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DIE LIEDER VON TRAUM UND TOD

Blaue Stunde

An Reinhold und Sabine Lepsius

        Sieh diese blaue stunde
Entschweben hinterm gartenzelt!
        Sie brachte frohe funde
Für bleiche schwestern ein entgelt.

        Erregt und gross und heiter
So eilt sie mit den wolken – sieh!
        Ein opfer loher scheiter.
Sie sagt verglüht was sie verlieh.

        Dass sie so schnell nicht zögen
So sinnen wir · nur ihr geweiht
        Spannt auch schon seine bögen
Ein dunkel reicher lustbarkeit.

        Wie eine tiefe weise
Die uns gejubelt und gestöhnt
        In neuem paradeise
Noch lockt und rührt wenn schon vertönt.

Dünenhaus

An Albert und Kitty Verwey

Ist ein dach noch das so tiefen friedens
Freien stolzes neben solcher fülle –
        Düster-mütigen starren gast
        Lud und hielt und fern oft winkte?

Wo ihr gern erforscht wann meine seele
Euch umarmt · wann ihr sie ewig fliehel
        Sinnend wenn die schatten weich
Abends über Holland sinken..

Milde reden schmeicheln in den binsen
Zu der wellen schlag · doch starke stimmen
        Lauern immer · wenn ihr ton
        Rauscht im frischen meereswinde

Schont Er keine trauer · schiffe pfeifen
Städte sind voll lust und kampf: »so irrte
        Sonnensohn an wolken hin
        Starb im rasen nach dem glücke«

Ein Knabe der mir von Herbst und Abend sang I

I An Cyril Meir Scott

Sie die in träumen lebten sehen wach
Den abglanz jener pracht die sie verliessen
Um gram und erde · und sie weinen stille
Die stunden füllend mit erinnerung

Ans blaue ufer wo mit sanftem tritt
Goldflügel-kinder wandeln und die müden
Vom kerker eben freien seelen grüssen
Die noch verwirrt die blöden blicke drehn

In dem erstaunend hellen wunderland..
So helft euch aus der wahrheit – mitgefangene!
Es bleibt für euch noch eines lächelns schatten
Wenn euer beider leben auch gebannt

Jezt wieder schmachten muss in grabesluft.
Ein flüchtiger blick in euren gittern zündend
Belebt die hoffnung eurer engen wüste ..
Und bleich und plötzlich küsst ein strahl dein haar.

Ein Knabe der mir von Herbst und Abend sang II

Ihr kündigtet dem Gott von einst die liebe –
Nun zeigt er sich mit rachevoller braue:
Ihr nanntet joch mein kostbares gesetz
Ihr lasst mein haus zu beugungen zu stolz.

Neigt ihr euch jezt nicht schmählicherem dienste?
Ermattet er nicht die gewundnen arme
Mehr als die klanges-kette die ihr bracht?
Ruft ihr nach gnade nicht und wacht und weint?

Ja wie wir einst voll demut und verlangen
Uns zu des Heilands blutigen füssen bückten
So knien wir huldigend dem neuen Gott
Und zittern und verzückung wie zuvor

Erhöhen uns doch andere mitgefühle
Verzehrender und weniger verzichtend
Wenn schweres licht des beter-abends sinkt
In gold und purpurscheiben unsres doms.

Ein Knabe der mir von Herbst und Abend sang III

Ich stand im Sommer wartend – mit erbleichen
Seh ich nun schon das scharlach-banner wehen
Es winkt dem tanz der ernter mit dem grabe
Mit ungepflückter frucht zerzaust vom sturme.

Nun schwindet mir der sorgenlosen glaube
Nun eil ich in der kargen frist und pflücke
Von dem was blieb und binde laub und blumen
Halbwelke wunder meiner grames-hand.

Die hand mit widmender verehrung hebt
Beschämt empor dir die verstreuten gaben –
So wenig von erträumter pracht ein zeichen
Wenn auch von mancher seltnen träne leuchtend..

So wenig eine wahl von edelsteinen
Die ich dir vom geschick erobern wollte
Als je die mär von flammen-hass und -liebe
Kund wird durch diese brechend leise stimme.

Juli-Schwermut

An Ernest Dowson

        Blumen des sommers duftet ihr noch so reich:
        Ackerwinde im herben saatgeruch
Du ziehst mich nach am dorrenden geländer
Mir ward der stolzen gärten sesam fremd.

        Aus dem vergessen lockst du träume: das kind
        Auf keuscher scholle rastend des ährengefilds
In ernte-gluten neben nackten schnittern
Bei blanker sichel und versiegtem krug.

        Schläfrig schaukelten wespen im mittagslied
        Und ihm träufelten auf die gerötete stirn
Durch schwachen schutz der halme-schatten
Des mohnes blätter: breite tropfen blut.

        Nichts was mir je war raubt die vergänglichkeit.
        Schmachtend wie damals lieg ich in schmachtender flur
Aus mattem munde murmelt es: wie bin ich
Der blumen müd · der schönen blumen müd!

Feld vor Rom

An Ludwig von Hofmann

Von höhen maassen wir die abendgegend
Der welten trümmer sich im glanze regend
Wir treten in die fluren öd und streng
Von nah und fern ein hauch macht bang und eng.

Denn mussten wir vor aufgehäuftem prunke
Vor grosser gruft glorreichem säulenstrunke
Weniger weinen? und was war uns seit
Der kronen zier – der völker herrlichkeit!

Wir fühlen scheidend: säen oder roden
Verwehrt den schmerzlichen der stolze boden..
Sieh! weit in wolken schein des ewigen tors
Und blut- und veilchenfalten eines flors

Auf wehem grün der welligen ebne fliegend
Frascati bleicher an den berg sich schmiegend..
Noch einmal halt an diesem hügel still
Pflückend die schattenlilie asphodill.

Südliche Bucht

An Ludwig von Hofmann

An grünen klippen laden selige gärten
Wo blumen sich mit blauen wogen mengen
Und frühe winde zart und glühend sprengen
Um den Gebundnen die metallnen härten.

In lila-himmel streuen berge funken –
Hier lockt die dämmerung der saffirgrotte
Dort in verklärte fernen zieht die flotte..
Ihn hat ein schauer jung geküsst und trunken

Dass er berührt vom spiel gewiegter hüfte
Den einen namen seufze sage singe..
Und starker odem in dem zauberringe
Wie wein und honig meer und tempelgrüfte

Hat ihm in traumes ruhe-reich verholfen..
Wo er in lied und segen der zipresse
Sein kaltes land und steiles werk vergesse
Langsam sich lösend vor den purpurgolfen.

Winterwende

An Clemens Franckenstein

Ist von mond – von sonne dieser glanz?
Auf verstorbne wege von Byzanz
Bricht er schaudernd flammt er grell
Hain und halle macht er hell.

Spiegelt eine flur von freuden vor
Euch verwaisten gängern bei dem tor
Dass ihr staunt und weint und euch vergesst
Lippe an lippe stumm gepresst.

Welch ein wunder in dem dürren jahr!
Mögt ihr nie an einer totenbahr
Mögt ihr nie im raume kalt und klein
Dies vergessen diesem lerne sein!

Eure blicke taten – wach und kühn
Die bis tief hinein ins dunkel sprühn
Scheidend ahnen sie und mahnen sie:
Solch ein strahl erbleicht uns nie ..

Den Brüdern

An Leopold Andrian

Als unsre schnelle jugend noch nicht wählte
Im edlen preisen und verwerfen gleich
War unsre liebe für das viel geschmälte
Für unser: euer sieches Oesterreich.

Wir – wie ihr – zeigten glücklichen barbaren
Dass höchster stolz ein schönes sterben sei..
Bis wir bemerkt wie sehr wir lebend waren
Da schlossen wir uns stärkern trieben bei.

Vernahmen vor uns reiche fülle kreisen
Und frische wünsche traten uns zunächst..
Da wollten wir euch freundlich an uns reissen
Mit dem was auch in euch noch keimt und wächst.

Denn dazu lieben wir zu sehr euch brüder
Um zu geniessen nur als spiel und klang
An euch die schwanke schönheit grabes-müder
An euch den farbenvollen untergang.

Die Ebene

An Carl August Klein

        Silberne himmelsferne spannt
Ueber der endlosigkeit deiner ruhenden ebene.
Suchest du sinnend darin das uns beiden gegebene
        Zwischen den furchen seit jahren verkannt?

        Unter der weiden frühem erblühn
Horchen die kinder entzückt einer scherzenden flöte
In die veilchenwolkige blendende röte
        Hüpfen und tanzen sie hoffend und kühn.

        Greisin kehrte sich von dem schimmernden tand
Zu dem gemilderten glanze der fichten drüben
An den beglückenden gräbern die treue zu üben –
        Ahndevoll raunt sie vom anderen land.

        Und – denen flitternde hülle wol riss
Aber wie wir noch von irdischen wünschen genährte
Sucher du im bilde sie? fürchtest du · bleicher gefährte ·
        Unsren zug zur finsternis?

Fahrt-Ende

An Richard Perls

Wir schritten redend auf den tempeldielen
Du klagend über siecher welten fäule
Ich sah ein kämpferfeld mit weiten zielen
Und stand ein jüngling herrisch an der säule.

Du hörtest staunend mich nach langem wandern
Noch schwärmen für das unverlierbar stete
An weichen nebel-abenden in Flandern
Wo brünstig flammen zucken durch gebete.

Dann liess ich dich zu masslosen Titanen
Und einsam steigen zu den grausen Müttern.
Ich hasste die vergeblich dunklen bahnen..
Nun deine trauerboten mich erschüttern.

Wall ich verträumt wohin du gern entflohest
Zu grüner nacht der schaurigen pagode
Des nicht-mehr-suchens nicht-mehr-tuns: so drohest
Als überwinder du bei deinem tode.

Gartenfrühlinge

Schimmer aus lichtgoldnem blatte
Treibt aus dem waldigen finster ..
Dass die bescheidene ginster
Ruhe der trauer beschatte!

Nah in den gärten durften die mandeln
Dort sah ich augen voll glut und traum
Ich will die gärten wieder durchwandeln
Hände baden im blumigen flaum.

Seltnerer vögel gefieder
Büsche in zierlichen kegeln!
Trunkene falter segeln
Reicher ertönen dort lieder.

Kostbarer wie sie die quelle verstreut
Schmächtigem springbrunn funken entstieben ..
Werden sie leuchten leuchten mir heut?
Werd ich die süssen traum-augen lieben?

Morgenschauer

        Lässt solch ein schmerz sich nieten
Und solch ein hauch und solch ein licht?
        Der morgen sich gebieten
Der fremd und selig in uns bricht?

        Wie durch die Seele zogen
Die Pfade – dann durch das gefild.
        Gelinde düfte sogen
Dann gossen sie sich schnell und wild.

        Trüb wie durch tränen schwimmen
Der baum · das haus das uns empfängt.
        Ein weisses festtag-glimmen
Der Kirschenzweig der überhängt.

        Ein rauschendes geflitter
Entzückt und quält – macht schwer und frei ..
        Ein schwanken süss und bitter
Ein singen sonder melodei ..

Das Pochen

Dies pochen sagt uns was wir liessen
Das an der leeren stätte quillt
Wo unsre freude scheidend winkte.
Nicht stunde mehr nicht weg mehr gilt!

Wie wir im schlafe wandelnd irren!
Wie es bei allen worten schrillt
Die uns gleich ihren lezten klingen!
Wie jeder stein uns nun vergilt

Dass wir solang nur uns erblickten..
Wie es im raum beklemmt und schwillt
Den dingen nahe die sie liebte ..
Wie wir zu bannen wol gewillt

– Weil um die sucht so kleinen zieles
Die ernste tat uns fragt und schilt –
Doch diesem pochen nicht gebieten
Das erst die wehmut langsam stillt!

Lachende Herzen

Lachende herzen die ihr die freude schauet
Als ein mädchen von wolken herniederwandelnd
Gaben verteilend um die ihr als einziges werbet
Wachsender hoffnung von einem zum andern fest:

Die ihr die lieblichsten sonnenstrahlen vereinet
Auf der zartblumigen wangen gerötetem schmelze
Dunkle tage verschmerzend als kurze busse
Schwere gedanken verbietet anmutig flehend:

Tanzende herzen die ich bewundre und suche
Gern mich erniedernd dass ich eure bälle nicht hemme
Die ihr mich rühret ihr leichten – uns ganz erfüllet
Die ich verehre dass selber ihr lächelnd erstaunet:

Die ihr mich schlinget in euren geselligen reigen
Nimmer es wisst wie nur meine verkleidung euch ähnelt
Spielende herzen die ihr als freund mich umfanget:
Wie seid ihr ferne von meinem pochenden herzen!

Flutungen

Erst ging sie voll und litt an zu viel licht.
Der gaben schatz den huldigung ihr bot
Erwog sie kaum und misste oft das glück
Im starren stolz der jugend die nicht spricht.

Sie wuchs sie zog hinaus und sie umwarb
Was nun entrann · sie sah mit heissem wunsch
Den lebenden die sie nicht liebten nach
Den toten all von ihr noch ungeliebt.

Da stand sie einst mit ihrem schmerz · der schien
Ihr leicht und leer · sie blickte prüfend um
Und fröstelte · so sagt dem blinden kind
Die kühle an dass schon der abend kam.

Nun reisst und rinnt von neuem früheres weh
Ihr ist wie sonst dass jede fiber fühlt..
Dass vieles ging · nur gleich im wechsel blieb
Was sie ergreift was sie noch immer sucht.

Tag-Gesang

I

So begannst du mein tag:
Von verheissungen voll
Aus dem kindlichen tale
Ein jauchzen erscholl.

Du ergingst dich in strahlen
Bekränzt und erlaucht
Hast dein schimmerndes haar
Dann in blüten getaucht.

In umschwärmendem chor
Und in zitternder jagd
Nach den wiesen die woge
Nach silber smaragd

So folgen dir froh
Die dein lächeln erkürt..
O mein tag mir so gross
Und so schnell mir entführt!

Tag-Gesang

II

Bewältigt vom rausche noch
        sah ich ihm nach
Er wandte sich dem der ihn
        liebend besprach.

Mein lob sich auf fittichen
        hin zu ihm schwang
Bis ganz ihn im westen
        die wolke umschlang.

Um wen soll ich werben mit
        minderem hall
Da nichts wie Er gross ist und
        nichts wie Er all!

So schritt ich vertrauert und
        horchte mit fleiss
Zu schluchten gebeugt auf ihr
        dunkles geheiss.

Tag-Gesang

III

An dem wasser das uns fern klagt
Wo die pappel sich lind wiegt
Sizt ein vogel der uns gern fragt
Der im laube sich dem wind schmiegt.

Und der vogel spielt leis auf:
Flur und garten sind vom blühn tot
Jedes weiss sich schön im kreislauf.
Sieh die gipfel vor dir glühn rot!

Nur erinnrung lässt als traumsold
Der zu glücklichern seinen zug lenkt
Seiner hand entrieselt traumgold
Das er früh und nur im flug schenkt.

Heb das haupt das sich bang neigt
Ob aus tiefen ein gesicht winkt –
Und so warte bis mein sang schweigt
Und so bleibe bis das licht sinkt.

Nacht-Gesang I

Mild und trüb
Ist mir fern
Saum und fahrt
Mein geschick.

Sturm und herbst
Mit dem tod
Glanz und mai
Mit dem glück.

Was ich tat
Was ich litt
Was ich sann
Was ich bin:

Wie ein brand
Der verraucht
Wie ein sang
Der verklingt.

Nacht-Gesang II

Mich erfreute der flug
Aller tiefdunklen pracht
Aller ernten voll glut
Aller seufzer der nacht

Und von frauen die schar
Die uns lenkend uns fröhnt
Sie im wallenden haar
Sie im tanz erst so schön.

Und der jünglinge chor
Der mich feurig gegrüsst
Deren wort ich belobt
Deren scheitel geküsst.

Erst an euch hab ich spät
Hohe freunde gefühlt
Was uns mählich zerfällt
Und was ewig uns glüht.

Nacht-Gesang III

Sei rebe die blümt
Sei frucht die betört
Dir lieb und gerühmt ..
Nur meide was stört

Was siecht und vermorscht
Was hastet und brüllt..
Von seltnen erforscht
Der menge verhüllt

Begehre das graun
Das schwellt nicht mehr sprengt –
Das schöne zu schaun
Das wärmend nicht sengt

Bis traumstill auf höhn
Der strahl in dir tauscht
In goldnem getön
Dein leben verrauscht.

Traum und Tod

Glanz und ruhm! so erwacht unsre welt
Heldengleich bannen wir berg und belt
Jung und gross schaut der geist ohne vogt
Auf die flur auf die flut die umwogt:

Da am weg bricht ein schein fliegt ein bild
Und der rausch mit der qual schüttelt wild.
Der gebot weint und sinnt beugt sich gern
»Du mir heil du mir ruhm du mir stern«

Dann der traum höchster stolz steigt empor
Er bezwingt kühn den Gott der ihn kor..
Als ein ruf weit hinab uns verstösst
Uns so klein vor dem tod so entblösst!

All dies stürmt reisst und schlägt blizt und brennt
Eh für uns spät am nacht-firmament
Sich vereint schimmernd still licht-kleinod:
Glanz und ruhm rausch und qual traum und tod.


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