Friedrich der Große
Aus den Politischen Testamenten
Friedrich der Große

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Regierungssystem

(1768)

Die allgemeine Verwaltung besteht aus 6 Departements: 1. Justiz, 2. Krieg, 3. Finanzen, 4. Handel und Manufakturen, 5. das Kriegskommissariat, 6. auswärtige Angelegenheiten.

Herr von Jariges steht an der Spitze der Justizverwaltung und versieht sein Amt mit vorbildlicher Unbestechlichkeit. Die Gerichte in den Provinzen sind ihm untergeordnet. Alle Zivilprozesse werden nach den Gesetzen entschieden; der Herrscher hat nur die Pflicht, sie in Kraft zu erhalten. Wo es sich aber um Sein oder Nichtsein der Staatsbürger handelt, hat der Herrscher die Urteile nachzuprüfen, damit er die Strenge der Gesetze in allen Fällen mildern kann, wo Gnade am Platze ist.

Alles, was mit dem Kriege zusammenhängt, habe ich stets selbst behandelt; denn ich hielt es für meine Pflicht, Heerführer und Inspekteur zu sein. Will man Ordnung in seinen Geschäften haben, so muß man sich selbst darum kümmern. Und da alles, was das Heerwesen betrifft, von größter Wichtigkeit ist, hielt ich es für meine Pflicht, mir diese Aufgabe vorzubehalten. Ich bin dabei gut gefahren, und ich rate meinen Nachfolgern, es ebenso zu machen, oder sie werden es bald zu bereuen haben. Sagt doch das Sprichwort: »Herrenauge macht die Pferde fett«. Um so mehr kann man sagen: »Herrenauge zwingt die Offiziere, ihre Pflicht zu tun.«

Das Generaldirektorium, das in 6 Departements zerfällt, hat bei uns die Aufsicht über die Finanzen. Ich habe ihm die Sachen von untergeordneter Bedeutung überlassen und nur die Leitung in allen wichtigen Fragen behalten; denn jede Angelegenheit ist in den eigenen Händen am besten aufgehoben.

Das Departement für Handel und Manufakturen ist neu. Ich habe es dem Generaldirektorium angegliedert. Auch hier gebe ich nur die großen Richtlinien an und überlasse die Einzelheiten anderen; denn es ist unmöglich, daß ein Herrscher sich um diese kümmert.

Das Kriegskommissariat ist nur ausführendes Organ. Ich schreibe auch ihm alles vor, was es zu tun hat.

Die auswärtige Politik schließlich umfaßt alle Streitfragen, Chikanen, Unterhandlungen und Staatsverträge mit fremden Mächten. Ich habe den Leitern dieses Departements alle Reichsangelegenheiten überlassen, da sie zu vielen Auseinandersetzungen fuhren und man dabei immerfort auf die alten Verfassungen, Familienverträge, Gesetze und Testamente zurückgreifen muß. Das würde meine ganze Zeit verschlingen, ohne daß ich weit damit käme. Dafür habe ich mir die Hauptgeschäfte der auswärtigen Politik vorbehalten, nämlich die Unterhandlungen mit den Großmächten, die Vertragsschlüsse, die Intriguen (denn ohne sie geht es nicht) und schließlich alles, was zu den Lebensinteressen des Staates gehört.

Friedlich Wilhelm II. als Kronprinz. Bleistiftzeichnung von Menzel.

Ich habe nie einen Ministerrat abgehalten; denn recht besehen, gibt es nichts Schädlicheres. Jede Regierung bedarf eines Systems, und es ist ausgeschlossen, daß viele Köpfe so viele verschiedene Interessen einheitlich zusammenfassen und unverrückbar auf das gleiche Ziel hinstreben können. Anders ein Herrscher, der in seiner Hand alle Zweige der Regierung bereinigt, der sie wie ein Dreigespann Stirn an Stirn lenkt und sie dem vorgesteckten Ziele entgegenführt. Zudem muß man sich darauf gefaßt machen, daß jede Beratung, bei der viele zugegen sind, nie ganz geheim bleibt, daß unter ihren Teilnehmern Männer sind, die sich befeinden oder aus Eigensinn auf ihrer Meinung beharren, und daß somit mehr Nachteil als Vorteil daraus entsteht. Ein Herrscher, der sich auf seine Geschäfte versteht, sie einheitlich zusammenfaßt und richtig rechnet, kommt allein viel weiter als mit allen Ministerräten. Er handelt mit Nachdruck und Tatkraft und wahrt das Geheimnis, was nie geschehen kann, wenn sechs bis sieben Personen zusammenkommen müssen, um sich über einen Entschluß zu einigen. Daraus schließe ich, daß der Herrscher seine Rolle gut studieren muß, damit er imstande ist, selber zu regieren. Das ist in allen Staaten von Vorteil und in unserem unerläßlich, weil wir einen Mittelpunkt brauchen. Die Zweige einer Regierung sind doch eben nur Zweige. Die Minister beschränken sich darauf, den ihnen anvertrauten Teil schlecht und recht zu erledigen; um das übrige kümmern sie sich wenig. Der Herrscher muß also selbst regieren, wenn er dazu fähig ist, oder er muß sich einen Premierminister nehmen, wie es soviele europäische Herrscher und Könige getan haben.

Sehen wir jedoch zu, was dabei herauskommt. Beispiele aus der Geschichte anderer Völker und solche aus unserem eigenen Hause mögen Euch darüber aufklären, wie Ihr Euch zu verhalten habt und was Eure Pflichten fordern. Selten besitzt ein Premierminister die gleiche Autorität wie der rechtmäßige Herrscher. Die meisten haben sie mißbraucht, Richelieu durch Hochmut und Rachsucht, Mazarin durch Eigennutz. Richelieu vollbrachte Großes unter Ludwig XIII. Trotzdem scheint es sicher, daß ein aufgeklärter König, dem naturgemäß die Interessen seines Staats mehr am Herzen liegen, mehr geleistet und er den Krieg gegen Spanien und Deutschland mit größerem Nachdruck geführt hätte. Ludwig XIV. herrschte selbst, und so wurde Frankreich das erste Reich der Welt, bis die geistigen Kräfte des Königs verfielen. Ludwig XV. hatte Premierminister; Fleury war der letzte. Dann wollte der König selbst regieren. Aber seine Trägheit und Lässigkeit machte ihn unfähig dazu, und so schenkte er sein schwankendes Vertrauen bald dem einen, bald dem anderen Minister. Ein elendes Frauenzimmer, die Tochter eines obskuren Lieferanten, beherrschte unter ihm das Königreich. Frankreich hat kein System, jeder Fachminister macht sich sein eigenes zurecht, und der Nachfolger tut das Gegenteil des Vorgängers. Die Wirkungen davon seht Ihr am Vertrag von Versailles, an dem schmachvollen Kriege, den die Franzosen in Deutschland, zur See und in Amerika geführt haben, an ihrer lächerlichen Expedition nach Marokko und den Händeln mit Genf, schließlich in der Unternehmung gegen Korsika.

Die Marquise von Pompadour, unter dem Vorantritt der Schweizer-Garde.

Wollt Ihr einen Blick auf die Geschichte Eures eigenen Hauses werfen, so geht bis auf Georg Wilhelm zurück. Sein Premierminister, Graf Schwartzenberg, verriet ihn. Er hatte weder Truppen, noch Geld, noch ein System; und so berichtet die Geschichte von der Schmach, die ihm Österreich und Schweden antaten, vom Ruin seiner Staaten und der furchtbaren Erniedrigung, in der er lebte. Dann kam der Kurfürst Friedrich Wilhelm, der mit Recht der Große genannt wird, nicht nur, weil er selbst regierte, sondern weil er den Staat wiederherstellte und die festen Grundlagen seiner Größe schuf. Sein Sohn Friedrich I. war ein Schwächling. Er ließ sich von seinen Ministern leiten, besonders vom Grafen Wartenberg. Er erwarb eine Würde ohne Macht, die schwer auf dem Schwachen lastete, seiner Herrschereitelkeit schmeichelte, aber seine Macht nicht vermehrte. Er entvölkerte sein durch den Dreißigjährigen Krieg verwüstetes Land vollends, indem er Truppen und Rekruten im Dienste des Kaisers nach Flandern und Italien sandte. Sein Vater hatte mehr Einsicht und kannte alle Fehler der Verwaltung. Er sah ein, daß er sich zum Wiederaufbau des Staates auch mit den kleinsten Einzelheiten abgeben mußte. Er bevölkerte das durch die Pest verheerte Ostpreußen neu. Er ermunterte den Ackerbau, machte weite Landstrecken urbar, legte die notwendigsten Manufakturen an, brachte Ordnung und Pünktlichkeit in die Einnahmen und Ausgaben. Er eroberte einen Teil von Schwedisch-Pommern mit der Stadt Stettin und brachte sein Heer von den 24 000 Mann, die er vorgefunden hatte, bis zu seinem Tode auf 66 000 Mann.

Diese Beispiele bedürfen keines weiteren Kommentars. Der Grundsatz ist offenbar und handgreiflich: der Herrscher hat die Pflicht und muß sich bemühen, selbst zu regieren. Er soll an der Spitze aller Regierungszweige stehen, vor allem seine Truppen im Kriege selbst führen. Es ist sein Vorteil und der seines Volkes, wenn er dies tut. Auf die Dauer werden die Herrscher, die am fleißigsten, beharrlichsten, systematischsten und in ihren Grundsätzen am unerschütterlichsten sind, den Sieg über ihre Nachbarn davontragen, die ihre Geschäfte nur oberflächlich behandeln und die Zügel der Regierung ihren Ministern überlassen. Denn wie ich wohl schon sagte, bedarf es eines Mittelpunktes, in dem alle Fäden der Regierung zusammenlaufen. Führt nicht alles zum gleichen Zweck, arbeitet nicht alles auf das gleiche Ziel hin, so wird es stets Mängel in der Regierung geben, sei es im Heerwesen, in den Finanzen oder in der äußeren Politik.

Soll ein Fürst selbst regieren?

In einem Staate wie Preußen ist es durchaus notwendig, daß der Herrscher seine Geschäfte selbst führt. Denn ist er klug, wird er nur dem Staatsinteresse folgen, das auch das seine ist. Ein Minister dagegen hat, sobald seine eigenen Interessen in Frage kommen, stets Nebenabsichten. Er besetzt alle Stellen mit seinen Kreaturen, statt verdienstvolle Leute zu befördern, und sucht sich durch die große Zahl derer, die er an sein Schicksal kettet, auf seinem Posten zu befestigen. Der Herrscher dagegen wird den Adel stützen, die Geistlichkeit in die gebührenden Schranken weisen, nicht dulden, daß die Prinzen von Geblüt Ränke spinnen, und das Verdienst ohne jene eigennützigen Hintergedanken belohnen, die die Minister bei allen ihren Handlungen hegen.

Ist es aber schon notwendig, daß der Herrscher die inneren Angelegenheiten seines Staates selber lenkt, um wieviel mehr muß er dann seine äußere Politik selbst leiten, die Allianzen schließen, die ihm zum Vorteil gereichen, seine Pläne selber entwerfen und in bedenklichen und schwierigen Zeitläuften seine Entschlüsse fassen.

Bei dem innigen Zusammenhang zwischen Finanzen, innerer Verwaltung, äußerer Politik und Heerwesen ist es unmöglich, einen dieser Zweige ohne Rücksicht auf die anderen zu behandeln. Sobald das geschieht, fahren die Fürsten schlecht.

In Frankreich regieren vier Fachminister das Königreich: der Finanzminister unter dem Namen des Generalkontrolleurs, der Marineminister, der Kriegsminister und der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Diese vier Könige verständigen und vertragen sich nie. Daher kommen all die Widersprüche, die wir in der französischen Regierung sehen. Eifersüchtig stößt der eine um, was der andere mit Geschick aufbaut. Da gibt es kein System, keinen Plan, der Zufall herrscht, und alles ist in Frankreich der Spielball der Umtriebe am Hofe. Die Engländer erfahren alles, was in Versailles vorgeht. Da gibt es kein Geheimnis, und folglich läßt sich auch keine Politik treiben.

Eine gut geleitete Staatsregierung muß ein ebenso fest gefügtes System haben wie ein philosophisches Lehrgebäude. Alle Maßnahmen müssen gut durchdacht sein, Finanzen, Politik und Heerwesen auf ein gemeinsames Ziel steuern: nämlich die Stärkung des Staates und das Wachstum seiner Macht. Ein System kann aber nur aus einem Kopfe entspringen; also muß es aus dem des Herrschers hervorgehen. Trägheit, Vergnügungssucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Berufe, für das Glück ihrer Völker zu wirken. Solche Herrscher machen sich verächtlich, werden zum Spott und Gelächter ihrer Zeitgenossen, und ihre Namen geben in der Geschichte höchstens Anhaltspunkte für die Chronologie ab. Sie vegetieren auf dem Throne, dessen sie unwürdig sind, und denken nur an das liebe Ich. Ihre Pflichtvergessenheit gegen ihre Völker wird geradezu strafbar. Der Herrscher ist nicht zu seinem hohen Rang erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Verweichlichung dahinlebe, sich vom Marke des Volkes mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seiner Stellung aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, daß er werktätig für das Wohl des Staates arbeite und wenigstens die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite. Er braucht zweifellos Gehilfen. Die Bearbeitung der Einzelheiten wäre zu umfangreich für ihn. Aber er muß ein offenes Ohr für alle Klagen haben, und wem Vergewaltigung droht, dem muß er schleunig sein Recht schaffen. Ein Weib wollte einem König von Epirus eine Bittschrift überreichen. Hart fuhr er sie an und gebot ihr, ihn in Ruhe zu lassen. »Wozu bist du denn König«, erwiderte sie, »wenn nicht, um mir Recht zu schaffen?« Ein schöner Ausspruch, dessen die Fürsten unablässig eingedenk sein sollten.

Wie gekreuzte, mit Lorbeeren durchflochtene Schwerter das Gehäuse des Kompasses tragen, so ruht der preußische Staat auf der Armee, geben Ehre und Ruhm der Nadel des Kompasses die Richtung. So ist auch Macht und Ansehen, Wohlfahrt und Sicherheit des Landes das Ziel, für das der Herrscher seine ganze Kraft einzusetzen hat.


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