Friedrich II. von Preußen
Das Testament des Königs
Friedrich II. von Preußen

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Ansicht von Sanssouci

Vorbemerkung

Die persönlichen Testamente Friedrichs des Großen vom 11. Januar 1752, vier Jahre vor dem Siebenjährigen Kriege, und vom 8. Januar 1769, sechs Jahre nach diesem, bilden eine Ergänzung zu den gleichzeitigen großangelegten politischen Testamenten von 1752 und 1768. Das von 1769 ist das endgültige, aber es unterscheidet sich von dem ersteren, das der König vor der Niederschrift des zweiten aus dem Archiv zurückgefordert hatte, im wesentlichen nur dadurch, daß es inzwischen erfolgten Todesfällen und Veränderungen Rechnung trägt. Statt seinem 1758 verstorbenen Bruder August Wilhelm hinterläßt Friedrich nun Staat und Herrschaft dessen Sohne, dem nachmaligen König Friedrich Wilhelm II. Auch seine mit kindlicher Liebe verehrte Mutter, seine Lieblingsschwester Wilhelmine von Bayreuth kann er 1769 nicht mehr bedenken, denn sie sind ihm in den Schicksalsjahren 1757 und 1758 entrissen worden. Er selbst ist inzwischen aus dem Daseinskampf Preußens gegen Europa ruhmbedeckt zurückgekehrt, geprüft und bewährt in der härtesten Probe, die einem Herrscher und seinem Volke auferlegt werden konnte, in ganz Europa als Held und als Weiser bewundert oder als Schöpfer einer neuen Großmacht gefürchtet. Seine große Gestalt überragt ganz Europa, aber er selbst ist gealtert und vereinsamt, und als sorgender König und als sorgendes Familienhaupt denkt er an sein Ende. Mit einer Staunen erweckenden Übersichtlichkeit und Eindringlichkeit legt er in seinem politischen Testament Rechenschaft über alle Zweige der Staatsverwaltung und seine politischen Ziele ab, gibt seinem Nachfolger Ratschläge und Richtlinien für die Zukunft. Und mit der gleichen peinlichen Gewissenhaftigkeit und Klarheit verfügt er in seinem persönlichen Testament über seine eigene Habe. Zum erstenmal erfolgt hier der scharfe Schnitt zwischen Staatseigentum und Allodialvermögen, in vollem Gegensatz zu der damaligen patriarchalischen Auffassung, wonach der Herrscher über Gut und Blut seiner Untertanen wie über seinen Privatbesitz verfügen kann. Diese neue Auffassung prägt das Testament von 1769 sogar besonders scharf als Lehre für seine Nachfolger: »Die Staatseinkünfte habe ich stets als die Bundeslade betrachtet, die keine profane Hand anzutasten wagte. Die öffentlichen Einkünfte sind nie für meine eigenen Bedürfnisse benutzt worden. Meine Verwaltung läßt mir also ein ruhiges Gewissen; ich könnte der Öffentlichkeit ohne Scheu Rechnung darüber legen.« Auch hierin ist der große König zum Vorbild für die Zukunft geworden. Darin liegt die hohe geschichtliche Bedeutung dieser Testamente, daß sie uns erkennen lassen, wie aus der Seele eines großen Herrschers, aus seinem stoischen Pflichtbegriff, sich eine ganze Staatsauffassung, ein dauernder Brauch entwickelt, der immer weitere Kreise erfaßt und zum unumstößlichen Gesetz wird, wie aus der kleinen Eichel nach und nach ein mächtiger Eichbaum erwächst, der ganze Geschlechter überschattet und schirmt.

Seine Sparsamkeit und schlichte Bescheidenheit, das Verbot von Leichenprunk stammen aus der gleichen Quelle. Nach seinem bekannten Wort ist der Herrscher nur der erste Diener des Staates, dessen höchste Funktion, und nur deshalb mit unumschränkter Macht ausgestattet, um Recht und Gesetz zur Herrschaft zu bringen, den Staat wehrhaft und blühend zu machen. Alles durch den Herrscher, aber alles für das Volk – das ist das letzte Wort des aufgeklärten Despotismus. Dieser hohe Pflichtbegriff, von seinem strengen Vater ererbt und anerzogen, in einer langen Schule schwerster Verantwortung gefestigt, erfüllt jede Zeile dieser Testamente, wie er der Leitstern der sechsundvierzigjährigen Regierung Friedrichs des Großen bis zu seinem letzten Atemzuge gewesen ist. Und so groß auch der Abstand zwischen dem kleinen Preußen von damals, der Kernzelle des späteren Deutschen Reiches, und der Gegenwart ist, so tiefe Wandlungen Preußen und Deutschland seitdem in Staatsform, Bevölkerungszahl und Wirtschaftsweise durchgemacht haben – dieser Geist unermüdlicher, aufbauender Arbeit, Ordnung, Pflichttreue, Sparsamkeit und opferwilliger Hingabe an die im Staate geeinte Gesamtheit ist nicht veraltet noch der Geschichte verfallen. Er ist eine lebendige Kraft, durch die allein Staaten geschaffen und wiederaufgerichtet werden. Und darum sind diese Testamente des großen Königs auch für die Gegenwart eine flammende Mahnung, die jeder Deutsche beherzigen soll.


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