder der Andere von den Franzosen mit seiner Flinte und Decke auf dem Rücken, die breite und einzige Straße hinauflief und bald darauf in der Dunkelheit verschwand, machten einige der jüngeren Amerikaner den Vorschlag, den Platz zu verbarrikadiren, für ein amerikanisches Lager zu erklären, und keinen der Ausgezogenen wieder zurückzulassen. Die Vernünftigen aber gewannen wieder die Oberhand und es wurde zuletzt, in einzelnen sich sammelnden Gruppen beschlossen, ruhig den Erfolg dieses tollen Schrittes abzuwarten, und dann zu handeln, wie es die Nothwendigkeit gebieten würde.

Die Sache erwies sich aber als reiner Humbug, der Brief war allerdings ächt, der Mann aber, der ihn geschrieben hatte, mußte betrunken gewesen seyn – obgleich es ihn beinahe später das Leben kostete, denn die Franzosen wollten ihn mit Gewalt aufhängen. Die Franzosen und überhaupt kein Fremder war in seinem Recht gekränkt worden, und nur die Spanier hatten einen Umzug gehalten, und die chilenische Fahne aufgepflanzt, was einfach zur Folge hatte, daß die dortigen Amerikaner mit klingendem Spiel hinauszogen und die Flagge wieder umrissen.

Die Franzosen kehrten übrigens etwas beschämt und einzeln bei Nacht, wie sie ausgezogen, nach Murphys wieder zurück. Weitere Folgen hatte der etwas tolle Schritt ebenfalls nicht; die Franzosen entschuldigten sich in einer späteren Schrift bei dem Alkalden über das Vorgefallene, und die Amerikaner rügten es noch einmal in einer bald darauf gehaltenen Meeting, so daß die Sache dem Anschein nach vergessen schien, in der That hatte sie aber doch wieder zwischen Fremden und Amerikanern ziemlich viel böses Blut gemacht, den letzteren jedoch auch gezeigt was sie etwa zu erwarten hätten, wenn sie es einmal zum Aeußersten trieben, nämlich verzweifelten Widerstand.

Interessant war es in jener Zeit zu sehen, wie noch nach vierundzwanzig Stunden von allen benachbarten Minen einzelne bewaffnete Franzosen, meistens zu Fuß, herbei eilten, an dem vermutheten Kampfe Theil zu nehmen, während die Mexikaner dagegen nach allen Richtungen hin Fersengelb gaben.


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