Ludwig Fulda
Der Sohn des Kalifen
Ludwig Fulda

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Erster Aufzug

Freier Garten bei dem (nicht sichtbaren) Palaste des Kalifen. Im Hintergrund ein Teil der hügeligen Stadt mit abschließender Gebirgslandschaft. Links ein Kiosk (Wohnung des Kairam). Rechts, die Hälfte der Bühne einnehmend, ein von einem Baldachin überschatteter Altan, mit Teppichen und Polstern reich ausgestattet.

Erster Auftritt.

Kalif (ruht, Siesta haltend, auf erhöhtem Diwan in der Mitte des Altans, umgeben von seinem Hofstaat; darunter) Schehriar, Selmira. Schwarze Sklaven (fächeln ihn mit Pfauenwedeln); Sklavinnen (spielen Laute. Goldene Trinkgefäße und Schalen mit Früchten stehen umher). Kairam (kommt von links hinten. Dann) Hassan, Jussuf.

Kairam (tritt vor den Kalifen; mit tiefer Verneigung).
Herr, Bürger flehen um ein gnädig Ohr.
Als Abgesandte nahen sie . . .

Kalif.                                           Schon wieder!
Die alte Not, die alten Klagelieder!

Schehriar. Sag ihnen, Kairam, daß der Fürst noch ruht
Vom Mittagsmahl. 8

Kalif (seufzend).           Ach nein, führ sie mir vor!

(Kairam ab.)

Schehriar. O Herr, du bist zu liebreich, zu versöhnlich;
Laß mich statt deiner . . .

Kalif.                                     Allerdings, ich bin
Für dieses nimmersatte Volk zu gut;
Jedoch sie hören kann ich immerhin,
Und du besorgst das weitre – wie gewöhnlich.

(Hassan und Jussuf, von Kairam eingeführt, treten vor und verneigen sich mit gekreuzten Armen.)

Hassan. Erhabner Fürst der Gläubigen . . .

Kalif.                                                       Schon recht!
Was habt ihr wieder? Was begehrt ihr? Sprecht!

Jussuf. Erhabenster Kalif . . .

Hassan.                                 Wir sind gesandt . . .

Jussuf. Aus deiner treuen Bürger Mitte . . .

Hassan. Denn höchste Trübsal . . .

Jussuf.                                         Hat uns übermannt . . .9

Hassan. Dich anzugehn . . .

Jussuf.                               Mit unterwürf'ger Bitte . . .

.Hassan Du mögest unserm tief empfundnen Leide . . .

Jussuf. Abhilfe schaffen . . .

Kalif (zu Schehriar gewendet).   Ich versteh' nur nicht –
Warum denn reden immer alle beide?

Schehriar (zu Hassan).
Du hast zu schweigen. (Auf Jussuf deutend.) Dieser spricht!

Kalif (auf Hassan deutend).
Doch der spricht besser.

Schehriar (zu Jussuf).             Dann schweigst du.

Kalif (schneidet Hassan das Wort ab).                       Ihr Kinder,
Wenn euch nicht alles nach dem Kopfe geht,
Habt doch Geduld; ich habe sie nicht minder.
Alt bin ich und gebrechlich, wie ihr seht,
Und ahntet ihr, welch eine schwere Masse
Verfügungen ich jeden Tag erlasse,
Ihr würdet gern bei eurem Leisten bleiben.
Was immer auch am fernsten Ende
Des Reichs geschieht, das geht durch meine Hände;
Voll Schwielen sind sie – nur vom Unterschreiben. 10

Hassan. Wir . . .

Kalif.                 Und worüber wollt ihr euch beschweren?
Was könntet ihr verlangen, was entbehren?
Schon fünfunddreißig Jahre lang
Gebiet' ich als Kalif in Bagdads Mauern;
Viel tausend Klagen mußt' ich überdauern,
Und alles ging am Ende seinen Gang.
Gab ich euch, wie mein Vater, je die Rute?
Und heiß' ich nicht im ganzen Volk der Gute?
Nur allzu mild, zu duldsam ist mein Geist.
Was also wollt ihr denn? Was könnt ihr wollen?

Hassan. Nur eines.

Kalif.                     Was denn?

Hassan.                                   Daß du strenger seist.

Kalif (zu Schehriar).
Wie dünkt dich das, Vezier? Ein neues Wort.

Schehriar. Vor lauter Wohlsein ist ihr Kamm geschwollen.
Folg ihrem Rat! Sei streng und jag sie fort.

Kalif. Nun, wenn du meinst . . . Nur möcht' ich gerne wissen,
Weshalb ich strenger sein soll. Hübscher Spaß!
        (zu Hassan.)
Sag mir, warum bin ich nicht streng genug? 11

Hassan. Herr, glaub nicht, daß dein Volk vergaß,
Wie du's befreit aus bittren Kümmernissen,
Die Wunden, die dein Vater Mamun schlug,
Geheilt und mit dem Balsam deiner Gnade
Wohlstand und Lebenslust, die lang gelähmte,
Zu neuem Sein erweckt. Nur jammerschade,
Daß wir vom Regen in die Traufe kamen.
Du selber thust uns nichts; Gott aber sei's geklagt,
Wie man uns zwickt und zwackt in deinem Namen.

Schehriar. Der Unverschämte!

Kalif.                                     Ja, der Unverschämte.
Doch ganz verständig find' ich, was er sagt.
Drum weiter nur!

Hassan.                     Ach, Herr, ein ganzer Troß
Von lauter kleinen Herrschern schoß
Geschwind empor und saugt an unserm Marke.
Unrecht und Uebermut erhebt sich dreist;
Geschirmt von deiner Nachsicht, höhnt der Starke
Den Schwächeren, bevor er ihn verspeist,
Und . . .

Kalif. Halt! (Zu Schehriar.) Ich will, daß man dies untersuche,
Zur Warnung jedem, der sie drückt und schädigt;
Drum schreib es auf in deinem großen Buche.
Einmal geschrieben, ist's schon halb erledigt. –
Noch etwas, Kinder? 12

Hassan.                           Alles, was uns quält,
Dir zu vertraun hat mich die Wahl getroffen;
Drum sei dir auch das Schlimmste nicht verhehlt.

Kalif. Noch Schlimmeres? Ei, ei, ich will nicht hoffen . . .

Hassan. Laut rief man aus, geschlossen sei der Frieden,
Und heimwärts ziehe mit dem Heeresbann
Der Prinz, dein Sohn . . .

Kalif (mit leuchtenden Augen).     So ist's!

Hassan.                                               Und neue Furcht erfüllt
Die Stadt.

Kalif.
                Wie? Furcht, nicht Freude?!

Hassan.                                                     Freude dann,
Wenn er ein andrer kommt, als er geschieden.

Kalif (in wachsendem Unmut).
Ein andrer?

Hassan.             Ja. Denn kehrt er so zurück,
Wie er schon früh sich hat enthüllt,
Dann hemmt Besorgnis bleiern jedes Glück,
Und flüstern wird man rings in deinen Landen,
Mamun der Schreckliche sei neu erstanden, 13
Grausamer noch im Jähzorn als der Ahn,
Noch heftigeren Lüsten unterthan,
Damit er zwiefach uns bedränge
Mit wilden Flammen ungestümen Sinns.
Drum nochmals flehen wir zu dir. Sei strenge!

Kalif. Streng gegen euch, ihr undankbaren Rotten,
Die frevelnd meiner Langmut spotten!
He, Wein her! Einen Schluck!
        (Sklaven haben ihm schnell einen Becher gereicht, aus dem er trinkt.)
                                              Das kühlt die Galle. –
Wie? Was? Mein Augentrost, mein Zuckerprinz,
Mehr wert am kleinen Finger als ihr alle,
Mein Assad, der allein von sieben Söhnen
Heranwuchs, meines Alters Stolz und Kraft –
Ihm soll ich, eurem sanften Schlaf zu Nutzen,
Die kühnen Falkenflügel stutzen!
Ihn klagt ihr an, da noch die Reiche dröhnen
Von seinem Eisenschritt, da heldenhaft
Er mit den Feinden rang, die uns bedrohten,
Und Sieg auf Sieg verkünden seine Boten –
Ihn klagt ihr an! Noch einen Schluck . . . (Er trinkt.)

Hassan.                                                       Nicht klagen,
Nur bitten wollt' ich . . .

Kalif (zu seiner Umgebung).     Macht ein Ende! Schafft
Die Kerle fort!

(Kairam will Hassan und Jussuf hinwegführen.) 14

Hassan (eindringlicher). O Herr, laß dir noch sagen,
Welch Unheil droht von unsichtbarem Feind!
Der graue Derwisch, welcher nie erscheint,
Wenn nicht ein groß Geschick die Luft durchwittert,
Ward bei der Stadt erblickt.

Kalif (erbleichend; mühsam).
                                        Du lügst! –

Schehriar.                                                 Nun seht!
Vor einem Ammenmärchen zittert
Ihr mehr als vor dem Zorn der Majestät.
Doch wisset: wenn ihr Unheil wollt vermeiden,
Schmückt eure Häuser, laßt die muntre Schar
Der Mädchen sich in Festgewänder kleiden;
Eilt zur Moschee, damit ihr am Altar
Dem Himmel dankt für unverdienten Segen,
Und wenn er naht, dann strömt des Herrschers tapferm Sohn
Mit hellem Cymbelschall entgegen!

(Er bedeutet ihnen durch eine Handbewegung, sich zu entfernen )

Jussuf (im Abgehen, halblaut zu Hassan).
Da haben wir's! Was nun dem Volk berichten?

Hassan. Daß wir uns ducken müssen und verzichten.

Jussuf. Du lieber Gott, das weiß es schon.

(Beide ab.) 15

Zweiter Auftritt

Vorige ohne Hassan, Jussuf.

Kalif (nach einer kleinen Pause, langsam und tonlos).
Der graue Derwisch zeigte sich zuletzt
Vor meines Vaters Tod. –

Schehriar.                             Und lachst du nicht der Sage,
Die nur dies Memmenvolk in Schrecken setzt?

Kalif (wie entrückt).
Ich selbst hab' ihn gesehn am hellen Tage.
Urplötzlich losgelöst aus dem Gewühle
Der Diener trat er zu dem Pfühle,
Auf dem der Kranke schmerzenvoll sich wand.
Kein Mund verriet, von wannen er enttauchte;
Kein Auge hat entdeckt, wohin er schwand . . .

Schehriar. Ein Mensch wie wir, der Feigheit schlau mißbrauchte.

Kalif. Ein Mensch vielleicht – doch nicht wie wir. – Die Haare
Sind silbern, grau wie Asche das Gewand;
Aufrecht wie Felsgestein im Stromeslauf
Trotzt er dem Anprall ungezählter Jahre;
Ihm frohnen Geister, seinen Pfad bewachend . . .
Mamun erkannt' ihn wohl, und heiser lachend
Sah er ihm nach und stand nicht wieder auf. – –
        (In seinem vorigen Ton.) 16
Heda, noch einen Becher! – Mein getreuer
Vezier, trink mit – auf Assads Jugendfeuer!

Schehriar. Dein eigen Feuer ist noch nicht erkaltet.

Kalif. Ganz recht, und wenn man nächstens mich begräbt . . .

Schehriar (mit erhobener Stimme).
Lang lebe der Kalif!

Kalif.                             Laß nur! Veraltet
Ist dieser Wunsch. Ich habe lang gelebt.

Selmira (zu Schehriar, nach links deutend).
Sieh dort! Kennst du den staubbedeckten Reiter,
Der sich vom Roß herabschwingt?

Schehriar.                                         Nein. Doch ja!
Mein Auge trügt nicht. das ist Mustapha.

Kalif. Wär's möglich? Meines Sohnes Kriegsbegleiter
In Bagdad? O, bedeut' es gute Mär'!

Dritter Auftritt

Vorige. Mustapha.

Mustapha (atemlos, von links vorn).
Gottlob, da bin ich, erhabner Kalif.
Erst laß mich gnädigst ein Weilchen verschnaufen.
Mein Gaul ist gelaufen,
Als wäre der Samum hinter uns her. 17
Kein Berg war zu hoch, kein Graben zu tief
Für mich und meinen verwegenen Braunen,
Und daß ich nicht mehrere Hälse brach,
Nachträglich erfüllt mich's mit größtem Erstaunen.

Kalif (in erregter Spannung).
Und Assad, sprich, wo weilt er?

Schehriar (mit andern Mustapha umringend).
                                                Kommt er nach?

Kalif. Schon fast ein Jahr ersehn' ich diese Stunde!
Sag, ist er heil und unversehrt? Und blieb er
Bewahrt vor Husten, Schnupfen, Wechselfieber
Und anderen Gebresten?

Schehriar.                             Gib uns Kunde!

Mustapha. Umsonst nicht mußt' ich so mörderisch eilen.
Nur wenige Meilen
Von hier ward ich zum Vortrab erkoren,
Und ehe der Tag im Westen verglimmt,
Wird, rastlos beflügelt,
Prinz Assad einziehn in Bagdads Thoren.
Auch daß er gesund ist, weiß ich bestimmt;
Denn zweimal hat er mich heut schon geprügelt

Kalif. O Glück! Und blieb der Sieg ihm stetig treu? 18

Mustapha. Will's glauben! Beim Sturm auf feindliche Horden
Ist er fürwahr nicht zahmer geworden;
Die Heere zerstoben vor ihm wie Spreu.
Weh allem, was in die Hände ihm fiel!
Ihm grauste so wenig vor grimmigen Thaten,
Als wäre durch Bäche von Blut zu waten
Und Städte zu plündern ein Kinderspiel.
Was er nicht in die Winde zerstreute,
Was er nicht totschlug und überritt,
Das bringt er mit.
Ihr werdet den eigenen Augen nicht trauen
Beim Anblick der unermeßlichen Beute,
Der mit Juwelen gefüllten Tonne,
Der Sklaven und kriegsgefangenen Frauen;
Darunter ist eine – schön wie die Sonne
Und traurig wie der verschleierte Mond.

Selmira. Ei, nimm den Mund nicht allzuvoll.
Wird Bagdad nur von Häßlichen bewohnt?

Mustapha. Gern will ich jeder, o Herrin, den Zoll
Des Lobes gönnen, der ihr gebührt;
Nur lassen diese sich ohne Beschwerde
Erobern und freien am heimischen Herde.
Doch eine Frau, die man entführt
Nach tapferem Ringen und heißen Gefahren,
Hat für den Krieger besondren Reiz;
Ich meinerseits 19
Mußt' an mir selber es staunend gewahren.
Ein Schätzchen fing ich da draußen mir ein,
Die hat ein Mundwerk – ich schwöre drauf,
Ganz Bagdad weist nichts Aehnliches auf.

Kalif. Wie lang noch soll ich mit des Harrens Pein
Die Lust des Wiedersehens büßen!
Wird nicht auch ihm die kurze Frist
Durch Sehnsucht endlos?

Mustapha.                           Nein, er läßt dich grüßen
Und dir bestellen, daß er wütend ist.

Kalif. Wütend? Mein Assad wütend? Wer ist schuld?

Mustapha. Du weißt, er krankt nicht an Geduld.
Er hatte geglaubt, daß an der Spitze
Des ganzen Hofes du weit ins Land
Entgegen ihm zögest, den Wüstensand
Nicht scheuend und nicht die sengende Hitze.
Nun tobt er wie ein hungriger Tiger,
Und holst du ihn nicht, so will er ein Jahr
Vorm Stadtthor liegen in luftigen Zelten . . .

Kalif. Was denkst du, Schehriar?

Schehriar.                                 Dein graues Haar
Gibt dir die Antwort. 20

Kalif.                               Doch er ist der Sieger.

Schehriar. Und du der Fürst.

Kalif.                                   Nein, er hat Grund zu schelten.

Schehriar. Dem Sohn gehorchen ist nicht Väter Brauch.

Kalif. Da hast du recht; er aber hat es auch!
Hätt' ich gewußt, daß er so hurtig naht . . .
        (Zu den Sklaven.)
Schnell, bringt mir Schwert und Mantel!
        (Einige Sklaven eilen rechts ab.)           Ohne Rasten
Will ich zu ihm; denn meines Alters Lasten
Empfind' ich nicht auf diesem Pfad.
        (Zu Schehriar, der etwas einwenden will.)
Beschlossen ist's. (Zu Mustapha.) Erzähl' mir unterdessen
Noch mehr von ihm! Tritt näher!

(Mustapha steigt auf den Altan und spricht weiter, vom Kalifen begierig angehört. Schehriar und Selmira sind inzwischen herabgetreten und nach vorn gekommen.)

Selmira (zu Schehriar).                         Schon vergessen
Sind deine Dienste; deiner Hand entgleitet
Das schwanke Rohr, das fügsam sich ihr bog,
Seit Assad in die Ferne zog,
Und zweifeln muß ich, ob du's wieder fängst. 21

Schehriar. Was thun, Selmira? Diesen Schwächling leitet
Die blindgeborne Vaterliebe längst
Mit festrer Hand als ich.

Selmira.                               Mein Bruder, deine Macht,
Durch tiefe Wurzeln wäre sie geborgen,
Wenn du dem angebrochnen Morgen
Dich weihtest, statt so bald entschwundner Nacht.

Schehriar. Umwölkt ist dieser Morgen; Blitze schießen
Verderblich auf am Firmament.
Mit einem Assad ist kein Bund zu schließen.

Selmira. Du fürchtest ihn?

Schehriar.                         Ihn fürchtet, wer ihn kennt. –
Doch lieber als mich furchtsam selbst umschränken,
Verlassen will ich diesen Hof.

Selmira.                                     Nein, bleib!
Du sollst nicht Assad weichen, sollst ihn lenken.

Schehriar. Wer könnt' ihn mir bezähmen?

Selmira.                                                   Nur ein Weib.

Schehriar. Noch keine zwang ihn; aber viele warf
Er vor sich in den Staub. 22

Selmira.                                 Und die vergleichst du mir?!
Das thut mein Spiegel nicht, wenn ich verstohlen
In ihm erforsche, was ich wagen darf!

(Die Sklaven haben dem Kalifen Schwert und Mantel gebracht. Seine Fahne ist entfaltet worden.)

Kalif (vom Altan herabschreitend).
Kommt alle nun! Die Fahne nimm, Vezier,
Mit vollem Glanz des Hofs ihn einzuholen.

(Schehriar gehorcht. Alle schließen sich im Zuge dem Kalifen an und folgen ihm, links hinten abgehend. Mustapha bleibt allein zurück.)

Vierter Auftritt.

Mustapha. (Gleich darauf) Amine.

Mustapha (allein).
Nun, Mustapha, besieh dir den Schaden
Im heimischen Lichte! Du, sonst so schlau,
Hast etwas Feines dir aufgeladen.
Zum bösen Prinzen die böse Frau!
Die Sklavin entführt' ich, und nun zur Strafe
Für meinen krieg'rischen Uebermut
Bin ich ihr schnöd behandelter Sklave,
Und was noch schlimmer, ich bin ihr gut,
Ich kann sie leiden, ich sehe sie gern!
Ob ich solch hartes Schicksal verdiene? –
Ein Glück nur, daß sie mir noch fern;
So kann ich ein Stündlein . . .
        (Amine ist von links vorn rasch eingetreten. Er erschrickt heftig.) 23
                                            Potz Wetter – Amine! –
Du bist schon hier?! – Ei, bliebest du nicht
Beim Zuge zurück, wie man dich geheißen?

Amine (losplatzend).
Du Lumpenkerl, du schändlicher Wicht,
Du hofftest vergeblich, mir auszureißen!

Mustapha. Ich – –

Amine.                   Oder leugnest du noch, Bandit?

Mustapha. Mein Kind, ein eiliger Botenritt . . .

Amine. So eilig, daß du ihn mir verschwiegen!
Doch als ich's vernommen von ungefähr,
Hab' ich ein flinkes Maultier bestiegen
Und galoppierte hinter dir her.
Da bin ich.

Mustapha.       Das merk' ich.

Amine.                                   Und weiche nicht mehr
Von deiner Seite! – Das mochte dir passen,
Mich fortzuschleppen im Kriegesgetos
Und kurz vor der Heimkehr sitzen zu lassen.
Nein, Freund, mich wirst du nicht wieder los.

Mustapha. Du bist zu gütig!
Fürwahr, das hätte mir nimmer geträumt, 24
Als ich dich entführte; denn äußerst wütig
Hast du dagegen dich aufgebäumt,
Und jetzt schon ward ich dir unentbehrlich.

Amine (ironisch).
Jawohl, du hast mir grade gefehlt! –
Aus freiem Willen hätt' ich schwerlich
Solch einen Gecken mir ausgewählt.
Warum auch muß es Männer geben!
Möcht' wissen, wozu das frommen soll.
Wie himmlisch könnten wir Frauen leben,
Wär' nur die Erde nicht übervoll
Von lauter bärtigen Ungeheuern.

Mustapha. Du hast den Quell des Unheils erkannt;
Doch diesem verbreiteten Uebelstand
Vermag ich leider nicht zu steuern.
Ich frage vielmehr mit innerem Grauen:
Warum gibt's Frauen?
Ihr seid aus Tücke zur Welt gekommen,
Damit wir erliegen vor eurer Macht.

Amine. Und deshalb hast du mich mitgenommen?

Mustapha (kleinlaut).
Ich habe gedacht,
Du würdest fortan mir das Leben versüßen.

Amine. Ja freilich – verliebten Angesichts 25
Hinsterben und schmachten zu deinen Füßen!
Daraus wird nichts!

Mustapha. Wenn ich es wünschte, so war ich verblendet;
Denn jetzt erkenn' ich, du sanftes Kind:
Dich hat mein guter Engel gesendet.

Amine. Das würde mich wundern.

Mustapha.                                   Mein Glück beginnt!
Hab' ich nur mühsam bis jetzt erreicht,
Bei meinem Prinzen es auszuhalten,
An deiner Seite fällt es mir leicht.
Will künftig die gute Laune mir fliehn,
So denk' ich zur Glättung der Sorgenfalten
Bei ihm an dich, bei dir an ihn.
Wenn du so weidlich gescholten wie heut,
Sind seine Prügel mir fast Erlabung;
Hat er mich ordentlich durchgebläut,
Dann winkt mir deine Redebegabung,
Und so ersehn' ich mir nie vergebens
Abwechslung – den höchsten Reiz des Lebens.

Amine. Du Strolch, ich werde dich lehren zu spaßen!

(Ferne Hochrufe.)

Mustapha (aufhorchend).
Still! Hörst du den Lärm durchhallen die Straßen?
Sie grüßen den Prinzen. 26

Amine.                               Da thun sie was Rechtes!
Entführer, führe mich in dein Haus!

Mustapha. Wie gern, du Zierde deines Geschlechtes;
Doch erst von meinem vergötterten Schatze
Bitt' ich das Eintrittsküßchen mir aus.

Amine. Nein!

Mustapha.     Will doch sehn!

Amine.                                   Laß, oder ich kratze.

Mustapha (hat die Widerstrebende geküßt).
Da hab' ich's dennoch.

Amine (wütend).               Wer ist mein Rächer?

Mustapha. Dein eigener Mund, solang er nicht stockt.

Amine. Nun vorwärts, zeige mir meine Gemächer!

Mustapha (im Abgehen, für sich).
O Himmel, was hab' ich mir eingebrockt!

(Beide ab vorn rechts.) 27

Fünfter Auftritt

(Man hört Hochrufe, die sich mehr und mehr nähern.) Volk (drängt sich winkend in den Garten. Der Zug der) Krieger,(der) Gefangenen (und der Beutestücke, unter welchen eine große, mit Schätzen gefüllte Tonne, kommt von links hinten und stellt sich an der Seite links auf. Unter den Sklavinnen) Morgiane. Assad (in kriegerischer Rüstung, wird zuletzt sichtbar, gefolgt von dem) Kalifen, Schehriar, Selmira, Kairam (und dem) Hofstaat (und kommt zornig nach vorn).

Kalif. Was ärgert dich, mein Söhnchen?

Assad.                                                 An den Galgen
Die ganze Brut!

Kalif.                       Wen meinst du?

Assad.                                               Diese Tröpfe,
Die's wagten, sich im Straßenkot zu balgen
Aus Schaubegier, dem Kote selbst entstammt.
Ein ekler Anblick: Krücken, Buckel, Kröpfe,
Schäbige Kleider, wächserne Gesichter –
Zum Galgen mit dem Kehricht insgesamt!

Kalif. Mein Sohn, dies ist das Volk.

Assad.                                           Zum Galgen, sag' ich,
Mit dem zerlumpten, widrigen Gelichter,
Das mir den Weg vertrat! 28

Kalif.                                     Du mußt bedenken,
Was du verlangst, mein Liebling. Kaum vermag ich
Mein ganzes Volk urplötzlich aufzuhenken,
Und daß es herzlich dir den Willkomm bot,
Dünkt mich ein Frevel, der sich selbst verteidigt.

Assad. Die Augen hat es mir beleidigt!
Schwachmüt'ger Greis, verdient das nicht den Tod?

Kalif (halblaut und bittend).
Sprich vor den Leuten sanfter – mir zulieb!

Assad. Ich spreche so, wie mich der Krieg es lehrte,
Wo ich umschlang, was ich begehrte,
Und was mir lästig wurde, niederhieb.

Kalif. Doch nun ist Friede.

Assad.                               Friede, wenn ich will.
Der freie Renner duldet keinen Zaum.
Drum hoffe nicht, daß meine Wünsche still
Wie zahme Hündlein liegen an der Kette.
Mir ist, als ob ich tausend Leben hätte,
Und jedes fordert seinen Raum.

Kalif. An Raum soll dir's nicht fehlen, gutes Kind.
Mein ganzer Hofstaat zählt zu deinen Knechten. 29

Selmira (ist mit einem Rosenkranz vorgetreten, den eine Dienerin auf ihren Wink ihr gereicht hat).
Ja, hoher Prinz! Und darf nun eine Frau
Zum Preise deines Ruhmes dies Gewind
Von Rosen um die Siegerstirn dir flechten?

Assad. Ei, Possenspiel! Die Stirn ist viel zu rauh,
Selmira, für so weibisch zarten Glanz.
Der Ruhm hat andern Zierat; dunkle Rosen
Seh' ich mit dunklern Locken gerne kosen!
Dort meine Sklavin schmücke mit dem Kranz!
        (Er zeigt auf Morgiane.)

Selmira (halblaut).
O diese Schmach!

Assad.                         Du willst nicht? – So gib her!

(Er nimmt ihr den Kranz aus der Hand und setzt ihn Morgiane auf.)

Schehriar (zum Kalifen).
Mein Fürst, erlaubst du, daß er unbedacht
Die Sitte so verletzt?

Kalif.                             Mich schmerzt es sehr;
Doch wenn's dem wackern Jungen Freude macht . . .

Assad (zu Kairam).
Was sagst du, Kairam, zu dem schmucken Raube?

Kairam. Herr, ein Juwel – dies Mädchen! 30

Assad.                                                   Ja, ich glaube,
Die Mühe lohnte sich, daß aus den Flammen
Ich sie geholt; denn ihrer Väter Schloß
Brach hinter uns mit Mann und Maus zusammen,
Und als gebunden auf mein flinkes Roß
Sie wehrlos, mit gelöstem Haar,
Wild jammernd in des Räubers Antlitz schaute,
Da wußt' ich erst, wie süß die Beute war. –
        (Er geht wieder nach rechts.)
Was steht ihr noch herum und gafft,
Des Staates neunmalweise Lenker?
Im Sattel saß ich, eh' der Morgen graute,
Und Ruhe will ich haben! Geht zum Henker!
        (Er hat den Altan erstiegen und wirft sich auf ein Polster.)
Ah, das thut wohl!

Kalif.                           Mein Assad, schon erschlafft
Von dieses Feiertages Glück und Hast
Sind auch des Alters ungelenke Glieder.
Komm mit mir! Labung winkt uns im Palast . . .

Assad (ohne sich zu rühren).
Geh du allein!

Kalif.                   Wie? Kaum hab' ich dich wieder
Und soll mich von dir trennen?

Assad.                                           Geh und wiege
Dein Alter in den Schlaf; doch mir gefällt
In freier Luft dies schattenkühle Zelt . . . 31

Kalif. Ich bitte dich . . .

Assad.                           Nein, wenn ich einmal liege,
Fürwahr, dann lieg' ich fest.

Kalif (ihm nahetretend, halblaut).   Du zahlst, mein Sohn,
Für heiße Lieb' und Sehnsucht kargen Lohn.
        (Laut zu seiner Umgebung.)
Kommt!

(Er geht rechts vorn ab, gefolgt von Schehriar, Selmira und dem Hofstaat.)

Assad (sich reckend und nachlässig halb aufrichtend).
              Löse mir die Waffen, Kairam! (Kairam gehorcht.)
                                                            Höre!
Bring die Gefangnen mir in sichre Hut;
Doch sieh dich vor, daß nicht der Sklavenbrut
Gewinsel dein gestähltes Herz bethöre.
Sie sollen's fühlen, hart ins Joch gezwängt,
Daß mein ihr Leben ist und über ihnen
Des Richterschwertes Schneide hängt. –
        (Aus Morgiane deutend.)
Nur diese da bleibt hier, mich zu bedienen.

Kairam (zu Morgiane).
Hast du's vernommen?

Morgiane (bejaht mit einer Neigung des Kopfes).

Kairam (flüstert ihr schnell zu). Holdem Liebeswahne
Verfällt, wer dich erblickt hat.

(Er geht mit den Kriegern, Gefangenen u. s. w. ab links vorn.) 32

Sechster Auftritt

Assad. Morgiane.

Assad (ohne seine Lage zu verändern). Morgiane,
Wie Lautenspiel nach hitzigem Gefecht
Behagt mir zur Erquickung deine Nähe.
Hierher zu mir, daß ich dein Auge sehe
Und deinen Atem spüre! So ist's recht;
So lieb' ich's vorm Entschlummern. Du allein
Sollst meine Ruh' bewachen, sollst die Mücken
Verscheuchen und mir leis die Polster rücken. –
Die Schale reiche mir voll Wein. –
        (Sie gehorcht.)
Er schmeckt wie Glut, von deiner Hand kredenzt.

Morgiane. Warum hast du mit Rosen mich bekränzt?

Assad. Warum? – Vermutlich hat's mir so gefallen.

Morgiane. Doch auch die Dornen hast du nicht gespart.
Wohnt denn in deiner Brust da drinnen
Kein menschlich Herz von meines Herzens Art?
Sprach allgewaltig nie zu deinen Sinnen
Das Mitleid?

Assad.               Leere Worte hör' ich hallen
Von vollen Lippen. Setze dich zu mir, 33
Damit dein Arm den Nacken mir umschlinge!
Weißt du auch, was du bist, du schöne Trauer?

Morgiane. Was bin ich noch, wenn nicht ein Teil von dir?

Assad. Du bist mein Schlummerlied im Vogelbauer,
Mein Eigentum, mein Spielzeug, das ich zwinge
Zu jeder süßen Melodei.

Morgiane. Als ich dein eigen wurde, that ich's frei.
Wohl raubtest du mir alles; von den Meinen,
Vom trauten Herde, vom zerstörten Hort
Der Heimat schlepptest du mich fort
Und lachtest über mein verzweifelt Weinen.
Ich, des erschlagnen Fürsten stolze Braut,
Nichts war ich dir und deiner Meute
Als ein begehrenswertes Stück der Beute;
Du nahmst mir alles, hast mir keinen Laut
Des Trostes in das wunde Herz gesenkt,
Und doch, das einzige, was mir geblieben,
Freiwillig hab' ich dir's geschenkt.

Assad. Du wärest sonst kein Weib.

Morgiane.                                     Ich muß dich lieben
Und hasse dich zugleich – du mein Verderben 34
Und du mein Heil! Was ist mit mir geschehn?
Mit Lächeln könnt' ich dich verbluten sehn,
Und jauchzend könnt' ich für dich sterben.

Assad. Haha, du kleine Natter – halb im Traum
Hör' ich dein Zischeln, seh' die weißen Zähne
Bedrohlich blitzen; giftig sind sie kaum,
Und ihre Bisse kenn' ich gut. – Ich wähne,
Du seist von allen, deren Kuß ich trank,
Mir höchste Lust und Kurzweil.

Morgiane.                                       Hab' Erbarmen!
Vor Lieb' und Elend bin ich todeskrank,
Und Lindrung winkt mir nur in deinen Armen.
Du küßtest viele; meines Kusses Feuer
Kennst du allein; denn dir allein gesellt
Verlor ich und gewann ich, was mir teuer.
Ich bin dir Kurzweil, du bist mir die Welt.
Freiheit und Unschuld schwanden hin; mir flucht
Der Geist des Edlen, den dein Schwert entrafft,
Und meine Seele, die durch Thränenbäche
Hindurch verzweiflungsvoll die deine sucht,
Erweckt dir kein Gefühl?

Assad.                                   Gefühl ist Schwäche;
Mich selber fühl' ich nur und meine Kraft.
Triumph nur fühl' ich, wenn im frohen Krieg
Vor meinem Fuß der Feind verhaucht sein Leben, 35
Triumph nur, wenn bei wonnigerem Sieg
Den starren Trotz entwaffnet weiches Beben.
Ich fühle nur: die weite Welt ward mein,
Daß ich sie schlürfen soll wie diesen Wein,
Und fühle, daß die Rose auf den Beeten
Nur für den Kühnen duftet, der sie bricht.

Morgiane. Und die gebrochne wird von ihm zertreten?

Assad. Das ist der Blumen Los.

Morgiane.                               Zertritt mich nicht!
Zertritt mich nicht! Mit stillem Farbenglühn
Will ich zum Dank in deinem Garten blühn,
Will nichts begehren, nichts verlangen,
Als heimlich an dem Herzen dir zu hangen;
Nur schleudre mich nicht fort!

Assad.                                         So sprachen alle. –
        (Sich reckend.)
O, welches Wohlsein durch die Adern rinnt!
Die Sehnen lösen sich gelind,
Und die Gedanken flattern flügelmatt
Schon in des Traumes dämmerige Halle . . .
        (Wie träumend.)
Kein Mitleid, hört ihr! – Plündert mir die Stadt – –
Mein bist du, Morgiane – ganz mein eigen . . .
Die Fliegen – scheuche – mir . . . (Er schläft ein.) 36

Morgiane (nach einer Pause).             Wie ruhig mild
Im Schlaf du lächeln kannst! Ein sanftes Schweigen
Kommt über dich und malt auf deine Züge
Des Friedens täuschend Ebenbild.
Warum nicht Wahrheit ist die schöne Lüge?
Warum ist deine Kraft nur Kraft zum Bösen?
(Sie ergreift einen neben ihm liegenden Dolch.)
Dich töten könnt' ich jetzt, mit diesem Stahl
Mich rächen und die Welt von dir erlösen.
        (Den Dolch hinwerfend.)
Nein, nein, Geliebter, lebe – mir zur Qual!

Siebenter Auftritt.

Vorige. Ein Bettler (Derwisch).

Derwisch (uralter Mann mit schneeweißem, langem Bart und grauem Gewand ist hinten rechts aufgetreten und steht plötzlich neben Morgiane).

Morgiane (fährt zusammen).
Wer kommt . . .? Was willst du hier?

Derwisch.                                               Bring' ich dir Schrecken?

Morgiane. Was führt dich her?

Derwisch.                                 Mein Führer ist der Harm.

Morgiane. Bist du ein Bettler? 37

Derwisch.                               Bettler sind nicht arm;
Ich aber bin es.

Morgiane.               Still! Du wirst ihn wecken.

Derwisch. Der Schlummerlose achtet nicht des Schlummers
Der Glücklichen.

Morgiane.                 Doch fürchte seinen Zorn!

Derwisch. Zu alt, um noch zu fürchten, ward mein Haupt.
Doch du bist jung, und schon aus tiefem Born
Hast du geschöpft den dunklen Trank des Kummers.

Morgiane (betroffen).
Du kennst mich?

Derwisch.                 Alles hat man dir geraubt,
Und dennoch liebst du.

Morgiane.                         Wer hat dir verkündet . . .?

Derwisch. Mein eigner Gram. Es webt aus Seufzern sich ein Band,
Das Menschenseelen rasch verbündet.

Morgiane (mit einem ängstlichen Blick auf Assad, der sich geregt hat).
Sprich leiser! 38

Derwisch.             Nein, mit hocherhobner Hand
Will laut ich rufen in das Ohr des Reichen.
Wach auf und hilf!

Morgiane.                   Dein Leben ist bedroht . . .

Derwisch (lauter).
Wach auf!

Assad (jäh emporfahrend).
                  Wer störte meinen Schlaf?

Derwisch.                                                 Die Not!
Sie wagt an deine goldne Thür zu klopfen.

Assad. Du warst's, Erbärmlicher?

Derwisch.                                   Laß dich erweichen,
Erhöre mich!

Assad.                 Hinweg!

Derwisch.                         Gib einen Tropfen
Von diesem Wein der lechzenden Begier!

Assad. Wo sind die Sklaven?

Derwisch.                             Prinz, erblick' in mir
Dein Volk, das darbt und dürstet. 39

Assad.                                               Noch ein Wort,
So war's dein letztes!
        (Der Derwisch zieht sich zurück und verschwindet hinter dem Altan.)
                                  Weib, du hast's gelitten,
Daß mich ein Bettler weckt?

Morgiane.                                 Ich bat ihn . . .

Assad.                                                               Bitten!
Solche Bewachung konnt' ich wohl entbehren.
Geh, ruf mir Mustapha!

Morgiane.                           Du schickst mich fort?

Assad. Geh, sag' ich, und vollziehe mein Gebot!

Morgiane. Du zürnst mir?

Assad (herrisch).                 Geh!

Morgiane.                                 Wann darf ich wiederkehren?

Assad. Wenn ich es dir befehle.

Morgiane (leidenschaftlich).       Wär' ich tot! (Ab rechts vorn.) 40

Achter Auftritt

Assad. Derwisch. (Dann) Mustapha.

Assad (geht unwillig einmal auf und ab; wie er zurückkehrt, sieht er den Derwisch wieder vor sich stehen; zornig).
Wie?! Du noch hier?

Derwisch.                       O Herr, zerrissen
Von Hunger wird mein Leib. Nur einen Bissen
Gib mir von jener köstlich reifen Frucht!

Assad. Mir aus dem Wege!

Derwisch.                           Herr, des Alters Wucht
Liegt schwer auf mir; laß mich nur Atem holen;
Dann will ich weiterziehn.

Assad (wütend).                       Mir aus dem Wege!

(Er versetzt ihm einen heftigen Stoß, so daß er in die Kniee bricht.)

Mustapha (eilig von rechts vorn).
Du riefst, mein Prinz?

Assad.                               Seit wann bist du so träge?

Mustapha. Schnurstracks, auf blitzgeschwinden Sohlen
Schoß ich hierher. O weh, die Zornesfalten 41
Auf deiner Stirne prophezeien Schläge.
Fang nur gleich an; denn ungern wart' ich drauf.

Assad. Zum Kerker führen sollst du diesen alten,
Schamlosen Bettler!

Mustapha (zum Derwisch, der unbeweglich so verharrt, wie er zusammenbrach).
                                Alterchen, steh auf!

Assad. In Ketten dort erwart' er das Gericht!

Mustapha. Was that er?

Assad.                           Dreist hat er sich eingeschlichen
Und meine Ruh' verkürzt.

Mustapha (nachdem er ihn wiederholt gerüttelt).
                                        Er regt sich nicht.

Assad. So pack ihn fester, daß er's merke . . .

Derwisch (sich plötzlich gebieterisch aufrichtend).
Halt ein! Der Ohnmacht Schatten sind gewichen,
Und wer ihr ungerührter Zeuge war,
Empfange jetzt ein Zeugnis meiner Stärke!
        (Mit feierlicher Würde tritt er Assad gegenüber.)
Prinz Assad, wisse, daß von Menschenhänden
Mir nimmer droht Verletzung noch Gefahr. 42
Der Bettler, dem so schnöde du begegnet,
Ist mächtiger als du. Für die geringsten Spenden,
Für einer Wohlthat kärglichsten Versuch
Hätt' ich dein Haupt verschwenderisch gesegnet;
Nun aber treffe dich mein Fluch!
        (Er erhebt beide Hände wie zur Beschwörung.)
Was du den andern anthust, was durch dein Verschulden
Sie fühlen müssen, alles das von jetzt
Sollst du so gründlich miterdulden,
Als wärst in ihre Seele du versetzt.
Füg' ihnen zu, was immer dir gefällt;
Doch wird's nun auch dein eigen Herz berühren,
Und an dem eignen Leibe wirst du spüren,
Wie's thut. – Leb wohl, du niebesiegter Held! –

(Er verschwindet, während sich die Bühne unter leisem Donner für einen Augenblick verfinstert, hinter dem Altan.)

Neunter Auftritt.

Assad. Mustapha. (Dann) Kairam.

Assad (nach einer kleinen Pause, wie aus einer Betäubung erwachend).
Wo kam der Bettler hin?

Mustapha (ebenso).               Ganz recht, wo kam
Der Bettler hin?

Assad.                     Gib Antwort! 43

Mustapha.                                   Ich vermute,
Daß ihn die Mutter Erde zu sich nahm;
Vielleicht auch flog er in die Luft.

Assad.                                             Du Narr
Hast ihn entwischen lassen!

Mustapha.                               Ich bin starr.
Du selber – bliebest du bei kaltem Blute?
Ich schwöre drauf, das war . . .

(Kairam kommt mit einigen Sklaven von links vorn und will in den Kiosk gehen.)

Assad (sie bemerkend).                       He, sputet euch!
Und ist entflohn. Ich will ihn wieder haben!
Verhöhnt hat mich ein bettelhafter Greis
Weit kann er noch nicht sein. Sucht im Gesträuch;
In allen Winkeln sucht! Ein hoher Preis
Soll den, der ihn mir bringt, begaben.
Nur schnell!
        (Kairam mit den Sklaven ab nach dem Hintergrund.)
                    Was zitterst du?

Mustapha (bebend).                       Herr, frank und frei
Sag' ich: das ging nicht zu mit rechten Dingen;
Das schmeckte sehr nach Zauberei.

Assad. Schweig, Hasenfuß! 44

Mustapha.                         Mit Menschenkraft zu ringen
Ist keine Kunst; sogar vor einem Weib
Wird mir nur selten bange; doch vor Geistern,
Vor Zaubrern, Magiern und Hexenmeistern . . .

Assad (mit wachsendem Aerger).
Schweig, oder du bereust es!

Mustapha.                                 Gott befohlen,
War das ein Fluch! Wenn du am eignen Leib
Täglich empfändest, was du andern thust . . .
O schauerlich!

Assad (wütend).       Genug! Zum letztenmal
Verbiet' ich dir, ein Wort zu wiederholen
Von dem verdammten, hirnverbrannten Wust
Des alten Geiferers.

Mustapha.                     Du bist von Stahl!
Und doch, erwäg' ich diesen Fluch genau,
So scheint mir, daß er dich und dein Betragen
Zur Vorsicht mahnt.

Assad (gibt ihm eine schallende Ohrfeige).
                                Da hast du Vorsicht!

Mustapha (hält sich die Wange).                         Au!

Assad (ist im gleichen Augenblick mit der Hand nach seiner eigenen Wange gefahren).
Au! – Wetter, wer hat mich geschlagen? 45

Mustapha. Da haben wir's!

Assad (sich nach allen Seiten umsehend).
                                  Wer war's? Bei meinem Leben,
Wo steckt der Bube?

Mustapha.                     Sagt' ich dir's nicht gleich?

Assad. Was denn?

Mustapha.             Der Fluch läßt dich den Backenstreich
Mitfühlen, den du mir gegeben.

Assad (die Hand noch immer an der Wange).
Es schmerzt; es brennt . . .

Mustapha (ebenso).                   Ja freilich, deine Hiebe
Sind nicht verzuckert. Ach, dies Ohrensausen!
Spürst du das ebenfalls?

Assad.                                 Ja . . . Nein! Ich bliebe
Nicht, wer ich bin, wenn ich den Wahnwitz glaubte.
Du Feigling hast mit niederträcht'gen Flausen
Die Sinne mir verwirrt. Wie find' ich Klarheit?

Mustapha. Erprobe selbst, ob sich der Fluch behaupte!

Assad. Wie kann ich . . .? 46

Mustapha.                       Zwar, ich bin ein rechter Thor,
Mich so zu opfern; doch als Freund der Wahrheit,
Und um der Neugier heißen Durst zu stillen . . .

Assad. Sprich!

Mustapha.       Füge mir sogleich was Neues zu;
Etwa – zum Beispiel – zupfe mich am Ohr!
Nur nicht zu stark – um unser beider willen!

Assad. Sei's drum! (er thut es.)

Mustapha (wehleidig). O!

Assad (fast gleichzeitig).   O!

Mustapha.                         Auch das empfindest du?

Assad (außer sich).
Elender Spuk! Ich will doch sehn . . . (er faßt ihn heftig bei der Kehle.)

Mustapha.                                               Ach!

Assad (taumelt gurgelnd zurück und sinkt auf die Stufen des Altans).
                                                                  Ach!

Mustapha (sich die Kehle reibend, heiser).
Genügt das Pröbchen dir? Ich meinerseits
Begehre nicht noch weitres Ungemach; 47
Ich bin kein Nimmersatt, und allen Reiz
Verliert, was gar zu maßlos wird genossen.

Assad (aufspringend).
Verruchter Greis, ich werde dir die Possen
Vertreiben! – Hab' ich ihn nur erst zur Stelle,
So würg' ich ihn!

Mustapha.                 Ach Gott, dann würgst du ja
Dich selber mit.

Assad.                     O, mich erstickt die Wut!

Mustapha. Glaub mir, das war ein Magier! Sonnenhelle
Liegt seine Macht vor unsern Blicken da,
Und bist du nicht auf deiner Hut,
So winken dir die schrecklichsten Beschwerden.
Das kann ein hübsches Leben für dich werden!
Wenn ich bedenke, was daraus erwächst,
Daß grade dich ein solcher Fluch behext,
Dich, der von früh bis spät, auf Schritt und Tritt
Den Andern Schlimmes thut – das bißchen Prügel
Rechn' ich natürlich gar nicht mit . . .

Assad (zum Schlag ausholend).
Schurk, deine freche Zunge halt' im Zügel;
Sonst . . .

Mustapha.       Hast du wirklich Mut zu weitren Schlägen? –
Thun dir denn nicht die vorigen noch weh? –
Es wär' mir leid – ausschließlich deinetwegen. 48

Assad (hat bei jedem Satze Mustaphas von neuem ausgeholt; nun läßt er die Hand sinken; in großer Erregung).
Wann that ich andern Schlimmes? Fragt' ich je,
Was etwa sie verdrießt? Um meinen Grimm
Und meine Lust im Thatenstrom zu kühlen –
Weshalb denn leb' ich sonst? Das wäre schlimm?
Und wenn es andre schmerzt, wer heißt sie fühlen?
Wer . . .
        (Kairam und die Sklaven kommen von verschiedenen Seiten zurück.)
              Endlich! Endlich! Habt ihr ihn gefaßt?
Bringt ihr ihn mir?

Kairam (verlegen).
                            Wir suchten allerorten . . .

Assad. Und bringt ihn nicht, Verräter?! Nun so laßt
Mich selber suchen. (Er macht einige rasche Schritte nach hinten.)

(Lautes Stimmengewirr im Hintergrund.)

Mustapha.                     Hör nur – an den Pforten
Welch ein Geschrei?

(Mehrere Sklaven eilen mit allen Zeichen des Schreckens im Hintergrund von rechts nach links über die Bühne.)

Kairam (einen Sklaven aufhaltend).
                                Was gibt's? Was ist geschehn?

Sklave. Herr, Herr, der graue Derwisch ward gesehn
Im Vorhof des Palastes! Weh uns allen! (Ab.)

(Alle, auch Assad, sind erschreckt zusammengefahren.) 49

Mustapha. Der graue Derwisch! – Ihm bist du verfallen,
Mein armer Prinz!

Assad (mit einem entschlossenen Schritt).
                            Ich will . . .

Kairam.                                       Dem folge nicht,
Wenn dir dein Leben lieb!

Assad (einen Moment ratlos, dann mit trotzigem Uebermut).
                                        Wer du auch seist,
Du ränkevoller Plagegeist,
Ich lache dir ins runzlige Gesicht!
Dein Fluch verführt mich nicht zum Ueberdrusse.
Nein, jeden Augenblick, den er vergällt,
Soll alle Süßigkeit der Welt
Mir tausendfach vergüten im Genusse! 50


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